Jubiläum der Barmherzigkeit in der Diözese Rottenburg-Stuttgart Herausgegeben vom Bischöflichen Ordinariat Hauptabteilung VIIIa – Liturgie Schriftleitung: Margret Schäfer-Krebs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Dr. Hans Michael Schneider Christoph Schmitt Elisabeth Schmitter Theresia Prokop Marcella Welte OSB Barbara Janz-Spaeth Msgr. Heinrich-Maria Burkard Das ist die Zeit der Barmherzigkeit. Es ist wichtig, dass die Gläubigen sie leben und in alle Gesellschaftsbereiche hineintragen. Vorwärts! Papst Franziskus Fotos: Eckhard Raabe (S. 8, 18), Ilona Scheffbuch (S. 25, 61, 67, 86, 97) Gestaltung: Werbeagentur Know-how, Herrenberg Druck: DS Print, Böblingen Nachbestellungen: [email protected] 3 Inhaltsverzeichnis Vorwort 4 6 Gebete Gebet von Papst Franziskus zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit Gebet zum Jahr der Barmherzigkeit Freie Übertragung des Gebetes von Papst Franziskus nächstenliebe 9 10 Türen öffnen Dritter Advent, Öffnung der Pforte der Barmherzigkeit Herbergsuche im Advent des Heiligen Jahres 2015/2016 Türen öffnen am dritten Advent Bußgottesdienst Bußakt im Jahr der Barmherzigkeit 15 16 20 26 29 39 24 Stunden für den Herrn Nachtwachwanderung zum Thema Barmherzigkeit Abend der Barmherzigkeit Mein Tag der Barmherzigkeit als geistlicher Tag 24 Stunden für den Herrn 43 44 54 62 68 Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Reich an Erbarmen, Bibelarbeit zu Erntedank 73 74 Gesänge Misericordias Domini in aeternum cantabo Deine Barmherzigkeit Gesänge im Gotteslob zum Themenbereich Barmherzigkeit 85 88 90 92 Anhang Kopiervorlage für ausgewählte Schriftworte 93 94 12 14 5 Vorwort Am 11. April 2015 hat Papst Franziskus das Jahr 2016 als außerordentliches Heiliges Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. Damit ist bereits deutlich, worum es ihm mit und in diesem Jahr in besonderer Weise geht: um die Barmherzigkeit Gottes, von der wir leben, die wir an uns selbst erfahren und die wir anderen weitergeben sollen. „Jesus Christus ist das Antlitz der Barmherzigkeit des Vaters.“ Mit diesem programmatischen Bekenntnis beginnt die Bulle, die das Heilige Jahr ankündigt. Gottes Barmherzigkeit ist „das pulsierende Herz des Evangeliums“. Sie ist nicht abstrakt, sondern höchst konkret. Sie hat einen Namen und ein Gesicht, Augen und Ohren, Stimme und Hände. In Jesus von Nazaret, dem einen, zeigt sie sich ganz, sein menschliches Gesicht ist das göttliche Antlitz des Vaters. Und in der Nachfolge Jesu will sie sich in allen zeigen, die seinen Namen tragen und sich zu ihm bekennen – in uns allen. Gottes Barmherzigkeit bezeugen und in die Welt tragen, das ist der Auftrag der Christinnen und Christen. Immer wieder werden der Kirche Menschen geschenkt, in denen deutlich wird, was das heißt und wie das geht. Einer von ihnen ist Martin von Tour, der Patron unserer Diözese. Es fügt sich besonders gut, dass der 1700. Geburtstag des heiligen Martin ins Heilige Jahr der Barmherzigkeit fällt. Sein Gedächtnis verbindet sich untrennbar mit jener berühmten Szene der Mantelteilung, die sich um das Jahr 334 vor dem Stadttor von Amiens ereignet hat. Sie gilt als Inbegriff barmherzigen Handelns und Martin als „Ikone der Nächstenliebe“ (Benedikt XVI.). Martin durfte in dem frierenden Bettler dem Herrn begegnen, und uns erschließt sich der Herr in dem Beispiel, das Martin uns gegeben hat. In unserer Diözese bietet es sich daher an, das Heilige Jahr der Barmherzigkeit mit dem Jubiläum unseres Diözesanheiligen Martin von Tours zu verbinden. 6 In diesem Sinn wollen wir „den Blick auf die Barmherzigkeit… richten“ und hoffen, „dabei selbst zum wirkungsvollen Zeichen des Handelns des Vaters zu werden“. Auch der diözesane Prozess „Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten“ führt in diese Richtung. Er hilft uns dabei, innerkirchliche Verengungen zu überwinden und uns den Menschen in ihrer Lebenswelt, in ihren vielfältigen Erfahrungen, Nöten und Fragen zuzuwenden. Wir werden das Heilige Jahr der Barmherzigkeit und das Jubiläumsjahr des heiligen Martin von Tours in unserer Diözese mit folgenden thematischen Schwerpunkten begehen: • Türen öffnen (Adventszeit) • 24 Stunden für den Herrn (4. und 5. März 2016, Freitag und Samstag vor dem 4. Fastensonntag. An diesem Freitag ist auch der Weltgebetstag der Frauen. Dies sollte in der Planung vor Ort berücksichtigt werden. • Barmherzigkeit setzt Gerechtigkeit voraus (September/Oktober/Erntedank) Mit dieser Arbeitshilfe wollen wir Impulse setzten und Anregungen geben, dieses Heilige Jahr der Barmherzigkeit in den Gemeinden und Gemeinschaften zu feiern und fruchtbar zu machen. Weitere Anregungen und Materialien finden Sie unter http://www.dbk.de/themen/heiliges-jahr http://www.iubilaeummisericordiae.va/content/gdm/de.html www.geistliche-impulse.de Im Vertrauen auf die barmherzige Liebe Gottes begehen wir dieses Heilige Jahr Ihr Weihbischof Dr. Johannes Kreidler 7 Gebete Relief von Gerhard Tagwerker am Bischofshaus in Rottenburg 8 Gebet von Papst Franziskus zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit Herr Jesus Christus, du hast uns gelehrt, barmherzig zu sein wie der himmlische Vater, und uns gesagt, wer dich sieht, sieht ihn. Zeig uns dein Angesicht, und wir werden Heil finden. Dein liebender Blick befreite Zachäus und Matthäus aus der Sklaverei des Geldes; erlöste die Ehebrecherin und Maria Magdalena davon, das Glück nur in einem Geschöpf zu suchen; ließ Petrus nach seinem Verrat weinen und sicherte dem reumütigen Schächer das Paradies zu. Lass uns dein Wort an die Samariterin so hören, als sei es an uns persönlich gerichtet: „Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht!“ Du bist das sichtbare Antlitz des unsichtbaren Vaters und offenbarst uns den Gott, der seine Allmacht vor allem in der Vergebung und in der Barmherzigkeit zeigt. Mache die Kirche in der Welt zu deinem sichtbaren Antlitz, dem Angesicht ihres auferstandenen und verherrlichten Herrn. 10 Du wolltest, dass deine Diener selbst der Schwachheit unterworfen sind, damit sie Mitleid verspüren mit denen, die in Unwissenheit und Irrtum leben. Schenke allen, die sich an sie wenden, die Erfahrung, von Gott erwartet und geliebt zu sein und bei ihm Vergebung zu finden. Sende aus deinen Geist und schenke uns allen seine Salbung, damit das Jubiläum der Barmherzigkeit ein Gnadenjahr des Herrn werde und deine Kirche mit neuer Begeisterung den Armen die Frohe Botschaft bringe, den Gefangenen und Unterdrückten die Freiheit verkünde und den Blinden die Augen öffne. So bitten wir dich, auf die Fürsprache Marias, der Mutter der Barmherzigkeit, der du mit dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes lebst und herrschst in alle Ewigkeit. Amen. 11 Gebet zum Jahr der Barmherzigkeit Freie Übertragung des Gebetes von Papst Franziskus Herr Jesus Christus, du hast uns gelehrt, barmherzig zu sein wie der himmlische Vater. Ihn sehen wir, wenn wir dich sehen. Zeig uns dein Angesicht, dann finden wir Heil. Dein liebender Blick verwandelt die Menschen: Zachäus befreite er aus der Sklaverei des Geldes, die Ehebrecherin aus unguten Bindungen. Er ließ Petrus nach seinem Verrat weinen und versprach dem reumütigen Schächer das Paradies. Dein liebender Blick will auch uns verwandeln, unsere Verstrickungen lösen, und uns in die Freiheit (der Kinder Gottes) führen. Du bist das Angesicht des Vaters. Wenn wir auf dich sehen, schauen wir in dir den unsichtbaren Gott. Seine Größe ist Barmherzigkeit und Vergebung. Seine Allmacht ist die Macht seiner Liebe. Du bist das Angesicht des Vaters. Mache die Kirche zu deinem Antlitz in der Welt, zum Angesicht ihres gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Menschen, die schwach und begrenzt sind, machst du zu deinen Jüngern. Denn du willst, dass sie mitleiden können mit denen, die in Not sind und Hilfe brauchen, die ihren Weg nicht finden, die Sinn und Halt suchen für ihr Leben. 12 Uns alle sendest du als deine Freunde, als deine Zeuginnen und Zeugen in der Welt. Lass uns die Menschen, denen wir begegnen, annehmen, wie du uns angenommen hast. Lass sie erfahren, von Gott erwartet und geliebt zu sein und bei ihm Barmherzigkeit zu finden. Lege uns deinen Geist ins Herz. Dann wird dieses Jahr heilig werden, eine Zeit der Gnade gegen alle Gnadenlosigkeit der Welt, ein Jahr des Erbarmens gegen alle Unbarmherzigkeit, unter der Menschen leiden. Lass uns als Kirche selbst dein Erbarmen spüren, damit wir mit neuer Begeisterung den Armen die Frohe Botschaft bringen, den Gefangenen und Unterdrückten die Freiheit verkünden und den Blinden die Augen öffnen. Darum bitten wir dich, auf die Fürsprache Marias, der Mutter der Barmherzigkeit, der du mit dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes lebst und Leben schenkst in alle Ewigkeit. Amen. Elisabeth Schmitter 13 nächstenliebe du sollst deinen nächsten lieben wie dich selbst ohne abwägen ohne scheuklappen ohne ausweichen ohne ausreden ohne pharisäische engstirnigkeit ohne priesterlichen hochmut erkenne in deinem nächsten wie in einem spiegel die ebenbildlichkeit des schöpfers erkenne und handle mit unbedingtem ungewohntem und unbequemem maß gemessen an der liebe GOTTES selbst AUS: WOLFGANG METZ, DIE LIEBE CHRISTI DRÄNGT UNS. GEDICHTE; ECHTER VERLAG, 2015, S. 29 Die Werke der Barmherzigkeit Gotteslob Nr. 29.3 14 Türen öffnen Dritter Advent Öffnung der Pforte der Barmherzigkeit in St. Eberhard Stuttgart und in folgenden Kirchen unserer Diözese: • Altheim-Heiligkreuztal, Münster St. Anna • Bad Mergentheim, Münster St. Johann Baptist, • Bad Schussenried – Steinhausen, Wallfahrtskirche Schmerzhafte Muttergottes • Bad Wurzach, Gottesberg • Bergatreute, Wallfahrtskirche Maria vom Blut • Bopfingen-Flochberg, Wallfahrtskirche Maria vom Roggenacker • Deggingen, Wallfahrtskirche Ave Maria • Ellwangen, Wallfahrtskirche Unsere Liebe Frau vom Schönenberg • Ergenzingen Liebfrauenhöhe, Krönungskirche und Gnadenkapelle • Esslingen, Münster St. Paul • Gundelsheim-Höchstberg, Wallfahrtskirche Unsere liebe Frau vom Nussbaum • Heilbronn, Deutschordensmünster St. Peter und Paul • Leutkirch, Hauskapelle im Tagungshaus Regina Pacis • Ludwigsburg-Hoheneck, Klosterkirche St. Josef beim Karmel vom göttlichen Herzen Jesu • Neresheim, Abteikirche St. Ulrich und Afra • Rottenburg, Dom St. Martin 16 • Rottweil, Kapellenkirche • Schemmerhofen Aufhofener Käppele, Wallfahrtskirche Schmerzhafte Mutter • Schramberg-Heiligenbronn, Wallfahrtskirche Schmerzhafte Muttergottes • Schwäbisch Gmünd-Rechberg, Wallfahrtskirche Zur Schönen Maria • Spaichingen, Dreifaltigkeitsberg • Ulm-Wiblingen, Basilika St. Martin • Untergröningen, Wallfahrtskirche St. Michael • Untermarchtal, Vinzenzkirche • Uttenweiler-Offingen, Bussen, Wallfahrtskirche Schmerzhafte Muttergottes • Weingarten, Basilika Zum Heiligen Blut • Weikersheim-Laudenbach, Bergkirche Schmerzhafte Muttergottes • Zweifalten, Münster Heiligste Dreifaltigkeit und Muttergottes Nach der Drucklegung dieser Broschüre kann es noch Änderungen an dieser Liste geben.Während des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit ist an diesen Kirchen eine Pforte der Barmherzigkeit ausgewiesen. Ein Faltblatt gibt auch Auskunft zur Verbindung dieser Tür mit dem Ablass. 17 18 19 Herbergsuche im Advent des Heiligen Jahres 2015/2016 Lied „Macht hoch die Tür“ (Gl Nr. 218, 1.4) Der alte volkstümliche Brauch der Herbergssuche im Advent verbindet sich hier mit dem Sinnbild des Heiligen Jahres: der Heiligen Pforte. Sie wird im Petersdom vom Papst feierlich zu Beginn des Heiligen Jahres geöffnet. In der Verkündigungsbulle des Heiligen Jahres nennt Papst Franziskus sie ausdrücklich „Pforte der Barmherzigkeit“. Wie schon im Heiligen Jahr 2000, so hat auch im anstehenden Außerordentlichen Heiligen Jahr, dem Jubiläum der Barmherzigkeit, Papst Franziskus angeregt, in allen Diözesen Heilige Pforten an zentralen und bedeutenden Kirchen zu bestimmen. Dieses geschieht in den Diözesen am 13. Dezember, dem 3. Adventssonntag. Somit wird dieses Symbol der geöffneten Türe überall sichtbar und wahrnehmbar. Letztlich kann jede geöffnete Türe zum Sinnbild für Offenheit, für Geborgenheit, für Sicherheit und Schutz, für Beheimatung und Beherbergung sein. Im Weihnachtsevangelium nach Lukas ist ein kurzer Nebensatz vielsagend: „… weil in der Herberge kein Platz für sie war.