50 Jahre BWS Uster, Grusswort, 8. Mai 2015 Marc Kummer, Amtschef

Kanton Zürich
Bildungsdirektion
Mittelschul- und Berufsbildungsamt
Amtsleitung
50 Jahre BWS Uster, Grusswort, 8. Mai 2015
Marc Kummer, Amtschef
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Artmann, sehr geehrter Herr Egli, sehr geehrter Herr Pedrazzoli, liebe
Lehrerinnen und Lehrer, sehr geehrte Damen und Herren
Ich gratuliere Ihnen herzlich zu Ihrem 50-Jahre-Jubiläum. Eine Organisation, die 50 Jahre
und mehr besteht, hat sicher ein paar Dinge richtig gemacht, entspricht einem Bedürfnis.
Ich wünsche Ihnen zu diesem Festtag alles Gute. Feiern Sie und lassen Sie sich feiern.
„Mit der Berufslehre werden aus Talenten Profis“ – so heisst der Slogan der Werbekampagne des Bundes. Das tönt gut, ist aber in der Realität nicht immer einfach. Aber Talente
entdecken, den Weg in die Berufsbildung finden und dort zum Profi werden, diesem Motto
hat sich die Berufswahlschule – kurz BWS – Uster seit 50 Jahren verschrieben. Die BWS
Uster hilft jungen Menschen, Berufsprofis zu werden. Sie hilft ihnen den Weg in ein eigenverantwortliches und selbständiges Leben zu finden. Dieser Weg zum Profi ist nicht immer
einfach, das gilt für die Wirtschaft genauso wie für den Spitzensport oder das Showbusiness. Die BWS Uster will ihre Schülerinnen und Schüler laut eigener Werbebotschaft „bestmöglichst auf die Berufswahl vorbreiten“. Die gebündelten Massnahmen fasst die BWS Uster unter einem Begriff zusammen: „Berufswahlcoaching“. Der Begriff Coaching stammt
vom englischen „to coach“ - betreuen, trainieren - und bezeichnet eine Vielzahl von Trainings- und Beratungskonzepten zur Entwicklung und Umsetzung persönlicher oder beruflicher Ziele und der dazu notwendigen Kompetenzen. Da liegen Sie sicher grundsätzlich
richtig.
Stehen wir dazu: Das System der Berufsbildung ist effizient und ermöglicht den Jugendlichen einen raschen Einstieg in die Erwachsenenwelt. Stehen wir aber auch dazu: Ein Teil
der Jugendlichen ist nach dem Abschluss der obligatorischen Schule mit dem Direkteinstieg in eine Berufslehre überfordert. Die Gründe dafür sind vielfältig; ich zähle sie jetzt
nicht alle auf. Die notwendige Übertrittsunterstützung leistet die Berufswahlschule Uster.
Und sie ist damit sehr erfolgreich. Die Lehrerinnen und Lehrer motivieren, fördern und fordern die Jugendlichen, loben und kritisieren und ja … ersetzen bisweilen auch zum Teil das
Elternhaus. Und die Lehrerinne und Lehrer freuen sich mit den Jugendlichen, wenn anschliessend der Übertritt in eine Berufsausbildung gelingt. Zu meiner Schulleiterzeit habe
ich jeweils zu Ehemaligen gesagt, wenn ich sie wieder getroffen habe: „Mein Erfolgsgefühl
stellt sich vor allem dann ein, wenn ich sehe, was auch euch geworden ist.“
Ein paar Fakten; ich bin da ja auch der Vertreter derjenigen Instanz, die die Rahmenvorgaben gibt und jährlich mitfinanziert. Eben: Die BWS Uster bietet ein Berufsvorbereitungsjahr
(BVJ) für rund 230 Schülerinnen und Schüler in 14 Klassen. Die Schule bietet mehrere Profile an, natürlich in den Kernbereichen praktisch und betrieblich sowie schulisch. Auffallend
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ist das Angebot „Sprache und Integration“. Es setzt sich zum Ziel, fehlende Deutschkenntnisse fremdsprachiger Jugendlicher für einen Eintritt in den Schul- und Berufsalltag zu beheben. Sie leisten mit diesen Angeboten – geschätzte Lehrerinnen und Lehrer – einen
wichtigen Beitrag. Danke!
Schuljahre, die zwischen der obligatorischen Schule und der Berufsausbildung liegen, sind
nichts Neues. Auch wenn die 1965 erfolgte Gründung der BWS Uster keine eigentliche Pionierleistung ist, so ist sie zumindest schlau kopiert. In der Stadt Zürich beispielsweise
wurde schon 1946 das „Knabenwerkjahr“ eingeführt. Dennoch ist das Gründungsjahr der
BWS Uster kein Zufall. Die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts markieren den Höhepunkt der
einzigartigen wirtschaftlichen Hochkonjunktur nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie dauerte
vom Beginn der 50er Jahre bis zum Ölpreisschock von 1973. Gerade im Bildungsbereich
sorgten die 60er Jahre – auch im Zusammenhang mit dem Bevölkerungswachstum jener
Periode – für einen kräftigen Innovationsschub. Bei den Mittelschulen war von der „Ausschöpfung der Begabtenreserve“ die Rede. Die Gründerväter und -mütter der BWS Uster
dürften auf einen ähnlichen Effekt im Bereich der Berufsbildung gehofft haben.
