Arbeitshilfe Jubiläum der Barmherzigkeit

Jubiläum
der Barmherzigkeit
in der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Herausgegeben vom Bischöflichen Ordinariat
Hauptabteilung VIIIa – Liturgie
Schriftleitung: Margret Schäfer-Krebs
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:
Dr. Hans Michael Schneider
Christoph Schmitt
Elisabeth Schmitter
Theresia Prokop
Marcella Welte OSB
Barbara Janz-Spaeth
Msgr. Heinrich-Maria Burkard
Das ist die Zeit
der Barmherzigkeit.
Es ist wichtig,
dass die Gläubigen
sie leben und in alle
Gesellschaftsbereiche
hineintragen.
Vorwärts!
Papst Franziskus
Fotos: Eckhard Raabe (S. 8, 18), Ilona Scheffbuch (S. 25, 61, 67, 86, 97)
Gestaltung: Werbeagentur Know-how, Herrenberg
Druck: DS Print, Böblingen
Nachbestellungen: [email protected]
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
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Gebete
Gebet von Papst Franziskus zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit
Gebet zum Jahr der Barmherzigkeit
Freie Übertragung des Gebetes von Papst Franziskus
nächstenliebe
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Türen öffnen
Dritter Advent, Öffnung der Pforte der Barmherzigkeit
Herbergsuche im Advent des Heiligen Jahres 2015/2016
Türen öffnen am dritten Advent
Bußgottesdienst
Bußakt im Jahr der Barmherzigkeit
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39
24 Stunden für den Herrn
Nachtwachwanderung zum Thema Barmherzigkeit
Abend der Barmherzigkeit
Mein Tag der Barmherzigkeit als geistlicher Tag
24 Stunden für den Herrn
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Barmherzigkeit und Gerechtigkeit
Reich an Erbarmen, Bibelarbeit zu Erntedank
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Gesänge
Misericordias Domini in aeternum cantabo
Deine Barmherzigkeit
Gesänge im Gotteslob zum Themenbereich Barmherzigkeit
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Anhang
Kopiervorlage für ausgewählte Schriftworte
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94
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Vorwort
Am 11. April 2015 hat Papst Franziskus das Jahr 2016 als außerordentliches
Heiliges Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. Damit ist bereits deutlich, worum
es ihm mit und in diesem Jahr in besonderer Weise geht: um die Barmherzigkeit
Gottes, von der wir leben, die wir an uns selbst erfahren und die wir anderen
weitergeben sollen.
„Jesus Christus ist das Antlitz der Barmherzigkeit des Vaters.“ Mit diesem programmatischen Bekenntnis beginnt die Bulle, die das Heilige Jahr ankündigt.
Gottes Barmherzigkeit ist „das pulsierende Herz des Evangeliums“. Sie ist nicht
abstrakt, sondern höchst konkret. Sie hat einen Namen und ein Gesicht, Augen
und Ohren, Stimme und Hände. In Jesus von Nazaret, dem einen, zeigt sie sich
ganz, sein menschliches Gesicht ist das göttliche Antlitz des Vaters. Und in der
Nachfolge Jesu will sie sich in allen zeigen, die seinen Namen tragen und sich
zu ihm bekennen – in uns allen. Gottes Barmherzigkeit bezeugen und in die
Welt tragen, das ist der Auftrag der Christinnen und Christen.
Immer wieder werden der Kirche Menschen geschenkt, in denen deutlich wird,
was das heißt und wie das geht. Einer von ihnen ist Martin von Tour, der Patron
unserer Diözese. Es fügt sich besonders gut, dass der 1700. Geburtstag des
heiligen Martin ins Heilige Jahr der Barmherzigkeit fällt. Sein Gedächtnis verbindet sich untrennbar mit jener berühmten Szene der Mantelteilung, die sich
um das Jahr 334 vor dem Stadttor von Amiens ereignet hat. Sie gilt als Inbegriff
barmherzigen Handelns und Martin als „Ikone der Nächstenliebe“ (Benedikt
XVI.). Martin durfte in dem frierenden Bettler dem Herrn begegnen, und uns
erschließt sich der Herr in dem Beispiel, das Martin uns gegeben hat.
In unserer Diözese bietet es sich daher an, das Heilige Jahr der Barmherzigkeit
mit dem Jubiläum unseres Diözesanheiligen Martin von Tours zu verbinden.
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In diesem Sinn wollen wir „den Blick auf die Barmherzigkeit… richten“ und
hoffen, „dabei selbst zum wirkungsvollen Zeichen des Handelns des Vaters zu
werden“. Auch der diözesane Prozess „Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten“
führt in diese Richtung. Er hilft uns dabei, innerkirchliche Verengungen zu überwinden und uns den Menschen in ihrer Lebenswelt, in ihren vielfältigen Erfahrungen, Nöten und Fragen zuzuwenden.
Wir werden das Heilige Jahr der Barmherzigkeit und das Jubiläumsjahr des
heiligen Martin von Tours in unserer Diözese mit folgenden thematischen
Schwerpunkten begehen:
• Türen öffnen (Adventszeit)
• 24 Stunden für den Herrn (4. und 5. März 2016, Freitag und Samstag vor
dem 4. Fastensonntag. An diesem Freitag ist auch der Weltgebetstag der
Frauen. Dies sollte in der Planung vor Ort berücksichtigt werden.
• Barmherzigkeit setzt Gerechtigkeit voraus (September/Oktober/Erntedank)
Mit dieser Arbeitshilfe wollen wir Impulse setzten und Anregungen geben, dieses Heilige Jahr der Barmherzigkeit in den Gemeinden und Gemeinschaften
zu feiern und fruchtbar zu machen. Weitere Anregungen und Materialien finden
Sie unter http://www.dbk.de/themen/heiliges-jahr
http://www.iubilaeummisericordiae.va/content/gdm/de.html
www.geistliche-impulse.de
Im Vertrauen auf die barmherzige Liebe Gottes
begehen wir dieses Heilige Jahr
Ihr Weihbischof Dr. Johannes Kreidler
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Gebete
Relief von Gerhard Tagwerker am Bischofshaus in Rottenburg
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Gebet von Papst Franziskus
zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit
Herr Jesus Christus,
du hast uns gelehrt, barmherzig zu sein wie der himmlische Vater,
und uns gesagt, wer dich sieht, sieht ihn.
Zeig uns dein Angesicht, und wir werden Heil finden.
Dein liebender Blick
befreite Zachäus und Matthäus aus der Sklaverei des Geldes;
erlöste die Ehebrecherin und Maria Magdalena davon,
das Glück nur in einem Geschöpf zu suchen;
ließ Petrus nach seinem Verrat weinen
und sicherte dem reumütigen Schächer das Paradies zu.
Lass uns dein Wort an die Samariterin so hören,
als sei es an uns persönlich gerichtet:
„Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht!“
Du bist das sichtbare Antlitz des unsichtbaren Vaters
und offenbarst uns den Gott, der seine Allmacht vor allem
in der Vergebung und in der Barmherzigkeit zeigt.
Mache die Kirche in der Welt zu deinem sichtbaren Antlitz,
dem Angesicht ihres auferstandenen und verherrlichten Herrn.
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Du wolltest, dass deine Diener selbst der Schwachheit unterworfen sind,
damit sie Mitleid verspüren mit denen, die in Unwissenheit und Irrtum leben.
Schenke allen, die sich an sie wenden,
die Erfahrung, von Gott erwartet und geliebt zu sein
und bei ihm Vergebung zu finden.
Sende aus deinen Geist und schenke uns allen seine Salbung,
damit das Jubiläum der Barmherzigkeit ein Gnadenjahr des Herrn werde
und deine Kirche mit neuer Begeisterung
den Armen die Frohe Botschaft bringe,
den Gefangenen und Unterdrückten die Freiheit verkünde
und den Blinden die Augen öffne.
So bitten wir dich,
auf die Fürsprache Marias, der Mutter der Barmherzigkeit,
der du mit dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes
lebst und herrschst in alle Ewigkeit.
Amen.
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Gebet zum Jahr der Barmherzigkeit
Freie Übertragung des Gebetes von Papst Franziskus
Herr Jesus Christus,
du hast uns gelehrt, barmherzig zu sein wie der himmlische Vater.
Ihn sehen wir, wenn wir dich sehen.
Zeig uns dein Angesicht, dann finden wir Heil.
Dein liebender Blick verwandelt die Menschen:
Zachäus befreite er aus der Sklaverei des Geldes,
die Ehebrecherin aus unguten Bindungen.
Er ließ Petrus nach seinem Verrat weinen
und versprach dem reumütigen Schächer das Paradies.
Dein liebender Blick will auch uns verwandeln,
unsere Verstrickungen lösen,
und uns in die Freiheit (der Kinder Gottes) führen.
Du bist das Angesicht des Vaters.
Wenn wir auf dich sehen, schauen wir in dir den unsichtbaren Gott.
Seine Größe ist Barmherzigkeit und Vergebung.
Seine Allmacht ist die Macht seiner Liebe.
Du bist das Angesicht des Vaters.
Mache die Kirche zu deinem Antlitz in der Welt,
zum Angesicht ihres gekreuzigten und auferstandenen Herrn.
Menschen, die schwach und begrenzt sind, machst du zu deinen Jüngern.
Denn du willst, dass sie mitleiden können mit denen,
die in Not sind und Hilfe brauchen,
die ihren Weg nicht finden,
die Sinn und Halt suchen für ihr Leben.
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Uns alle sendest du als deine Freunde,
als deine Zeuginnen und Zeugen in der Welt.
Lass uns die Menschen, denen wir begegnen,
annehmen, wie du uns angenommen hast.
Lass sie erfahren, von Gott erwartet und geliebt zu sein
und bei ihm Barmherzigkeit zu finden.
Lege uns deinen Geist ins Herz.
Dann wird dieses Jahr heilig werden,
eine Zeit der Gnade gegen alle Gnadenlosigkeit der Welt,
ein Jahr des Erbarmens gegen alle Unbarmherzigkeit,
unter der Menschen leiden.
Lass uns als Kirche selbst dein Erbarmen spüren,
damit wir mit neuer Begeisterung
den Armen die Frohe Botschaft bringen,
den Gefangenen und Unterdrückten die Freiheit verkünden
und den Blinden die Augen öffnen.
Darum bitten wir dich,
auf die Fürsprache Marias, der Mutter der Barmherzigkeit,
der du mit dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes
lebst und Leben schenkst in alle Ewigkeit.
Amen.
Elisabeth Schmitter
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nächstenliebe
du sollst deinen nächsten lieben
wie dich selbst
ohne abwägen
ohne scheuklappen
ohne ausweichen
ohne ausreden
ohne pharisäische engstirnigkeit
ohne priesterlichen hochmut
erkenne in deinem nächsten
wie in einem spiegel
die ebenbildlichkeit des schöpfers
erkenne und handle
mit unbedingtem
ungewohntem
und unbequemem maß
gemessen an der liebe GOTTES selbst
AUS: WOLFGANG METZ, DIE LIEBE CHRISTI DRÄNGT UNS.
GEDICHTE; ECHTER VERLAG, 2015, S. 29
Die Werke der Barmherzigkeit
Gotteslob Nr. 29.3
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Türen öffnen
Dritter Advent
Öffnung der Pforte der Barmherzigkeit
in St. Eberhard Stuttgart
und in folgenden Kirchen unserer Diözese:
• Altheim-Heiligkreuztal, Münster St. Anna
• Bad Mergentheim, Münster St. Johann Baptist,
• Bad Schussenried – Steinhausen, Wallfahrtskirche
Schmerzhafte Muttergottes
• Bad Wurzach, Gottesberg
• Bergatreute, Wallfahrtskirche Maria vom Blut
• Bopfingen-Flochberg, Wallfahrtskirche Maria vom Roggenacker
• Deggingen, Wallfahrtskirche Ave Maria
• Ellwangen, Wallfahrtskirche Unsere Liebe Frau vom Schönenberg
• Ergenzingen Liebfrauenhöhe, Krönungskirche und Gnadenkapelle
• Esslingen, Münster St. Paul
• Gundelsheim-Höchstberg, Wallfahrtskirche
Unsere liebe Frau vom Nussbaum
• Heilbronn, Deutschordensmünster St. Peter und Paul
• Leutkirch, Hauskapelle im Tagungshaus Regina Pacis
• Ludwigsburg-Hoheneck, Klosterkirche St. Josef beim Karmel
vom göttlichen Herzen Jesu
• Neresheim, Abteikirche St. Ulrich und Afra
• Rottenburg, Dom St. Martin
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• Rottweil, Kapellenkirche
• Schemmerhofen Aufhofener Käppele, Wallfahrtskirche
Schmerzhafte Mutter
• Schramberg-Heiligenbronn, Wallfahrtskirche
Schmerzhafte Muttergottes
• Schwäbisch Gmünd-Rechberg, Wallfahrtskirche Zur Schönen Maria
• Spaichingen, Dreifaltigkeitsberg
• Ulm-Wiblingen, Basilika St. Martin
• Untergröningen, Wallfahrtskirche St. Michael
• Untermarchtal, Vinzenzkirche
• Uttenweiler-Offingen, Bussen,
Wallfahrtskirche Schmerzhafte Muttergottes
• Weingarten, Basilika Zum Heiligen Blut
• Weikersheim-Laudenbach, Bergkirche
Schmerzhafte Muttergottes
• Zweifalten, Münster Heiligste Dreifaltigkeit und Muttergottes
Nach der Drucklegung dieser Broschüre kann es noch Änderungen an dieser Liste geben.Während des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit ist an diesen Kirchen eine Pforte der Barmherzigkeit
ausgewiesen. Ein Faltblatt gibt auch Auskunft zur Verbindung dieser Tür mit dem Ablass.
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Herbergsuche im Advent
des Heiligen Jahres 2015/2016
Lied
„Macht hoch die Tür“ (Gl Nr. 218, 1.4)
Der alte volkstümliche Brauch der Herbergssuche im Advent verbindet sich hier mit
dem Sinnbild des Heiligen Jahres: der Heiligen Pforte. Sie wird im Petersdom vom
Papst feierlich zu Beginn des Heiligen Jahres geöffnet. In der Verkündigungsbulle
des Heiligen Jahres nennt Papst Franziskus sie ausdrücklich „Pforte der Barmherzigkeit“. Wie schon im Heiligen Jahr 2000, so hat auch im anstehenden Außerordentlichen Heiligen Jahr, dem Jubiläum der Barmherzigkeit, Papst Franziskus
angeregt, in allen Diözesen Heilige Pforten an zentralen und bedeutenden Kirchen
zu bestimmen. Dieses geschieht in den Diözesen am 13. Dezember, dem 3.