“ (Lk 2,7). Hier verbindet sich das Schicksal der Heiligen Familie mit dem Sinnbild des Heiligen Jahres: der geöffneten Türe – der Heiligen Pforte. Gebet „Gegrüßet seist du, Maria“ Der Ablauf der vorliegenden Herbergssuche richtet sich nach der Herbergssuche, wie sie im Gotteslob, Nr. 921 (Diözesanteil Rottenburg-Stuttgart) steht. Einige Familien, aber auch Alleinstehende, tun sich zusammen. Ein Marienbild wird von einem Haus in ein anderes getragen und dort festlich aufgenommen. Beim Eintreffen des Bildes versammeln sich Familienmitglieder und Gäste zu einer Andacht, die im gemeinsamen adventlichen Beisammensein ausklingt. Am folgenden Tag wird das Bild zum nächsten Haus getragen und dort empfangen usw. In jeder „Herberge“ wird ein Platz eigens für das Marienbild hergerichtet und mit Kerzen, Zweigen oder Blumen geschmückt. Eröffnung V Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes A Amen. 20 Hinführung zum Evangelium V Wir sind zusammengekommen, um den alten volkstümlichen Brauch der Herbergssuche miteinander zu feiern. Ein kleiner Nebensatz im Weihnachtsevangelium lässt uns aufhorchen: „Weil in der Herberge kein Platz für sie war.“ Es war hart für Josef und seine hochschwangere Frau Maria, vor verschlossenen Türen zu stehen. Der Messias, Jesus Christus, steht vor verschlossenen Türen. Es ist heute noch genauso hart, vor verschlossenen Türen zu stehen. Papst Franziskus hat vor einigen Tagen die Heilige Pforte im Petersdom in Rom feierlich geöffnet und dieses Heilige Jahr der Barmherzigkeit eröffnet. Dasselbe hat unser Bischof Gebhard in der Konkathedrale in Stuttgart getan. Eine geöffnete Türe ist Einladung und Willkommen, eine verschlossene Türe ist Ausgrenzung und Hartherzigkeit. Hören wir das Evangelium von der Herbergsuche, wie sie uns der Evangelist Lukas schildert: In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war. (Lk 2, 1-7) 21 Es kann nun das Foto einer geöffneten Türe angeschaut werden. Die einzelnen Teilnehmer können ihre Assoziationen dazu austauschen: Eine geöffnete Türe bedeutet für mich … Bei einer verschlossenen Türe empfinde ich … Lied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ (GL 231, 1-3) Betrachtung Maria und Josef sind auf der Suche nach einem Nachtquartier. In der kleinen Stadt Bethlehem wimmelt es von Menschen. Denn das ganze Land hat sich auf den Weg gemacht, weil der römische Kaiser Augustus die Registrierung in die Steuerlisten befohlen hatte – jeder in seiner Heimatstadt. Wir können uns vorstellen, wie es da zugegangen ist. Maria und Josef sind nicht reich, vielleicht hätten sie sonst noch irgendwo gegen viel Geld eine Herberge bekommen. So aber bleibt ihnen nur ein Stall, ein Unterstand für das Vieh, draußen bei den Hirten. Dort kommt der Messias, Jesus Christus, zur Welt. Dieser kleine Nebensatz im Weihnachtsevangelium – weil in der Herberge kein Platz für sie war – hat früher schon Menschen angeregt, darüber nachzudenken, was es bedeutet keinen Platz zu haben, vor verschlossenen Türen zu stehen, abgewiesen zu werden, alleingelassen zu sein. In der Herbergssuche wird das dargestellt. Denn heute ist es nicht anders. Wer abgewiesen wird und vor verschlossenen Türen steht, ist hilflos, allein, Gefahren ausgeliefert, gedemütigt und ausgeschlossen. Wir denken dabei in diesen Wochen vor allem an die unzähligen Flüchtlinge, die buchstäblich vor unserer Haustüre stehen. Wir denken aber auch an die Menschen, die immer schon hier leben und vor verschlossenen Türen stehen, wenn sie Hilfe brauchen, und vor verschlossenen Herzens-Türen stehen, wenn sie einen Mitmenschen suchen, der für sie da ist – niemand macht ihnen die Türe auf: verschlossene Herzen, verstohlene Blicke hinter dem Fenstervorhang. Vielleicht ein bisschen schlechtes Gewissen: man müsste ja, man sollte ja …, aber jetzt nicht, bei 22 dem, bei der nun wirklich nicht, da könnte ja jeder kommen und überhaupt: das sollen doch andere machen. Und es gibt auch solche, die lauthals ihre Mitmenschen belehren, wie sie sich zu verhalten haben, aber vor ihrem eigenen Herzen, vor ihrer eigenen Türe liegt ein mächtiger Riegel. Über dem Eingang mancher alter Klöster steht bis heute der Satz: „Porta patet – cor magis“ – „Die Türe steht offen – noch mehr das Herz“. Darin ist alles zusammengefasst: Aufnahme, Annahme, Gastfreundschaft, Mitmenschlichkeit, Barmherzigkeit. Und wer wäre nicht darauf angewiesen? Wer lebt nur für sich allein und braucht nie die offene Türe des Mitmenschen? Das Heilige Jahr, das Papst Franziskus eröffnet hat, ist der Barmherzigkeit gewidmet. Die Heilige Pforte soll eine offene Türe der Barmherzigkeit sein. Und dieses heilige Symbol soll sich in die Wirklichkeit unseres Lebens einprägen: Ich öffne mich für meine Mitmenschen, ich nehme wahr, wer Hilfe braucht, wer Zuwendung benötigt und sei es nur ein aufmerksames Wort statt teilnahmslosen oder mürrischen Blicken. Ich höre auch das leise, zaghafte Klopfen an meiner Herzenstür. So kann jede Haustüre, ja meine Herzenstüre zur Heiligen Pforte werden und wer durch sie schreitet, empfängt Mitmenschlichkeit und Segen, Heil und Hilfe. Maria und Josef wurden von den Hoteliers und Gastwirten Bethlehems abgewiesen. Sie wussten nicht, dass Maria, sichtbar hochschwanger und auf Hilfe angewiesen, den Messias unter ihrem Herzen trägt. In jedem Menschen, der hilfesuchend vor meiner Türe steht, begegnet mir Jesus Christus selbst: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40), sagt er. Ihn nehme ich auf, wenn ich jemandem meine Türe öffne und ihm Gastfreundschaft, Aufnahme, Schutz und Geborgenheit gebe. Dem Messias selbst geben wir so Herberge. Lied „Wer klopfet an“ (GL 921) oder „O komm, o komm, Immanuel“ (GL Nr. 753) 23 Gebet Offizielles Gebet zum Heiligen Jahr (S. 10 ) Oder: „Angelus“ (GL Nr. 3,6) Fürbitten Bei jeder einzelnen Bitte kann eine kleines Teelicht oder eine kleine Kerze entzündet werden. Es können einzelne Mitfeiernde weitere Bitten anschließen. V Barmherziger Gott, deine Türe steht offen für alle Menschen, dein Herz ist geöffnet für jeden, der Hilfe braucht. Dich bitten wir: V Für die Menschen, die vor verschlossenen Türen stehen und Hilfe brauchen. A Hilf, o Herr und öffne ihnen Türen. V Für die Flüchtlinge bei uns und in aller Welt … A V Für die Familien, die keine Wohnung finden, weil sie Kinder haben … A V Für die Menschen, die verängstigt, hilflos und verzweifelt sind … A V Für die Menschen, die sich vor dir und ihren Mitmenschen verschlossen haben … A V Für unsere Verstorbenen und alle, die um sie trauern … A V Alle unsere Bitten lassen wir einmünden in das Gebet, das der Herr uns selbst zu beten gelehrt hat. A Vater Unser … denn dein ist das Reich … Segensbitte V Gott, am Ende dieser Andacht bitten wir dich um deinen Segen. Dein Sohn Jesus Christus hat den Himmel für uns geöffnet, als er in die Welt gekommen ist. Die Kraft deines Geistes kann verschlossene Herzen und Türen öffnen. Dein Segen umfasst alle und jeden Einzelnen von uns. So segne uns du, der dreieinige und barmherzige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. A Amen. Lied „Maria, Mutter unseres Herrn“ (GL Nr. 530) Pfarrer Dr. Hans-Michael Schneider 24 25 Türen öffnen am dritten Advent „Was ist dort dahinter?“ Ein Angebot für Kinder in den Kirchengemeinden Die Idee: Alle Türen der Kirche sollen geöffnet werden Die Haltung: Der Entdeckungsfreude der Kinder wird Raum gegeben. Das Ziel: Kinder erleben den Kirchenraum bewusster, erfahren Neues und machen in Gemeinschaft eine besondere Erfahrung. Die Leitung: Mitglied aus Pastoralteam oder ehrenamtliche Mitarbeiter aus der Kinder-/Familien-/Jugendarbeit. 1. BEGRÜSSUNG VOR DEM GESCHLOSSENEN HAUPTPORTAL DER KIRCHE Leiter/in: Täglich sehen wir viele verschiedene Türen. Manchmal stehen wir vor einer verschlossenen Tür. Durch manche Türen gehen wir durch. Manchmal hält uns jemand die Tür auf, ein andermal öffnet sich die Tür automatisch, manche Türen muss ich mit eigener Kraft öffnen, manche knallen die Tür einfach zu und manche machen sie gar nicht erst auf. Welche konkreten Tür-Erlebnisse fallen den Kindern ein? Hinter Türen gibt es oft Neues zu sehen und zu entdecken oder Geheimnisse zu lüften – so auch heute, wenn die Türen der Kirche geöffnet werden und man nachsehen kann, was sich dahinter verbirgt. 2. ENTDECKEN DER TÜREN Die Kinder werden aufgefordert allein oder in Kleingruppen alle Türen in und an der Kirche zu zählen. Dazu können sie selbstständig den Kirchenraum erkunden. (Ergänzend möglich: Eine Türe/ein Element der Türe wird von den Kindern abgezeichnet bzw. gemalt). Danach folgt eine kurze Reflexion: Wieviele Türen wurden gezählt? Was ist aufgefallen? Kinder benennen ihre Beobachtungen und die Unterschiede: wie groß, aus welchem Material, an welchem Platz … 26 3. ÖFFNEN DER TÜREN Verschiedene Türen werden gemeinsam aufgesucht und geöffnet. z.B. Eingangstüren zum Kirchenraum, Beichtstuhltüren, Türen zur Empore, zum Glockenturm, zur Sakristei usw. Vorschlag für einen Ablauf an den Türen: 3.1 Persönlicher Eindruck: das gefällt mir; das vermute ich dahinter; das verstehe ich nicht usw. 3.2 Vorwissen/Erlebnisse: das weiß ich darüber; das verbinde ich mit dieser Tür usw. 3.3 Kindgerechte Information durch die Leitung: Bedeutung des Ortes/der Türe: praktisch, liturgisch, historisch 3.4 3.4. Öffnung und Erkundung: Die Türe wird in einem Stillen Moment von einem Kind geöffnet. Jedes Kind geht einzeln über die Schwelle. Der Raum dahinter wird erkundet. Nach einem Signal geht es weiter zur nächsten Türe. Wichtig: Die Türe bleibt geöffnet! 4. DIE KLEINSTE TÜR Es wird eine ruhige und entspannte Atmosphäre geschaffen, z.B. Sitzgelegenheit mit Sitzkissen/ Meditationsschemel/ Decken, Kerzen/Scheinwerfer, ruhige Musik. L Wir sind nun an einer ganz besonderen Türe in der Kirche angekommen. Hinter der kleinsten Tür der Kirche liegt das größte Geheimnis. Kinder können sich dazu äußern. Wo heben wir unsere Schätze auf und die Dinge, die uns wichtig sind? Auch in der Kirche gibt es ein Schatzkästlein. Man nennt es Tabernakel; Es ist die wichtigste Türe, weil sich dahinter unser größter Schatz verbirgt. 27 Die Türe wird auf besondere Weise geöffnet: Kinder bilden einen Halbkreis mit einer Kerze in der Hand. Die Leitung macht eine Kniebeuge und öffnet den Tabernakel. Das Ziborium wird gezeigt. Die Kinder beschreiben, was sie sehen. In diesem Gefäß befindet sich Brot. Es stammt aus der Messfeier. In der Messfeier wird das Brot in den Leib Christi verwandelt. Jesus sagt:„Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern.“ In diesem Brot bin ich immer bei euch. Deshalb ist dieses gewandelte Brot unser kostbarster Schatz. So ist Jesus auch jetzt bei uns. Wir nehmen uns jetzt einen Augenblick Zeit und werden vor Jesus ganz still. Bußgottesdienst Die Impulse sind Vorschläge; sie können ergänzt oder im Blick auf die Situation der Gemeinde aktualisiert werden. Auch die Verteilung der Sprecher/innen ist nur ein Vorschlag. Die Angaben der Liednummern richten sich nach dem Gotteslob. 