Amputation an Malaria-Parasiten

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Amputation an Malaria-Parasiten
Im September 2015 erarbeiteten die Vereinten Nationen einen Katalog mit 17
Nachhaltigkeitszielen (SDGs). Auf Platz drei dieser SDGs befindet sich die Sicherstellung
gesunden Lebens mit weiteren Zielen, die gemäß der Agenda 2030 erreicht sein sollen – die
Bekämpfung von Malaria ist eines von ihnen. Durch die Grundlagenforschung von Prof. Dr.
Freddy Frischknecht und Mirko Singer vom Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums
Heidelberg ist ein kleiner von vielen Schritten getan.
Anopheles stephensi, Überträger der Malaria auslösenden Plasmodien, beim Blutsaugen © Universitätsklinikum
Heidelberg / Singer
Der häufigsten Tropenkrankheit Malaria, hervorgerufen durch Parasiten, die von weiblichen
Stechmücken der Gattung Anopheles übertragen werden, fallen bei jährlich 300 Millionen
Erkrankungen weltweit fast eine halbe Million Menschen zum Opfer. Seit Jahrzehnten wird an
Impfstoffen geforscht – so machte trotz begrenzter Wirksamkeit zuletzt der Impfstoff RTS,S viel
Hoffnung. Neue Forschungsergebnisse aus den USA schlagen die Freisetzung von gentechnisch
veränderten Stechmücken vor, welche durch Einbringen von Resistenzgenen mit Hilfe der nicht
unumstrittenen CRISPR-Technik gegen Plasmodien immun sind und diese deaktivieren. Die
Stechmücken sollen sich in den Malariagebieten ausbreiten und dadurch die Parasiten
ausrotten. Das Problem: Man müsste über 60 Malaria übertragende Arten modifizieren. Auch
sprechen unvorhersehbare Auswirkungen auf das Ökosystem dagegen.
Prof. Dr. Freddy Frischknecht vom Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums
Heidelberg verfolgt dagegen einen anderen Weg: über genetische Modifikationen der
Plasmodien. Diese stellte er kürzlich in einer Publikation vor 1. Plasmodien, einzellige und
selbstbewegende Eukaryoten, haben im Lauf der Evolution eine tückische Strategie entwickelt
sich auszubreiten: Durch einen Stich einer infizierten Anophelesmücke gelangen sie über die
Unterhaut in die Blutbahn des Menschen und dringen bis in die Leber vor. Sie vermehren sich
in deren Zellen und befallen schließlich rote Blutkörperchen. In diesen eingeschlossen besteht
für das Immunsystem keine Chance, die sich weiter vermehrenden Plasmodien zu entdecken.
Sticht nun erneut eine Anophelesmücke, wiederholt sich durch Übertragung der Parasiten aus
dem Blut des Menschen der Kreislauf. Übrig bleibt ein stark geschwächter Patient mit den
typischen Symptomen – wiederkehrendes Fieber und Anämie. Diese Strategie wurde bereits
Alexander dem Großen oder dem Pharao Tutanchamun zum Verhängnis.
Schnitt am eigenen Genom
Spätes Leberstadium eines Parasiten, der Merozoiten gebildet hat, welche Erythrozyten befallen. DNA rot markiert,
Aktin grün und Merozoiten blau. © Universitätsklinikum Heidelberg / Singer
„Eukaryotische Parasiten sind ein perfektes Beispiel für eine fortgeschrittene Evolution“,
erzählt Mirko Singer, Erstautor der Veröffentlichung. Bei ihm am Institut in Heidelberg finden
sich mehrere verschiedene bildgebende und biophysikalische Technologien vereint mit
klassischen molekulargenetischen Apparaturen. Genau hier wird mit Modellorganismen daran
geforscht, wie man die Parasiten, wenn sie in den menschlichen Körper gelangen, daran
hindern kann, die Malaria auszulösen.
Im Rahmen ihrer Forschung stellen Frischknecht und Singer eine Form der genetischen
Abschwächung des Parasiten vor. Genetisch abgeschwächte Parasiten sind so mutiert, dass sie
eine Krankheit nur stark beschränkt auslösen und vom Immunsystem ausreichend erkannt
und abgewehrt werden können. Hier liegt also wie bei der Polioimpfung ein aktives Training der
Immunabwehr für spätere Infektionen durch den pathogenen Erreger vor.
Bisherige Versuche beschränken sich auf die gentechnische Deletion von maximal drei Genen
des Parasiten, um dessen Entwicklungsprozess zeitspezifisch in der Leber zu stoppen und ihn
damit zur leichten Beute des Immunsystems zu machen. Diese und auch durch γ-Bestrahlung
abgeschwächte Parasiten lösen in Nagermodellen teilweise trotzdem die typischen Symptome
aus. Nicht zuletzt deswegen ist eine Übertragung der Methode auf den Menschen schwierig und
risikobehaftet.