Adventssonntag. Somit wird dieses Symbol der geöffneten Türe überall sichtbar
und wahrnehmbar. Letztlich kann jede geöffnete Türe zum Sinnbild für Offenheit,
für Geborgenheit, für Sicherheit und Schutz, für Beheimatung und Beherbergung
sein. Im Weihnachtsevangelium nach Lukas ist ein kurzer Nebensatz vielsagend:
„… weil in der Herberge kein Platz für sie war.“ (Lk 2,7). Hier verbindet sich das
Schicksal der Heiligen Familie mit dem Sinnbild des Heiligen Jahres: der geöffneten
Türe – der Heiligen Pforte.
Gebet
„Gegrüßet seist du, Maria“
Der Ablauf der vorliegenden Herbergssuche richtet sich nach der Herbergssuche, wie sie im Gotteslob, Nr. 921 (Diözesanteil Rottenburg-Stuttgart) steht.
Einige Familien, aber auch Alleinstehende, tun sich zusammen. Ein Marienbild
wird von einem Haus in ein anderes getragen und dort festlich aufgenommen.
Beim Eintreffen des Bildes versammeln sich Familienmitglieder und Gäste zu
einer Andacht, die im gemeinsamen adventlichen Beisammensein ausklingt.
Am folgenden Tag wird das Bild zum nächsten Haus getragen und dort empfangen usw. In jeder „Herberge“ wird ein Platz eigens für das Marienbild hergerichtet und mit Kerzen, Zweigen oder Blumen geschmückt.
Eröffnung
V Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
A Amen.
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Hinführung zum Evangelium
V Wir sind zusammengekommen, um den alten volkstümlichen Brauch der
Herbergssuche miteinander zu feiern. Ein kleiner Nebensatz im Weihnachtsevangelium lässt uns aufhorchen: „Weil in der Herberge kein Platz für sie
war.“ Es war hart für Josef und seine hochschwangere Frau Maria, vor verschlossenen Türen zu stehen. Der Messias, Jesus Christus, steht vor verschlossenen Türen. Es ist heute noch genauso hart, vor verschlossenen Türen zu
stehen. Papst Franziskus hat vor einigen Tagen die Heilige Pforte im Petersdom in Rom feierlich geöffnet und dieses Heilige Jahr der Barmherzigkeit eröffnet. Dasselbe hat unser Bischof Gebhard in der Konkathedrale in Stuttgart
getan. Eine geöffnete Türe ist Einladung und Willkommen, eine verschlossene
Türe ist Ausgrenzung und Hartherzigkeit. Hören wir das Evangelium von der
Herbergsuche, wie sie uns der Evangelist Lukas schildert:
In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal; damals war
Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf
nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem
Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria
die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen.
Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge
kein Platz für sie war. (Lk 2, 1-7)
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Es kann nun das Foto einer geöffneten Türe angeschaut werden. Die einzelnen
Teilnehmer können ihre Assoziationen dazu austauschen: Eine geöffnete Türe
bedeutet für mich … Bei einer verschlossenen Türe empfinde ich …
Lied
„O Heiland, reiß die Himmel auf“ (GL 231, 1-3)
Betrachtung
Maria und Josef sind auf der Suche nach einem Nachtquartier. In der kleinen
Stadt Bethlehem wimmelt es von Menschen. Denn das ganze Land hat sich
auf den Weg gemacht, weil der römische Kaiser Augustus die Registrierung in
die Steuerlisten befohlen hatte – jeder in seiner Heimatstadt. Wir können uns
vorstellen, wie es da zugegangen ist. Maria und Josef sind nicht reich, vielleicht
hätten sie sonst noch irgendwo gegen viel Geld eine Herberge bekommen. So
aber bleibt ihnen nur ein Stall, ein Unterstand für das Vieh, draußen bei den
Hirten. Dort kommt der Messias, Jesus Christus, zur Welt. Dieser kleine Nebensatz im Weihnachtsevangelium – weil in der Herberge kein Platz für sie war –
hat früher schon Menschen angeregt, darüber nachzudenken, was es bedeutet
keinen Platz zu haben, vor verschlossenen Türen zu stehen, abgewiesen zu
werden, alleingelassen zu sein.
In der Herbergssuche wird das dargestellt. Denn heute ist es nicht anders. Wer
abgewiesen wird und vor verschlossenen Türen steht, ist hilflos, allein, Gefahren
ausgeliefert, gedemütigt und ausgeschlossen. Wir denken dabei in diesen Wochen vor allem an die unzähligen Flüchtlinge, die buchstäblich vor unserer
Haustüre stehen. Wir denken aber auch an die Menschen, die immer schon
hier leben und vor verschlossenen Türen stehen, wenn sie Hilfe brauchen, und
vor verschlossenen Herzens-Türen stehen, wenn sie einen Mitmenschen suchen, der für sie da ist – niemand macht ihnen die Türe auf: verschlossene Herzen, verstohlene Blicke hinter dem Fenstervorhang. Vielleicht ein bisschen
schlechtes Gewissen: man müsste ja, man sollte ja …, aber jetzt nicht, bei
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dem, bei der nun wirklich nicht, da könnte ja jeder kommen und überhaupt:
das sollen doch andere machen. Und es gibt auch solche, die lauthals ihre Mitmenschen belehren, wie sie sich zu verhalten haben, aber vor ihrem eigenen
Herzen, vor ihrer eigenen Türe liegt ein mächtiger Riegel.
Über dem Eingang mancher alter Klöster steht bis heute der Satz: „Porta patet
– cor magis“ – „Die Türe steht offen – noch mehr das Herz“. Darin ist alles
zusammengefasst: Aufnahme, Annahme, Gastfreundschaft, Mitmenschlichkeit,
Barmherzigkeit. Und wer wäre nicht darauf angewiesen? Wer lebt nur für sich
allein und braucht nie die offene Türe des Mitmenschen? Das Heilige Jahr, das
Papst Franziskus eröffnet hat, ist der Barmherzigkeit gewidmet. Die Heilige
Pforte soll eine offene Türe der Barmherzigkeit sein. Und dieses heilige Symbol
soll sich in die Wirklichkeit unseres Lebens einprägen: Ich öffne mich für meine
Mitmenschen, ich nehme wahr, wer Hilfe braucht, wer Zuwendung benötigt
und sei es nur ein aufmerksames Wort statt teilnahmslosen oder mürrischen
Blicken. Ich höre auch das leise, zaghafte Klopfen an meiner Herzenstür. So
kann jede Haustüre, ja meine Herzenstüre zur Heiligen Pforte werden und wer
durch sie schreitet, empfängt Mitmenschlichkeit und Segen, Heil und Hilfe.
Maria und Josef wurden von den Hoteliers und Gastwirten Bethlehems abgewiesen. Sie wussten nicht, dass Maria, sichtbar hochschwanger und auf Hilfe
angewiesen, den Messias unter ihrem Herzen trägt. In jedem Menschen, der
hilfesuchend vor meiner Türe steht, begegnet mir Jesus Christus selbst: „Was
ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt
25,40), sagt er. Ihn nehme ich auf, wenn ich jemandem meine Türe öffne und
ihm Gastfreundschaft, Aufnahme, Schutz und Geborgenheit gebe. Dem Messias
selbst geben wir so Herberge.
Lied
„Wer klopfet an“ (GL 921) oder
„O komm, o komm, Immanuel“ (GL Nr. 753)
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Gebet
Offizielles Gebet zum Heiligen Jahr (S. 10 )
Oder: „Angelus“ (GL Nr. 3,6)
Fürbitten
Bei jeder einzelnen Bitte kann eine kleines Teelicht oder eine kleine Kerze entzündet werden. Es können einzelne Mitfeiernde weitere Bitten anschließen.
V Barmherziger Gott, deine Türe steht offen für alle Menschen, dein Herz
ist geöffnet für jeden, der Hilfe braucht. Dich bitten wir:
V Für die Menschen, die vor verschlossenen Türen stehen und Hilfe brauchen.
A Hilf, o Herr und öffne ihnen Türen.
V Für die Flüchtlinge bei uns und in aller Welt … A
V Für die Familien, die keine Wohnung finden, weil sie Kinder haben … A
V Für die Menschen, die verängstigt, hilflos und verzweifelt sind … A
V Für die Menschen, die sich vor dir und ihren Mitmenschen verschlossen
haben … A
V Für unsere Verstorbenen und alle, die um sie trauern … A
V Alle unsere Bitten lassen wir einmünden in das Gebet, das der Herr uns
selbst zu beten gelehrt hat.
A Vater Unser … denn dein ist das Reich …
Segensbitte
V Gott, am Ende dieser Andacht bitten wir dich um deinen Segen. Dein Sohn
Jesus Christus hat den Himmel für uns geöffnet, als er in die Welt gekommen
ist. Die Kraft deines Geistes kann verschlossene Herzen und Türen öffnen. Dein
Segen umfasst alle und jeden Einzelnen von uns. So segne uns du, der dreieinige und barmherzige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.
A Amen.
Lied
„Maria, Mutter unseres Herrn“ (GL Nr. 530)
Pfarrer Dr. Hans-Michael Schneider
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Türen öffnen am dritten Advent
„Was ist dort dahinter?“
Ein Angebot für Kinder in den Kirchengemeinden
Die Idee: Alle Türen der Kirche sollen geöffnet werden
Die Haltung: Der Entdeckungsfreude der Kinder wird Raum gegeben.
Das Ziel: Kinder erleben den Kirchenraum bewusster, erfahren Neues und machen in Gemeinschaft eine besondere Erfahrung.
Die Leitung: Mitglied aus Pastoralteam oder ehrenamtliche Mitarbeiter aus der
Kinder-/Familien-/Jugendarbeit.
1. BEGRÜSSUNG VOR DEM GESCHLOSSENEN
HAUPTPORTAL DER KIRCHE
Leiter/in: Täglich sehen wir viele verschiedene Türen. Manchmal stehen wir vor
einer verschlossenen Tür. Durch manche Türen gehen wir durch. Manchmal
hält uns jemand die Tür auf, ein andermal öffnet sich die Tür automatisch, manche Türen muss ich mit eigener Kraft öffnen, manche knallen die Tür einfach
zu und manche machen sie gar nicht erst auf.
Welche konkreten Tür-Erlebnisse fallen den Kindern ein?
Hinter Türen gibt es oft Neues zu sehen und zu entdecken oder Geheimnisse
zu lüften – so auch heute, wenn die Türen der Kirche geöffnet werden und
man nachsehen kann, was sich dahinter verbirgt.
2. ENTDECKEN DER TÜREN
Die Kinder werden aufgefordert allein oder in Kleingruppen alle Türen in und an
der Kirche zu zählen. Dazu können sie selbstständig den Kirchenraum erkunden.
(Ergänzend möglich: Eine Türe/ein Element der Türe wird von den Kindern abgezeichnet bzw. gemalt). Danach folgt eine kurze Reflexion: Wieviele Türen wurden
gezählt? Was ist aufgefallen? Kinder benennen ihre Beobachtungen und die Unterschiede: wie groß, aus welchem Material, an welchem Platz …
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3. ÖFFNEN DER TÜREN
Verschiedene Türen werden gemeinsam aufgesucht und geöffnet. z.B. Eingangstüren zum Kirchenraum, Beichtstuhltüren, Türen zur Empore, zum Glockenturm, zur Sakristei usw.
Vorschlag für einen Ablauf an den Türen:
3.1 Persönlicher Eindruck:
das gefällt mir; das vermute ich dahinter; das verstehe ich nicht usw.
3.2 Vorwissen/Erlebnisse:
das weiß ich darüber; das verbinde ich mit dieser Tür usw.
3.3 Kindgerechte Information durch die Leitung:
Bedeutung des Ortes/der Türe: praktisch, liturgisch, historisch
3.4 3.4. Öffnung und Erkundung:
Die Türe wird in einem Stillen Moment von einem Kind geöffnet.
Jedes Kind geht einzeln über die Schwelle. Der Raum dahinter wird erkundet.
Nach einem Signal geht es weiter zur nächsten Türe.
Wichtig: Die Türe bleibt geöffnet!
4. DIE KLEINSTE TÜR
Es wird eine ruhige und entspannte Atmosphäre geschaffen, z.B. Sitzgelegenheit mit Sitzkissen/ Meditationsschemel/ Decken, Kerzen/Scheinwerfer, ruhige
Musik.
L Wir sind nun an einer ganz besonderen Türe in der Kirche angekommen.
Hinter der kleinsten Tür der Kirche liegt das größte Geheimnis.
Kinder können sich dazu äußern.
Wo heben wir unsere Schätze auf und die Dinge, die uns wichtig sind?
Auch in der Kirche gibt es ein Schatzkästlein. Man nennt es Tabernakel;
Es ist die wichtigste Türe, weil sich dahinter unser größter Schatz verbirgt.
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Die Türe wird auf besondere Weise geöffnet:
Kinder bilden einen Halbkreis mit einer Kerze in der Hand.
Die Leitung macht eine Kniebeuge und öffnet den Tabernakel.
Das Ziborium wird gezeigt.
Die Kinder beschreiben, was sie sehen.
In diesem Gefäß befindet sich Brot. Es stammt aus der Messfeier. In der Messfeier wird das Brot in den Leib Christi verwandelt. Jesus sagt:„Ich bin das Brot
des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern.“ In diesem Brot bin
ich immer bei euch. Deshalb ist dieses gewandelte Brot unser kostbarster
Schatz. So ist Jesus auch jetzt bei uns. Wir nehmen uns jetzt einen Augenblick
Zeit und werden vor Jesus ganz still.
Bußgottesdienst
Die Impulse sind Vorschläge; sie können ergänzt oder im Blick auf die Situation
der Gemeinde aktualisiert werden. Auch die Verteilung der Sprecher/innen ist
nur ein Vorschlag. Die Angaben der Liednummern richten sich nach dem
Gotteslob.
1. ERÖFFNUNG
Orgelvorspiel
Lied
„Mit Ernst, o Menschenkinder“ (GL 752,1-2)
kurze Zeit der Stille
Begrüßung und Einführung
Wir beten das Vaterunser
Lied
„Macht hoch die Tür“ (GL 218, 1+4+5/ „Dir sing ich mein Lied“, Nr. 129,
1+4+5) oder „Du öffnest, Herr, die Türen“ (GL 867, 1+3)
L Wir bitten Gott um seinen Segen:
Gott, öffne uns immer wieder Türen, damit wir Neues entdecken, das uns
Kraft gibt.
Gott, öffne uns immer wieder Türen, damit wir uns willkommen fühlen.
