Fall 5

Professor Dr. Jörg Eisele
Übung im Strafrecht für Fortgeschrittene (A-K)
Wintersemester 2015/ 2016
Besprechungsfall Nr. 5
Freddy (F) ist mit Laura (L) auf der A 7 in Richtung Würzburg mit seinem VW Golf unterwegs.
Freddy ist in Laura verliebt, was aber nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Seine Versuche, Laura
während der Fahrt von seinen Qualitäten verbal zu überzeugen, sind daher von vornherein zum
Scheitern verurteilt. Freddy gibt aber nicht auf und greift mit seiner rechten Hand nach Laura und
wird leicht zudringlich. Laura ist ob des Übergriffs empört und bittet Freddy eindringlich, damit
aufzuhören. Weil die Appelle jedoch keinen Erfolg haben, verpasst sie Freddy zunächst einen
heftigen Schlag. Freddy möchte aber so schnell nicht aufgeben und greift wiederum in Richtung
Laura. Diese hat nun genug und zieht bei 110 km/h die Handbremse, wobei sie nicht damit
rechnet, dadurch einen Unfall zu verursachen. Der Wagen kommt aber sofort ins Schleudern
und schrammt nur wie durch ein Wunder um Haaresbreite an der rechten Leitplanke vorbei.
Kurz hinter dem Fahrzeug von Freddy und Laura ist Theo (T) mit seinem Mercedes unterwegs.
Die von ihm gefahrene und dem Verkehrsfluss angepasste Geschwindigkeit liegt bei 130 km/h.
Theo hält zwar den Abstand zu den vorausfahrenden Fahrzeugen ein, hält sich auch für
fahrtüchtig, hat jedoch eine Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille. Als er plötzlich den
schleudernden Wagen mit Freddy und Laura vor sich sieht, muss er seinen Mercedes auf die
linke Spur ziehen, um eine Kollision zu vermeiden. Aufgrund dieses Ausweichmanövers drängt T
einen dort fahrenden BMW in die Leitplanken. Dabei wird der Fahrer des BMW aufgrund der
Wucht des Aufpralls getötet.
Ein Sachverständigengutachten ergibt, dass Theo den Unfall mit seinen tödlichen Folgen bei der
von ihm gefahrenen Geschwindigkeit von 130 km/h auch dann nicht hätte vermeiden können,
wenn er nüchtern gewesen wäre. Allerdings hätte er angesichts seiner Alkoholisierung
höchstens 100 km/h fahren dürfen. Denn die Alkoholisierung führte zu einer verminderten
Konzentration und Aufmerksamkeit sowie einer Einschränkung der Reaktionsfähigkeit. Wäre
Theo zum Zeitpunkt der kritischen Situation eine solche seiner Alkoholisierung angepasste
Geschwindigkeit von höchstens 100 km/h gefahren, hätte der tödliche Unfall vermieden werden
können, weil dann die Situation weniger kritisch und damit ein Ausweichen auf die andere
Fahrspur nicht erforderlich gewesen wäre. Laura ist der Auffassung, dass sie für den Unfall nicht
verantwortlich sei. Dafür, dass Theo zu viel "gebechert" habe, könne sie schließlich nichts. Er
habe damit die letzte Ursache, die zum Unfall führte, gesetzt.
Gegen Theo wird später ein Strafverfahren eingeleitet. Theo behauptet in der Hauptverhandlung
wahrheitswidrig, dass das Blutalkoholmessgerät versagt haben müsse, weil er an diesem Tage
praktisch nichts getrunken habe. Als Zeugin benennt er Hilde (H), mit der er an diesem Tag
zusammen gewesen sein will. Theo geht dabei davon aus, dass Hilde den Tag verwechseln und
daher zu seinen Gunsten aussagen werde. Hilde sagt in der Hauptverhandlung entsprechend
unter Eid aus, dass sie mit Theo vor dessen Fahrt nach Würzburg zusammen gewesen sei und
Theo nichts getrunken habe. Entgegen der Einschätzung von Theo ist Hilde aber bei der
Aussage nicht gutgläubig. Sie weiß ganz genau, dass er am Tattag nicht mit ihr zusammen war.
Sie hat die Falschaussage nur deshalb getätigt und beschworen, um Theo einen Gefallen zu tun
und ihn zu "retten". Das Gericht schenkt Hilde jedoch keinen Glauben und verurteilt Theo.
Bearbeitervermerk: Wie haben sich Laura, Theo und Hilde strafbar gemacht?
§ 3 Abs. 1 S.1 und S. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO) lauten: "Der Fahrzeugführer darf
nur so schnell fahren, dass er sein Fahrzeug ständig beherrscht. Er hat seine Geschwindigkeit
insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sichtund Wetterverhältnissen sowie seinen
persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen."