Eidgenössische Wahlen: Wie beliebt ist DIE URNE IN DER

FOKUS I
Eidgenössische Wahlen: Wie beliebt ist
DIE URNE IN DER ZENTRALSCHWEIZ?
Am 18. Oktober finden die National- und Ständeratswahlen statt. Doch wie viele
Zentralschweizerinnen und Zentralschweizer werden überhaupt wählen gehen?
Andreas Balthasar,
Titularprofessor für
Politikwissenschaft mit
Schwerpunkt Schweizer
Politik und Politik­
evaluation Universität
Luzern
Die Tatsache, dass die Wahlbeteiligung bei den
Luzerner Kantonsratswahlen diesen Frühling
ein Rekordtief erreichte, hat vielerorts schockiert. Wird sich der Abwärtstrend bei den
Nationalratswahlen fortsetzen? Nun, wirklich
wissen werden wir das erst Ende Oktober. Es
ist aber zu vermuten, dass dies nicht der Fall
sein wird. Nachdem die Werte seit der Einführung der Proporzwahl für den Nationalrat in den Jahren 1919 bis 1995 stetig sanken,
ist seither wieder ein Aufwärtstrend zu erkennen – man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Nationalisierung der
Politik. Wie die Grafik zeigt, lagen die nationalen Beteiligungswerte bei der letzten Wahl
im Jahr 2011 wieder bei knapp 50 Prozent.
WAHLBETEILIGUNG STEIGT DANK NEUWÄHLERN
Der nationale Aufwärtstrend der letzten 20 Jahre dürfte wohl 2015
abgebremst oder gar gestoppt werden. Ursache der steigenden Wahlbeteiligung der letzten Jahre war nämlich vor allem die erfolgreiche
Mobilisierung von Wählerinnen und Wählern durch die SVP. Die
Partei hat es aber zusehends schwerer, zusätzliche Wählerinnen und
Wähler zu mobilisieren. Und auch die neue Mitte mit BDP und GLP,
welche 2011 recht erfolgreich war, dürfte dieses Jahr kaum weitere
Neuwählerinnen und Neuwähler an die Urne bringen. Dies lässt sich
aus den diversen Kantonsratswahlen der letzten Monate schliessen.
Welche Wahlbeteiligungen sind in den Zentralschweizer Kantonen
zu erwarten? Der Blick zurück weist auf deutliche Unterschiede zwischen den sechs Zentralschweizer Kantonen hin. In den drei grösseren Kantonen Luzern, Zug und Schwyz lagen die Werte bis anhin in
der Regel leicht über dem Schweizer Durchschnitt, wobei sich im
Falle von Luzern die Wahlbeteiligung den nationalen Werten zusehends angleicht (vergleiche Grafik). Die drei kleinen Zentralschweizer Kantone Uri, Ob- und Nidwalden verzeichneten dagegen leicht
unterdurchschnittliche Werte, was für ländliche Regionen eigentlich
überraschend ist.
AUSGANGSLAGE IST ENTSCHEIDEND
Allerdings ist die Wahlbeteiligung bei Nationalratswahlen in den
kleinen Zentralschweizer Kantonen starken Schwankungen unter­
legen, wie das Beispiel Nidwalden in der Grafik zeigt. Massgeblich
für die Schwankungen ist natürlich die Ausgangslage. Im Kanton
Nidwalden lag die Wahlbeteiligung im Jahr 2003 bei 39,4 Prozent:
Nationalrat Edi Engelberger (FDP) trat zur Wiederwahl an. Vier Jahre
später wurde er in stiller Wahl bestätigt. Es fand also gar keine Wahl
statt. Und wiederum vier Jahre später, bei den letzten eidgenössischen Wahlen, lag die Wahl­beteiligung bei 60,9 Prozent – Peter Keller
(SVP) wurde in einem spannenden Wahlkampf Nachfolger des zurück­
getretenen Nationalrats Edi Engelberger.
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ZENTRALINFO
FOKUS I
WAHLBETEILIGUNG BEI
NATIONALRATSWAHLEN
(in Prozent)
Luzern
Schweiz
Nidwalden
1919
1922
1925
1928
1931
1935
1939
1943
1947
1951
1955
1959
1963
Quelle: Bundesamt für Statistik /Statistik
1967
1971
der Nationalratswahlen
1975
1979
1983
1987
1991
SPANNUNG VERSPRICHT HÖHERE
1995
WAHLBETEILIGUNG
1999
2003
Auch am kommenden 18. Oktober wird die Wahlbeteiligung massgeb­
2007
lich von den unterschiedlichen kantonalen Ausgangslagen abhängen.
2011
In Uri, Ob- und Nidwalden versprechen die Wahlen besonders spannend zu werden. In Ob- und Nidwalden gibt es Vakanzen im Stöckli.
Die beiden Ständeräte Hans Hess (FDP/OW) und Paul Niederberger
(CVP/NW) treten nicht mehr an; den Parteien sind ihre Sitze alles
andere als sicher. Im Kanton Uri ist der Sitz der abtretenden National­
rätin Gabi Huber (FDP) umstritten. Aufgrund dieser Ausgangslage ist
zu vermuten, dass in Uri die Wahlbeteiligung den nationalen Durchschnitt erreichen wird. In Ob- und Nidwalden könnten sogar höhere
Beteiligungswerte resultieren. Ob aber, wie vor vier Jahren, mehr als
60 Prozent der Wahlberechtigten an die Urne gehen, wird sich zeigen. In den drei grösseren Kantonen Luzern, Zug und Schwyz scheinen die Wahlen insgesamt etwas weniger spannend zu werden. In
Zug wackelt keiner der Nationalratssitze. Und auch im Ständerat
dürfte der Kanton wiederum durch ein CVP-FDP-Duo vertreten
sein. In Luzern ist ein Sitzverlust der GLP möglich. Spannend präsentiert sich dagegen die Wahl in den Ständerat. Die FDP wird es nicht
einfach haben, ihren Sitz zu verteidigen. Im
Kanton Schwyz stellt sich zwar die Frage, ob
die Standesstimme ungeteilt bei der SVP
bleibt. Da beide Bisherigen wieder antreten,
ist aber keine Rekord-Wahlbeteiligung zu erwarten.
Insgesamt ist die Ausgangslage also so spannend, dass durchaus verhältnismässig hohe
Wahlbeteiligungen zu erwarten sind. Allerdings bedeutet «verhältnismässig hoch» eigent­
lich «verhältnismässig tief», denn fast jede
zweite Zentralschweizerin und fast jeder
zweite Zen­t ralschweizer werden nicht wählen gehen! 
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