Gott, öffne auch immer wieder die Türe unseres Herzens, damit wir dich
empfangen können. Dazu segne uns
der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. (Kreuzzeichen)
Giveaway: Ansichtskarte von der Kirche oder Foto von einer markanten Tür der
Kirche.
V Wir beginnen unseren Bußgottesdienst:
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
A Amen.
V In Piemont soll es in den Bergdörfern immer noch den Brauch geben, dass
die Menschen, wenn die Kirchenglocken Weihnachten oder Ostern einläuten, zum Dorfbrunnen laufen und sich die Augen auswaschen. Sie sagen,
dass das kalte, klare Wasser allen Schmutz der zurückliegenden Zeit
herausspült. So ein Dorfbrunnen kann heute Abend unsere Kirche sein. Den
Schmutz der zurückliegenden Zeit herausspülen lassen, dazu haben wir
uns versammelt und dazu sind wir in diesem Bußgottesdienst eingeladen.
Lied
„Mit Ernst, o Menschenkinder“ (GL 752,3-4)
Theresia Prokop, Jugendkirche Ravensburg
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Gebet
V Herr, unser Gott,
du hast uns Menschen nach deinem Bild wunderbar erschaffen
und durch die Menschwerdung deines Sohnes
noch wunderbarer wieder hergestellt.
Reinige die Augen unseres Herzens,
damit wir erkennen,
wo wir durch Sünde und Schuld
dein Bild in uns verdunkeln.
Darum bitten wir dich jetzt, in dieser Stunde durch Christus, unseren Herrn.
A Amen.
2. VERKÜNDIGUNG UND BESINNUNG
V Die Heilige Schrift erzählt die Geschichte von der Erschaffung des Menschen
als Abbild Gottes und schildert seine unbefangene Beziehung zu seinem
Schöpfer. Doch gleich darauf nennt sie die menschliche Urerfahrung von
Sünde und Schuld, von Grenzüberschreitung, Auflehnung und Gewalt, die
sich seitdem durch die Welt ziehen. Der biblische Erzähler deutet damit
seine Gegenwart. Die Sünde beschädigt die Gemeinschaft mit Gott und
die der Menschen untereinander. Gott nimmt den Menschen die Folgen
ihrer Entscheidung nicht ab, aber er begleitet ihn auf seinem persönlichen
Lebensweg und durch die Geschichte. In diesem Prozess durchdringen sich
Unheilsgeschichten und Geschichten der Heilung und der Barmherzigkeit.
Lesung aus dem Buch Genesis
L Als der Mensch vom Baum gegessen hatte, rief Gott der Herr nach ihm
und sprach: Wo bist du? Er antwortete: Ich habe dich im Garten kommen
hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.
Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem
Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe?
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Adam antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem
Baum gegeben und so habe ich gegessen. Gott, der Herr, sprach zu der Frau:
Was hast du da getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt
und so habe ich gegessen. Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du
das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes.
Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens.
Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der
Ferse. (Gen 3,9–15)
Kurze Stille oder meditative Instrumentalmusik
Sprecher/Sprecherin 1:
Eine jüdische Legende aus dem 16. Jahrhundert schildert die Erschaffung des
Menschen. Der Erzähler verwendet das Bild einer himmlischen Ratsversammlung. Gott befragt die Engel, ob er den Menschen erschaffen solle. Auch dieser
Verfasser deutet damit seine Gegenwart.
Von der Erschaffung des Menschen
Als der Allmächtige,
gelobt sei sein NAME,
den Menschen erschaffen wollte,
versammelten sich alle Engel,
dem Höchsten zu raten:
"Erschaffe ihn nicht,"
sprach der Engel der Gerechtigkeit,
"streiten wird er mit seinen Brüdern,
grausam und hart sein gegen alles Schwache".
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„Erschaffe ihn nicht,“
sprach der Engel des Friedens,
„Deine schöne Schöpfung, die Erde
wird er düngen mit Blut“.
„Erschaffe ihn nicht,“
sprach der Engel der Wahrheit,
„Mit Lüge und List
wird er dein Heiligtum entweihen“.
So der Rat der Engel.
Dann schuf der Höchste,
sein NAME sei gepriesen!
ein armes, herrliches Geschöpf,
den Menschen. .
In allen seinen Fehlern war und blieb der Mensch
ein Kind der Güte Gottes,
Sohn (und Tochter) der Barmherzigkeit,
im Leiden geläutert,
in Liebe geleitet,
und angenommen aus Gnade.
Da trat zum Thron des ewigen Vaters
die Barmherzigkeit,
sein jüngstes, liebstes Kind
und seine Knie umfassend sprach sie sanft:
Und die Engel?
Nicht begreifend den Ratschluss des Höchsten,
gepriesen sei sein NAME!
Neigten sich schweigend und beteten an.
„Schaffe den Menschen nach Deinem Bilde!
Und wenn alle Engel ihn verlassen,
dann will ich bei ihm sein:
Des Schwachen Herz will ich mit Mitleid füllen
für den noch Schwächeren.
Wenn er vom Pfad des Friedens abirrt,
die Wahrheit nicht mehr kennt
und die Gerechtigkeit beleidigt,
halt ich ihn dennoch bei der Hand
und führe ihn zu Dir, o Herr, zurück.“
Nach einer jüdischen Legende aus dem 16. Jahrhundert in: Dorothea Forstner,
Renate Becker, Neues Lexikon Christlicher Symbole,
S. 22f., Tyrolia Verlag, Innsbruck, 1991
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Kurze Stille oder meditative Instrumentalmusik
Sprecherin/Sprecher 2:
Die Schöpfungs- und Heilsgeschichte wird im vierten Hochgebet dankend ins
Wort genommen. Darin wird zurückgeschaut auf den Weg der Treue und Barmherzigkeit Gottes durch die Geschichte. Daraus können wir Zuversicht und Hoffnung schöpfen für die Gegenwart und in die Zukunft hinein. Hören wir noch
einige Sätze aus dem vierten Hochgebet:
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„Wir preisen dich, heiliger Vater, denn groß bist du, und alle deine Werke künden deine Weisheit und Liebe. Den Menschen hast du nach deinem Bild geschaffen und ihm die Sorge für die ganze Welt anvertraut. Über alle Geschöpfe
sollte er herrschen und allein dir, seinem Schöpfer, dienen.
Als er im Ungehorsam deine Freundschaft verlor und der Macht des Todes verfiel, hast du ihn dennoch nicht verlassen, sondern voll Erbarmen allen geholfen,
dich zu suchen und zu finden …
So sehr hast du die Welt geliebt, heiliger Vater, dass du deinen eingeborenen
Sohn als Retter gesandt hast, nachdem die Fülle der Zeiten gekommen war. Er
ist Mensch geworden durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau
Maria. Er hat wie wir als Mensch gelebt, in allem uns gleich außer der Sünde.
Den Armen verkündete er die Botschaft vom Heil, den Gefangenen Freiheit,
den Trauernden Freude. Um deinen Ratschluss zu erfüllen, hat er sich dem Tod
überliefert, durch seine Auferstehung den Tod bezwungen und das Leben neu
geschaffen.“
Kurze Stille oder meditatives Orgelspiel oder
Lied: „Kündet allen in der Not“ (GL 221,1-5)
Wie pflege ich die Gaben und Fähigkeiten, die Gott mir geschenkt hat?
Wie und wo setze ich sie ein?
Was motiviert mich dazu?
Was hindert mich?
Wo sehe ich meinen Platz und meine Aufgaben?
Was hilft mir diese anzunehmen und zu gestalten.
Was erschwert es mir?
Wo habe ich meine Schwächen und Grenzen?
Wie nehme ich sie an?
Ich bin ein Teil der Schöpfung Gottes.
Was tue ich für einen schonenden Umgang mit der Natur und Umwelt?
Wie ist mein Konsumverhalten?
Wie gehe ich mit den Lebensmitteln um?
Stille
Kyrie-Ruf, der in der Gemeinde bekannt ist und auswendig
gesungen werden kann (GL 154), oder
„Gott, heilger Schöpfer aller Stern“ (GL 230,1)
3. IMPULSE ZUR BESINNUNG
Sprecherin/Sprecher 1:
Gott hat den Menschen nach seinem Bild geschaffen.
Was bedeutet mir das für mein eigenes Leben?
Für meine Selbstachtung,
für meine Würde,
für mein Selbstbewusstsein?
Wie gehe ich mit meinem Körper und meiner Gesundheit um?
Wie mit meinen Vorlieben und Bedürfnissen?
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Sprecherin/Sprecher 2:
Gott hat den Menschen nach seinem Bild geschaffen.
Wie ist meine Einstellung zu meinen Mitmenschen?
In der Familie,
im beruflichen Umfeld,
im Freundeskreis,
in der Nachbarschaft,
im digitalen Netzwerk?
Was bestimmt mein Denken über sie und mein Verhalten zu ihnen?
Welche Gefühle und Gedanken sind bei mir vorherrschend und maßgeblich?
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Wie verhalte ich mich in Konfliktsituationen?
Wie bemühe ich mich um Klarheit, Ehrlichkeit und
um Verständnis?
Welche Bedeutung haben für mich Gottes Liebe und Barmherzigkeit?
Kann ich sie für mich annehmen?
Wie gehe ich mit Niederlagen und Verlusten um?
Kann ich Gottes Barmherzigkeit auch anderen zugestehen?
Stille
Kyrie-Ruf, der in der Gemeinde bekannt ist und auswendig
gesungen werden kann, oder
„Gott, heilger Schöpfer aller Stern“ (GL 230,1)
Sprecherin/Sprecher 1:
Gott hat den Menschen nach seinem Bild geschaffen.
Welches Bild habe ich von Gott?
Wie lebendig ist meine Beziehung zu Gott?
Wie gestalte ich diese Beziehung?
In welchen Situationen bete ich?
Was bedeutet mir die Teilnahme am Gottesdienst?
Wo suche und finde ich Gott in meinem Alltag?
Wo bringe ich mich freiwillig oder ehrenamtlich ein?
Wo tue ich Gutes?
Wo liegen zur Zeit meine Prioritäten?
Wie verteile ich meine Kräfte?
Es gibt viele Anforderungen und Erwartungen, die ich an mich selbst habe und
die von außen kommen. Wie gehe ich damit um? Höre ich dabei auf meine innere Stimme und mein Gewissen?
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Gott reicht mir immer wieder die Hand,
er bietet mir einen neuen Anfang.
Bin ich offen dafür?
Stille
Kyrie-Ruf, der in der Gemeinde bekannt ist und auswendig
gesungen werden kann, oder
„Gott, heilger Schöpfer aller Stern“ (GL 230,1)
4. SCHULDBEKENNTNIS, VERGEBUNGSBITTE UND FRIEDENSGRUSS
V Wir schauen auf uns und auf das barmherzige und geduldige Geleit Gottes
in unserem Leben. Oft bemerken wir es nicht; es ist uns so selbstverständlich, dass wir nicht darauf achten. Wir denken an die guten Gedanken und
Impulse, die wir schnell wieder vergessen oder übergehen. Wir erinnern
uns gute Chancen und Möglichkeiten, die wir nicht ergriffen oder die wir
abgewiesen haben. Wir bitten Gott um Vergebung und sprechen das
Schuldbekenntnis.
A Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen …
V Der gütige Gott erbarme sich unser, er lasse uns die Sünden nach, er öffne
unser Herz für seine Barmherzigkeit und schenke uns seinen Frieden.
Geben wir einander ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung.
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5. ABSCHLUSS UND SEGEN
Bußakt im Jahr der Barmherzigkeit
V Wir leben alle von der barmherzigen Liebe Gottes, in diesem Vertrauen
beten wir wie Jesus uns zu beten gelehrt hat:
Vater unser im Himmel… Denn dein ist das Reich…
Form A
Schwestern und Brüder, lassen wir uns in diesem Heiligen Jahr der Barmherzigkeit berühren von Gottes liebendem Entgegenkommen. Wie ein Kind seine
Mutter sucht, wenn es sie aus den Augen verloren hat, so dürfen wir uns Gottes
offenen Armem anvertrauen, was auch immer wir getan haben. Wir wollen
uns in Stille besinnen und ihm die Hände legen, was unheil ist und durch ihn
wieder heil werden kann. [Stille]
V Es segne uns Gott, der uns nach seinem Bild erschaffen hat.
A Amen.
Es begleite uns der Sohn, der uns erlöst hat.
A Amen.
Es stärke uns der Heilige Geist, der in unsere Herzen ausgegossen ist.
A Amen.
So segne uns der dreieinige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
V Lasst uns gehen in Frieden.
A Dank sei Gott dem Herrn.
Lied
,,0 komm, 0 komm, Immanuel“ (GL Nr. 753,1-5)
Marcella Welte OSB und Margret Schäfer-Krebs
Gott, Du lässt das Leben auch in seiner Endlichkeit Erfüllung erhoffen, doch
wir überschreiten unsere Grenzen immer wieder zum Leid deiner Schöpfung.
- Gott, deine Barmherzigkeit vereint dich mit uns.
Gott, aus deiner Liebe sind wir dir zum Ebenbild geschaffen, doch unseren
Brüdern und Schwestern versagen wir oft, barmherzig zu sein wie du, unser
aller Vater.
- Gott, deine Barmherzigkeit vereint dich mit uns.
Gott, dein Herz ist uns unablässig zugewandt, doch oft vertrauen wir nicht dir,
sondern nur unseren eigenen Wegen.
- Gott, deine Barmherzigkeit vereint dich mit uns.
Herr, du bist Gott, der da sein wird für uns, wo wir dich zum Leben brauchen.
Du vergibst, wenn wir dich darum bitten.
Du richtest uns auf, wenn wir nicht mehr weiterkommen.
Du freust dich, wenn deine barmherzige Zuwendung in uns die Freude entzündet.
Daher wollen wir Dich ehren und loben. [es folgt das Kyrie]
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Form B
Gott hat uns hier versammelt. Durch sein Wort (und in seiner Gegenwart im
heiligen Brot) will er uns für das Leben stärken. Mit offenem Herzen wollen
wir ihm und untereinander begegnen. Gehen wir in uns und schauen an, wo
unser Denken, Tun und Nichttun uns daran hindert, Gottes liebevollen Anblick
anzunehmen.
[Stille]
Herr Jesus Christus, schuldhaftes Handeln lässt uns in eine tiefe Traurigkeit versinken und dich aus dem Blick verlieren. Du, Quelle tiefster Freude, gibst unserem menschlichen Herzen Mut, immer wieder neu zu beginnen. – Herr,
erbarme dich.
Herr Jesus Christus, voll Unruhe suchen wir glücklich zu werden und missachten
dabei die Grenzen des Lebens. Du, Quelle der Gelassenheit, zeigst uns den
Weg des Lebens. – Christus, erbarme dich.
