Reinraum für Pharma garantiert Schutz von Produkt und Person

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Reinraum für Pharma garantiert Schutz von Produkt
und Person
In vielen Branchen wie Automobilbau oder Elektronikindustrie hat die Miniaturisierung die
technischen Anforderungen in der Fertigung stetig nach oben geschraubt. Werden winzigste
Bauteile von Robotern zusammengesetzt oder verpackt, muss das in kontrollierter Umgebung
geschehen. Auch die (bio-)pharmazeutische Industrie beispielsweise benötigt zur WirkstoffProduktion streng regulierte Bedingungen, wie sie das Unternehmen Reinraumtechnik Ulm
seit 2002 anbietet. Wir haben mit ihrem Geschäftsführer Dietmar Renz über die besonderen
Anforderungen als Pharma-Zulieferer gesprochen.
Dietmar Renz, 56 Jahre, ist gelernter
Maschinenschlosser, studierter
Verfahrenstechniker und Betriebswirtschaftler.
Renz war im Vertrieb bei Firmen für
Reinraumtechnik und einem großen
Anlagenbauer in NRW tätig, ehe er sich im
Ulmer Donautal selbstständig machte.
Die Firma hat sich auf die pharmazeutische
Industrie konzentriert und beschäftigt 25
Mitarbeiter. Ein interdisziplinäres Team fertigt
„Anlagen im Reinraum", liefert Systeme für
noch reinere abgetrennte Zonen innerhalb
eines Reinraumes. Dazu zählen Isolatoren,
Dietmar Renz, Experte für Pharma-Reinräume © Pytlik
Containmentsysteme, Handschuhprüfgeräte,
Ansatzbehälter, Anlagen zur Verwiegung von
Wirkstoffbestandteilen oder spezielle Sicherheitswerkbänke.
Was bedeutet Reinraumtechnik?
Es ist ein allumfassender Begriff, der mehr als „Luft putzen" bedeutet und zum Ziel hat, das
Produkt und Personen zu schützen. Normen und Richtlinien schreiben vor, wie hoch der Anteil
von (anorganischen) Partikeln und (organischen) Keimen in der Umgebungsluft sein darf. Die
entsprechende Richtlinienreihe des VDI (2083 "Reinraumtechnik") legt besondere
Anforderungen an die Reinheit der Raumluft, des Arbeitsplatzes (Oberflächen, Maschinen,
Werkzeuge), der Prozessmedien (Gase, Flüssigkeiten, Chemikalien) sowie der Personen in
verschiedenen Bereichen der Technik fest. Die Richtlinie umfasst 23 Blätter von
Partikelreinheitsklassen in der Luft bis zur Biokontaminationskontrolle.
Produktschutz ist vor allem in der Elektronikindustrie, beispielsweise bei der Fertigung von
Halbleitern relevant. Personenschutz ist vor allem in der Pharmaindustrie wichtig, zum Beispiel
bei der Herstellung von Zytostatika, hochtoxischen Substanzen.
Was braucht Reinraumtechnik?
Reinraumtechnik setzt Ventilatorensysteme ein, mit denen man ein umbautes Volumen
entsprechend oft umwälzt und die Luft mit spezieller Filtertechnik abreinigt. Damit lassen sich
Keime, sogenannte Koloniebildende Einheiten und Partikel zurückhalten. In der
Elektronikindustrie müssen die Fertigungsbedingungen reinst, also völlig partikelfrei, in der
Pharmaindustrie noch keimfrei sein. Die Filtersysteme sorgen für eine möglichst große
Abwesenheit organischer und anorganischer Partikel.
Bedeutet Reinraum überall dasselbe?
Der Reinheitsbegriff ist im Lauf der Jahre derselbe geblieben. Die Partikelabscheidung findet
nahezu mit den gleichen Filtern statt. Da hat sich über die Jahre nichts geändert. Es gibt
sogenannte Environments, in denen sich mehr oder weniger nur Lufttechnik befindet, ohne
arbeitendes Personal. Dort wird vollautomatisch gefertigt. Und man kann Sauberräume von
Reinräumen unterscheiden. Das hängt unter anderem von der Größe und der Zahl der Partikel
ab. In Reinräumen arbeiten Menschen vollständig vermummt, bei definiertem Luftwechsel
versteht sich.
Welche aktuellen Entwicklungen beobachten Sie in der Reinraum-Szene?
Ein Trend ist mittlerweile schon wieder abgeklungen: Krankenhäuser brauchten eine
Herstellungserlaubnis für ihre Produktionsstätten ähnlich der Pharmaindustrie, also
Herstellung unter Bedingungen des GMP (Good Manufacturing Practice). In anderen Bereichen
der Industrie nimmt die Zahl der Sauberräume zu, beispielsweise bei Automobilzulieferern, wo
Bauteile für Airbags oder Antiblockiersysteme teilweise unter Reinraumbedingungen
hergestellt und verpackt werden müssen.