In der Publikation wird eine alternative Methode zur Erlangung von genetisch abgeschwächten
Parasiten (GAP) geschildert. Das Ziel ist, einer möglichen Vakzinierung näher zu kommen. „Wir
wollten eine neuartige Methode schaffen, um die Entwicklung des Parasiten in bestimmten
Stadien zu stoppen – und zwar genau zum Zeitpunkt, in dem wir es wollen“, so Singer. Hierfür
führte er Gene für Zinkfingernukleasen (ZFN) in eines der 14 Chromosomen des Erregers ein.
Zinkfingernukleasen sind DNA-schneidende Enzyme, die je nach Design eine spezifische
Zielsequenz erkennen und zerschneiden. Führt man genau jene Sequenz ebenfalls ein, wird
diese geschnitten, sobald die ZFN-Gene aktiv sind. Den Zeitpunkt dieser Aktivität konnte Singer
mit Hilfe von verschiedenen zelleigenen Promotoren kontrollieren und dadurch den
Parasitenzellzyklus zu bestimmten Zeitpunkten stoppen. Ziele der genetischen Modifikation
sind ein von den ZFN eingeleiteter Doppelstrangbruch der DNA und ein darauffolgender Verlust
von mehreren hundert Genen. „In jeder unserer Körperzellen passieren täglich
Doppelstrangbrüche. Diese werden jedoch repariert oder die Zelle bringt sich selbst um“,
erklärt Singer. „Der analoge Reparaturmechanismus existiert in Plasmodien nicht und in
bestimmten Phasen haben sie zur Reparatur nur eine Genomkopie – das haben wir
ausgenutzt“.
Das Wettrüsten der Parasiten
Stellt eine Methode zur Amputation von Plasmodien um mehrere hundert Gene vor, um sie abzuschwächen: Mirko
Singer. © BIOPRO/Hinkelmann
Dennoch gab es im Versuch einige Parasiten, die überlebten, sich weiterentwickelten und im
Nagermodell die Krankheit auslösten. Singer identifizierte auch den Reparaturmechanismus.
"Das hier verantwortliche, rudimentäre microhomology-mediated end joining ist noch relativ
unerforscht." Auch könnten bei einer möglichen Vakzinierung mit Hilfe der genetisch
abgeschwächten Parasiten die Zinkfingernukleasen mutieren. „Deswegen muss man immer
mehrere Sicherheiten einbauen, die sich gegenseitig unterstützen“, erläutert Singer mit
Verweis auf die Folgen einer Vakzinierung mit nicht erfolgreich abgeschwächten Parasiten.
Plasmodien sind sehr wandlungsfähige Einzeller. Aufgrund der sich dadurch rasant
entwickelnden Resistenzen auch gegen fast alle Standardtherapeutika schlugen bisher
mehrere Versuche fehl, die Krankheit Malaria auszurotten. „Ich rechne nicht damit, dass in den
nächsten Jahrzehnten die Malaria ausgerottet wird“, blickt Singer auf die Zukunft. Obwohl sie
laut WHO Malaria Report im Rückzug ist, teilt Frischknecht diese Prognose. „Um Richtung
Ausrottung zu gehen, veranschlagt die WHO im Jahr ca. dreimal so viel Geld, als sie im Moment
dafür dediziert zur Verfügung hat.“
Langfristig haben Frischknecht und Singer aber grundsätzlich gezeigt, wie man die Erreger im
ersten Schritt abschwächen kann, wenn sie auch im schlimmsten Fall mutieren und wieder
pathogen werden können. Im Falle einer anschließenden Vakzinierung würde unserem
Immunsystem nahezu das ganze Repertoire an Oberflächenantigenen des Erregers präsentiert
werden. Ob die hier beschriebene Methode zur Abschwächung der richtige Weg ist, bleibt bis
heute unklar, so Singer. „Es könnte sein, dass es im Endeffekt eine ganz andere Lösung gibt“,
erklärt er. „Oder auch gar keine.“
1 Originalpublikation:
Singer et al.: Zinc finger nuclease-based double-strand breaks attenuate malaria parasites and reveal
rare microhomology-mediated end joining, Genome Biology (2015) 16:249, DOI 10.1186/s13059-015-0811-1
Fachbeitrag
22.02.2016
Jens Hinkelmann
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Prof. Dr. Freddy Frischknecht
Tel.: +49 (0)6221 5665-37, -46
E-Mail: freddy.frischknecht(at)med.uni-heidelberg.de
AG Frischknecht, Universitätsklinikum
Heidelberg
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Impfstoffentwicklung
Prävention
Impfstoff
Gentechnik
Immunsystem
Malaria
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