Herr Jesus Christus, Gewalt prägt unser Leben und trennt die Menschen. Du,
Quelle des Friedens, hast die Gewalt überwunden durch deinen Tod und deine
Auferstehung. – Herr, erbarme dich.
Der allmächtige Gott erbarme sich unser, er lasse uns die Sünden nach und
führe uns zum ewigen Leben.
A Amen.
Form C Bußakt mit Weihrauchspende
Anmerkung: Bereitstellen einer Weihrauchschale (zwei bis drei Kohlen, vor
Beginn des Gottesdienstes angezündet). Vor dem Altar wird – für alle Mitfeiernden sichtbar – die Weihrauchschale aufgestellt, in der Nähe befindet sich
eine kleine Schale mit Weihrauchkörnern. – Die Weihrauchspende als Bußakt
tritt in der Messfeier, in der Wort-Gottes-Feier oder in der Komplet an die Stelle
des Schuldbekenntnisses. In einem Bußgottesdienst kann sie ihren Ort im Anschluss an die Verkündigung des Wortes Gottes bzw. nach der Predigt haben;
beim Aschermittwochsgottesdienst legt sich die Weihrauchspende nach der
Predigt und vor der Segnung der Asche nahe. - Der Priester bzw. Leiter(in) des
Gottesdienstes (Lt) und Assistenz begeben sich zur Weihrauchschale, um zum
Altar oder zum Kreuz gewendet beten zu können. Jeweils zum Ruf legt Lt in
die Weihrauchschale eine Inzens auf.
Orgel intoniert die Melodie von GL 661,2 oder GL 97
Lt Wie Weihrauch steige unser Gebet auf zu dir, Herr unser Gott,
neige dich voll Barmherzigkeit unseren betrübten Herzen zu.
Unser Denken, Reden und Tun stellt sich oft zwischen dich und uns.
Manche Schuld lastet auf uns, doch du lässt uns frei vor dir stehen,
denn du, Gott, du bist heilig, gerecht und barmherzig.
Blickst du uns an, schmilzt unser kaltes Herz,
wendest du dich uns zu, schaffen wir den neuen Anfang.
A Wie Weihrauch steige mein Gebet vor dir auf (GL 661,2 bzw. GL 97)
Während der Ruf gesungen wird, wird Inzens aufgelegt.
Lt Blick mit uns auf deinen Sohn, du barmherziger Gott und Vater.
Ohne Schuld hat er unsere Schuld auf sich genommen, damit wir heil
werden.
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Wie Weihrauch sich verzehrt und Wohlgeruch entfaltet, so verzehrte sich
sein Leben am Kreuz, gab er es für seine Schwester und Brüder.
In seinem Sterben und Tod ist seine unendliche Liebe sichtbar geworden.
A Wie Weihrauch steige mein Gebet vor dir auf (GL 661,2 bzw. GL 97)
Während der Ruf gesungen wird, wird Inzens aufgelegt.
Lt Dein Heiliger Geist durchglühe unser neues Herz voll Liebe.
Er treibe uns an, unser Leben miteinander zu teilen im Geist der Versöhnung
und des Friedens. Er wohne in uns, bereite unser Herz, barmherzig zu sein
wie du barmherzig bist, du, unser Vater.
A Wie Weihrauch steige mein Gebet vor dir auf (GL 661,2 bzw. GL 97)
Während der Ruf gesungen wird, wird Inzens aufgelegt.
Lt Der allmächtige Gott erbarme sich unser, er lasse uns die Sünden nach und
führe uns zum ewigen Leben.
A Amen.
Christoph Schmitt
Weitere Ideen zum Thema „Türen öffnen“ können in Anknüpfung an die
bestehenden Aktionen und Angebote, die es in dieser Zeit gibt, gestaltet werden.
Etwa:
• Lebendige Adventskalender
• Adventsbazar
• Krippenbesuch/„Christbaumloben“
• Aktionen, bei denen Türen für andere geöffnet werden/offen stehen und
Gastfreundschaft gepflegt wird.
• Sternsinger
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24 Stunden für den Herrn
Nachtwachwanderung zum Thema Barmherzigkeit
– auf dem Martinusweg
Die Idee der Nachtwanderung ist, sich eine ganze Nacht lang mit anderen auf
einen Weg zu machen, im Unterwegs sein für sich meditieren und an bestimmten Stationen der ganzen Gruppe oder aber in kleineren Gruppen den Austausch zu suchen. Die Wegstrecke für eine Nacht-Wach-Wanderung sollte so
gewählt werden, dass sie in der Zeit zwischen 21:00 Uhr abends und morgens
6:00 Uhr einschließlich der Zeiten für die Stationen bewältigt werden kann
(grob gesagt kann man von 18 bis 20 km ausgehen). Zur Vorbereitung ist es
unbedingt erforderlich, den Weg auch am Tag einmal zurückgelegt zu haben
(das geht relativ schnell, weil man tagsüber „schneller sieht“); der „Vorlauf“
dient dazu individuell auf den Martinus Weg bezogen die möglichen Stationen
zu bestimmen.
Am Startpunkt und am Endpunkt der Wanderung braucht es einen Raum, in
dem die Gruppe miteinander zu Abend isst bzw. frühstückt.
Für unterwegs: Taschenlampen, Rucksack, Mobiltelefon für Notfälle, Karte und
Kompass, wetterfeste und wärmende Kleidung sowie gutes Schuhwerk, Gotteslob oder Liedblätter.
Beim gemeinsamen Abendessen
Es empfiehlt sich, das Abendessen in der Art des bring-and-share-Essens zu
gestalten, d.h. bei der Einladung wird jede/r gebeten, etwas an Essen mitzubringen, was für sie / ihn reicht und wovon er / sie mit anderen teilen kann.
Getränke (je nach Witterung empfiehlt sich die Wahl von Kalt- oder Heißgetränken) werden von den Organisatoren bereitgestellt.
Für das einfach zu haltende Frühstück sorgen die Organisatoren (Kaffee, Tee,
Brot, Marmelade, Äpfel) vorher. Das Bereiten des Tisches am Abend wie am
Morgen übernehmen die Teilnehmenden.
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Es empfiehlt sich, nachdem alle eingetroffen sind, eine Vorstellungsrunde zu
machen und die Idee, das vorgesehene Programm wie auch den durch die
Nacht zu gehenden Weg vorzustellen.
Gebet zu Beginn des Abendessens
Guter Gott,
aus deinen Händen empfangen wir reichlich,
was uns zum Leben guttut.
Danken wollen wir dir dafür,
was du uns zuwendest in den Gütern deiner Schöpfung
und in den Menschen, denen wir begegnen.
Segne diese Gaben,
segne unsere Gemeinschaft,
segne diesen Abend und die Nacht,
in der wir aufbrechen,
uns dem Geheimnis deiner Barmherzigkeit
anzunähern.
Amen.
AUFBRUCH // Verantwortung übernehmen
Lied
„Vertraut den neuen Wegen“
(GL 860 Diözesanausgabe Rottenburg Stuttgart)
Gott,
du willst uns Ziel sein und Wegbegleitung.
Stärke unsere Entscheidung, aufzubrechen,
um anzukommen bei dir und dem Nächsten.
Lass uns entschieden eintreten für die Menschen,
damit an uns spürbar wird,
dass du die Quelle all unserer Kraft bist,
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aus der wir handeln,
dass du uns niemals allein lässt,
auch wenn unsere Wege zum Anderen einsam werden.
Schenk du uns dazu deinen Geist,
der uns bewegt und befeuert.
Amen.
Wer aufbricht macht erste Schritte. Wer aufbricht, übernimmt Verantwortung,
dass der begonnene Weg an ein Ziel kommt. Den ersten Schritt wagen heißt
immer auch, aus der Bereitschaft zum Aufbrechen heraus die eigene innere
Schwelle zu überwinden.
Bevor wir in diese Nacht hinein gehen, nehmen wir in uns wahr, was unsere Motivation ist, was uns bewegt, den ersten Schritt in diese Nacht hineinzusetzen.
– kurze Zeit der Stille –
Unseren ersten Schritt wollen wir jetzt ganz bewusst setzen und verlangsamen
dazu unsere Bewegung: den Fuß, mit dem wir beginnen wollen, setzen wir langsam in Bewegung, heben ihn und setzen ihn sorgsam in die Richtung, in die wir
gehen wollen. Nutzen Sie beim Gehen die ersten hundert Meter, um bewusst zu
gehen und wenn es möglich ist, beobachten Sie auf Zeit auch Ihren Atem.
lässt sich beobachten, wie Menschen auf ihn zukommen, weil seine Botschaft
sie zuinnerst berührt. Und wenn Menschen Heilung suchen, dann ist er es, der
behutsam, nicht verletzend auf die Menschen zugeht und seine Berührung
wird für sie zum Aufrichten ins Leben. Wenn Herta Richter, eine bekannte Lehrerin für Atemheilkunst, sagt, „Eure Hände sind euer Herz“, so lädt uns dies
ein, nachzudenken, was uns Berührung im Alltag bedeutet: wo lassen wir uns
berühren – wo ist unsere Begegnung mit Menschen für diese eine heilsame
Berührung. Entdecken wir im Leben Aufgaben und Herausforderungen, die uns
berühren und wozu ‚unsere Hände‘ gebraucht werden? Lässt sich Barmherzigkeit auch sinnlich entdecken? Wie fühlt sich barmherzige Berührung an und
was bewirkt sie?
Gott,
du hast uns Hände gegeben,
mit denen wir deine Schöpfung gestalten können.
Lass uns diese Werkzeuge nicht missbrauchen,
hilf uns, mit ihnen zärtlich und barmherzig zu sein.
Darum bitten wir dich in dieser Stunde.
ENTSCHEIDEN // den Menschen achten
ENTDECKEN // sich berühren lassen
Lied:
„Gott gab uns Atem“
(GL 468,1.3)
Tauschen Sie sich zu zweit oder dritt aus über den Impuls: Berührung ist das,
was der Mensch von Anfang an braucht, um seine Umwelt zu erfahren und
um sich selbst als lebhaftes Wesen zu spüren. Wer nicht liebevoll berührt wird,
dem fehlt so Wichtiges wie Essen und Trinken. Missbrauchende Berührung hingegen schneidet in das Leben eines Menschen unglaublich tief ein. An Jesus
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Lied
„Ich steh vor dir mit leeren Händen“
(Herr GL 422)
Glücklich mit einem Menschen zusammen zu leben und sich über jeden gemeinsamen Tag zu freuen, um Gemeinsames zu erleben: das erstreben viele
Menschen und sie wollen nicht nur davon träumen. Will ich mir diesen Wunsch
erfüllen, brauche ich die gegenseitige Wahrnehmung. Ich will den anderen
Menschen anschauen und von ihm angesehen werden. Miteinander zu
sprechen bedeutet, voneinander zu wissen und sich anzuerkennen. Nicht
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immer erfüllt sich der Wunsch auf Dauer, ‚unendlich‘ zusammen zu bleiben.
Das Leben macht mich nicht einfach davor gefeit, dass es zwischen mir und
dem anderen auch zu Brüchen kommt. Zuweilen zerbrechen meine Beziehungen zu anderen. Lange mag ich es mir nicht eingestehen. Ich glaube, es sei
nur vorübergehend, dass ich den anderen nicht verstehe. Eines Tages stehe ich
vor einem Scherbenhaufen. Urplötzlich stellt sich etwas zwischen uns. Das Miteinanderreden wird zum Anschweigen und irgendwann kippt es ins Anschreien.
Nicht mehr zu verstehen suche ich, vielmehr lasse mich hinreißen von einer
inneren Erregung, die mir den Blick trübt. Ich sehe nur noch das Widrige und
Schlechte, den Menschen im Andern, der Mensch ist wie ich, achte ich nicht
mehr. Argwohn beschleicht mich und wie in einem Wirbel trudle ich immer
tiefer hinab in eine ablehnende Haltung, die kein anerkennendes Aufblicken
mehr verträgt. Was treibt mich, mich so zu verhalten ohne einen Ausweg zu
finden? Warum gelingt mir nicht mehr, den Anderen noch als Du zu achten?
Was würde ich an Leben gewinnen, wenn ich meinen Blick aufhellen ließen,
indem ich meinem Gegenüber barmherzig begegne und mit einer Leidenschaft,
die aus der Liebe zum Nächsten lebt?
UNTERBRECHEN // Zeit haben
Tauschen Sie sich mit jemanden über Ihre Erfahrungen aus, den Anderen achtungsvoll anzunehmen, selbst wenn die Beziehung gestört ist.
Wer barmherzig wirken möchte, braucht von Zeit zu Zeit, regelmäßig, das Unterbrechen seines Tuns, um sich von der Botschaft Christi berühren zu lassen,
die barmherzig macht, wie der Vater. Nehmen Sie sich nun in der nächsten halben Stunde die Zeit, für sich in Stille zu sein. Überlegen Sie in dieser Zeit, wie
es Ihnen damit geht, zwischen Aktivsein und Betrachtung ein gutes Gleichgewicht zu finden.
(Am Ende der Zeit der Stille)
Gott,
in Jesus hast du mit allen Menschen Gemeinschaft gesucht.
Uns fällt es manchmal schwer, einen Mensch bedingungslos anzunehmen,
in ihm den Nächsten zu sehen und mit ihm Barmherzigkeit zu teilen,
wie du sie uns allen schenkst.
Bestärke unser Herz, dass wir aus deiner Liebe handeln.
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Lied
„Du sei bei uns“ (mehrmals singen) (GL 182)
Wir bleiben bei dieser Station bewusst eine ¾ Stunde an dem Ort, wo wir gerade sind. Es ist für uns eine Zeit der Stille.
Hören Sie den Text aus dem Lukasevangelium 10,39-42:
„Sie zogen zusammen weiter und er kam in ein Dorf. Eine Frau namens Marta
nahm ihn freundlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte
sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Marta aber war ganz
davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen. Sie kam zu ihm und sagte:
Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein
überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! Der Herr antwortete: Marta, Marta,
du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria
hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.“
Dich, Gott, suchen wir, dich, der uns Gutes erweist und uns barmherzig begegnet.
Du schenkst uns immer wieder Zeiten, in denen wir den Trott des Alltags unterbrechen.
Nimm darin, was uns Sorgen und Unruhe bereitet,
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schenke uns Geborgenheit, denn wir vertrauen dir,
dass in allem deine Zusage wahr ist,
dass du wahrhaft der bist, der Ich bin da.