1. ERÖFFNUNG Orgelvorspiel Lied „Mit Ernst, o Menschenkinder“ (GL 752,1-2) kurze Zeit der Stille Begrüßung und Einführung Wir beten das Vaterunser Lied „Macht hoch die Tür“ (GL 218, 1+4+5/ „Dir sing ich mein Lied“, Nr. 129, 1+4+5) oder „Du öffnest, Herr, die Türen“ (GL 867, 1+3) L Wir bitten Gott um seinen Segen: Gott, öffne uns immer wieder Türen, damit wir Neues entdecken, das uns Kraft gibt. Gott, öffne uns immer wieder Türen, damit wir uns willkommen fühlen. Gott, öffne auch immer wieder die Türe unseres Herzens, damit wir dich empfangen können. Dazu segne uns der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. (Kreuzzeichen) Giveaway: Ansichtskarte von der Kirche oder Foto von einer markanten Tür der Kirche. V Wir beginnen unseren Bußgottesdienst: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. A Amen. V In Piemont soll es in den Bergdörfern immer noch den Brauch geben, dass die Menschen, wenn die Kirchenglocken Weihnachten oder Ostern einläuten, zum Dorfbrunnen laufen und sich die Augen auswaschen. Sie sagen, dass das kalte, klare Wasser allen Schmutz der zurückliegenden Zeit herausspült. So ein Dorfbrunnen kann heute Abend unsere Kirche sein. Den Schmutz der zurückliegenden Zeit herausspülen lassen, dazu haben wir uns versammelt und dazu sind wir in diesem Bußgottesdienst eingeladen. Lied „Mit Ernst, o Menschenkinder“ (GL 752,3-4) Theresia Prokop, Jugendkirche Ravensburg 28 29 Gebet V Herr, unser Gott, du hast uns Menschen nach deinem Bild wunderbar erschaffen und durch die Menschwerdung deines Sohnes noch wunderbarer wieder hergestellt. Reinige die Augen unseres Herzens, damit wir erkennen, wo wir durch Sünde und Schuld dein Bild in uns verdunkeln. Darum bitten wir dich jetzt, in dieser Stunde durch Christus, unseren Herrn. A Amen. 2. VERKÜNDIGUNG UND BESINNUNG V Die Heilige Schrift erzählt die Geschichte von der Erschaffung des Menschen als Abbild Gottes und schildert seine unbefangene Beziehung zu seinem Schöpfer. Doch gleich darauf nennt sie die menschliche Urerfahrung von Sünde und Schuld, von Grenzüberschreitung, Auflehnung und Gewalt, die sich seitdem durch die Welt ziehen. Der biblische Erzähler deutet damit seine Gegenwart. Die Sünde beschädigt die Gemeinschaft mit Gott und die der Menschen untereinander. Gott nimmt den Menschen die Folgen ihrer Entscheidung nicht ab, aber er begleitet ihn auf seinem persönlichen Lebensweg und durch die Geschichte. In diesem Prozess durchdringen sich Unheilsgeschichten und Geschichten der Heilung und der Barmherzigkeit. Lesung aus dem Buch Genesis L Als der Mensch vom Baum gegessen hatte, rief Gott der Herr nach ihm und sprach: Wo bist du? Er antwortete: Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich. Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe? 30 Adam antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben und so habe ich gegessen. Gott, der Herr, sprach zu der Frau: Was hast du da getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt und so habe ich gegessen. Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens. Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse. (Gen 3,9–15) Kurze Stille oder meditative Instrumentalmusik Sprecher/Sprecherin 1: Eine jüdische Legende aus dem 16. Jahrhundert schildert die Erschaffung des Menschen. Der Erzähler verwendet das Bild einer himmlischen Ratsversammlung. Gott befragt die Engel, ob er den Menschen erschaffen solle. Auch dieser Verfasser deutet damit seine Gegenwart. Von der Erschaffung des Menschen Als der Allmächtige, gelobt sei sein NAME, den Menschen erschaffen wollte, versammelten sich alle Engel, dem Höchsten zu raten: "Erschaffe ihn nicht," sprach der Engel der Gerechtigkeit, "streiten wird er mit seinen Brüdern, grausam und hart sein gegen alles Schwache". 31 „Erschaffe ihn nicht,“ sprach der Engel des Friedens, „Deine schöne Schöpfung, die Erde wird er düngen mit Blut“. „Erschaffe ihn nicht,“ sprach der Engel der Wahrheit, „Mit Lüge und List wird er dein Heiligtum entweihen“. So der Rat der Engel. Dann schuf der Höchste, sein NAME sei gepriesen! ein armes, herrliches Geschöpf, den Menschen. . In allen seinen Fehlern war und blieb der Mensch ein Kind der Güte Gottes, Sohn (und Tochter) der Barmherzigkeit, im Leiden geläutert, in Liebe geleitet, und angenommen aus Gnade. Da trat zum Thron des ewigen Vaters die Barmherzigkeit, sein jüngstes, liebstes Kind und seine Knie umfassend sprach sie sanft: Und die Engel? Nicht begreifend den Ratschluss des Höchsten, gepriesen sei sein NAME! Neigten sich schweigend und beteten an. „Schaffe den Menschen nach Deinem Bilde! Und wenn alle Engel ihn verlassen, dann will ich bei ihm sein: Des Schwachen Herz will ich mit Mitleid füllen für den noch Schwächeren. Wenn er vom Pfad des Friedens abirrt, die Wahrheit nicht mehr kennt und die Gerechtigkeit beleidigt, halt ich ihn dennoch bei der Hand und führe ihn zu Dir, o Herr, zurück.“ Nach einer jüdischen Legende aus dem 16. Jahrhundert in: Dorothea Forstner, Renate Becker, Neues Lexikon Christlicher Symbole, S. 22f., Tyrolia Verlag, Innsbruck, 1991 32 Kurze Stille oder meditative Instrumentalmusik Sprecherin/Sprecher 2: Die Schöpfungs- und Heilsgeschichte wird im vierten Hochgebet dankend ins Wort genommen. Darin wird zurückgeschaut auf den Weg der Treue und Barmherzigkeit Gottes durch die Geschichte. Daraus können wir Zuversicht und Hoffnung schöpfen für die Gegenwart und in die Zukunft hinein. Hören wir noch einige Sätze aus dem vierten Hochgebet: 33 „Wir preisen dich, heiliger Vater, denn groß bist du, und alle deine Werke künden deine Weisheit und Liebe. Den Menschen hast du nach deinem Bild geschaffen und ihm die Sorge für die ganze Welt anvertraut. Über alle Geschöpfe sollte er herrschen und allein dir, seinem Schöpfer, dienen. Als er im Ungehorsam deine Freundschaft verlor und der Macht des Todes verfiel, hast du ihn dennoch nicht verlassen, sondern voll Erbarmen allen geholfen, dich zu suchen und zu finden … So sehr hast du die Welt geliebt, heiliger Vater, dass du deinen eingeborenen Sohn als Retter gesandt hast, nachdem die Fülle der Zeiten gekommen war. Er ist Mensch geworden durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria. Er hat wie wir als Mensch gelebt, in allem uns gleich außer der Sünde. Den Armen verkündete er die Botschaft vom Heil, den Gefangenen Freiheit, den Trauernden Freude. Um deinen Ratschluss zu erfüllen, hat er sich dem Tod überliefert, durch seine Auferstehung den Tod bezwungen und das Leben neu geschaffen.“ Kurze Stille oder meditatives Orgelspiel oder Lied: „Kündet allen in der Not“ (GL 221,1-5) Wie pflege ich die Gaben und Fähigkeiten, die Gott mir geschenkt hat? Wie und wo setze ich sie ein? Was motiviert mich dazu? Was hindert mich? Wo sehe ich meinen Platz und meine Aufgaben? Was hilft mir diese anzunehmen und zu gestalten. Was erschwert es mir? Wo habe ich meine Schwächen und Grenzen? Wie nehme ich sie an? Ich bin ein Teil der Schöpfung Gottes. Was tue ich für einen schonenden Umgang mit der Natur und Umwelt? Wie ist mein Konsumverhalten? Wie gehe ich mit den Lebensmitteln um? Stille Kyrie-Ruf, der in der Gemeinde bekannt ist und auswendig gesungen werden kann (GL 154), oder „Gott, heilger Schöpfer aller Stern“ (GL 230,1) 3. IMPULSE ZUR BESINNUNG Sprecherin/Sprecher 1: Gott hat den Menschen nach seinem Bild geschaffen. Was bedeutet mir das für mein eigenes Leben? Für meine Selbstachtung, für meine Würde, für mein Selbstbewusstsein? Wie gehe ich mit meinem Körper und meiner Gesundheit um? Wie mit meinen Vorlieben und Bedürfnissen? 34 Sprecherin/Sprecher 2: Gott hat den Menschen nach seinem Bild geschaffen. Wie ist meine Einstellung zu meinen Mitmenschen? In der Familie, im beruflichen Umfeld, im Freundeskreis, in der Nachbarschaft, im digitalen Netzwerk? Was bestimmt mein Denken über sie und mein Verhalten zu ihnen? Welche Gefühle und Gedanken sind bei mir vorherrschend und maßgeblich? 35 Wie verhalte ich mich in Konfliktsituationen? Wie bemühe ich mich um Klarheit, Ehrlichkeit und um Verständnis? Welche Bedeutung haben für mich Gottes Liebe und Barmherzigkeit? Kann ich sie für mich annehmen? Wie gehe ich mit Niederlagen und Verlusten um? Kann ich Gottes Barmherzigkeit auch anderen zugestehen? Stille Kyrie-Ruf, der in der Gemeinde bekannt ist und auswendig gesungen werden kann, oder „Gott, heilger Schöpfer aller Stern“ (GL 230,1) Sprecherin/Sprecher 1: Gott hat den Menschen nach seinem Bild geschaffen. Welches Bild habe ich von Gott? Wie lebendig ist meine Beziehung zu Gott? Wie gestalte ich diese Beziehung? In welchen Situationen bete ich? Was bedeutet mir die Teilnahme am Gottesdienst? Wo suche und finde ich Gott in meinem Alltag? Wo bringe ich mich freiwillig oder ehrenamtlich ein? Wo tue ich Gutes? Wo liegen zur Zeit meine Prioritäten? Wie verteile ich meine Kräfte? Es gibt viele Anforderungen und Erwartungen, die ich an mich selbst habe und die von außen kommen. Wie gehe ich damit um? Höre ich dabei auf meine innere Stimme und mein Gewissen? 36 Gott reicht mir immer wieder die Hand, er bietet mir einen neuen Anfang. Bin ich offen dafür? Stille Kyrie-Ruf, der in der Gemeinde bekannt ist und auswendig gesungen werden kann, oder „Gott, heilger Schöpfer aller Stern“ (GL 230,1) 4. SCHULDBEKENNTNIS, VERGEBUNGSBITTE UND FRIEDENSGRUSS V Wir schauen auf uns und auf das barmherzige und geduldige Geleit Gottes in unserem Leben. Oft bemerken wir es nicht; es ist uns so selbstverständlich, dass wir nicht darauf achten. Wir denken an die guten Gedanken und Impulse, die wir schnell wieder vergessen oder übergehen. Wir erinnern uns gute Chancen und Möglichkeiten, die wir nicht ergriffen oder die wir abgewiesen haben. Wir bitten Gott um Vergebung und sprechen das Schuldbekenntnis. A Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen … V Der gütige Gott erbarme sich unser, er lasse uns die Sünden nach, er öffne unser Herz für seine Barmherzigkeit und schenke uns seinen Frieden. Geben wir einander ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung. 37 5. ABSCHLUSS UND SEGEN Bußakt im Jahr der Barmherzigkeit V Wir leben alle von der barmherzigen Liebe Gottes, in diesem Vertrauen beten wir wie Jesus uns zu beten gelehrt hat: Vater unser im Himmel… Denn dein ist das Reich… Form A Schwestern und Brüder, lassen wir uns in diesem Heiligen Jahr der Barmherzigkeit berühren von Gottes liebendem Entgegenkommen. Wie ein Kind seine Mutter sucht, wenn es sie aus den Augen verloren hat, so dürfen wir uns Gottes offenen Armem anvertrauen, was auch immer wir getan haben. Wir wollen uns in Stille besinnen und ihm die Hände legen, was unheil ist und durch ihn wieder heil werden kann. [Stille] V Es segne uns Gott, der uns nach seinem Bild erschaffen hat. A Amen. Es begleite uns der Sohn, der uns erlöst hat. A Amen. Es stärke uns der Heilige Geist, der in unsere Herzen ausgegossen ist. A Amen. So segne uns der dreieinige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. V Lasst uns gehen in Frieden. A Dank sei Gott dem Herrn. Lied ,,0 komm, 0 komm, Immanuel“ (GL Nr. 753,1-5) Marcella Welte OSB und Margret Schäfer-Krebs Gott, Du lässt das Leben auch in seiner Endlichkeit Erfüllung erhoffen, doch wir überschreiten unsere Grenzen immer wieder zum Leid deiner Schöpfung. - Gott, deine Barmherzigkeit vereint dich mit uns. Gott, aus deiner Liebe sind wir dir zum Ebenbild geschaffen, doch unseren Brüdern und Schwestern versagen wir oft, barmherzig zu sein wie du, unser aller Vater. - Gott, deine Barmherzigkeit vereint dich mit uns. Gott, dein Herz ist uns unablässig zugewandt, doch oft vertrauen wir nicht dir, sondern nur unseren eigenen Wegen. - Gott, deine Barmherzigkeit vereint dich mit uns. Herr, du bist Gott, der da sein wird für uns, wo wir dich zum Leben brauchen. Du vergibst, wenn wir dich darum bitten. Du richtest uns auf, wenn wir nicht mehr weiterkommen. Du freust dich, wenn deine barmherzige Zuwendung in uns die Freude entzündet. Daher wollen wir Dich ehren und loben. [es folgt das Kyrie] 38 39 Form B Gott hat uns hier versammelt. Durch sein Wort (und in seiner Gegenwart im heiligen Brot) will er uns für das Leben stärken. Mit offenem Herzen wollen wir ihm und untereinander begegnen. Gehen wir in uns und schauen an, wo unser Denken, Tun und Nichttun uns daran hindert, Gottes liebevollen Anblick anzunehmen. [Stille] Herr Jesus Christus, schuldhaftes Handeln lässt uns in eine tiefe Traurigkeit versinken und dich aus dem Blick