Molly Klein Molly Eine Frau zwischen Himmel und Hölle 3 www.windsor-verlag.com © 2015 Molly Klein Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Verlag: Windsor Verlag ISBN: 978-1-627844-48-2 Titelbild: © Oleksandr Kotenko Fotolia.com Umschlaggestaltung: Julia Evseeva Korrektorat: Windsor Verlag Layout: Julia Evseeva Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. 4 Vorwort D ieses Buch ist all denen gewidmet, die mit ihrem Leben hadern und nicht mehr an sich selbst glauben. Wenn man mehrmals barfuß durch die Hölle gegangen ist wie ich, gibt man nicht auf, sondern man lernt, mit jeder Situation umzugehen, steht immer wieder auf und lacht dem Teufel ins Gesicht. Das Leben ist zu kurz um es zu verschwenden, jeder Tag ist ein Geschenk. Nimm dieses Geschenk an, löse dich aus dem Fesseln und genieße deine schöne neue Zeit. 5 W ir schreiben das Jahr 2013. Es ist Frühling und ich bin über beide Ohren verliebt. Ich bin eine Frau die fest im Leben steht und sich von nichts mehr erschüttern lässt. Dachte ich. Vom Großstadtleben gezeichnet und gestresst, lebe ich einem kleinen Dorf in Mecklenburg. Hier betreibe ich einen kleinen Friseurladen und fühle mich im Grunde wohl. Alles im Lot, denke ich. Es ist eine dieser Samstage, an denen ich viel zu tun habe und mein Anmeldebuch mal wieder voll ist. Plötzlich geht die Tür auf „ER“ ist da. Mein Traummann. Natürlich bediene ich ihn und kann es nicht glauben, dass so ein Traummann in meinen Salon kommt. Seit diesem Tag kann ich nicht mehr klar denken, ich zähle die Tage wann er wohl wieder zum Haare schneiden kommt. Dann geht das Erdbeben wieder von vorne los und ich kann kaum die Schere halten, weil ich so zittere. Mein Herz schlägt bis zum Hals, meine Knie werden weich so dass ich mich kaum halten kann, und ich denke nur, hoffentlich merkt er nicht wie es mir geht. 6 Meine Gefühle so zu verstecken und meine Gedanken für mich behalten kann ich sehr gut, denn ich musste schon früh lernen, meine Gefühle zu verbergen zum Schutz vor viel Gewalt. Angst und Misstrauen beherrschten meine Kindheit und meine Jugend, sofern man davon überhaupt sprechen kann. Ich erinnere mich an einen Schultag in der dritten Klasse. Im Diktat bekam ich eine schlechte Note und sofort überfiel mich panische Angst, damit nach Haus zu kommen. Meine Eltern waren sehr streng. Meine Mutter war zwar eine einfache Frau, aber völlig unzufrieden mit ihrem Leben, ließ ihre gnadenlose Kälte und ihren Hass an uns Kindern aus. Mein Vater, ein einfacher Arbeiter, der auch mal Bürgermeister war kam nicht wirklich mit dem Leben und seine Situation (1 Frau und 4 Kinder) klar. Nun ja ich sollte das Diktat unterschreiben lassen und es am nächsten Tag wieder zur Schule mitbringen. Da ich aber Angst hatte, meine Eltern würden mit mir schimpfen oder mich gar verprügeln, tat ich etwas was ich noch schwer bereuen sollte. Ich fälschte die Unterschrift meiner Mutter, weil die ja einfach schien. Großer Irrtum. Am nächsten Tag in der Schule mussten wir die Unterschriften der Eltern vorzeigen. Meine Lehrerin, eine alte Nazi-Braut, hatte sofort erkannt, dass das nicht die Unterschrift meiner Mutter war. Sie redete pausenlos auf mich ein doch nicht zu lügen, ich würde doch alles nur noch viel schlimmer machen. Doch ich behaarte darauf dass die Unterschrift von meiner Mutter sei. 7 Was soll ich sagen, es kam wie es kommen musste, es wurde viel viel schlimmer. Meine Lehrerin sprang vom Stuhl auf und haute mir das Heft um die Ohren, sie schrie herum und ich bekam einen Tadel. Den sollte ich natürlich unterschrieben zurück bringen. Die Katastrophe war perfekt. Ich sagte zu Hause nichts, hatte mir aber schon überlegt, wie ich um die