Seit ihrer Einführung trugen Zwischenlösungen unterschiedliche Namen: 10. Schuljahr, Sozialjahr, Werkjahr, Integrationskurs oder hauswirtschaftliche Fortbildungsschule. Zugeordnet waren sie der Volksschule. Konzeptuell boten sie ein Jahr zusätzliche Schule für alle,
die es benötigten oder sich noch nicht für eine Berufsrichtung entscheiden konnten. Zwischenlösungen waren stets abhängig von der Wirtschaftslage und von gesellschaftlichen
Strömungen. Sie wollten Defizite und Lücken der Volksschule kompensieren, Orientierungshilfe bei der Berufswahl bieten und Schwankungen auf dem Lehrstellenmarkt auffangen. Von den zürcherischen Berufswahlschulen erwartet der Kanton also, dass sie ihre
Grösse flexibel auf die wirtschaftliche Lage ausrichten. Ist die Lehrstellensituation, wie
heute, entspannt – wir haben viele offene Lehrstellen – , soll ihr Angebot zurückgefahren
werden. Bei Lehrstellenmangel müssen sie flexibel reagieren und die nötigen Kapazitäten
zur Verfügung stellen.
Es gibt weitere Erwartungshaltungen: Solche der Volksschule, der Eltern und der Jugendlichen. Die Volksschule erwartet gute Anschlusslösungen für diejenigen Jugendlichen, welche den Einstieg in die Berufswelt nicht direkt schaffen. Für betroffene Eltern und Jugendliche bietet ein Zwischenjahr die Möglichkeit einer Verschnaufpause. Die Jugendlichen können Klarheit über den weiteren beruflichen Weg gewinnen oder ihren Rucksack für die
Lehrstellensuche im Traumberuf füllen. Die Berufswahlschulen leben in einem Spannungsfeld: Erfolg verbessert den Ruf und erhöht damit die Anmeldungen. Die steigenden Schülerzahlen sind aber dann wiederum der Politik und dem „Financier Kanton“ ein Dorn im
Auge.
Als sehr erfolgreiche Schule kennt die BWS Uster dieses Dilemma bestens. Es ist auch
nicht neu: Bereits 1946 betonte die Stadt Zürich, dass das Knabenwerkjahr auf die handwerklichen Berufe vorbereiten und den Jungs keine „Flausen in den Kopf“ setzen solle.
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2002 war in der NZZ zu lesen, dass immer mehr „schulisch sehr schwache und sozial nicht
integrierte oder verhaltensauffällige“ Schülerinnen und Schüler in die Berufswahlschule einträten. Eine der Berufswahlschulen beklagte, dass ihre Konkurrentinnen die begabten Jugendlichen rekrutierten und sie deshalb mit den anderen Schulen nicht mithalten könne.
Die Frage des „richtigen“ Publikums für die berufsvorbereitenden Angebote und des entsprechenden Bedarfs wird den Kanton und die Berufswahlschulen wohl noch lange beschäftigen! Die BWS Uster ist seit 50 Jahren erfolgreich unterwegs. Sie hat viele Wechsel
gut überstanden, auch jenen vom Volksschulamt zum Mittelschul- und Berufsbildungsamt.
Erfolgreich bewältigt wurde auch der Harmonisierungsprozess, der die verschiedenen Gefässe, das 10 Schuljahr, das Werkjahr etc., zum heutigen „Berufsvorbereitungsjahr“ formte.
Seit 50 Jahren hilft die BWS Uster Jugendlichen, zu Berufsprofis zu werden. Sie verfügt
über ein grosses Einzugsgebiet und eine wachsende Zahl von Jugendlichen, welche mit
ihrer Hilfe den Wunschberuf finden möchten. Etwas weniger Erfolg dieser Schulen wäre
aus unserer Sicht wünschenswert: Das Ziel muss sein, dass Jugendliche den Direkteinstieg in die Berufsbildung schaffen. Zusatzschlaufen sind nur für diejenigen gedacht, die
diese wirklich nötig haben.
Einschub falls auch Jugendliche anwesend sind: Jetzt komme ich noch zu den Hauptpersonen einer Schule, zu den Schülerinnen und Schülern. Ich möchte Ihnen für Ihren weiteren
Lebensweg alles Gute wünschen. Mit einem Berufsvorbereitungsjahr haben Sie etwas vom
Feinsten absolvieren dürfen, was Kanton und Gemeinde zu bieten haben. Wie nirgendwo
stehen Sie absolut im Zentrum. Alle wollen wir individuell Ihr Bestes, sie gezielt unterstützen. Aber jetzt müssen Sie springen. Ab dem Sommer wechseln Sie in die Wirtschafts- und
Erwachsenwelt. Ich wünsche Ihnen dort viel Erfolg. Geben Sie sich Mühe, übernehmen Sie
Verantwortung für Ihr Leben. Viel Glück!
Zurück zum Jubiläum: Zum Abschluss bleibt mir nur noch, der BWS Uster zum runden Geburtstag ganz herzlich zu gratulieren. Schulleitung, insbesondere Rektor Daniel Artmann,
Lehrerinnen und Lehrer und Mitarbeitende leisten täglich eine sehr wichtige Arbeit im
Dienste der Jugend, der Gesellschaft und der Wirtschaft. Ich schätze die BWS Uster als
eine verlässliche und wichtige Partnerin – auch in den nächsten 50 Jahren. Ich freue mich
auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und hebd’s guet!