WEITERGEHEN // Ansprechen und Zuhören
Lied
„Bleib mit deiner Gnade bei uns“
(Unterwegs Nr. 97 / Erdentöne Himmelsklang Nr. 64)
Hören wir eine Wegbegegnungserzählung nach dem Lukasevangelium (Lk 24).
Es waren zwei Männer unterwegs. Sie kamen von Jerusalem. Sie waren enttäuscht und nun wollten sie nach Emmaus gehen. Emmaus ist ein kleines Dorf,
zwei Stunden von Jerusalem entfernt. Sie sind von den letzten Tagen mitgenommen und gehen daher langsam, Schulter und Arme hängen mutlos herab.
Dass sie niedergedrückt sind, sieht man schon aus einiger Entfernung. Ihr Meister und Freund, Jesus aus Nazareth, wurde hingerichtet. Wie er von Gott redete,
das berührte. Wie er die Menschen durch seine Worte heilte, das berührte. –
Doch nun sollte alles vorbei sein?
Mit gebeugtem Kopf gehen sie und merken es erst, als er da ist, ein Mann, der
zu ihnen tritt. Er spricht sie an, spricht sie direkt auf ihre Trauer an – und sie
erzählen von ihrem Verlust, von den Hoffnungen, die sich zerschlagen haben,
von der Unausweichlichkeit, dass das Leben wieder in die alten Bahnen zurückfällt. Der von Gott als dem Gott des Lebens sprach, der war nun tot.
Der da mit ihnen mitgeht, der begann zu sprechen …
An dieser Stelle lade ich Sie ein, sich zu dritt auf den nächsten Wegabschnitt
zu machen und sich gegenseitig zu erzählen, wo für Sie im Leben Bestärkung,
Hoffnungen in Frage gestellt wurden, wo Enttäuschungen ins Leben eindrangen – und wie in diesen Lebensereignissen für Sie Barmherzigkeit erfahrbar
wurde.
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Gott,
wie oft sehen wir uns ausweglos,
wenn bittere und schmerzhafte Ereignisse in unser Leben einschneiden.
Vor der Wirklichkeit möchten wir flüchten,
weil wir nicht wissen, wie wir aushalten sollen, wozu uns die Kraft und Orientierung fehlt.
Tritt an uns spürbar heran, geh mit auf unserem steinigen Weg.
Erwecke den Hoffnungsschimmer neu in uns
und nähre uns mit deiner bleibenden Gegenwart.
AUSHALTEN // Hinsehen
Lied
„Bleibet hier und wachet mit mir“
(GL 286/Unterwegs Nr. 209)
In seinem Buch über Barmherzigkeit schreibt Kardinal Kasper: „Die Erfahrung
von Gottes Barmherzigkeit ist kein billiger Trost und schon gar kein Schwelgen
in Gottes Gegenwart. Im Gegenteil, die Mystiker sind immer wieder und oft
lange Zeit in die Nacht der Erfahrung der Gottverlassenheit Jesu am Kreuz eingetaucht. Sie haben in der innigsten Gemeinschaft mit Gott auch die Heiligkeit
und die Transzendenz Gottes erfahren und waren in der Erfahrung der Gottesferne sich doch seiner Nähe und seiner Gemeinschaft gewiss. Der Weg der
Mystik ist ein Pilgerweg, ein Aushalten unter dem Kreuz in der Hoffnung auf
die Auferstehung und die Gemeinschaft mit Gott in der Ewigkeit.“
Wir machen alltäglich die Erfahrung, dass Menschen unter Gewalt, Not und
Krankheit unendlich leiden. Es scheint wie oft keinen Ausweg zu geben. Uns
bedrängt die Frage, wo hier das barmherzige Eingreifen Gottes in seiner Schöpfung noch spürbar ist. Betrachten Sie zu zweit oder dritt, was eine solche Ohnmachtserfahrung für sie bedeutet. Betrachten Sie auch, wie Sie damit
umgehen.
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Gott,
manchmal sehen unsere Augen eine Welt,
die uns durch Unheil und Not verdunkelt ist.
Wir suchen nach Wegen ins Gute,
doch oft gehen unsere Lösungen in die Irre.
Uns bestürzen Sorgen und Fragen,
wo deine Barmherzigkeit bleibt.
Hilf uns, dass unsere Augen nicht wegsehen,
wo schnelle Lösungen versagen.
Steh uns zur Seite, dass wir diese Not aushalten und teilen,
berühr unser Herz, dass es sich dem Nächsten hinhalten kann.
ABSCHLUSS
Lied
„Laudate Dominum laudate Dominum omnes gentes“
(GL 394)
Wir haben unser Ziel erreicht; der Morgen kündet sich an durch das morgendliche Auftauchen der Sonne.
Nehmen wir uns noch einmal Zeit, in der Stille die Stunden und Stationen dieser Nacht zu verinnerlichen.
(einige Minuten in Stille verweilen)
Du, Allbarmherziger
Ein Ziel haben wir erreicht,
ein Ziel auf dem Weg des Lebens.
Ein Ziel
erreicht
und gewisser geworden,
deiner Zukunft
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näher zu kommen.
Sicher ist unser Schritt, nicht immer,
oft tasten die Füße unsicher nach dem Weg.
Hoffnung leben wir
und Furcht ist doch auch da.
Doch darin entfalten sich
deine Zusagen an uns.
Es ist
immer wieder
mühselig,
doch wir legen Hand an,
bauen an der Stadt deines Friedens,
formen mit an der neuen Schöpfung,
in der du uns leuchtest den Weg,
von dem du Anfang und Ende bist,
alles in allem.
Gib Wege-Mut,
sei Weggenossenschaft,
schaff Trost und Stütze,
bring uns ans Ziel.
Dort angekommen
lass uns in den Armen liegen,
einer mit dem anderen
und deine Barmherzigkeit kosten.
Lied
„Dass Du mich einstimmen lässt in deinen Jubel“
(GL 389)
Christoph Schmitt
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Abend der Barmherzigkeit
Ein Abend der Barmherzigkeit ist eine Gottesdienstform, die die eucharistische
Anbetung und die Versöhnung mit Gott verbindet. Diese Form ist sehr flexibel
und offen gestaltbar.
Grundelemente sind:
• Gesänge, Lieder und Schriftlesung;
• die Aussetzung des Allerheiligsten und die Stille Anbetung;
die Möglichkeiten zur Beichte oder zum seelsorgerlichen Gespräch;
• Es stehen Personen zur Verfügung, die sich anbieten, mit anderen (oder
auch stellvertretend für andere) in deren Anliegen zu beten.
Je nach Teilnehmerzahl sollten eine bis zwei Stunden dafür eingeplant werden.
Danach kann die Kirche für die stille Anbetung weiter geöffnet bleiben.
Ein Abend der Barmherzigkeit öffnet Raum und Zeit für die Einkehr ins eigene
Herz. All das, was sich da regt an Sehnsucht nach Heil, nach Versöhnung und
Vergebung, nach aussprechen wollen, was niederdrückt und belastet, darf da
sein und wahrgenommen werden. Dieser Abend lässt einen nicht allein mit
all dem, was auf dem Herzen liegt, sondern ist Zeit mit Gott und Raum der
Einkehr bei ihm.
Das Verweilen beim Herrn im Zeichen des eucharistischen Brotes kann heilsam
berühren, zur Versöhnung öffnen und zur Hingabe an seine Barmherzigkeit ermutigen und so die Erfahrung schenken: Hier darf ich sein mit allem, was zu
mir gehört. Gott wartet auf mich mit offenen Armen.
Hinweise zur Vorbereitung und Gestaltung:
• Bekanntmachen des Abends der Versöhnung
• für die Beichtgelegenheit sollten genügend Priester anwesend sein;
• für das seelsorgerliche Gespräch, Personen, die darin erfahren sind
• ebenso so für das Gebet, um das Besucher bitten.
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• Geeignete Räumlichkeiten für Beichte, Gespräch und Gebet sollten bereitgestellt und ausgewiesen sein.
• Ein Korb mit Schriftworten aus 2 Kor 5,17-21 und Lk 15,11-32 (Schrifttexte
vom 4. Fastensonntag; s. Kopiervorlage S. 88) sollte hergerichtet und vor
den Ambo gestellt werden, ebenso eine Ablage mit kleinen Kerzen für die
Teilnehmenden am Abend der Barmherzigkeit.
• Für die Mitwirkenden stehen im hinteren Bereich der Kirche Kerzen bereit,
die kurz vor Beginn entzündet werden.
• Die Eröffnung kann auf folgende Weise erfolgen:
Alle Mitwirkenden sitzen vor Beginn in/vor der ersten Bank. Sie stehen für
die Eröffnung auf, gehen in Stille durch den Seitengang nach hinten, nehmen
je eine brennende Kerze, ziehen paarweise durch den Mittelgang zum Altarraum.
Aufstellung an den Altarstufen, anschließend werden die Kerzen abgestellt:
zwei auf dem Altar, die weiteren auf den Altarstufen. Danach gehen die Mitwirkenden zu ihren Plätzen.
• Wird nach der gestalteten Zeit des Abends der Barmherzigkeit die Kirche
noch längere Zeit oder die ganze Nacht zur Anbetung offen gehalten, sollte
dies ebenso bekannt gemacht werden und Personen dafür anwesend sein.
• Wenn die Kirche während der ganzen Nacht geöffnet bleibt, kann mit einem
gemeinsamen Morgenlob beschlossen werden (z.B. Morgenlob GL 618; Abschluss mit Eucharistischem Segen)
Vorschlag für einen Ablauf
Vor Beginn und zum Einzug: einstimmende Instrumentalmusik
Eröffnung
V Wir beginnen im Namen des barmherzigen Gottes, des Vaters und des
Sohnes und des Heiligen Geistes
A Amen.
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V Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes des Vaters und
die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch.
A Und mit deinem Geiste.
oder:
V Jesus Christus, der uns den barmherzigen Vater verkündet hat, er ist in
unserer Mitte und schenkt uns seinen Frieden.
A Amen.
Begrüßung und Einführung
Wenn wir so einen Gottesdienst beginnen, stehen wir nicht auf ‚neutralem‘
Boden, sondern in Gottes Gnade. „Überall, wo Christen sind, muss ein jeder
Oasen der Barmherzigkeit vorfinden können“, so schreibt Papst Franziskus in
der Verkündigungsbulle zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit. Eine solche Oase
soll dieser Abend der Barmherzigkeit sein. Wir hören das Evangelium vom
barmherzigen Vater und möchten uns berühren lassen von seiner Liebe zu
jedem und jeder Einzelnen von uns. An diesem Abend haben Sie die Gelegenheit zur Beichte, zu einem seelsorgerlichen Gespräch oder Sie können um das
Gebet in ihren Anliegen bitten.
Hier werden die Mitwirkenden vorgestellt und die Orte benannt, an denen sie
bereit stehen, sowie weitere Hinweise zur Organisation und zum Ablauf des
Abends gegeben werden.
Lied
„Meine Zeit steht in deinen Händen“
(GL 841, 1-2)
Gebet
Ja, Herr, führe du uns Schritt für Schritt.
Führe uns heraus aus aller Umtriebigkeit und allen Ausflüchten.
Führe uns heraus aus aller Angst vor der eigenen Wahrheit.
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Führe uns heraus aus dem, was uns bedrängt, was uns herunterzieht
und die Freude am Leben nimmt.
Führe uns in deine Arme, lass uns aufatmen bei dir.
Hilf uns, deiner Barmherzigkeit zu vertrauen und deine Vergebung anzunehmen.
Führe uns Schritt für Schritt unter deiner Gnade
In einen neuen Morgen.
Gib uns ein festes Herz, mach es fest in dir.
Amen.
Schriftlesung
In jener Zeit kamen alle Zöllner und Sünder zu ihm, um ihn zu hören.
Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er
gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen.
Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte: Ein Mann hatte zwei Söhne.
Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das
mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf.
Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein
fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen.
Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land
und es ging ihm sehr schlecht.
Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte
ihn aufs Feld zum Schweinehüten.
Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine
fraßen; aber niemand gab ihm davon.
Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr
als genug zu essen und ich komme hier vor Hunger um.
Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich
habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt.
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Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner.
Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm
um den Hals und küsste ihn.
Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich
versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.
Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und
zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und zieht ihm Schuhe an.
Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein.
Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern.
Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die
Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz.
Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle.
Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das
Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat.
Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus
und redete ihm gut zu.
Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe
ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte.
Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen
durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.
Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was
mein ist, ist auch dein.
Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder
war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.
(Lk 15,1-3.11-32)
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Impuls
Ankunftsgeschichten sind etwas Spannendes. Beim ersten Moment des Wiedersehens kommen viele Gedanken und Gefühle zusammen und man ist so
sensibel für die Untertöne. Was sage ich als erstes? Finde ich die richtigen
Worte und den richtigen Ton? Bin ich wirklich willkommen? Darf ich sein, wie
ich bin? Ist die alte Geschichte immer noch nicht vergessen?
Die Geschichte vom barmherzigen Vater ist auch eine solche Ankunftsgeschichte. Der Sohn weiß nicht, wie sein Vater ihn empfangen wird. Er hat sich
schon einen passenden Satz zurechtgelegt: „Vater, ich habe mich gegen dich
versündigt.“
Der Vater, er wartet schon lange, ohne zu wissen, ob und wann es ein Wiedersehen geben wird. Sehnsucht ist die Brücke, die beide verbindet: Den einen
lässt die Sehnsucht aufbrechen, den anderen in unerschöpflicher Geduld warten. Das Gleichnis vom barmherzigen Vater will auch zu unserer Geschichte
werden, auch wir sollen immer wieder und besonders heute Abend erfahren
dürfen: Gott sieht mich schon von weitem und kommt mir entgegen, auch mit
mir soll es ein Fest der Versöhnung und der Auferstehung geben.
Auch ich habe die Möglichkeit ‚in mich zu gehen‘, anzuschauen, was mit mir
los ist, wo ich hingeraten bin und was mein Leben blockiert.
Heute Abend tun wir das vor dem ausgesetzten Allerheiligsten, das liebevolle,
schweigende Warten Gottes wird darin deutlich. Ohne Worte, allein durch seine
Gegenwart zeigt Gott uns seine Liebe, die nicht aufrechnet, sondern barmherzig in die Arme schließt
Ich darf mich von Gott anschauen lassen, wie ich bin.
Ich darf dem Impuls folgen, der sich in meinem Herzen regt.
Aussetzung des Allerheiligsten
GL 592.1
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Lied
zur Aussetzung: „Mein Herr und mein Gott“
(GL 840 )
Anbetung
Nach einer bestimmten Zeit gehen die Mitwirkenden an ihre Orte. Die Gottesdienstbesucher und -besucherinnen haben nun Zeit für das persönliche Beten
vor dem Allerheiligsten, das gestützt werden kann durch Musik, Gesang und
Schriftworte (Korb mit Versen aus 2 Kor 5,17-21 und Lk 15,11-32 [Schrifttexte
vom 4. Fastensonntag]. Ist zunächst eine Zeit der Stille vorgesehen, ist es hilfreich anzusagen, wie lange sie dauern wird.