bevorstehende Prügel herumkommen konnte. Ich ging am nächsten Tag einfach nicht zur Schule und versteckte mich voller Angst in der Einkaufsstraße. Wie der Zufall es so wollte, kam meine Mutter daher und schrie mich auf offener Straße an, nach Hause zu gehen und auf sie zu warten. Ich hatte keinen Wohnungsschlüssel und musste deshalb zitternd im Hausflur auf sie warten. Mein kleines Herz raste plötzlich und die blanke Angst stand mir ins Gesicht geschrieben. Plötzlich kamen beide Eltern nach Hause. Sie schlossen wortlos die Wohnungstür auf und zerrten mich in die Wohnung. Kaum das die Wohnungstür zufiel, fielen sie beide über mich her. Jeder schlug zu, egal wohin er traf. Zwei erwachsene Menschen die ein kleines Schulmädchen einfach zusammen schlugen. Ich wollte weglaufen aber mein Vater packte mich an den langen Haaren und schleifte mich mitten ins Zimmer damit beide genug Platz hatten, mich zu quälen. Ich weiß nicht wie lange diese Tortour anhielt, aber als sie von mir abließen, war ich nur noch ein Häufchen Elend mit blauen Flecken, Prellungen, blauen Augen und überall Striemen. Ich zitterte am ganzen Körper. Weinend kauerte ich in einer Ecke. Kurze Zeit später erschien auch noch meine Lehrerin und unterhielt sich ewig mit meinen Eltern. 8 Die Angst kam wieder hoch – würden sie, ich wieder schlagen und treten oder würden sie mich jetzt endlich töten und damit aus der Hölle befreien? Die Lehrerin ging und meine Eltern kamen herein. Sie schrien zwar nochmal aber dann ließen sie von mir ab und ich durfte ohne Abendessen ins Bett. In dieser Nacht lernte ich das Beten. So zog es sich durch meine gesamte Kindheit, unsere Eltern nannten das „Erziehung“. Das war erst der Vorgeschmack der Hölle. Nach Schulschluss musste ich gleich nach Hause kommen um Schulaufgaben zu machen und um die Wohnung zu putzen. Eines Tages, auf dem Heimweg, lauerte mich unser 74-jähriger Hausnachbar auf und verwickelte mich in einen Gespräch. Wir Kinder mussten ja immer grüßen und sollten höflich sein und ich gehorchte. Natürlich wusste ich nicht, wie weit die Höflichkeit gehen sollte. Der alte Mann drohte mir, mich zu bestrafen, wenn ich nicht das tue was er wolle. Von Drohungen hatte ich genug und die Angst dass er mich auch schlagen oder gar meinen Eltern erzählen würde das ich nicht nett zu ihm sei machte mir Angst. Also ließ ich es zu, dass er sich an mir verging. Ich hatte nur noch Angst und ekelte mich vor mir selbst. Dieses Drecksschwein lauerte mir ständig nach der Schule auf und nutze meine Angst aus. Eines Tages kam meine Mutter abends in mein Zimmer wegen etwas Unwichtigem. Ich fasste mir ein Herz und erzählte ihr von diesem Nachbarn. Sie sah mich ungläubig an und sagte: „Du sollst nicht lügen, er ist doch ein alter Mann.“ Das war alles. Was sollte ich denken. Keiner, der dieses perverse Schwein bestraft, keiner der 9 mir beisteht, keiner der mich fragt, wie es mir geht. Wie sollte ich als Neunjährige damit leben. Konnte ich überhaupt mit jemanden darüber sprechen? Natürlich konnte ich mit niemanden darüber reden, ich musste mit der Situation alleine fertig werden. Nach einen Jahr war dieses Martyrium vorbei, das perverse Schwein starb. Meine kleine Schwester wurde geboren, sie war wohl das schönste was ich je gesehen habe, ich durfte sie zwar nicht auf dem Arm nehmen oder sie spazieren fahren, nein das durften andere, ich durfte die Windeln waschen und nicht nur die, ich durfte gleich den ganzen Haushalt schmeißen. Ich sei ja alt genug dafür und mir machte es sogar manchmal Spaß. Leider gingen meine Eltern damit zu weit. Vor der Schule brachte ich meine kleine Schwester zur Krippe und nachmittags holte ich sie wieder ab. Ich kümmerte mich den