verlieren. Du, Quelle tiefster Freude, gibst unserem menschlichen Herzen Mut, immer wieder neu zu beginnen. – Herr, erbarme dich. Herr Jesus Christus, voll Unruhe suchen wir glücklich zu werden und missachten dabei die Grenzen des Lebens. Du, Quelle der Gelassenheit, zeigst uns den Weg des Lebens. – Christus, erbarme dich. Herr Jesus Christus, Gewalt prägt unser Leben und trennt die Menschen. Du, Quelle des Friedens, hast die Gewalt überwunden durch deinen Tod und deine Auferstehung. – Herr, erbarme dich. Der allmächtige Gott erbarme sich unser, er lasse uns die Sünden nach und führe uns zum ewigen Leben. A Amen. Form C Bußakt mit Weihrauchspende Anmerkung: Bereitstellen einer Weihrauchschale (zwei bis drei Kohlen, vor Beginn des Gottesdienstes angezündet). Vor dem Altar wird – für alle Mitfeiernden sichtbar – die Weihrauchschale aufgestellt, in der Nähe befindet sich eine kleine Schale mit Weihrauchkörnern. – Die Weihrauchspende als Bußakt tritt in der Messfeier, in der Wort-Gottes-Feier oder in der Komplet an die Stelle des Schuldbekenntnisses. In einem Bußgottesdienst kann sie ihren Ort im Anschluss an die Verkündigung des Wortes Gottes bzw. nach der Predigt haben; beim Aschermittwochsgottesdienst legt sich die Weihrauchspende nach der Predigt und vor der Segnung der Asche nahe. - Der Priester bzw. Leiter(in) des Gottesdienstes (Lt) und Assistenz begeben sich zur Weihrauchschale, um zum Altar oder zum Kreuz gewendet beten zu können. Jeweils zum Ruf legt Lt in die Weihrauchschale eine Inzens auf. Orgel intoniert die Melodie von GL 661,2 oder GL 97 Lt Wie Weihrauch steige unser Gebet auf zu dir, Herr unser Gott, neige dich voll Barmherzigkeit unseren betrübten Herzen zu. Unser Denken, Reden und Tun stellt sich oft zwischen dich und uns. Manche Schuld lastet auf uns, doch du lässt uns frei vor dir stehen, denn du, Gott, du bist heilig, gerecht und barmherzig. Blickst du uns an, schmilzt unser kaltes Herz, wendest du dich uns zu, schaffen wir den neuen Anfang. A Wie Weihrauch steige mein Gebet vor dir auf (GL 661,2 bzw. GL 97) Während der Ruf gesungen wird, wird Inzens aufgelegt. Lt Blick mit uns auf deinen Sohn, du barmherziger Gott und Vater. Ohne Schuld hat er unsere Schuld auf sich genommen, damit wir heil werden. 40 41 Wie Weihrauch sich verzehrt und Wohlgeruch entfaltet, so verzehrte sich sein Leben am Kreuz, gab er es für seine Schwester und Brüder. In seinem Sterben und Tod ist seine unendliche Liebe sichtbar geworden. A Wie Weihrauch steige mein Gebet vor dir auf (GL 661,2 bzw. GL 97) Während der Ruf gesungen wird, wird Inzens aufgelegt. Lt Dein Heiliger Geist durchglühe unser neues Herz voll Liebe. Er treibe uns an, unser Leben miteinander zu teilen im Geist der Versöhnung und des Friedens. Er wohne in uns, bereite unser Herz, barmherzig zu sein wie du barmherzig bist, du, unser Vater. A Wie Weihrauch steige mein Gebet vor dir auf (GL 661,2 bzw. GL 97) Während der Ruf gesungen wird, wird Inzens aufgelegt. Lt Der allmächtige Gott erbarme sich unser, er lasse uns die Sünden nach und führe uns zum ewigen Leben. A Amen. Christoph Schmitt Weitere Ideen zum Thema „Türen öffnen“ können in Anknüpfung an die bestehenden Aktionen und Angebote, die es in dieser Zeit gibt, gestaltet werden. Etwa: • Lebendige Adventskalender • Adventsbazar • Krippenbesuch/„Christbaumloben“ • Aktionen, bei denen Türen für andere geöffnet werden/offen stehen und Gastfreundschaft gepflegt wird. • Sternsinger 42 24 Stunden für den Herrn Nachtwachwanderung zum Thema Barmherzigkeit – auf dem Martinusweg Die Idee der Nachtwanderung ist, sich eine ganze Nacht lang mit anderen auf einen Weg zu machen, im Unterwegs sein für sich meditieren und an bestimmten Stationen der ganzen Gruppe oder aber in kleineren Gruppen den Austausch zu suchen. Die Wegstrecke für eine Nacht-Wach-Wanderung sollte so gewählt werden, dass sie in der Zeit zwischen 21:00 Uhr abends und morgens 6:00 Uhr einschließlich der Zeiten für die Stationen bewältigt werden kann (grob gesagt kann man von 18 bis 20 km ausgehen). Zur Vorbereitung ist es unbedingt erforderlich, den Weg auch am Tag einmal zurückgelegt zu haben (das geht relativ schnell, weil man tagsüber „schneller sieht“); der „Vorlauf“ dient dazu individuell auf den Martinus Weg bezogen die möglichen Stationen zu bestimmen. Am Startpunkt und am Endpunkt der Wanderung braucht es einen Raum, in dem die Gruppe miteinander zu Abend isst bzw. frühstückt. Für unterwegs: Taschenlampen, Rucksack, Mobiltelefon für Notfälle, Karte und Kompass, wetterfeste und wärmende Kleidung sowie gutes Schuhwerk, Gotteslob oder Liedblätter. Beim gemeinsamen Abendessen Es empfiehlt sich, das Abendessen in der Art des bring-and-share-Essens zu gestalten, d.h. bei der Einladung wird jede/r gebeten, etwas an Essen mitzubringen, was für sie / ihn reicht und wovon er / sie mit anderen teilen kann. Getränke (je nach Witterung empfiehlt sich die Wahl von Kalt- oder Heißgetränken) werden von den Organisatoren bereitgestellt. Für das einfach zu haltende Frühstück sorgen die Organisatoren (Kaffee, Tee, Brot, Marmelade, Äpfel) vorher. Das Bereiten des Tisches am Abend wie am Morgen übernehmen die Teilnehmenden. 44 Es empfiehlt sich, nachdem alle eingetroffen sind, eine Vorstellungsrunde zu machen und die Idee, das vorgesehene Programm wie auch den durch die Nacht zu gehenden Weg vorzustellen. Gebet zu Beginn des Abendessens Guter Gott, aus deinen Händen empfangen wir reichlich, was uns zum Leben guttut. Danken wollen wir dir dafür, was du uns zuwendest in den Gütern deiner Schöpfung und in den Menschen, denen wir begegnen. Segne diese Gaben, segne unsere Gemeinschaft, segne diesen Abend und die Nacht, in der wir aufbrechen, uns dem Geheimnis deiner Barmherzigkeit anzunähern. Amen. AUFBRUCH // Verantwortung übernehmen Lied „Vertraut den neuen Wegen“ (GL 860 Diözesanausgabe Rottenburg Stuttgart) Gott, du willst uns Ziel sein und Wegbegleitung. Stärke unsere Entscheidung, aufzubrechen, um anzukommen bei dir und dem Nächsten. Lass uns entschieden eintreten für die Menschen, damit an uns spürbar wird, dass du die Quelle all unserer Kraft bist, 45 aus der wir handeln, dass du uns niemals allein lässt, auch wenn unsere Wege zum Anderen einsam werden. Schenk du uns dazu deinen Geist, der uns bewegt und befeuert. Amen. Wer aufbricht macht erste Schritte. Wer aufbricht, übernimmt Verantwortung, dass der begonnene Weg an ein Ziel kommt. Den ersten Schritt wagen heißt immer auch, aus der Bereitschaft zum Aufbrechen heraus die eigene innere Schwelle zu überwinden. Bevor wir in diese Nacht hinein gehen, nehmen wir in uns wahr, was unsere Motivation ist, was uns bewegt, den ersten Schritt in diese Nacht hineinzusetzen. – kurze Zeit der Stille – Unseren ersten Schritt wollen wir jetzt ganz bewusst setzen und verlangsamen dazu unsere Bewegung: den Fuß, mit dem wir beginnen wollen, setzen wir langsam in Bewegung, heben ihn und setzen ihn sorgsam in die Richtung, in die wir gehen wollen. Nutzen Sie beim Gehen die ersten hundert Meter, um bewusst zu gehen und wenn es möglich ist, beobachten Sie auf Zeit auch Ihren Atem. lässt sich beobachten, wie Menschen auf ihn zukommen, weil seine Botschaft sie zuinnerst berührt. Und wenn Menschen Heilung suchen, dann ist er es, der behutsam, nicht verletzend auf die Menschen zugeht und seine Berührung wird für sie zum Aufrichten ins Leben. Wenn Herta Richter, eine bekannte Lehrerin für Atemheilkunst, sagt, „Eure Hände sind euer Herz“, so lädt uns dies ein, nachzudenken, was uns Berührung im Alltag bedeutet: wo lassen wir uns berühren – wo ist unsere Begegnung mit Menschen für diese eine heilsame Berührung. Entdecken wir im Leben Aufgaben und Herausforderungen, die uns berühren und wozu ‚unsere Hände‘ gebraucht werden? Lässt sich Barmherzigkeit auch sinnlich entdecken? Wie fühlt sich barmherzige Berührung an und was bewirkt sie? Gott, du hast uns Hände gegeben, mit denen wir deine Schöpfung gestalten können. Lass uns diese Werkzeuge nicht missbrauchen, hilf uns, mit ihnen zärtlich und barmherzig zu sein. Darum bitten wir dich in dieser Stunde. ENTSCHEIDEN // den Menschen achten ENTDECKEN // sich berühren lassen Lied: „Gott gab uns Atem“ (GL 468,1.3) Tauschen Sie sich zu zweit oder dritt aus über den Impuls: Berührung ist das, was der Mensch von Anfang an braucht, um seine Umwelt zu erfahren und um sich selbst als lebhaftes Wesen zu spüren. Wer nicht liebevoll berührt wird, dem fehlt so Wichtiges wie Essen und Trinken. Missbrauchende Berührung hingegen schneidet in das Leben eines Menschen unglaublich tief ein. An Jesus 46 Lied „Ich steh vor dir mit leeren Händen“ (Herr GL 422) Glücklich mit einem Menschen zusammen zu leben und sich über jeden gemeinsamen Tag zu freuen, um Gemeinsames zu erleben: das erstreben viele Menschen und sie wollen nicht nur davon träumen. Will ich mir diesen Wunsch erfüllen, brauche ich die gegenseitige Wahrnehmung. Ich will den anderen Menschen anschauen und von ihm angesehen werden. Miteinander zu sprechen bedeutet, voneinander zu wissen und sich anzuerkennen. Nicht 47 immer erfüllt sich der Wunsch auf Dauer, ‚unendlich‘ zusammen zu bleiben. Das Leben macht mich nicht einfach davor gefeit, dass es zwischen mir und dem anderen auch zu Brüchen kommt. Zuweilen zerbrechen meine Beziehungen zu anderen. Lange mag ich es mir nicht eingestehen. Ich glaube, es sei nur vorübergehend, dass ich den anderen nicht verstehe. Eines Tages stehe ich vor einem Scherbenhaufen. Urplötzlich stellt sich etwas zwischen uns. Das Miteinanderreden wird zum Anschweigen und irgendwann kippt es ins Anschreien. Nicht mehr zu verstehen suche ich, vielmehr lasse mich hinreißen von einer inneren Erregung, die mir den Blick trübt. Ich sehe nur noch das Widrige und Schlechte, den Menschen im Andern, der Mensch ist wie ich, achte ich nicht mehr. Argwohn beschleicht mich und wie in einem Wirbel trudle ich immer tiefer hinab in eine ablehnende Haltung, die kein anerkennendes Aufblicken mehr verträgt. Was treibt mich, mich so zu verhalten ohne einen Ausweg zu finden? Warum gelingt mir nicht mehr, den Anderen noch als Du zu achten? Was würde ich an Leben gewinnen, wenn ich meinen Blick aufhellen ließen, indem ich meinem Gegenüber barmherzig begegne und mit einer Leidenschaft, die aus der Liebe zum Nächsten lebt? UNTERBRECHEN // Zeit haben Tauschen Sie sich mit jemanden über Ihre Erfahrungen aus, den Anderen achtungsvoll anzunehmen, selbst wenn die Beziehung gestört ist. Wer barmherzig wirken möchte, braucht von Zeit zu Zeit, regelmäßig, das Unterbrechen seines Tuns, um sich von der Botschaft Christi berühren zu lassen, die barmherzig macht, wie der Vater. Nehmen Sie sich nun in der nächsten halben Stunde die Zeit, für sich in Stille zu sein. Überlegen Sie in dieser Zeit, wie es Ihnen damit geht, zwischen Aktivsein und Betrachtung ein gutes Gleichgewicht zu finden. (Am Ende der Zeit der Stille) Gott, in Jesus hast du mit allen Menschen Gemeinschaft gesucht. Uns fällt es manchmal schwer, einen Mensch bedingungslos anzunehmen, in ihm den Nächsten zu sehen und mit ihm Barmherzigkeit zu teilen, wie du sie uns allen schenkst. Bestärke unser Herz, dass wir aus deiner Liebe handeln. 48 Lied „Du sei bei uns“ (mehrmals singen) (GL 182) Wir bleiben bei dieser Station bewusst eine ¾ Stunde an dem Ort, wo wir gerade sind. Es ist für uns eine Zeit der Stille. Hören Sie den Text aus dem Lukasevangelium 10,39-42: „Sie zogen zusammen weiter und er kam in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn freundlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.