Gleichzeitig besteht Gelegenheit zur Beichte, zum seelsorgerlichen Gespräch
und zum fürbittenden gemeinsamen Gebet.
Die Teilnehmenden können sich ein Schriftwort aus dem Korb vor dem Ambo
holen, ebenso eine kleine Kerze entzünden und auf eine Altarstufe stellen.
Nach dieser ‚offenen Phase‘ werden die Gottesdienstbesucher wieder ‚gesammelt‘, dies kann wiederum begleitet werden mit Instrumentalmusik und/oder
Gesängen z.B.:
„Christus, göttlicher Herr“ (GL 823)
„Meine Hoffnung und meine Freude“ (GL 365)
„Das Heil der Welt, Herr Jesus Christ“ (GL 498)
„Jesus, ich bete dich an“ (GL 949)
Vaterunser
Jesus hat uns den barmherzigen Vater verkündet mit seinen Worten beten wir:
Vater unser … Denn dein ist das Reich …
Lied
„Größer als alle Bedrängnis“ (GL 854)
Falls die Kirche noch längere Zeit oder die ganze Nacht zur Anbetung offen
bleibt, sollte ggf. nochmals darauf hingewiesen werden. Die Verweildauer der
Gottesdienstbesucher ist selbstbestimmt, es besteht auch die Möglichkeit nach
einer gewissen Zeit nochmals in die Kirche zurückzukommen.
Der eucharistische Segen mit anschließender Reposition erfolgt zum Abschluss.
Margret Schäfer-Krebs
Wird der Abend der Barmherzigkeit nun beschlossen, folgt der eucharistische
Segen (GL 592.4) und das Allerheiligste wird reponiert. Anschließend Auszug
der Mitwirkenden.
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Mein Tag der Barmherzigkeit
als geistlicher Tag
Barmherzigkeit verbinden wir meist mit konkreten Taten. Eigentlich meint es
aber eine Haltung, die sich dann erst im Handeln zeigt. Auch wenn ich gerade
nicht herausgefordert bin, barmherzig zu handeln, soll diese Grundhaltung in
mir präsent und wirksam sein. Vielleicht ist sie so etwas wie der Kammerton,
auf den ich mein Leben in allen seinen Bereichen stimmen lasse. Um die Barmherzigkeit als Lebenshaltung zu spüren und einzuüben, kann es interessant
sein, einmal einen ganzen Tag lang bewusst darauf zu achten, den ‚Kammerton
Barmherzigkeit‘ herauszuhören aus allem, was an diesem Tag geschieht.
Das Wesentliche ist dabei, dass ich spüre: Ich lebe selbst davon, dass Gott mich
barmherzig anschaut. Meine eigene Barmherzigkeit ist dann nur das, was ich
weitergebe, der Überschuss aus dem Erbarmen, das ich von Gott erfahre. Wenn
diese Grundlage fehlt, überfordere ich mich – oder ich werde überheblich. Das
Leitwort, das über meinen persönlichen Tag der Barmherzigkeit stehen könnte,
heißt deshalb: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ (Lk 6,36). Oder
es kann auch heißen: „Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden.“ (Mt 5,7) Ich lasse die beiden Worte auf mich wirken und entscheide mich
dann für eines. Ich versuche, es mir einzuprägen oder ich schreibe es auf einen
kleinen Zettel und lege ihn in den Geldbeutel oder in den Terminkalender.
Barmherzigkeit beginnt – wie jede innere Haltung – mit dem Wahrnehmen.
Schauen, was ist, und was ich sehe, liebevoll da sein lassen ohne zu bewerten.
Wenn ich die Menschen und die Welt so anschaue, sehe ich mehr, tiefer, anderes als nur die Oberfläche, die oft nur Fassade ist. Eine Fassade, die zusammengehalten wird von der Angst, den Ansprüchen und Erwartungen nicht
genügen zu können. Von der Angst, kein Erbarmen zu finden.
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Wie kann ich meinen Tag der Barmherzigkeit gestalten?
Der folgende Vorschlag geht von einer Alltagssituation aus, an irgendeinem Tag,
der eben keine besondere Gestalt haben soll. Bewusst ist deshalb kein Element
vorgesehen, das nur an diesem Tag vorkommt, auch kein besonderes Gebet,
sondern nur eines der beiden Worte Jesu zur Barmherzigkeit (s. o.). Alles soll so
verlaufen wie an einem ganz normalen durchschnittlichen (Arbeits-)Tag. Und
all dies, was ohnehin geschieht, wird mit dem Blick der Barmherzigkeit angeschaut. (Selbstverständlich kann man den Tag auch ganz anders gestalten!)
Am Abend vorher stelle ich mir die Menschen vor, die mir morgen begegnen
werden: PartnerIn, Kinder, KollegInnen, ChefIn, NachbarInnen, Eltern, LehrerInnen, ErzieherInnen, VerkäuferInnen, Gemüsehändler, Vereinskameraden…
Was immer mich mit ihnen verbindet, ich versuche, wohlwollend und wertschätzend auf sie zu schauen. Dabei wiederhole ich immer wieder das Leitwort,
das mich an diesem Tag begleiten soll.
Beim Aufwachen rufe ich mir in Erinnerung, dass heute ein besonderer Tag
ist, mein Tag der Barmherzigkeit. Ich stelle ihn bewusst unter mein Leitwort.
Der erste Mensch, mit dem ich zu tun habe und der meine Barmherzigkeit
braucht, bin ich selbst. Ich schaue in den Spiegel, ein verschlafenes, unsortiertes Gesicht schaut mich an. Das bin ich, ein Mensch, der für Gott liebenswert ist. Ich nehme mir Zeit, mich mit diesem Gedanken anzuschauen. Ebenso
schaue ich die Menschen an, die zu mir gehören. Gottes Barmherzigkeit umgibt
sie, was immer sie tun oder nicht tun: der ungeduldige Partner, die trödelnden
Kinder, die zickige Fünfzehnjährige …
Das Leitwort begleitet mich dabei.
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Unterwegs begegnen mir Menschen. Ich schaue sie an und versuche wahrzunehmen, wie es ihnen geht: Sind sie müde, angespannt, ängstlich, gut gelaunt, erwartungsvoll? Was hat der wohl vor sich, der es so eilig hat und
unsinnig überholt? Und der, die mich bereitwillig einfädeln lässt? Sie alle sind
Menschen, die vom Erbarmen Gottes leben. Und die darauf angewiesen sind,
dass auch Menschen barmherzig mit ihnen umgehen.
In Gedanken wiederhole ich immer wieder mein Leitwort.
Bei der Arbeit behalte ich diesen Blick bei. KollegInnen, KundInnen, SchülerInnen… sind, wie sie sind, und dürfen sein, wie sie sind. Auch ich darf sein,
wie ich bin. Meine Stärken und Schwächen haben ihren Ort unter den barmherzigen Augen Gottes. Deshalb darf auch ich barmherzig sein mit mir selbst
und mit allen anderen.
Das Leitwort begleitet mich dabei.
In der Mittagspause bettelnde Menschen, die auf dem Gehweg hocken.
Woher sie kommen? Welche Wege sie hierher geführt haben? Was brauchen
sie – außer den Groschen, um die sie betteln? Ich kann Blickkontakt riskieren,
mein Blick gibt ihnen Ansehen. Was geschieht in mir, wenn sie mich anschauen? Ich begegne Menschen, die offensichtlich einen weiten Weg hierher
hatten, auf der Flucht vor Gewalt, Verfolgung, Chancenlosigkeit, Hunger,
Armut… Wer von uns kann ermessen, was sie hinter sich haben, und wer kann
beurteilen, ob sie Asyl ‚verdienen‘?
Das Leitwort begleitet mich bei allen Begegnungen.
Beim Einkaufen achte ich auf die Verkäuferin, die Kassiererin, die Frau mit
Kopftuch, die den Supermarkt putzt. Bewältigen sie das Pensum, das sie schaffen müssen? Sind sie unter Zeitdruck? Was strahlen sie aus? Ob sie wohl von
ihrem Verdienst leben können? Ich versuche, sie mit den Augen Gottes anzuschauen. Vielleicht habe ich das Bedürfnis, ein persönliches Wort zu sagen, das
ihnen gut tut.
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Barmherziges Verhalten und Handeln führt auch zu gerechteren Strukturen.
Das, was ich sowieso kaufe, kann ich vielleicht als Fair trade-Produkt kaufen
(Kaffee, Kakao, Zucker, Bananen, Süßigkeiten, kleine Geschenke…) und auf
der Verpackung die Infos über die Produzenten lesen.
Das Shirt, das mir gefällt und das so supergünstig ist – für mich mag es ein
Schnäppchen sein, aber wer muss dafür bezahlen? (Bei teureren Artikeln weiß
ich auch nicht, ob sie mit Hungerlöhnen hergestellt worden sind, bei billigen
weiß ich es definitiv.) Was geht mir in solchen Situationen durch den Kopf?
Wie verhalte ich mich und wovon lasse ich mich dabei leiten? Vielleicht versuche ich, auf einen verlockenden Spontankauf zu verzichten.
Ein barmherziger Blick ist achtsam für die gesamte Schöpfung. Auch Tiere –
Haustiere, Nutztiere und solche, die lästig werden können – sind Mitgeschöpfe,
uns anvertraut, damit wir miteinander und voneinander leben. Ebenso Pflanzen, Böden, Wasser, Luft. Auch die Schöpfung braucht meinen liebevollen, fürsorglichen, barmherzigen Umgang. Heute will ich bewusst darauf achten
(Ressourcenverbrauch, Müll, Chemikalien, allgemeines Konsumverhalten…).
Immer wieder rufe ich mir mein Leitwort in Erinnerung.
Auf dem Heimweg wieder viele Menschen, die es eilig haben. Vielleicht wartet
zu Hause noch viel Arbeit? Kinder abholen, Hausarbeit, Enkel betreuen, alte
Eltern versorgen, ein Fortbildungskurs in der VHS, Chorprobe, Sport… Wieder
ein Tag, der zu kurz ist, um alle Verpflichtungen unterzubringen – und zu voll,
um alles gut zu machen. Wieder wird Barmherzigkeit gebraucht.
Am Abend nehme ich mir Zeit, auf meinen Tag der Barmherzigkeit zurückzuschauen. Was ist mir dabei in Erinnerung geblieben? Welche Bilder, Stimmen,
Situationen, Begegnungen … tauchen auf?
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Wann habe ich selbst meine Barmherzigkeit gebraucht? Habe ich sie mir gegeben oder verweigert?
Wo ist es mir ohne Überwindung gelungen, barmherzig zu sein?
In welcher Situation ist mir dies schwergefallen?
Zum Abschluss bitte ich Gott, mit Erbarmen auf meinen Tag der Barmherzigkeit
zu schauen, auf alles, was sich an diesem Tag ereignet hat, und auf alle Menschen, mit denen ich zu tun hatte.
Zitate von Kardinal Kasper:
Geld in den Klingelbeutel hineinzutun ist besser, als nichts zu tun, aber die
Barmherzigkeit schaut dem anderen auch ins Auge.
Zeit haben ist ein großes Werk der Barmherzigkeit in unserer aufgeregten Welt.
Sonst wachsen geistige und geistliche Armut, Beziehungsarmut, Orientierungslosigkeit.
http://www.zeit.de/2013/51/barmherzigkeit-kardinal-walter-kasper
Elisabeth Schmitter
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24 Stunden für den Herrn
Ein Experiment für Jugendgruppen,
Firmgruppen oder Schulklassen
Die Idee
Jugendliche erleben 24 Stunden mit einer selbst gewählten Aufgabe zum
Thema „24 Stunden für den Herrn“
Die Haltung
Die Vorschläge und Ideen der Jugendlichen werden ernst
genommen.
Das Ziel
Jugendliche machen unter dem Leitwort „24 Stunden für den Herrn“ eine neue
Erfahrungen und tauschen sich über Erlebnisse aus.
Die Leitung:
Jugendgruppenleiter/in, Firmgruppenbegleiter/in, Lehrer/in o.a.
Es werden zwei Treffen geplant: Eines um die Aktion zu Eröffnen und zu Planen.
Ein zweites – 24 Stunden später – für die Auswertung und den Austausch.
ERSTES TREFFEN
Eröffnung und Planung der Aktion
Einstieg
Was kennen wir mit „24-Stunden“?
• 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring
• 24-Stunden-Spenden-Marathon von Radio Regenbogen
• 24-Stunden-Charity-Lauf
• 24-Stunden von Nürnberg- Internationales Kurzfilmfestival
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• 24-Stunden-Reportage auf Sat 1
• 24-Stunden Angst-Film, Thriller
• 24-Stunden-Kick in Blaubeuren
• 24-Stunden-Musicvideo „Happy“ von Pharell Williams
• Lied von Koolhy – 7 Tage, 24 Stunden
24 Stunden etwas zu tun, heißt: Wir möchten ein Zeichen setzen, weil uns
diese Sache wichtig ist, sehr am Herzen liegt oder weil wir es so unglaublich
toll finden, dass wir nicht damit aufhören wollen oder können – weder am
Tag noch in der Nacht!
Hinführung
a) Welche Dinge sind mir in meinem Leben so wichtig, dass ich dafür 24 Stunden Zeit aufwenden oder wach bleiben würde?
Jugendliche sammeln ihre Ideen auf einem Plakat (1) mit der Aufschrift
„24 Stunden“ oder auf Moderationskarten, die dann auf das Plakat geklebt
werden.
z.B. Zocken, Lernen, Zeit mit dem/der Liebsten, Musikhören, …
b) Plakat (2) mit der Aufschrift „24 Stunden für den Herrn“ wird daneben
gelegt.
Was stellen sich die Jugendlichen darunter vor?
Wieder werden Ideen auf dem Plakat direkt oder auf einzelnen Karten
gesammelt.
z.B. Beten, Gottesdienst, Gutes tun, Hilfsaktion, Singen, …
Vertiefung
Die Plakate werden miteinander verglichen. Unterschiede werden benannt.
Schlüsselfrage: Sehen die Jugendlichen eine Möglichkeit Plakat (1) „24 Stunden“ und Plakat (2) „24 Stunden für den Herrn“ miteinander zu verknüpfen?
Was könnte man 24 Stunden „in Seinem Sinne“ tun und dabei selbst Freude
haben?