Rest des Tages um sie und um den Haushalt. Nachts, wenn alles schlief, stand ich auf, um für die Schule zu lernen. Mein großer Bruder und ich hatten die gleichen Lehrer und das war nicht wirklich gut. Ihm fiel das Lernen leicht, er war ja der Kronsohn und wurde von meinen Eltern natürlich bevorzugt und musste sich um nichts weiter kümmern. Er hatte nur Einser Noten, ich nur Zweier und Dreien, so bekam ich natürlich immer Ärger mit den Lehrern und meinen Eltern. Von den Lehrern musste ich mich beschimpfen lassen ich sei ein Schmarotzer und würde meinen Eltern nur auf der Tasche liegen. Das tat sehr weh also lernte ich Nachts heimlich, wenn alles schlief. Dann kam noch mein kleiner Bruder, wir hielten immer zusammen. Denn wenn irgendetwas bei 10 uns zu Hause schief ging, waren immer wir die schuldigen. Wir bekamen mehr Prügel als zu essen. Morgens gab es kein Frühstück oder gar Schulbrote, nein nur sonntags lag ein „Frühstück“ drin. Jeder ein Brötchen mit ganz wenig Margarine und noch weniger Marmelade. Und Mittagessen gab es auch nur sonntags und wenn mal „nichts“ vorgefallen war, dann gab es auch Abendessen. Das waren so unsere guten Tage. Leider waren es nur wenige. In der Schule gab es mittags warmes Essen, vorausgesetzt man bezahlte 2,75 Mark für die Woche, keine schlechte Sache. Aber wir Kinder behielten oft das Geld, um uns Hefte zu kaufen oder Patronen für den Füller. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass mein Vater mir wutentbrannt den Groschen für ein Heft vor die Füße warf, weil mein Heft schon wieder vollgeschrieben war. Er kontrollierte jeweils, ob die Hefte auch wirklich vollgeschrieben waren. Und schimpfte dabei, er dass man doch enger und kleiner schreiben könne, um Platz zu sparen. Weil das so war haben wir drei großen Kinder und was einfallen lassen. Wir gingen los und sammelten Altstoffe, Flaschen und Papier und brachten dies zum Altstoffhändler. Dafür bekamen wir etwas Geld und manchmal bunte Abziehbilder. So konnten wir Sachen für die Schule kaufen und mussten nicht jedes Mal betteln. Tja, wie gesagt, Frühstück und Mittag fielen oft aus und wegen jeder Kleinigkeit mussten wir oft ohne Abendessen ins Bett. Irgendwann hatten wir uns wohl dran gewöhnt und empfanden es als normal. Wenn es mal ganz gut für uns Kinder lief, dann durften wir uns ein Becher Quark zubereiten zum Abendessen. Wir durften dann etwas Zucker nehmen und 11 ganz viel Wasser, das war ein Festessen für uns Kinder. Wir genossen jeden kleinen Teelöffel dieses Festmahls. Meistens saßen wir dann auf unseren Betten und unterhielten uns dabei über die Schule und wie wir den nächsten Tag überstehen konnten. Trotz unserer schlechten Lage konnten wir alledem noch etwas Gutes abgewinnen. Wir machten uns lustig über unsere Situation (obwohl es nichts zu lachen gab) und wussten dabei genau, es konnte nur besser werden. Einmal hatte mein großer Bruder sich gegen meine Mutter aufgelehnt, das war ein toller Tag. Wieder einmal schlug sie wahllos auf ihn ein. Er war mittlerweile genauso groß wie sie. Er stand mit den Rücken zu ihr gewandt am Nachtschrank sie keifte und schlug wild um sich. Wir Geschwister hatten höllisch Angst, da drehte sich mein Bruder zu ihr um, hielt ihre Arme fest und sagte deutlich und bestimmt „Fass mich nie wieder an, sonst passiert was.