Containmentsysteme sind in der pharmazeutischen Herstellung immer dann gefragt, wenn es neben dem
Vermeiden von Keim- und Partikelkontaminationen von Produkten auch gleichermaßen auf den Schutz des
Mitarbeiters ankommt. © Reinraumtechnik Ulm
Veranschaulichen Sie bitte an einem Beispiel, wo der Pharma-Kunde ihre Expertise
Veranschaulichen Sie bitte an einem Beispiel, wo der Pharma-Kunde ihre Expertise
braucht.
Sie müssen sich das zunächst als jahrelangen Entwicklungsprozess vorstellen. Das lässt sich
nicht lernen. Zu Ihrem gewünschten Beispiel: Ein pharmazeutischer Lohnhersteller will seinen
Wirkstoff fein mahlen, ihn mikronisieren. In einer kleinen Mühle soll der Wirkstoff zu einem
bestimmten Körnungsgrad verkleinert werden: Allerdings waren die Mitarbeiter während
dieser Mikronisierung Expositionen ausgesetzt. Wir haben schließlich den Standort einer
solchen Anlage so ausgewählt, dass gleichzeitig die Mitarbeiter geschützt waren und das
Produkt steril blieb.
Aus den Gesprächen mit dem Herstellungsleiter haben wir eine Art Isolator entwickelt: Wir
bauten eine schützende Hülle, stellten die Mühle in diese, versahen diese mit einer komplett
abschließbaren Schiebetüre und haben die Ablufttechnik angeschlossen, die dann gefiltert
wurde. So ist bereits 2004 eine Art Isolator entstanden, ohne dass Kunde und Anbieter den
Begriff dafür kannten.
Um beim Beispiel zu bleiben: Wie muss man sich einen solchen Isolator vorstellen
und welche technischen Spezifikationen muss er haben?
Eine Hülle aus Edelstahl, die keinen Totraum besitzt, damit sie gut zu reinigen ist. Sie ist
ausgestattet mit einer Filtertechnik für Umluft, Zu- und Abluft, verfügt über Anschlüsse für
Partikel- und Keimzahlbestimmung, überwacht Luftgeschwindigkeit und Differenzdruck für
Filter und Arbeitsraum, besitzt eine Frontscheibe mit Handschuhports und Materialschleusen
für die Be- und Entladung des Isolators mit getrennter Ventilatorentechnik.
Bei dieser Form des Isolators steht der Personenschutz im Vordergrund?
Ja. Ziel ist es, den Bediener sicher und konsequent vom Produkt beziehungsweise von dessen
Herstellung in einem geschlossenen System zu trennen. In Isolatoren, wo zum Beispiel
Zytostatika hergestellt werden, herrscht permanenter Unterdruck von minus 90 Pascal.
Maßanfertigung für Pharma im Ulmer Donautal. Mitarbeiter bei der Montage. © Reinraumtechnik Ulm
Was braucht ein erfolgreicher Anbieter von Reinraumtechnik speziell für Pharma?
Luft- und Filtertechnik, verfahrenstechnisches Know-how gehören dazu. Während meiner Zeit
als Angestellter lieferte mein damaliger Arbeitgeber eine Laminar-Flow-Anlage für Sanofi
Aventis, deren Planerin noch eine Qualifizierung wünschte.
Das war der Zeitpunkt, wo ich mich in die in ihren Anfängen befindliche GMP-Dokumentation
einzuarbeiten begann. Als ich mich selbstständig machte, erarbeitete ich mir über Wochen
diese Dokumente.
Damit kannten Sie die Bedürfnisse der Pharmaindustrie besser?
Richtig. Die Struktur dieser Qualifizierungsdokumente für Installation und ‚Operational
Validification' gibt es heute noch, wenngleich optimiert. Mit dieser Erfahrung über GMPDokumentation gelang es mir, Fuß zu fassen in der Pharmabranche. Neben der Anlage
konnten wir auch die Dokumente liefern. Das erleichterte den Zugang zu diesem
geschlossenen Markt.
Reinraumtechnik kommt in hochregulierten Branchen zum Einsatz. Ist das für
Komplettanbieter ein Vorteil oder eher ein Innovationshemmnis?
Es ist vielleicht weniger ein Hemmnis. Allerdings sind die Anforderungen der Pharmaindustrie
an die Anbieter umfassend, die viel verlagern auf Seiten der Reinraumtechnik. Für einen
kleinen Anbieter ist das eine Herausforderung, wenn man mit hochspezialisierten
Stabsabteilungen von Pharma-Konzernen zu tun hat, die sich beispielsweise ausschließlich auf
Rohrleitungen fokussieren.
Gibt es hierzulande so etwas wie eine Reinraum-Branche?
Die Branche ist nicht sonderlich groß. Sie besteht im Grunde aus Einzelkämpfern, die sich
manchmal zu bestimmten Gruppierungen zusammenfinden. Einen Verband gibt es nicht. Man
findet sich unter Normengebern wie dem VDI oder der DECHEMA. Aber einen Dachverband,
unter dem sich alle Anbieter finden, wie Lüftungsbauer, große, ausschließlich planende
Ingenieurbüros, große Anlagenbauer oder eben Spezialanbieter, Fachplaner für Pharma, den
gibt es nicht.
Die Fragen stellte Walter Pytlik, BioRegionUlm.
Fachbeitrag
13.07.2015
wp
BioRegionUlm
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
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Reinraumtechnik Ulm