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Konkrete Umsetzung
Umsetzung wird besprochen und eine Vereinbarung getroffen
z.B. Jede Stunde tut jemand eine gute Tat/Jede Stunde wird jemand ein ehrliches Kompliment gesagt. Jeder Jugendliche übernimmt 2-3 Stunden in diesen
24 Stunden.
z.B. Jede Stunde bete ich für jemanden ein kurzes Gebet, der mir im Alltag begegnet- auch für Fremde, die mit mir im Bus sitzen oder an der Kasse anstehen.
z.B. Jede Stunde schreibe ich auf, wofür ich Gott dankbar bin.
Herausforderung: Wie gehen wir nachts damit um?
Zusatzidee:
Eine Facebook- oder Whatsapp-Gruppe wird zum Thema
gegründet ./ Jeder fertigt ein persönliches Erlebnis-Protokoll an.
Abschlussmotivation
Jeder Jugendliche erhält einen Button oder Aufkleber oder Traubenzucker o.ä.
mit der Aufschrift „24 Stunden- ich bin dabei!“
ZWEITES TREFFEN
Auswertung und Austausch nach 24 Stunden
Einstieg
Jede/r Jugendliche schreibt ein Elfchen (Gedicht in 11 Worten) zu seinen Erfahrungen aus den „24 Stunden“
z.B.
24-Stunden
lange Zeit
jede Stunde anders
Gott war immer dabei
besonders
Verschiedene Elfchen werden vorgetragen.
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Hinführung
Verschiedene Plakate mit Fragen werden im Raum verteilt.
Die Jugendlichen schreiben kurze Kommentare dazu.
Vorschläge für die Auswertung
„Was hat gut geklappt?/“Was hat mir gefallen?“
„Was war schwierig?“/“Wo bin ich an meine Grenzen gestoßen?“
„Welche positiven Erfahrungen habe ich gemacht?“
Vertiefung
Anschließend werden die Ergebnisse im Plenum zusammengetragen, kommentiert, ergänzt. Die Frage nach Gott wird eingebracht, falls noch nicht über die
Plakate geschehen. z.B. Hatte die Aktion „Auswirkungen“ auf meinen Glauben
oder auf meine Gebetspraxis?
Was nehme ich aus der Erfahrung der „24-Stunden-Aktion für den Herrn“
mit?
Abschluss
Lied, z.B.
Keinen Tag soll es geben (EH 277)
Meine Zeit (EH 121)
Von allen Seiten umgibst du mich (EH 118)
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Gebet
Guter Gott,
jeder Tag, jede Stunde steht in deiner Hand.
Du begleitest mich durch jeden Tag und durch die Nacht.
Auch wenn ich dich nicht sehe
und manchmal auch nicht spüre,
darf ich doch auf dich vertrauen.
Du bist mein 24-Stunden-Gott.
Immer da und bereit für mich.
Dafür danke ich dir.
Amen.
Theresia Prokop, Jugendkirche Ravensburg
Weitere Ideen können sein:
• Eucharistische Anbetungsstunde
• Diakonische Aktionen in Verknüpfung mit geplanten bzw. bestehenden
Aktionen, z.B. Projekte im Rahmen der Firmkatechese.
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Barmherzigkeit
und Gerechtigkeit
Reich an Erbarmen
Bibelarbeit zu Erntedank
Jes 55, 1-13
Erntedank – ein Anlass, der es uns leicht macht, uns an Gottes Barmherzigkeit
zu erinnern. Wie deutlich zeigt uns die Fülle der Gaben, dass wir nur einen
kleinen Teil dazu beigetragen haben. Wie schnell merken wir in einem heißen
Sommer, dass wir auf Regen angewiesen sind! Wie heftig kann ein Sturm unsere Erwartungen und Pläne durcheinander bringen! Wie stark wird unsere
Geduld strapaziert, wenn der Samen nicht aufgehen will! Wie groß wird die
Angst, wenn die Erträge gering ausfallen! So beschreiben die Begriffe Fülle,
Hitze, Trockenheit, Unwetter, Angst ganz konkrete Situationen, wo wir Gottes
Barmherzigkeit erfahren dürfen – sei es, dass wir sie geschenkt bekommen,
sei es, dass wir davon verschont bleiben, sei es, dass wider Erwarten doch noch
alles gut wird.
Jes 55, 1-13 ist ein eher sperriger Text zu diesem Thema. Gerade in unserer
Zeit, wo wirtschaftliches Rechnen, eigene Pläne und deren Umsetzungsmöglichkeiten den Zeitgeist bestimmen, klingt dieser Text wie ein Gegenentwurf.
Jesaja erhebt seine Stimme. Es ist ein prophetischer Text, der gängige Lebensund Denkweisen in Frage stellt. Erfahrungen und Bilder aus der Schöpfung verwendet er als Begründung dafür, dass es auch anders gehen kann und bereits
spürbar und sichtbar anders geht. Jes 55 lädt an Erntedank ein, die Barmherzigkeit Gottes in unserem gesellschaftlichen Kontext anders und konträr zu beschreiben. Der Text ist eine Anfrage an die Gesetze unserer Marktwirtschaft,
die neben wirtschaftlichem Reichtum für die Einen zugleich die Türen zu Ausbeutung, Verschuldung, Hunger und Durst für die Anderen öffnet. Spannung
ist mit eingeschlossen, wenn wir uns mit diesen prophetischen Worten beschäftigen.
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Psalm 103 (und im Anschluss Psalm 104) stimmen voll Harmonie einen Lobgesang auf den barmherzigen Gott an. Ps 103 nennt all die Güte, Huld und
das Erbarmen, das Gott den Menschen zeitlebens gewährt. Unsere Schuld wird
vergeben, seine Güte währt über unser Leben hinaus in Ewigkeit. Ps 104 beschreibt betend und singend das Wunder der Schöpfung in seiner ganzen Fülle.
Beide Psalmen laden zur geistlichen Schriftlesung ein, die staunend in das Loblied einstimmt und Erntedank im Gebet vollzieht. Dies kann den Teilnehmenden
als Anregung mitgegeben werden.
Bibelarbeit zu Jes 55, 1-13
Jes 55, 1-13
1Auf, ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser! /
Auch wer kein Geld hat, soll kommen.
Kauft Getreide und esst, kommt und kauft ohne Geld, /
kauft Wein und Milch ohne Bezahlung!
2Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, /
und mit dem Lohn eurer Mühen, / was euch nicht satt macht?
Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste zu essen /
und könnt euch laben an fetten Speisen.
3Neigt euer Ohr mir zu und kommt zu mir, /
hört, dann werdet ihr leben.
Ich will einen ewigen Bund mit euch schließen /
gemäß der beständigen Huld, die ich David erwies.
4Seht her: Ich habe ihn zum Zeugen für die Völker gemacht, /
zum Fürsten und Gebieter der Nationen.
5Völker, die du nicht kennst, wirst du rufen; /
Völker, die dich nicht kennen, eilen zu dir,
um des Herrn, deines Gottes, des Heiligen Israels willen, /
weil er dich herrlich gemacht hat.
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6Sucht den Herrn, solange er sich finden lässt, /
ruft ihn an, solange er nahe ist.
7Der Ruchlose soll seinen Weg verlassen, /der Frevler seine Pläne.
Er kehre um zum Herrn, / damit er Erbarmen hat mit ihm,
und zu unserem Gott; / denn er ist groß im Verzeihen.
8Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken /
und eure Wege sind nicht meine Wege - / Spruch des Herrn.
9So hoch der Himmel über der Erde ist, /
so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege /
und meine Gedanken über eure Gedanken.
10Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt / und nicht dorthin
zurückkehrt, sondern die Erde tränkt und sie zum Keimen und Sprossen bringt, /
wie er dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen,
11so ist es auch mit dem Wort, /
das meinen Mund verlässt:
Es kehrt nicht leer zu mir zurück, / sondern bewirkt, was ich will, /
und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe.
12Voll Freude werdet ihr fortziehen, / wohlbehalten kehrt ihr zurück.
Berge und Hügel brechen bei eurem Anblick in Jubel aus, /
alle Bäume auf dem Feld klatschen Beifall.
13Statt Dornen wachsen Zypressen, / statt Brennnesseln Myrten.
Das geschieht zum Ruhm des Herrn /
als ein ewiges Zeichen, das niemals getilgt wird.
Wissenswertes zum Text
Jes 40-55 ist vermutlich um 540 v. Chr. in einem mehrstufigen Prozess entstanden. Nach der Verbannung und der Zerstörung des Tempels durch die Babylonier 586 v. Chr. haben die Israeliten angesichts der langen Dauer des Exils
eher resigniert und aufgegeben; manche waren wohl verzweifelt. Zu lange ließ
die Rückkehr auf sich warten. So lange, dass sich einige inzwischen im Exil
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eingerichtet hatten und den babylonischen Gewohnheiten und der Kultur
durchaus mit Faszination und Hochachtung begegneten. Ebenso kamen Zweifel auf, ob der Gott Israels den babylonischen Gottheiten noch standhalten
kann. In diese Situation hinein ruft der Prophet und tritt in der Weise eines
Marktschreiers auf. Schon damals müssen diese Worte unerhört geklungen
haben. Heute – angesichts der vielen Menschen, die in unser Land geflohen
sind – klingen insbesondere die Verse 1-5 geradezu provokativ.
V1 enthält eine mehrfache Aufforderung „zu kommen“. Die Menschen sollen
los gehen zum Wasser, zum Getreide, zu Wein und Milch. So weit – so gut. Die
Überraschung bieten die angefügten Negationen: es gibt alles ohne Geld, ohne
Bezahlung! Eine solche Einladung stellt jede Realität auf den Kopf; zu gut wissen wir, dass es nichts umsonst gibt. Schon gar nicht Wein, Milch, Brot, auch
Wasser nicht.
Der Prophet hat die Worte sorgfältig gewählt. In ihnen klingt die Geschichte
Israels mit: Die Brüder Jakobs, die aufgrund der Hungersnot nach Ägypten bei
ihrem Bruder Josef Getreide gegen Bezahlung kaufen mussten (Gen 42; 43).
Mose muss für das Volk auf dem Weg durch das Ostjordanland bei Sihon, dem
König von Heschbon, Getreide und Wasser gegen Silber kaufen (Dtn 2,6.28).
Wasser, Getreide, Wein, Milch, Honig sind zentrale Begriffe, die mit der Verheißung des Landes, zu dem die Israeliten aufgebrochen sind, verknüpft sind (z.B.
Dtn 8, 7-10). Doch im Unterschied zum Sinai-Bund ist dieses Mal bei der Rückkehr ins gelobte Land kein Geld nötig. Die nötigen Lebens-Mittel wird es ohne
Geld, ohne Bezahlung geben. Gott stellt sie den Menschen zur Verfügung und
verlangt – im Unterschied zu uns – nichts dafür. Weil es genug davon gibt.
Weil er für uns genug davon bereit gestellt hat.
Vv2-3b wird noch deutlicher: es geht nicht nur um Nahrung für den Leib, sondern auch für die Seele. Zu sehr sind die Menschen auf das bloße Überleben
bedacht – aber reicht das zum Leben? Weder Mühe noch Besitz und Reichtum
reichen aus, uns satt zu machen. Was aber dann?
Haben die Hörer bisher noch Zweifel an dieser Einladung, so erhalten sie hier
77
einen ersten Hinweis, wie Menschen an die Speisen, die Gott uns schenkt,
kommen können: „Hört auf mich!“ Auch das klingt nicht unbedingt logisch.
Was ich hören kann, ist meist nicht essbar. Jesaja betont, dass Gottes Wort
uns nährt. Hört hin, folgt dem, was ihr hört, neigt euer Ohr Gott zu, dann werdet ihr leben. Hören statt einfach drauf los zu stürmen, innehalten, die Stimmen
erkennen, die dorthin führen, wo Leben möglich ist und durch Gottes Wort
satt werden.
Vv3c-4 Wie kann Jesaja den Mund so voll nehmen? Woher nimmt er diesen
Mut für dieses Angebot? Der Prophet erinnert und bezieht sich auf den NoahBund und zusätzlich an den Bund mit David, in denen die Treue Gottes zu seinem Volk besiegelt ist. Diese Einladung zeigt erneut, wie Gott an seinem Volk
durch alle Zeiten und Nöte fest hält. Noch mehr: Was vormals den großen und
bedeutungsvollen Gestalten in der Geschichte Israels versprochen wurde, wird
nun dem ganzen Volk zuteil.
Vv5-9 Zunächst wechselt die Anrede zu einem vertrauten „Du“. Das Volk wird
zu einem Anziehungspunkt für alle Völker werden (vgl. Jes 2) genauso wie Zion,
die Stadt, die durch Gott herrlich gemacht wurde. Das Handeln Gottes, die Lebensmöglichkeiten, die er schenkt, sind weithin sichtbar und rufen andere Völker
herbei. In V6 setzt ein neuer Redeteil ein, der an die ganze Gemeinschaft gerichtet ist, die sich auf den Weg macht. Gottessuche und Umkehr sind bleibende
Aufgaben. Gott verzeiht, aber es bedarf der Umkehrbereitschaft, des Hinhörens
und der Suche, die Wege „im Licht Gottes“ (Jes 2,5) zu gehen. Dann strahlt
Zion und die Völker werden ebenso aufbrechen und Gott suchen. Weil aber der
Unterschied zwischen Gott und Mensch bestehen bleibt (V8.9), werden die
Menschen hinhören und hinschauen müssen, d.h. suchen, um Gottes Wege zu
gehen. Das kann auch bedeuten, die eigenen, inzwischen liebgewonnenen und
gewohnten Wege zu verlassen und sich neu auf Gott auszurichten.
Vv10-13 führen zum Schöpfungswerk Gottes. Wo wird das Wirken Gottes am
deutlichsten sichtbar und erfahrbar? Wo finden wir bleibende Spuren seines
Handelns und seiner Treue? Jesaja wählt bewusst Bilder aus der Schöpfung,
um Anfang und Fortgang göttlichen Wirkens aufzuzeigen; in ihrer Verletzbarkeit
78
ist sie auch Zeugnis für Gottes Barmherzigkeit. Unser Überleben verdankt sich
„dem Geschenk des Himmels“: Wasser, das Wachstum und Ernte bewirkt und
so seinen Zweck erfüllt. Dieser täglich aufs Neue erfahrbare Vorgang überträgt
der Prophet auf Gottes Wort. Ebenso vom „Himmel“ ausgehend bewirkt es
Aufbrüche, Umkehr, gibt Orientierung bei der Suche nach Gott. In der Exilsituation heißt dies ganz konkret: die Rückkehr nach Jerusalem. So wie Gottes
Wort die Schöpfung ins Leben ruft, so mächtig wirkt Gottes Wort gegen Resignation und Verzweiflung. Es schafft Hoffnung und bringt die Menschen in
Bewegung.