“ Wir waren erstarrt vor Angst, was würde sie wohl tun. Schnell verkrochen wir uns um aus der Schusslinie zu geraten. Es war still. Als mein Vater kam, machte sich Panik bei uns Kindern breit. Beim Abendessen erzählte unsere Mutter was vorgefallen war. Mein Vater blieb ganz ruhig und sagte zu ihr „Dann hast du es wohl übertrieben“, das war alles. Wir wussten nicht mehr, was wir denken sollten, wir waren einfach nur platt. Ein leises Aufatmen. Wir dachten jetzt würde es etwas leichter für uns, aber vor den Wutanfällen von unserer Mutter waren wir nie sicher. Ich denke meine Eltern waren mit ihren Leben und ihrer Situation nicht glücklich und ließen ihren Frust an uns Kindern aus. Mein Vater ahnte, dass er von seiner Frau betrogen wurde, konnte sich aber nicht 12 dagegen wehren. Es gab da eine Situation da war mir die Thermoflasche runter gefallen und ich hatte schreckliche Angst vor einer neuen Prügelattacke. Ich flehte meinen kleinen Bruder an, die Schuld auf sich zu nehmen und versprach ihm irgend etwas. Mein kleiner Bruder hatte Mitleid und nahm die Schuld auf sich. Als mein Vater von der Arbeit kam und die zerbrochene Kanne sah, war es um meinen kleinen Bruder geschehen. Er schlug ihn mit einen Elektrokabel, an dem noch der Stecker war, mein Bruder und ich schrien aus voller Brust um die Wette, er vor Schmerzen und ich vor Angst und Mitleid. Mir tat es unendlich weh, ansehen zu müssen, wie mein kleiner Bruder geschlagen wurde. Nur weil mir aus versehen die Thermoflasche runter gefallen war. Das habe ich mir nie verziehen, es tut heute noch weh. Ich kann und werde es nie verstehen, wie man seinen Kindern so verletzen kann. Das ist mit nichts zu entschuldigen. Immer wieder überlegte ich, wie ich meinen Eltern eine Freude machen konnte, nur um vor ihnen gemocht und anerkannt zu werden. Heute weiß ich, sie hatten meine Liebe nicht verdient. Es gab da mal eine Situation, die ich bis heute nicht verstanden habe. Meine Eltern gönnten sich hin und wieder eine Tasse Bohnenkaffee. So weit so gut. An einem Mittwochnachmittag, ich kam grade aus der Schule, saßen beide im Esszimmer und gönnten sich eine Tasse Kaffee und jeder ein Stück Käsetorte. Ich war platt. Sie aßen und tranken mit Genuss ihren Kaffee und dachten sich nichts dabei. Dass wir Kinder ja auch noch da waren interessierte keinen. Natürlich bekamen wir nichts davon ab, schließlich hatten wir es ja nicht verdient, wie mein Vater es ja immer zu sagen pflegte. 13 Dass sie sich nicht im Grund und Boden schämten, konnte ich nicht verstehen. Wir taten natürlich so als hätten wir keinen Hunger um jeden Streit zu vermeiden. Tja, solche Eltern hat nicht jeder. In dieser Zeit hatte ich oft Selbstmordgedanken ich wollte auch ins Kloster, weil ich dachte, wenn ich dahin ging, würde mir niemand etwas zu Leide tun. Aber wem konnte ich vertrauen, mit wem sollte ich darüber sprechen. Also lebte ich weiter in der Hoffnung es werde bald alles besser. Natürlich wurde nichts besser. Eines nachts, ich war zehn Jahre alt, hatte ich irgendetwas Schlechtes geträumt und musste weinen, ich weinte leise in mein Kissen und erschrak, als plötzlich meine Mutter vor mir stand. Sie wollte wissen was ich hätte und drohte gleichzeitig mit Strafe, wenn ich nichts sage. Ich verstand die Welt nicht mehr, jedenfalls bekam ich eine schallende Ohrfeige und sie jagte mich in meinem Schlafzeug raus. Mitten in der Nacht musste ich das Treppenhaus wischen, aber sehr gründlich. Anschließend kontrollierte sie alles und ich durfte wieder ins Bett. Ich konnte vor lauter Angst nicht mehr einschlafen, irgendwann fielen mir aber vor Erschöpfung die Augen zu. Manchmal wenn ich wach in meinem Bett lag träumte ich mir die Welt einfach schön. Ich stellte mir vor, das ich ein ganz lieben Mann hätte und vier Jungs. Wir saßen alle an einen großen runden Tisch und aßen zusammen, unterhielten uns wie eine richtige Familie. Es gab keinen Streit, kein lautes Wort. Man hat einfach Respekt voreinander und es wurde sogar gelacht. Was für ein Leben. 14
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