“ Dich, Gott, suchen wir, dich, der uns Gutes erweist und uns barmherzig begegnet. Du schenkst uns immer wieder Zeiten, in denen wir den Trott des Alltags unterbrechen. Nimm darin, was uns Sorgen und Unruhe bereitet, 49 schenke uns Geborgenheit, denn wir vertrauen dir, dass in allem deine Zusage wahr ist, dass du wahrhaft der bist, der Ich bin da. WEITERGEHEN // Ansprechen und Zuhören Lied „Bleib mit deiner Gnade bei uns“ (Unterwegs Nr. 97 / Erdentöne Himmelsklang Nr. 64) Hören wir eine Wegbegegnungserzählung nach dem Lukasevangelium (Lk 24). Es waren zwei Männer unterwegs. Sie kamen von Jerusalem. Sie waren enttäuscht und nun wollten sie nach Emmaus gehen. Emmaus ist ein kleines Dorf, zwei Stunden von Jerusalem entfernt. Sie sind von den letzten Tagen mitgenommen und gehen daher langsam, Schulter und Arme hängen mutlos herab. Dass sie niedergedrückt sind, sieht man schon aus einiger Entfernung. Ihr Meister und Freund, Jesus aus Nazareth, wurde hingerichtet. Wie er von Gott redete, das berührte. Wie er die Menschen durch seine Worte heilte, das berührte. – Doch nun sollte alles vorbei sein? Mit gebeugtem Kopf gehen sie und merken es erst, als er da ist, ein Mann, der zu ihnen tritt. Er spricht sie an, spricht sie direkt auf ihre Trauer an – und sie erzählen von ihrem Verlust, von den Hoffnungen, die sich zerschlagen haben, von der Unausweichlichkeit, dass das Leben wieder in die alten Bahnen zurückfällt. Der von Gott als dem Gott des Lebens sprach, der war nun tot. Der da mit ihnen mitgeht, der begann zu sprechen … An dieser Stelle lade ich Sie ein, sich zu dritt auf den nächsten Wegabschnitt zu machen und sich gegenseitig zu erzählen, wo für Sie im Leben Bestärkung, Hoffnungen in Frage gestellt wurden, wo Enttäuschungen ins Leben eindrangen – und wie in diesen Lebensereignissen für Sie Barmherzigkeit erfahrbar wurde. 50 Gott, wie oft sehen wir uns ausweglos, wenn bittere und schmerzhafte Ereignisse in unser Leben einschneiden. Vor der Wirklichkeit möchten wir flüchten, weil wir nicht wissen, wie wir aushalten sollen, wozu uns die Kraft und Orientierung fehlt. Tritt an uns spürbar heran, geh mit auf unserem steinigen Weg. Erwecke den Hoffnungsschimmer neu in uns und nähre uns mit deiner bleibenden Gegenwart. AUSHALTEN // Hinsehen Lied „Bleibet hier und wachet mit mir“ (GL 286/Unterwegs Nr. 209) In seinem Buch über Barmherzigkeit schreibt Kardinal Kasper: „Die Erfahrung von Gottes Barmherzigkeit ist kein billiger Trost und schon gar kein Schwelgen in Gottes Gegenwart. Im Gegenteil, die Mystiker sind immer wieder und oft lange Zeit in die Nacht der Erfahrung der Gottverlassenheit Jesu am Kreuz eingetaucht. Sie haben in der innigsten Gemeinschaft mit Gott auch die Heiligkeit und die Transzendenz Gottes erfahren und waren in der Erfahrung der Gottesferne sich doch seiner Nähe und seiner Gemeinschaft gewiss. Der Weg der Mystik ist ein Pilgerweg, ein Aushalten unter dem Kreuz in der Hoffnung auf die Auferstehung und die Gemeinschaft mit Gott in der Ewigkeit.“ Wir machen alltäglich die Erfahrung, dass Menschen unter Gewalt, Not und Krankheit unendlich leiden. Es scheint wie oft keinen Ausweg zu geben. Uns bedrängt die Frage, wo hier das barmherzige Eingreifen Gottes in seiner Schöpfung noch spürbar ist. Betrachten Sie zu zweit oder dritt, was eine solche Ohnmachtserfahrung für sie bedeutet. Betrachten Sie auch, wie Sie damit umgehen. 51 Gott, manchmal sehen unsere Augen eine Welt, die uns durch Unheil und Not verdunkelt ist. Wir suchen nach Wegen ins Gute, doch oft gehen unsere Lösungen in die Irre. Uns bestürzen Sorgen und Fragen, wo deine Barmherzigkeit bleibt. Hilf uns, dass unsere Augen nicht wegsehen, wo schnelle Lösungen versagen. Steh uns zur Seite, dass wir diese Not aushalten und teilen, berühr unser Herz, dass es sich dem Nächsten hinhalten kann. ABSCHLUSS Lied „Laudate Dominum laudate Dominum omnes gentes“ (GL 394) Wir haben unser Ziel erreicht; der Morgen kündet sich an durch das morgendliche Auftauchen der Sonne. Nehmen wir uns noch einmal Zeit, in der Stille die Stunden und Stationen dieser Nacht zu verinnerlichen. (einige Minuten in Stille verweilen) Du, Allbarmherziger Ein Ziel haben wir erreicht, ein Ziel auf dem Weg des Lebens. Ein Ziel erreicht und gewisser geworden, deiner Zukunft 52 näher zu kommen. Sicher ist unser Schritt, nicht immer, oft tasten die Füße unsicher nach dem Weg. Hoffnung leben wir und Furcht ist doch auch da. Doch darin entfalten sich deine Zusagen an uns. Es ist immer wieder mühselig, doch wir legen Hand an, bauen an der Stadt deines Friedens, formen mit an der neuen Schöpfung, in der du uns leuchtest den Weg, von dem du Anfang und Ende bist, alles in allem. Gib Wege-Mut, sei Weggenossenschaft, schaff Trost und Stütze, bring uns ans Ziel. Dort angekommen lass uns in den Armen liegen, einer mit dem anderen und deine Barmherzigkeit kosten. Lied „Dass Du mich einstimmen lässt in deinen Jubel“ (GL 389) Christoph Schmitt 53 Abend der Barmherzigkeit Ein Abend der Barmherzigkeit ist eine Gottesdienstform, die die eucharistische Anbetung und die Versöhnung mit Gott verbindet. Diese Form ist sehr flexibel und offen gestaltbar. Grundelemente sind: • Gesänge, Lieder und Schriftlesung; • die Aussetzung des Allerheiligsten und die Stille Anbetung; die Möglichkeiten zur Beichte oder zum seelsorgerlichen Gespräch; • Es stehen Personen zur Verfügung, die sich anbieten, mit anderen (oder auch stellvertretend für andere) in deren Anliegen zu beten. Je nach Teilnehmerzahl sollten eine bis zwei Stunden dafür eingeplant werden. Danach kann die Kirche für die stille Anbetung weiter geöffnet bleiben. Ein Abend der Barmherzigkeit öffnet Raum und Zeit für die Einkehr ins eigene Herz. All das, was sich da regt an Sehnsucht nach Heil, nach Versöhnung und Vergebung, nach aussprechen wollen, was niederdrückt und belastet, darf da sein und wahrgenommen werden. Dieser Abend lässt einen nicht allein mit all dem, was auf dem Herzen liegt, sondern ist Zeit mit Gott und Raum der Einkehr bei ihm. Das Verweilen beim Herrn im Zeichen des eucharistischen Brotes kann heilsam berühren, zur Versöhnung öffnen und zur Hingabe an seine Barmherzigkeit ermutigen und so die Erfahrung schenken: Hier darf ich sein mit allem, was zu mir gehört. Gott wartet auf mich mit offenen Armen. Hinweise zur Vorbereitung und Gestaltung: • Bekanntmachen des Abends der Versöhnung • für die Beichtgelegenheit sollten genügend Priester anwesend sein; • für das seelsorgerliche Gespräch, Personen, die darin erfahren sind • ebenso so für das Gebet, um das Besucher bitten. 54 • Geeignete Räumlichkeiten für Beichte, Gespräch und Gebet sollten bereitgestellt und ausgewiesen sein. • Ein Korb mit Schriftworten aus 2 Kor 5,17-21 und Lk 15,11-32 (Schrifttexte vom 4. Fastensonntag; s. Kopiervorlage S. 88) sollte hergerichtet und vor den Ambo gestellt werden, ebenso eine Ablage mit kleinen Kerzen für die Teilnehmenden am Abend der Barmherzigkeit. • Für die Mitwirkenden stehen im hinteren Bereich der Kirche Kerzen bereit, die kurz vor Beginn entzündet werden. • Die Eröffnung kann auf folgende Weise erfolgen: Alle Mitwirkenden sitzen vor Beginn in/vor der ersten Bank. Sie stehen für die Eröffnung auf, gehen in Stille durch den Seitengang nach hinten, nehmen je eine brennende Kerze, ziehen paarweise durch den Mittelgang zum Altarraum. Aufstellung an den Altarstufen, anschließend werden die Kerzen abgestellt: zwei auf dem Altar, die weiteren auf den Altarstufen. Danach gehen die Mitwirkenden zu ihren Plätzen. • Wird nach der gestalteten Zeit des Abends der Barmherzigkeit die Kirche noch längere Zeit oder die ganze Nacht zur Anbetung offen gehalten, sollte dies ebenso bekannt gemacht werden und Personen dafür anwesend sein. • Wenn die Kirche während der ganzen Nacht geöffnet bleibt, kann mit einem gemeinsamen Morgenlob beschlossen werden (z.B. Morgenlob GL 618; Abschluss mit Eucharistischem Segen) Vorschlag für einen Ablauf Vor Beginn und zum Einzug: einstimmende Instrumentalmusik Eröffnung V Wir beginnen im Namen des barmherzigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes A Amen. 55 V Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch. A Und mit deinem Geiste. oder: V Jesus Christus, der uns den barmherzigen Vater verkündet hat, er ist in unserer Mitte und schenkt uns seinen Frieden. A Amen. Begrüßung und Einführung Wenn wir so einen Gottesdienst beginnen, stehen wir nicht auf ‚neutralem‘ Boden, sondern in Gottes Gnade. „Überall, wo Christen sind, muss ein jeder Oasen der Barmherzigkeit vorfinden können“, so schreibt Papst Franziskus in der Verkündigungsbulle zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit. Eine solche Oase soll dieser Abend der Barmherzigkeit sein. Wir hören das Evangelium vom barmherzigen Vater und möchten uns berühren lassen von seiner Liebe zu jedem und jeder Einzelnen von uns. An diesem Abend haben Sie die Gelegenheit zur Beichte, zu einem seelsorgerlichen Gespräch oder Sie können um das Gebet in ihren Anliegen bitten. Hier werden die Mitwirkenden vorgestellt und die Orte benannt, an denen sie bereit stehen, sowie weitere Hinweise zur Organisation und zum Ablauf des Abends gegeben werden. Lied „Meine Zeit steht in deinen Händen“ (GL 841, 1-2) Gebet Ja, Herr, führe du uns Schritt für Schritt. Führe uns heraus aus aller Umtriebigkeit und allen Ausflüchten. Führe uns heraus aus aller Angst vor der eigenen Wahrheit. 56 Führe uns heraus aus dem, was uns bedrängt, was uns herunterzieht und die Freude am Leben nimmt. Führe uns in deine Arme, lass uns aufatmen bei dir. Hilf uns, deiner Barmherzigkeit zu vertrauen und deine Vergebung anzunehmen. Führe uns Schritt für Schritt unter deiner Gnade In einen neuen Morgen. Gib uns ein festes Herz, mach es fest in dir. Amen. Schriftlesung In jener Zeit kamen alle Zöllner und Sünder zu ihm, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf. Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land und es ging ihm sehr schlecht. Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon. Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen und ich komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. 57 Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner. Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und zieht ihm Schuhe an. Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern. Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. (Lk 15,1-3.11-32) 58 Impuls Ankunftsgeschichten sind etwas Spannendes. Beim ersten Moment des Wiedersehens kommen viele Gedanken und Gefühle zusammen und man ist so sensibel für die Untertöne. Was sage ich als erstes? Finde ich die richtigen Worte und den richtigen Ton? Bin ich wirklich willkommen? Darf ich sein, wie ich bin? Ist die alte Geschichte immer noch nicht vergessen? Die Geschichte vom barmherzigen Vater ist auch eine solche Ankunftsgeschichte. Der Sohn weiß nicht, wie sein Vater ihn empfangen wird. Er hat sich schon einen passenden Satz zurechtgelegt: „Vater, ich habe mich gegen dich versündigt.