Das Stichwort „Barmherzigkeit“ im Text als Impuls für uns heute
Jes 55 beschreibt die Barmherzigkeit Gottes in vielfältiger Wirkung:
Gottes Barmherzigkeit ist spürbar und sichtbar.
Unsere Nahrung, selbst die, die zum Leben nicht unbedingt nötig ist, wie z.B.
Wein und üppige Speisen, bekommen wir von Gott geschenkt, genauso wie
die Pracht und Schönheit Jerusalems. Auch wenn wir uns alle erdenkliche Mühe
geben – am Anfang steht die Gabe Gottes an uns Menschen. Auf ihr gründet
aller Reichtum.
In einer Welt, in der die größten Börsenspekulationen mit Nahrungsmitteln getätigt werden, in der Kredite dann gewährt werden, wenn die Wasserverteilung
privatisiert wird, werden solche Worte regelrecht verhöhnt. Erntedank ist Erinnerung an die Verpflichtung, dass Lebensmittel gerecht verteilt werden und
keine Bereicherungs- oder Spekulationsobjekte sein dürfen.
Gottes Barmherzigkeit ist hörbar in den Erzählungen von Gottes Bund mit seinem Volk, seiner Liebe und Treue, seiner Vergebungsbereitschaft, seinem Erbarmen, das er denen gewährt, die vom Weg abgekommen sind und seiner
steten Einladung, ihn zu suchen.
In welcher Weise erzählen wir von der Barmherzigkeit Gottes? Welche Erfahrungen verbinden wir damit und wo haben wir von ihr gehört? Wie praktisch
setzen wir den Ruf Jesu um: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und Lasten
zu tragen habt, ich werde euch Ruhe verschaffen.“(Mt 11,28)?
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Gottes Barmherzigkeit lädt zur Suche ein, indem sie den Menschen von Gott
unterscheidet. Seine Wege sind anders, scheinen für uns unerreichbar. Aber es
gibt sie und deshalb sind sie eine Einladung, einmal ganz anders zu denken
oder zu handeln, die Notwendigkeiten und Zwänge, alles „das haben wir
immer schon so gemacht“ hinter sich zu lassen und im guten Sinne (r)evolutionär zu werden. Gott selbst schafft das Neue (Jes 43,18) verkündet Jesaja –
seine Barmherzigkeit erneuert auch unser Denken und Handeln.
Es lohnt sich, den Gesetzmäßigkeiten unserer Zeit kritisch zu begegnen und
sie zu hinterfragen. Nicht alles ist „gottgegeben“, was danach aussieht. Jesaja
unterbricht mit seinem Ruf die Bequemlichkeit, die sich eingeschlichen hat, die
immer größere Anpassung an die Lebensumstände im Exil. Als Christen werden wir zu einer kritischen Distanz eingeladen, aber auch zu einem konstruktiven Beitrag, wo die Möglichkeiten scheinbar an Grenzen gelangt sind. Ebenso
sind wir verpflichtet, solidarisch den Blickwinkel der Benachteiligten einzunehmen und daraus Perspektiven zu entwickeln.
Gottes Barmherzigkeit ermöglicht Aufbruch und Rückkehr in seinen heiligen
Raum. Himmel und Erde sind miteinander verbunden; das zeigt das tägliche
Schöpfungsgeschehen. Die Erde ist auf Gottes Gabe angewiesen und erhält
sie auch ganz selbstverständlich. Darauf können wir vertrauen, eine bleibende
Zusage, dass Gott wirksam zugegen ist. Deshalb können wir uns auf den Weg
machen, dorthin, wo Menschen friedlich zusammen leben und es ihnen wohl
ergeht.
Gerade heute, wo Krieg und Elend die Schlagzeilen bestimmen, gilt es an der Vision eines „heiligen Raumes“ festzuhalten. Das Vertrauen auf Gottes Kraft, die
Feinden gegenüber Barmherzigkeit einfordert, der Glaube, dass Versöhnung geschenkt wird und deshalb auch unter den Menschen möglich ist, mahnt uns,
immer wieder aufzubrechen, gedanklich und tatkräftig. Wir, die wir das Glück
haben, im Frieden zu leben, haben die Pflicht, diesen Frieden in die Welt hinein
zu tragen und mit allen Kräften beizutragen, dass die Konflikte beendet werden.
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METHODISCHER VORSCHLAG (90 min)
In dieser Bibelarbeit soll den unterschiedlichen Aspekten nachgegangen werden. Dadurch entsteht die Möglichkeit, Barmherzigkeit umfassender zu beschreiben und zu verstehen und nicht auf ein diakonisches Handeln
einzugrenzen. Die Abschlussrunde nimmt Bezug zu diesem Begriff und will heraus arbeiten, wozu uns Gottes Barmherzigkeit befreit.
Die einzelnen „Räume“ werden nacheinander begangen; die Verweildauer beträgt jeweils ca 15 Minuten.
1. Beginn im Plenum
Lied
Schweige und höre (GL 433,2)
Gebet
2. Jes 55, 1-13 erschließen
Der Leiter/ die Leiterin liest Jes 55,1-13 vor. Danach lesen die TN den Text still
für sich und lassen einzelne Worte, Verse im Raum erklingen. Nach einer Zeit
der Stille bearbeiten die TN in kleinen Gruppen folgende Fragen zum Text:
Wie wird Gott in diesem Text beschrieben? Welche Eigenschaften werden in
diesen Beschreibungen benannt oder betont? In welcher Situation befinden
sich vermutlich die Angesprochenen? Was sagt Gott den Menschen zu und
wozu lädt er sie ein?
Im Plenum können Fragen zum Text gestellt bzw. beantwortet werden.
Zum Abschluss wird der ganze Text noch einmal laut gelesen.
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3. Vertiefung
„Raum“ 1 Fülle
Kommt und kauft ohne Geld! Jes 55,1
Im Raum liegen auf dem Tisch / in der Mitte viele Erntegaben bereit. Die TN
nehmen eine Frucht in die Hand, die sie besonders schätzen bzw. einen Gegenstand, der ihnen wichtig ist. In einer ersten Gesprächsrunde erzählen sie
einander, woran sie dadurch erinnert werden und was sie damit verbinden.
Danach werden die TN eingeladen, auf Zettel aufzuschreiben, welche
„Früchte“ sie in ihrem Leben nicht kaufen konnten, sondern geschenkt bekamen (z. B. Liebe, Zeit, Unterstützung, Wertschätzung, Zuwendung, Hilfe, Vertrauen, Glück, Überraschungen, Freundschaft … möglichst konkret benannt).
Mit ihnen wird die Mitte „bereichert“. Wer mag, kann dazu etwas sagen.
Schließlich geben die TN einander die Bibel still weiter.
Mit Jes 55, 1-3 werden die TN aus dem Raum entlassen.
„Raum“ 2 Klang
Hört auf mich! (Jes 55,3)
Hier ist eine Vielzahl an Geräuschen zu hören (Radio, CD-Player, Musikinstrumente, Geräusche aus dem Alltag (S-Bahn-Durchsagen, Martinshorn, HandyKlingeltöne …); die TN können in die Geräuschkulisse einbezogen werden.
In diese laute Runde hinein ruft der Leiter/die Leiterin: „Hört auf mich, dann
werdet ihr leben“, ja nach Geräuschpegel mehrmals. Wie reagieren die TN darauf?
Als Einstieg in eine Gesprächsrunde wird Jes 55, 3-5 gelesen. Was macht es
leicht, auf Gott zu hören, was macht es schwer? Welche Geräusche setzen sich
in meinem Alltag durch und übertönen Wichtiges und Wertvolles? Welche
Worte/Klänge erzeugen Resonanz in mir?
Zum Abschluss der Runde wird die Bibel in die Mitte gelegt und eine Zeit des
Schweigens gehalten. Die TN werden mit Jes 55,3ab aus dem Raum entlassen.
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„Raum“ 3 Wege
Sucht den Herrn! (Jes 55,6)
Im Raum sind Fußspuren und Schnüre/Seile vorhanden, alternativ ist ein kleines
Labyrinth gelegt. Die TN markieren ihren eigenen Weg und notieren, welche
Einflüsse diese Wege bestimmt haben. In einer Zeit der Stille und danach im
Gespräch überlegen sie, auf welche Weise und an welchen Orten sie Gott suchen / finden bzw. gesucht / gefunden haben. Welche Impulse gaben Anstoß
zur Suche nach Gott?
Zum Abschluss wird die Bibel in die Mitte gelegt und eine Kerze entzündet.
Mit Jes 55,6 werden die TN aus dem Raum entlassen.
„Raum“ 4 Grenzen
Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken! (Jes 55,8)
Stühle stehen außen an der Wand.
Die TN gehen frei im Raum umher, ohne einander zu berühren. Das Tempo ist
unterschiedlich, die Richtung wird immer wieder gewechselt. Der Raum wird
immer weiter verengt, bis ein Durchkommen kaum mehr möglich ist. Zum Abschluss wird Jes 55, 8-9 vorgelesen, danach setzen sich die TN. In einer Zeit
der Stille bedenken sie für sich folgende Impulsfragen: Wie habe ich mich jeweils gefühlt? War ich eher in der Mitte oder am Rand, mit dem Strom oder
gegen den Strom unterwegs? Wann wäre ich gerne heraus gegangen?
Im Gespräch miteinander gehen sie der Frage nach, wann und wie es gelingt,
aus engen Vorgegebenheiten auszubrechen. Welche Hoffnung durchbricht die
Grenzen der Wirklichkeit? Wo und wie gab und gibt Gottes Wort Ermutigung,
Festlegungen zu durchbrechen und ganz neu zu denken?
Mit Jes 55, 8-9 werden die TN aus dem Raum entlassen.
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4. Abschluss
Voll Freude werdet ihr fortziehen! (Jes 55,12)
Die Leiterin/ der Leiter legt in die Mitte ein Plakat „Gottes Barmherzigkeit“
und dazu auf Papierstreifen die Stichworte „ist spürbar und sichtbar …“, „ist
hörbar …“, „lädt zur Suche ein …“, „ermöglicht Aufbruch …“ Die TN berichten einander, welcher Raum sie besonders bewegte.
Wo habe ich Gottes Barmherzigkeit (neu) entdeckt?
Falls noch Zeit bleibt, können die Sätze durch die TN ergänzt werden:
z.B. Gottes Barmherzigkeit ist sichtbar, wenn ich den Erntedankaltar betrachte
…
Mit Jes 55, 10-13 wird die Bibelarbeit abgeschlossen.
Gemeinsames Gebet und Lied
Ps 103 (GL 57) mit GL 838 Lobe den Herrn meine Seele
Barbara Janz-Spaeth, Referentin für Bibelpastoral und Biblische Bildung
Weitere Ideen können sein:
• Verteilung der Erntegaben
• Verweis auf den „Tag der Schöpfung“
• Auszug aus der Enzyklika „Laudato si“ gemeinsam lesen und auf die eigene
Situation hin bedenken
• Kooperation/Kontakte mit örtlichen Weltläden/BUND, Tafelläden, Umweltbeauftragten, Missio, Misereor
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Gesänge
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Gesänge im Gotteslob zum
Themenbereich Barmherzigkeit
Dein Erbarmen, o Herr, will ich in Ewigkeit preisen (KV), 657, 3
Dein Tag, o Herr, uns hell anbricht, 714
Macht hoch die Tür, 218
Ubi caritas, 385
Herr, du bist mein Leben, 456
Selig seid ihr, 458
Wo Menschen sich vergessen, 861
Ich will dich rühmen, mein Gott und König, 833
Herr, du bist die Hoffnung, 707
Größer als alle Bedrängnis, 854
Jesus, dir leb ich, 367
Erhör, o Gott, mein Flehen, 439
Der Geist des Herrn erfüllt das All, 347
Der Herr wird dich mit seiner Güte segnen, 452
Geborgen in dir, Gott, 839
Magnificat, 631
Benedictus, 617
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Anhang
Kopiervorlage für ausgewählte Schriftworte
aus 2 Kor 5,17-21 und Lk 15,11-32 (Schrifttexte vom 4. Fastensonntag)
Die Schriftworte sollten auf einzelnen Papierstreifen sein.
Wenn also jemand in Christus ist,
dann ist er eine neue Schöpfung:
Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden.
Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen
und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel
und gegen dich versündigt.
2 Kor 5,17
Lk 15,18
Alles kommt von Gott, der uns durch Christus
mit sich versöhnt und uns den Dienst der
Versöhnung aufgetragen hat.
Dann brach er auf und ging zu seinem Vater.
Lk 15,20a
2 Kor 5,18
Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat,
indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete
und uns das Wort von der Versöhnung (zur Verkündigung)
anvertraute. 2 Kor 5,19
Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und
er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen,
fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Wir bitten an Christi statt:
Lasst euch mit Gott versöhnen!
Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen
den Himmel und gegen dich versündigt;
ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.
2 Kor 5,20b
Lk 15,20b
Lk 15,21
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Mein Sohn war tot und lebt wieder;
er war verloren und ist wiedergefunden worden.
Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern.
Lk 15,24
Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat
das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil
und gesund wiederbekommen hat.
Lk 15,27b
Mein Kind, du bist immer bei mir,
und alles, was mein ist, ist auch dein.
Lk 15,31b
Jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern;
denn dein Bruder war tot und lebt wieder;
er war verloren und ist wiedergefunden worden.
Lk 15,32
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Herr Jesus Christus,
Du bist das Angesicht des Vaters.
Ihn schauen wir, wenn wir auf dich schauen.
Seine Größe ist Barmherzigkeit,
seine Allmacht ist die Macht der Liebe.
Du hast uns berufen dir zu folgen
und deine Botschaft zu verkünden.
Lass uns die Menschen, denen wir begegnen,
annehmen, wie du uns angenommen hast.
Lass sie erfahren, von Gott erwartet und geliebt zu sein.
Lege uns deinen Geist ins Herz
und verwandle uns durch deinen Blick,
wie du Petrus verwandelt hast
und den Schächer am Kreuz.
Dann wird dieses Jahr ein Jahr der Gnade
gegen alle Gnadenlosigkeit der Welt,
ein Jahr des Erbarmens
gegen alle Unbarmherzigkeit,
unter der Menschen leiden.
Lass uns als Kirche selbst Erbarmen spüren,
damit wir mit neuer Begeisterung
den Armen die Frohe Botschaft bringen,
den Versklavten die Freiheit verkünden
und den Blinden die Augen öffnen.
Amen.
Elisabeth Schmitter
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