“ Der Vater, er wartet schon lange, ohne zu wissen, ob und wann es ein Wiedersehen geben wird. Sehnsucht ist die Brücke, die beide verbindet: Den einen lässt die Sehnsucht aufbrechen, den anderen in unerschöpflicher Geduld warten. Das Gleichnis vom barmherzigen Vater will auch zu unserer Geschichte werden, auch wir sollen immer wieder und besonders heute Abend erfahren dürfen: Gott sieht mich schon von weitem und kommt mir entgegen, auch mit mir soll es ein Fest der Versöhnung und der Auferstehung geben. Auch ich habe die Möglichkeit ‚in mich zu gehen‘, anzuschauen, was mit mir los ist, wo ich hingeraten bin und was mein Leben blockiert. Heute Abend tun wir das vor dem ausgesetzten Allerheiligsten, das liebevolle, schweigende Warten Gottes wird darin deutlich. Ohne Worte, allein durch seine Gegenwart zeigt Gott uns seine Liebe, die nicht aufrechnet, sondern barmherzig in die Arme schließt Ich darf mich von Gott anschauen lassen, wie ich bin. Ich darf dem Impuls folgen, der sich in meinem Herzen regt. Aussetzung des Allerheiligsten GL 592.1 59 Lied zur Aussetzung: „Mein Herr und mein Gott“ (GL 840 ) Anbetung Nach einer bestimmten Zeit gehen die Mitwirkenden an ihre Orte. Die Gottesdienstbesucher und -besucherinnen haben nun Zeit für das persönliche Beten vor dem Allerheiligsten, das gestützt werden kann durch Musik, Gesang und Schriftworte (Korb mit Versen aus 2 Kor 5,17-21 und Lk 15,11-32 [Schrifttexte vom 4. Fastensonntag]. Ist zunächst eine Zeit der Stille vorgesehen, ist es hilfreich anzusagen, wie lange sie dauern wird. Gleichzeitig besteht Gelegenheit zur Beichte, zum seelsorgerlichen Gespräch und zum fürbittenden gemeinsamen Gebet. Die Teilnehmenden können sich ein Schriftwort aus dem Korb vor dem Ambo holen, ebenso eine kleine Kerze entzünden und auf eine Altarstufe stellen. Nach dieser ‚offenen Phase‘ werden die Gottesdienstbesucher wieder ‚gesammelt‘, dies kann wiederum begleitet werden mit Instrumentalmusik und/oder Gesängen z.B.: „Christus, göttlicher Herr“ (GL 823) „Meine Hoffnung und meine Freude“ (GL 365) „Das Heil der Welt, Herr Jesus Christ“ (GL 498) „Jesus, ich bete dich an“ (GL 949) Vaterunser Jesus hat uns den barmherzigen Vater verkündet mit seinen Worten beten wir: Vater unser … Denn dein ist das Reich … Lied „Größer als alle Bedrängnis“ (GL 854) Falls die Kirche noch längere Zeit oder die ganze Nacht zur Anbetung offen bleibt, sollte ggf. nochmals darauf hingewiesen werden. Die Verweildauer der Gottesdienstbesucher ist selbstbestimmt, es besteht auch die Möglichkeit nach einer gewissen Zeit nochmals in die Kirche zurückzukommen. Der eucharistische Segen mit anschließender Reposition erfolgt zum Abschluss. Margret Schäfer-Krebs Wird der Abend der Barmherzigkeit nun beschlossen, folgt der eucharistische Segen (GL 592.4) und das Allerheiligste wird reponiert. Anschließend Auszug der Mitwirkenden. 60 61 Mein Tag der Barmherzigkeit als geistlicher Tag Barmherzigkeit verbinden wir meist mit konkreten Taten. Eigentlich meint es aber eine Haltung, die sich dann erst im Handeln zeigt. Auch wenn ich gerade nicht herausgefordert bin, barmherzig zu handeln, soll diese Grundhaltung in mir präsent und wirksam sein. Vielleicht ist sie so etwas wie der Kammerton, auf den ich mein Leben in allen seinen Bereichen stimmen lasse. Um die Barmherzigkeit als Lebenshaltung zu spüren und einzuüben, kann es interessant sein, einmal einen ganzen Tag lang bewusst darauf zu achten, den ‚Kammerton Barmherzigkeit‘ herauszuhören aus allem, was an diesem Tag geschieht. Das Wesentliche ist dabei, dass ich spüre: Ich lebe selbst davon, dass Gott mich barmherzig anschaut. Meine eigene Barmherzigkeit ist dann nur das, was ich weitergebe, der Überschuss aus dem Erbarmen, das ich von Gott erfahre. Wenn diese Grundlage fehlt, überfordere ich mich – oder ich werde überheblich. Das Leitwort, das über meinen persönlichen Tag der Barmherzigkeit stehen könnte, heißt deshalb: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ (Lk 6,36). Oder es kann auch heißen: „Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden.“ (Mt 5,7) Ich lasse die beiden Worte auf mich wirken und entscheide mich dann für eines. Ich versuche, es mir einzuprägen oder ich schreibe es auf einen kleinen Zettel und lege ihn in den Geldbeutel oder in den Terminkalender. Barmherzigkeit beginnt – wie jede innere Haltung – mit dem Wahrnehmen. Schauen, was ist, und was ich sehe, liebevoll da sein lassen ohne zu bewerten. Wenn ich die Menschen und die Welt so anschaue, sehe ich mehr, tiefer, anderes als nur die Oberfläche, die oft nur Fassade ist. Eine Fassade, die zusammengehalten wird von der Angst, den Ansprüchen und Erwartungen nicht genügen zu können. Von der Angst, kein Erbarmen zu finden. 62 Wie kann ich meinen Tag der Barmherzigkeit gestalten? Der folgende Vorschlag geht von einer Alltagssituation aus, an irgendeinem Tag, der eben keine besondere Gestalt haben soll. Bewusst ist deshalb kein Element vorgesehen, das nur an diesem Tag vorkommt, auch kein besonderes Gebet, sondern nur eines der beiden Worte Jesu zur Barmherzigkeit (s. o.). Alles soll so verlaufen wie an einem ganz normalen durchschnittlichen (Arbeits-)Tag. Und all dies, was ohnehin geschieht, wird mit dem Blick der Barmherzigkeit angeschaut. (Selbstverständlich kann man den Tag auch ganz anders gestalten!) Am Abend vorher stelle ich mir die Menschen vor, die mir morgen begegnen werden: PartnerIn, Kinder, KollegInnen, ChefIn, NachbarInnen, Eltern, LehrerInnen, ErzieherInnen, VerkäuferInnen, Gemüsehändler, Vereinskameraden… Was immer mich mit ihnen verbindet, ich versuche, wohlwollend und wertschätzend auf sie zu schauen. Dabei wiederhole ich immer wieder das Leitwort, das mich an diesem Tag begleiten soll. Beim Aufwachen rufe ich mir in Erinnerung, dass heute ein besonderer Tag ist, mein Tag der Barmherzigkeit. Ich stelle ihn bewusst unter mein Leitwort. Der erste Mensch, mit dem ich zu tun habe und der meine Barmherzigkeit braucht, bin ich selbst. Ich schaue in den Spiegel, ein verschlafenes, unsortiertes Gesicht schaut mich an. Das bin ich, ein Mensch, der für Gott liebenswert ist. Ich nehme mir Zeit, mich mit diesem Gedanken anzuschauen. Ebenso schaue ich die Menschen an, die zu mir gehören. Gottes Barmherzigkeit umgibt sie, was immer sie tun oder nicht tun: der ungeduldige Partner, die trödelnden Kinder, die zickige Fünfzehnjährige … Das Leitwort begleitet mich dabei. 63 Unterwegs begegnen mir Menschen. Ich schaue sie an und versuche wahrzunehmen, wie es ihnen geht: Sind sie müde, angespannt, ängstlich, gut gelaunt, erwartungsvoll? Was hat der wohl vor sich, der es so eilig hat und unsinnig überholt? Und der, die mich bereitwillig einfädeln lässt? Sie alle sind Menschen, die vom Erbarmen Gottes leben. Und die darauf angewiesen sind, dass auch Menschen barmherzig mit ihnen umgehen. In Gedanken wiederhole ich immer wieder mein Leitwort. Bei der Arbeit behalte ich diesen Blick bei. KollegInnen, KundInnen, SchülerInnen… sind, wie sie sind, und dürfen sein, wie sie sind. Auch ich darf sein, wie ich bin. Meine Stärken und Schwächen haben ihren Ort unter den barmherzigen Augen Gottes. Deshalb darf auch ich barmherzig sein mit mir selbst und mit allen anderen. Das Leitwort begleitet mich dabei. In der Mittagspause bettelnde Menschen, die auf dem Gehweg hocken. Woher sie kommen? Welche Wege sie hierher geführt haben? Was brauchen sie – außer den Groschen, um die sie betteln? Ich kann Blickkontakt riskieren, mein Blick gibt ihnen Ansehen. Was geschieht in mir, wenn sie mich anschauen? Ich begegne Menschen, die offensichtlich einen weiten Weg hierher hatten, auf der Flucht vor Gewalt, Verfolgung, Chancenlosigkeit, Hunger, Armut… Wer von uns kann ermessen, was sie hinter sich haben, und wer kann beurteilen, ob sie Asyl ‚verdienen‘? Das Leitwort begleitet mich bei allen Begegnungen. Beim Einkaufen achte ich auf die Verkäuferin, die Kassiererin, die Frau mit Kopftuch, die den Supermarkt putzt. Bewältigen sie das Pensum, das sie schaffen müssen? Sind sie unter Zeitdruck? Was strahlen sie aus? Ob sie wohl von ihrem Verdienst leben können? Ich versuche, sie mit den Augen Gottes anzuschauen. Vielleicht habe ich das Bedürfnis, ein persönliches Wort zu sagen, das ihnen gut tut. 64 Barmherziges Verhalten und Handeln führt auch zu gerechteren Strukturen. Das, was ich sowieso kaufe, kann ich vielleicht als Fair trade-Produkt kaufen (Kaffee, Kakao, Zucker, Bananen, Süßigkeiten, kleine Geschenke…) und auf der Verpackung die Infos über die Produzenten lesen. Das Shirt, das mir gefällt und das so supergünstig ist – für mich mag es ein Schnäppchen sein, aber wer muss dafür bezahlen? (Bei teureren Artikeln weiß ich auch nicht, ob sie mit Hungerlöhnen hergestellt worden sind, bei billigen weiß ich es definitiv.) Was geht mir in solchen Situationen durch den Kopf? Wie verhalte ich mich und wovon lasse ich mich dabei leiten? Vielleicht versuche ich, auf einen verlockenden Spontankauf zu verzichten. Ein barmherziger Blick ist achtsam für die gesamte Schöpfung. Auch Tiere – Haustiere, Nutztiere und solche, die lästig werden können – sind Mitgeschöpfe, uns anvertraut, damit wir miteinander und voneinander leben. Ebenso Pflanzen, Böden, Wasser, Luft. Auch die Schöpfung braucht meinen liebevollen, fürsorglichen, barmherzigen Umgang. Heute will ich bewusst darauf achten (Ressourcenverbrauch, Müll, Chemikalien, allgemeines Konsumverhalten…). Immer wieder rufe ich mir mein Leitwort in Erinnerung. Auf dem Heimweg wieder viele Menschen, die es eilig haben. Vielleicht wartet zu Hause noch viel Arbeit? Kinder abholen, Hausarbeit, Enkel betreuen, alte Eltern versorgen, ein Fortbildungskurs in der VHS, Chorprobe, Sport… Wieder ein Tag, der zu kurz ist, um alle Verpflichtungen unterzubringen – und zu voll, um alles gut zu machen. Wieder wird Barmherzigkeit gebraucht. Am Abend nehme ich mir Zeit, auf meinen Tag der Barmherzigkeit zurückzuschauen. Was ist mir dabei in Erinnerung geblieben? Welche Bilder, Stimmen, Situationen, Begegnungen … tauchen auf? 65 Wann habe ich selbst meine Barmherzigkeit gebraucht? Habe ich sie mir gegeben oder verweigert? Wo ist es mir ohne Überwindung gelungen, barmherzig zu sein? In welcher Situation ist mir dies schwergefallen? Zum Abschluss bitte ich Gott, mit Erbarmen auf meinen Tag der Barmherzigkeit zu schauen, auf alles, was sich an diesem Tag ereignet hat, und auf alle Menschen, mit denen ich zu tun hatte. Zitate von Kardinal Kasper: Geld in den Klingelbeutel hineinzutun ist besser, als nichts zu tun, aber die Barmherzigkeit schaut dem anderen auch ins Auge. Zeit haben ist ein großes Werk der Barmherzigkeit in unserer aufgeregten Welt. Sonst wachsen geistige und geistliche Armut, Beziehungsarmut, Orientierungslosigkeit. http://www.zeit.de/2013/51/barmherzigkeit-kardinal-walter-kasper Elisabeth Schmitter 66 67 24 Stunden für den Herrn Ein Experiment für Jugendgruppen, Firmgruppen oder Schulklassen Die Idee Jugendliche erleben 24 Stunden mit einer selbst gewählten Aufgabe zum Thema „24 Stunden für den Herrn“ Die Haltung Die Vorschläge und Ideen der Jugendlichen werden ernst genommen. Das Ziel Jugendliche machen unter dem Leitwort „24 Stunden für den Herrn“ eine neue Erfahrungen und tauschen sich über Erlebnisse aus. Die Leitung: Jugendgruppenleiter/in, Firmgruppenbegleiter/in, Lehrer/in o.a. Es werden zwei Treffen geplant: Eines um die Aktion zu Eröffnen und zu Planen. Ein zweites – 24 Stunden später – für die Auswertung und den Austausch. ERSTES TREFFEN Eröffnung und Planung der Aktion Einstieg Was kennen wir mit „24-Stunden“? • 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring • 24-Stunden-Spenden-Marathon von Radio Regenbogen • 24-Stunden-Charity-Lauf • 24-Stunden von Nürnberg- Internationales Kurzfilmfestival 68 • 24-Stunden-Reportage auf Sat 1 • 24-Stunden Angst-Film, Thriller • 24-Stunden-Kick in Blaubeuren • 24-Stunden-Musicvideo „Happy“ von Pharell Williams • Lied von Koolhy – 7 Tage, 24 Stunden 24 Stunden etwas zu tun, heißt: Wir möchten ein Zeichen setzen, weil uns diese Sache wichtig ist, sehr am Herzen liegt oder weil wir es so unglaublich toll finden, dass wir nicht damit aufhören wollen oder können – weder am Tag noch in der Nacht! Hinführung a) Welche Dinge sind mir in meinem Leben so wichtig, dass ich dafür 24 Stunden Zeit aufwenden oder wach bleiben würde? Jugendliche sammeln ihre Ideen auf einem Plakat (1) mit der Aufschrift „24 Stunden“ oder auf Moderationskarten, die dann auf das Plakat geklebt werden. z.B. Zocken, Lernen, Zeit mit dem/der Liebsten, Musikhören, … b) Plakat (2) mit der Aufschrift „24 Stunden für den Herrn“ wird daneben gelegt. Was stellen sich die Jugendlichen darunter vor? Wieder werden Ideen auf dem Plakat direkt oder auf einzelnen Karten gesammelt. z.B. Beten, Gottesdienst, Gutes tun, Hilfsaktion, Singen, … Vertiefung Die Plakate werden miteinander verglichen. Unterschiede werden benannt. Schlüsselfrage: Sehen die Jugendlichen eine Möglichkeit Plakat (1) „24 Stunden“ und Plakat (2) „24 Stunden für den Herrn“ miteinander zu verknüpfen? Was könnte man 24 Stunden „in Seinem Sinne“ tun und dabei selbst Freude haben? 69 Konkrete Umsetzung Umsetzung wird besprochen und eine Vereinbarung getroffen z.B. Jede Stunde tut jemand eine gute Tat/Jede Stunde wird jemand ein ehrliches Kompliment gesagt. Jeder Jugendliche übernimmt 2-3 Stunden in diesen 24 Stunden. z.B. Jede Stunde bete ich für jemanden ein kurzes Gebet, der mir im Alltag begegnet- auch für Fremde, die mit mir im Bus sitzen oder an der Kasse anstehen. z.B. Jede Stunde schreibe ich auf, wofür ich Gott dankbar bin. Herausforderung: Wie gehen wir nachts damit um? Zusatzidee: Eine Facebook- oder Whatsapp-Gruppe wird zum Thema gegründet ./ Jeder fertigt ein persönliches Erlebnis-Protokoll an. Abschlussmotivation Jeder Jugendliche erhält einen Button oder Aufkleber oder Traubenzucker o.ä. mit der Aufschrift „24 Stunden- ich bin dabei!“ ZWEITES TREFFEN Auswertung und Austausch nach 24 Stunden Einstieg Jede/r Jugendliche schreibt ein Elfchen (Gedicht in 11 Worten) zu seinen Erfahrungen aus den „24 Stunden“ z.B. 24-Stunden lange Zeit jede Stunde anders Gott war immer dabei besonders Verschiedene Elfchen werden vorgetragen. 70 Hinführung Verschiedene Plakate mit Fragen werden im Raum verteilt. Die Jugendlichen schreiben kurze Kommentare dazu. Vorschläge für die Auswertung „Was hat gut geklappt?/“Was hat mir gefallen?“ „Was war schwierig?“/“Wo bin ich an meine Grenzen gestoßen?“ „Welche positiven Erfahrungen habe ich gemacht?“ Vertiefung Anschließend werden die Ergebnisse im Plenum zusammengetragen, kommentiert, ergänzt. Die Frage nach Gott wird eingebracht, falls noch nicht über die Plakate geschehen. z.B. Hatte die Aktion „Auswirkungen“ auf meinen Glauben oder auf meine Gebetspraxis? Was nehme ich aus der Erfahrung der „24-Stunden-Aktion für den Herrn“ mit? Abschluss Lied, z.B. Keinen Tag soll es geben (EH 277) Meine Zeit (EH 121) Von allen Seiten umgibst du mich (EH 118) 71 Gebet Guter Gott, jeder Tag, jede Stunde steht in deiner Hand. Du begleitest mich durch jeden Tag und durch die Nacht. Auch wenn ich dich nicht sehe und manchmal auch nicht spüre, darf ich doch auf dich vertrauen. Du bist mein 24-Stunden-Gott. Immer da und bereit für mich. Dafür danke ich dir. Amen. Theresia Prokop, Jugendkirche Ravensburg Weitere Ideen können sein: • Eucharistische Anbetungsstunde • Diakonische Aktionen in Verknüpfung mit geplanten bzw. bestehenden Aktionen, z.B. Projekte im Rahmen der Firmkatechese. 72 Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Reich an Erbarmen Bibelarbeit zu Erntedank Jes 55, 1-13 Erntedank – ein Anlass, der es uns leicht macht, uns an Gottes Barmherzigkeit zu erinnern. Wie deutlich zeigt uns die Fülle der Gaben, dass wir nur einen kleinen Teil dazu beigetragen haben. Wie schnell merken wir in einem heißen Sommer, dass wir auf Regen angewiesen sind! Wie heftig kann ein Sturm unsere Erwartungen und Pläne durcheinander bringen! Wie stark wird unsere Geduld strapaziert, wenn der Samen nicht aufgehen will! Wie groß wird die Angst, wenn die Erträge gering ausfallen! So beschreiben die Begriffe Fülle, Hitze, Trockenheit, Unwetter, Angst ganz konkrete Situationen, wo wir Gottes Barmherzigkeit erfahren dürfen – sei es, dass wir sie geschenkt bekommen, sei es, dass wir davon verschont bleiben, sei es, dass wider Erwarten doch noch alles gut wird. Jes 55, 1-13 ist ein eher sperriger Text zu diesem Thema. Gerade in unserer Zeit, wo wirtschaftliches Rechnen, eigene Pläne und deren Umsetzungsmöglichkeiten den Zeitgeist bestimmen, klingt dieser Text wie ein Gegenentwurf. Jesaja erhebt seine Stimme. Es ist ein prophetischer Text, der gängige Lebensund Denkweisen in Frage stellt. Erfahrungen und Bilder aus der Schöpfung verwendet er als Begründung dafür, dass es auch anders gehen kann und bereits spürbar und sichtbar anders geht. Jes 55 lädt an Erntedank ein, die Barmherzigkeit Gottes in unserem gesellschaftlichen Kontext anders und konträr zu beschreiben. Der Text ist eine Anfrage an die Gesetze unserer Marktwirtschaft, die neben wirtschaftlichem Reichtum für die Einen zugleich die Türen zu Ausbeutung, Verschuldung, Hunger und Durst für die Anderen öffnet. Spannung ist mit eingeschlossen, wenn wir uns mit diesen prophetischen Worten beschäftigen. 74 Psalm 103 (und im Anschluss Psalm 104) stimmen voll Harmonie einen Lobgesang auf den barmherzigen Gott an. Ps 103 nennt all die Güte, Huld und das Erbarmen, das Gott den Menschen zeitlebens gewährt. Unsere Schuld wird vergeben, seine Güte währt über unser Leben hinaus in Ewigkeit. Ps 104 beschreibt betend und singend das Wunder der Schöpfung in seiner ganzen Fülle. Beide Psalmen laden zur geistlichen Schriftlesung ein, die staunend in das Loblied einstimmt und Erntedank im Gebet vollzieht. Dies kann den Teilnehmenden als Anregung mitgegeben werden. Bibelarbeit zu Jes 55, 1-13 Jes 55, 1-13 1Auf, ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser! / Auch wer kein Geld hat, soll kommen. Kauft Getreide und esst, kommt und kauft ohne Geld, / kauft Wein und Milch ohne Bezahlung! 2Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, / und mit dem Lohn eurer Mühen, / was euch nicht satt macht? Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste zu essen / und könnt euch laben an fetten Speisen. 3Neigt euer Ohr mir zu und kommt zu mir, / hört, dann werdet ihr leben. Ich will einen ewigen Bund mit euch schließen / gemäß der beständigen Huld, die ich David erwies. 4Seht her: Ich habe ihn zum Zeugen für die Völker gemacht, / zum Fürsten und Gebieter der Nationen. 5Völker, die du nicht kennst, wirst du rufen; / Völker, die dich nicht kennen, eilen zu dir, um des Herrn, deines Gottes, des Heiligen Israels willen, / weil er dich herrlich gemacht hat. 75 6Sucht den Herrn, solange er sich finden lässt, / ruft ihn an, solange er nahe ist. 7Der Ruchlose soll seinen Weg verlassen, /der Frevler seine Pläne. Er kehre um zum Herrn, / damit er Erbarmen hat mit ihm, und zu unserem Gott; / denn er ist groß im Verzeihen. 8Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken / und eure Wege sind nicht meine Wege - / Spruch des Herrn. 9So hoch der Himmel über der Erde ist, / so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege / und meine Gedanken über eure Gedanken. 10Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt / und nicht dorthin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt und sie zum Keimen und Sprossen bringt, / wie er dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen, 11so ist es auch mit dem Wort, / das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, / sondern bewirkt, was ich will, / und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe. 12Voll Freude werdet ihr fortziehen, / wohlbehalten kehrt ihr zurück. Berge und Hügel brechen bei eurem Anblick in Jubel aus, / alle Bäume auf dem Feld klatschen Beifall. 13Statt Dornen wachsen Zypressen, / statt Brennnesseln Myrten. Das geschieht zum Ruhm des Herrn / als ein ewiges Zeichen, das niemals getilgt wird. Wissenswertes zum Text Jes 40-55 ist vermutlich um 540 v. Chr. in einem mehrstufigen Prozess entstanden. Nach der Verbannung und der Zerstörung des Tempels durch die Babylonier 586 v. Chr. haben die Israeliten angesichts der langen Dauer des Exils eher resigniert und aufgegeben; manche waren wohl verzweifelt. Zu lange ließ die Rückkehr auf sich warten. So lange, dass sich einige inzwischen im Exil 76 eingerichtet hatten und den babylonischen Gewohnheiten und der Kultur durchaus mit Faszination und Hochachtung begegneten. Ebenso kamen Zweifel auf, ob der Gott Israels den babylonischen Gottheiten noch standhalten kann. In diese Situation hinein ruft der Prophet und tritt in der Weise eines Marktschreiers auf. Schon damals müssen diese Worte unerhört geklungen haben. Heute – angesichts der vielen Menschen, die in unser Land geflohen sind – klingen insbesondere die Verse 1-5 geradezu provokativ. V1 enthält eine mehrfache Aufforderung „zu kommen“. Die Menschen sollen los gehen zum Wasser, zum Getreide, zu Wein und Milch. So weit – so gut. Die Überraschung bieten die angefügten Negationen: es gibt alles ohne Geld, ohne Bezahlung! Eine solche Einladung stellt jede Realität auf den Kopf; zu gut wissen wir, dass es nichts umsonst gibt. Schon gar nicht Wein, Milch, Brot, auch Wasser nicht. Der Prophet hat die Worte sorgfältig gewählt. In ihnen klingt die Geschichte Israels mit: Die Brüder Jakobs, die aufgrund der Hungersnot nach Ägypten bei ihrem Bruder Josef Getreide gegen Bezahlung kaufen mussten (Gen 42; 43). Mose muss für das Volk auf dem Weg durch das Ostjordanland bei Sihon, dem König von Heschbon, Getreide und Wasser gegen Silber kaufen (Dtn 2,6.28). Wasser, Getreide, Wein, Milch, Honig sind zentrale Begriffe, die mit der Verheißung des Landes, zu dem die Israeliten aufgebrochen sind, verknüpft sind (z.B. Dtn 8, 7-10). Doch im Unterschied zum Sinai-Bund ist dieses Mal bei der Rückkehr ins gelobte Land kein Geld nötig. Die nötigen Lebens-Mittel wird es ohne Geld, ohne Bezahlung geben. Gott stellt sie den Menschen zur Verfügung und verlangt – im Unterschied zu uns – nichts dafür. Weil es genug davon gibt. Weil er für uns genug davon bereit gestellt hat. Vv2-3b wird noch deutlicher: es geht nicht nur um Nahrung für den Leib, sondern auch für die Seele. Zu sehr sind die Menschen auf das bloße Überleben bedacht – aber reicht das zum Leben? Weder Mühe noch Besitz und Reichtum reichen aus, uns satt zu machen. Was aber dann? Haben die Hörer bisher noch Zweifel an dieser Einladung, so erhalten sie hier 77 einen ersten Hinweis, wie Menschen an die Speisen, die Gott uns schenkt, kommen können: „Hört auf mich!“ Auch das klingt nicht unbedingt logisch. Was ich hören kann, ist meist nicht essbar. Jesaja betont, dass Gottes Wort uns nährt. Hört hin, folgt dem, was ihr hört, neigt euer Ohr Gott zu, dann werdet ihr leben. Hören statt einfach drauf los zu stürmen, innehalten, die Stimmen erkennen, die dorthin führen, wo Leben möglich ist und durch Gottes Wort satt werden. Vv3c-4 Wie kann Jesaja den Mund so voll nehmen? Woher nimmt er diesen Mut für dieses Angebot? Der Prophet erinnert und bezieht sich auf den NoahBund und zusätzlich an den Bund mit David, in denen die Treue Gottes zu seinem Volk besiegelt ist. Diese Einladung zeigt erneut, wie Gott an seinem Volk durch alle Zeiten und Nöte fest hält. Noch mehr: Was vormals den großen und bedeutungsvollen Gestalten in der Geschichte Israels versprochen wurde, wird nun dem ganzen Volk zuteil. Vv5-9 Zunächst wechselt die Anrede zu einem vertrauten „Du“. Das Volk wird zu einem Anziehungspunkt für alle Völker werden (vgl. Jes 2) genauso wie Zion, die Stadt, die durch Gott herrlich gemacht wurde. Das Handeln Gottes, die Lebensmöglichkeiten, die er schenkt, sind weithin sichtbar und rufen andere Völker herbei. In V6 setzt ein neuer Redeteil ein, der an die ganze Gemeinschaft gerichtet ist, die sich auf den Weg macht. Gottessuche und Umkehr sind bleibende Aufgaben. Gott verzeiht, aber es bedarf der Umkehrbereitschaft, des Hinhörens und der Suche, die Wege „im Licht Gottes“ (Jes 2,5) zu gehen. Dann strahlt Zion und die Völker werden ebenso aufbrechen und Gott suchen. Weil aber der Unterschied zwischen Gott und Mensch bestehen bleibt (V8.9), werden die Menschen hinhören und hinschauen müssen, d.h. suchen, um Gottes Wege zu gehen. Das kann auch bedeuten, die eigenen, inzwischen liebgewonnenen und gewohnten Wege zu verlassen und sich neu auf Gott auszurichten. Vv10-13 führen zum Schöpfungswerk Gottes. Wo wird das Wirken Gottes am deutlichsten sichtbar und erfahrbar? Wo finden wir bleibende Spuren seines Handelns und seiner Treue? Jesaja wählt bewusst Bilder aus der Schöpfung, um Anfang und Fortgang göttlichen Wirkens aufzuzeigen; in ihrer Verletzbarkeit 78 ist sie auch Zeugnis für Gottes Barmherzigkeit. Unser Überleben verdankt sich „dem Geschenk des Himmels“: Wasser, das Wachstum und Ernte bewirkt und so seinen Zweck erfüllt. Dieser täglich aufs Neue erfahrbare Vorgang überträgt der Prophet auf Gottes Wort. Ebenso vom „Himmel“ ausgehend bewirkt es Aufbrüche, Umkehr, gibt Orientierung bei der Suche nach Gott. In der Exilsituation heißt dies ganz konkret: die Rückkehr nach Jerusalem. So wie Gottes Wort die Schöpfung ins Leben ruft, so mächtig wirkt Gottes Wort gegen Resignation und Verzweiflung. Es schafft Hoffnung und bringt die Menschen in Bewegung. Das Stichwort „Barmherzigkeit“ im Text als Impuls für uns heute Jes 55 beschreibt die Barmherzigkeit Gottes in vielfältiger Wirkung: Gottes Barmherzigkeit ist spürbar und sichtbar. Unsere Nahrung, selbst die, die zum Leben nicht unbedingt nötig ist, wie z.B. Wein und üppige Speisen, bekommen wir von Gott geschenkt, genauso wie die Pracht und Schönheit Jerusalems. Auch wenn wir uns alle erdenkliche Mühe geben – am Anfang steht die Gabe Gottes an uns Menschen. Auf ihr gründet aller Reichtum. In einer Welt, in der die größten Börsenspekulationen mit Nahrungsmitteln getätigt werden, in der Kredite dann gewährt werden, wenn die Wasserverteilung privatisiert wird, werden solche Worte regelrecht verhöhnt. Erntedank ist Erinnerung an die Verpflichtung, dass Lebensmittel gerecht verteilt werden und keine Bereicherungs- oder Spekulationsobjekte sein dürfen. Gottes Barmherzigkeit ist hörbar in den Erzählungen von Gottes Bund mit seinem Volk, seiner Liebe und Treue, seiner Vergebungsbereitschaft, seinem Erbarmen, das er denen gewährt, die vom Weg abgekommen sind und seiner steten Einladung, ihn zu suchen. In welcher Weise erzählen wir von der Barmherzigkeit Gottes? Welche Erfahrungen verbinden wir damit und wo haben wir von ihr gehört? Wie praktisch setzen wir den Ruf Jesu um: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und Lasten zu tragen habt, ich werde euch Ruhe verschaffen.“(Mt 11,28)? 79 Gottes Barmherzigkeit lädt zur Suche ein, indem sie den Menschen von Gott unterscheidet. Seine Wege sind anders, scheinen für uns unerreichbar. Aber es gibt sie und deshalb sind sie eine Einladung, einmal ganz anders zu denken oder zu handeln, die Notwendigkeiten und Zwänge, alles „das haben wir immer schon so gemacht“ hinter sich zu lassen und im guten Sinne (r)evolutionär zu werden. Gott selbst schafft das Neue (Jes 43,18) verkündet Jesaja – seine Barmherzigkeit erneuert auch unser Denken und Handeln. Es lohnt sich, den Gesetzmäßigkeiten unserer Zeit kritisch zu begegnen und sie zu hinterfragen. Nicht alles ist „gottgegeben“, was danach aussieht. Jesaja unterbricht mit seinem Ruf die Bequemlichkeit, die sich eingeschlichen hat, die immer größere Anpassung an die Lebensumstände im Exil. Als Christen werden wir zu einer kritischen Distanz eingeladen, aber auch zu einem konstruktiven Beitrag, wo die Möglichkeiten scheinbar an Grenzen gelangt sind. Ebenso sind wir verpflichtet, solidarisch den Blickwinkel der Benachteiligten einzunehmen und daraus Perspektiven zu entwickeln. Gottes Barmherzigkeit ermöglicht Aufbruch und Rückkehr in seinen heiligen Raum. Himmel und Erde sind miteinander verbunden; das zeigt das tägliche Schöpfungsgeschehen. Die Erde ist auf Gottes Gabe angewiesen und erhält sie auch ganz selbstverständlich. Darauf können wir vertrauen, eine bleibende Zusage, dass Gott wirksam zugegen ist. Deshalb können wir uns auf den Weg machen, dorthin, wo Menschen friedlich zusammen leben und es ihnen wohl ergeht. Gerade heute, wo Krieg und Elend die Schlagzeilen bestimmen, gilt es an der Vision eines „heiligen Raumes“ festzuhalten. Das Vertrauen auf Gottes Kraft, die Feinden gegenüber Barmherzigkeit einfordert, der Glaube, dass Versöhnung geschenkt wird und deshalb auch unter den Menschen möglich ist, mahnt uns, immer wieder aufzubrechen, gedanklich und tatkräftig. Wir, die wir das Glück haben, im Frieden zu leben, haben die Pflicht, diesen Frieden in die Welt hinein zu tragen und mit allen Kräften beizutragen, dass die Konflikte beendet werden. 80 METHODISCHER VORSCHLAG (90 min) In dieser Bibelarbeit soll den unterschiedlichen Aspekten nachgegangen werden. Dadurch entsteht die Möglichkeit, Barmherzigkeit umfassender zu beschreiben und zu verstehen und nicht auf ein diakonisches Handeln einzugrenzen. Die Abschlussrunde nimmt Bezug zu diesem Begriff und will heraus arbeiten, wozu uns Gottes Barmherzigkeit befreit. Die einzelnen „Räume“ werden nacheinander begangen; die Verweildauer beträgt jeweils ca 15 Minuten. 1. Beginn im Plenum Lied Schweige und höre (GL 433,2) Gebet 2. Jes 55, 1-13 erschließen Der Leiter/ die Leiterin liest Jes 55,1-13 vor. Danach lesen die TN den Text still für sich und lassen einzelne Worte, Verse im Raum erklingen. Nach einer Zeit der Stille bearbeiten die TN in kleinen Gruppen folgende Fragen zum Text: Wie wird Gott in diesem Text beschrieben? Welche Eigenschaften werden in diesen Beschreibungen benannt oder betont? In welcher Situation befinden sich vermutlich die Angesprochenen? Was sagt Gott den Menschen zu und wozu lädt er sie ein? Im Plenum können Fragen zum Text gestellt bzw. beantwortet werden. Zum Abschluss wird der ganze Text noch einmal laut gelesen. 81 3. Vertiefung „Raum“ 1 Fülle Kommt und kauft ohne Geld! Jes 55,1 Im Raum liegen auf dem Tisch / in der Mitte viele Erntegaben bereit. Die TN nehmen eine Frucht in die Hand, die sie besonders schätzen bzw. einen Gegenstand, der ihnen wichtig ist. In einer ersten Gesprächsrunde erzählen sie einander, woran sie dadurch erinnert werden und was sie damit verbinden. Danach werden die TN eingeladen, auf Zettel aufzuschreiben, welche „Früchte“ sie in ihrem Leben nicht kaufen konnten, sondern geschenkt bekamen (z. B. Liebe, Zeit, Unterstützung, Wertschätzung, Zuwendung, Hilfe, Vertrauen, Glück, Überraschungen, Freundschaft … möglichst konkret benannt). Mit ihnen wird die Mitte „bereichert“. Wer mag, kann dazu etwas sagen. Schließlich geben die TN einander die Bibel still weiter. Mit Jes 55, 1-3 werden die TN aus dem Raum entlassen. „Raum“ 2 Klang Hört auf mich! (Jes 55,3) Hier ist eine Vielzahl an Geräuschen zu hören (Radio, CD-Player, Musikinstrumente, Geräusche aus dem Alltag (S-Bahn-Durchsagen, Martinshorn, HandyKlingeltöne …); die TN können in die Geräuschkulisse einbezogen werden. In diese laute Runde hinein ruft der Leiter/die Leiterin: „Hört auf mich, dann werdet ihr leben“, ja nach Geräuschpegel mehrmals. Wie reagieren die TN darauf? Als Einstieg in eine Gesprächsrunde wird Jes 55, 3-5 gelesen. Was macht es leicht, auf Gott zu hören, was macht es schwer? Welche Geräusche setzen sich in meinem Alltag durch und übertönen Wichtiges und Wertvolles? Welche Worte/Klänge erzeugen Resonanz in mir? Zum Abschluss der Runde wird die Bibel in die Mitte gelegt und eine Zeit des Schweigens gehalten. Die TN werden mit Jes 55,3ab aus dem Raum entlassen. 82 „Raum“ 3 Wege Sucht den Herrn! (Jes 55,6) Im Raum sind Fußspuren und Schnüre/Seile vorhanden, alternativ ist ein kleines Labyrinth gelegt. Die TN markieren ihren eigenen Weg und notieren, welche Einflüsse diese Wege bestimmt haben. In einer Zeit der Stille und danach im Gespräch überlegen sie, auf welche Weise und an welchen Orten sie Gott suchen / finden bzw. gesucht / gefunden haben. Welche Impulse gaben Anstoß zur Suche nach Gott? Zum Abschluss wird die Bibel in die Mitte gelegt und eine Kerze entzündet. Mit Jes 55,6 werden die TN aus dem Raum entlassen. „Raum“ 4 Grenzen Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken! (Jes 55,8) Stühle stehen außen an der Wand. Die TN gehen frei im Raum umher, ohne einander zu berühren. Das Tempo ist unterschiedlich, die Richtung wird immer wieder gewechselt. Der Raum wird immer weiter verengt, bis ein Durchkommen kaum mehr möglich ist. Zum Abschluss wird Jes 55, 8-9 vorgelesen, danach setzen sich die TN. In einer Zeit der Stille bedenken sie für sich folgende Impulsfragen: Wie habe ich mich jeweils gefühlt? War ich eher in der Mitte oder am Rand, mit dem Strom oder gegen den Strom unterwegs? Wann wäre ich gerne heraus gegangen? Im Gespräch miteinander gehen sie der Frage nach, wann und wie es gelingt, aus engen Vorgegebenheiten auszubrechen. Welche Hoffnung durchbricht die Grenzen der Wirklichkeit? Wo und wie gab und gibt Gottes Wort Ermutigung, Festlegungen zu durchbrechen und ganz neu zu denken? Mit Jes 55, 8-9 werden die TN aus dem Raum entlassen. 83 4. Abschluss Voll Freude werdet ihr fortziehen! (Jes 55,12) Die Leiterin/ der Leiter legt in die Mitte ein Plakat „Gottes Barmherzigkeit“ und dazu auf Papierstreifen die Stichworte „ist spürbar und sichtbar …“, „ist hörbar …“, „lädt zur Suche ein …“, „ermöglicht Aufbruch …“ Die TN berichten einander, welcher Raum sie besonders bewegte. Wo habe ich Gottes Barmherzigkeit (neu) entdeckt? Falls noch Zeit bleibt, können die Sätze durch die TN ergänzt werden: z.B. Gottes Barmherzigkeit ist sichtbar, wenn ich den Erntedankaltar betrachte … Mit Jes 55, 10-13 wird die Bibelarbeit abgeschlossen. Gemeinsames Gebet und Lied Ps 103 (GL 57) mit GL 838 Lobe den Herrn meine Seele Barbara Janz-Spaeth, Referentin für Bibelpastoral und Biblische Bildung Weitere Ideen können sein: • Verteilung der Erntegaben • Verweis auf den „Tag der Schöpfung“ • Auszug aus der Enzyklika „Laudato si“ gemeinsam lesen und auf die eigene Situation hin bedenken • Kooperation/Kontakte mit örtlichen Weltläden/BUND, Tafelläden, Umweltbeauftragten, Missio, Misereor 84 Gesänge 86 87 88 ! G H7 ( C Em D ( C !" $ ) Em " D "# $ %&' 90 D 1 % && ' ' Hm G G D ' + % , & ' , G 2(/' G ' A ' % && , - + ( D ' ' & & A + ' & +. . ' $ ' ' A Hm Hm . % & . D ) ' & Asus4 ( * ( $ !"# & % D & ) 0 ) ) / ' A + % A ) ' && ' Gesänge im Gotteslob zum Themenbereich Barmherzigkeit Dein Erbarmen, o Herr, will ich in Ewigkeit preisen (KV), 657, 3 Dein Tag, o Herr, uns hell anbricht, 714 Macht hoch die Tür, 218 Ubi caritas, 385 Herr, du bist mein Leben, 456 Selig seid ihr, 458 Wo Menschen sich vergessen, 861 Ich will dich rühmen, mein Gott und König, 833 Herr, du bist die Hoffnung, 707 Größer als alle Bedrängnis, 854 Jesus, dir leb ich, 367 Erhör, o Gott, mein Flehen, 439 Der Geist des Herrn erfüllt das All, 347 Der Herr wird dich mit seiner Güte segnen, 452 Geborgen in dir, Gott, 839 Magnificat, 631 Benedictus, 617 92 Anhang Kopiervorlage für ausgewählte Schriftworte aus 2 Kor 5,17-21 und Lk 15,11-32 (Schrifttexte vom 4. Fastensonntag) Die Schriftworte sollten auf einzelnen Papierstreifen sein. Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. 2 Kor 5,17 Lk 15,18 Alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat. Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Lk 15,20a 2 Kor 5,18 Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und uns das Wort von der Versöhnung (zur Verkündigung) anvertraute. 2 Kor 5,19 Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen! Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. 2 Kor 5,20b Lk 15,20b Lk 15,21 94 95 Mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern. Lk 15,24 Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat. Lk 15,27b Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Lk 15,31b Jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Lk 15,32 96 97 Herr Jesus Christus, Du bist das Angesicht des Vaters. Ihn schauen wir, wenn wir auf dich schauen. Seine Größe ist Barmherzigkeit, seine Allmacht ist die Macht der Liebe. Du hast uns berufen dir zu folgen und deine Botschaft zu verkünden. Lass uns die Menschen, denen wir begegnen, annehmen, wie du uns angenommen hast. Lass sie erfahren, von Gott erwartet und geliebt zu sein. Lege uns deinen Geist ins Herz und verwandle uns durch deinen Blick, wie du Petrus verwandelt hast und den Schächer am Kreuz. Dann wird dieses Jahr ein Jahr der Gnade gegen alle Gnadenlosigkeit der Welt, ein Jahr des Erbarmens gegen alle Unbarmherzigkeit, unter der Menschen leiden. Lass uns als Kirche selbst Erbarmen spüren, damit wir mit neuer Begeisterung den Armen die Frohe Botschaft bringen, den Versklavten die Freiheit verkünden und den Blinden die Augen öffnen. Amen. Elisabeth Schmitter 98
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