Vorlesungsfolien BT III

Rechtswissenschaftliche Fakultät
Strafrecht BT III
FS 2016
Prof. Dr. Daniel Jositsch
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Vorlesungsinhalt
Verbrechen und Vergehen gegen die Familie
Art. 217 – Vernachlässigung Unterhaltspflichten
Art. 220 – Entziehung Minderjähriger
Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen
Art. 221 – Brandstiftung
Art. 222 – Fahrlässige Feuersbrunst
Art. 229 – Baukunde
Art. 230 – Sicherheitsvorrichtungen
Verbrechen/Vergehen gegen den öff. Frieden
Art. 260 – Landfriedensbruch
Art. 260ter – Kriminelle Organisation
Art. 260quinquies – Finanzierung des Terrorismus
Art. 261 – Glaubens- und Kultusfreiheit
Art. 261bis – Rassendiskriminierung
Art. 262 – Störung des Totenfriedens
Verbrechen und Vergehen gegen den Staat
Art. 271 – Verbotene Handlungen für einen
fremden Staat
11.01.2016
Strafbare Handlungen gegen die öffentliche Gewalt
Art. 285 – Gewalt und Drohung gegen Beamte
Art. 286 – Hinderung einer Amtshandlung
Art. 287 – Amtsanmassung
Art. 292 – Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen
Art. 293 – Veröffentlichung geheimer Verhandlungen
Strafbare Handlungen gegen die Amts-/Berufspflicht
Art. 312 – Amtsmissbrauch
Art. 314 – Ungetreue Amtsführung
Art. 318 – Falsches ärztliches Zeugnis
Art. 319 – Entweichenlassen von Gefangenen
Art. 320 – Verletzung des Amtsgeheimnisses
Art. 321 – Verletzung des Berufsgeheimnisses
Bestechung
Art. 322ter – Bestechen
Art. 322quater – Sich bestechen lassen
Art. 322quinquies – Vorteilsgewährung
Art. 322sexies – Vorteilsannahme
Art. 322septies – Bestechung fremder Amtsträger
Art. 322octies – Gemeinsame Bestimmungen
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 2
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Literatur
ANDREAS DONATSCH/WOLFGANG WOHLERS, Strafrecht IV,
Delikte gegen die Allgemeinheit,
4. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2011
GÜNTER STRATENWERTH/FELIX BOMMER,
Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II:
Straftaten gegen Gemeininteressen,
7. Auflage, Bern 2013
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 3
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Kommentare
TRECHSEL/PIETH (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch,
Kommentar, 2. Auflage, Zürich/St. Gallen 2013
NIGGLI/WIPRÄCHTIGER (Hrsg.), Strafrecht II, Art. 111 – 392,
3. Auflage, Basel 2013
STRATENWERTH/WOHLERS (Hrsg.), Schweizerisches
Strafgesetzbuch, Handkommentar, 3. Auflage, Bern 2013
DONATSCH ET AL. (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch
und weitere einschlägige Erlasse mit Kommentar zu StGB,
JStG, den Strafbestimmungen des SVG, BetmG und AuG,
19. Auflage, Zürich 2013
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 4
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Verbrechen und Vergehen
gegen die Familie
(Art. 217 und Art. 220 StGB)
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 5
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Art. 217 – Vernachlässigung von
Unterhaltspflichten
1
Wer seine familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten
nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen
könnte, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
Geldstrafe bestraft.
2
= Grundtatbestand
Das Antragsrecht steht auch den von den Kantonen bezeichneten
Behörden und Stellen zu. Es ist unter Wahrung der Interessen der
Familie auszuüben.
11.01.2016
= Erweiterung des Antragsrechts
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 6
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Art. 217 – Vernachlässigung von
Unterhaltspflichten
Objektiver Tatbestand
 Täter: Sonderpflichtiger Unterhaltsschuldner
 Tathandlung:
•
Nichterfüllen
•
der Unterhalts- und Unterstützungspflicht
•
im Zeitpunkt der Fälligkeit
 Tatmacht: Verfügbarkeit der Mittel
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 7
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Art. 217 – Vernachlässigung von
Unterhaltspflichten
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
Prozessvoraussetzung
 Strafantrag
 Erweiterung der Antragsberechtigung gemäss Abs. 2
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 8
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Fallbeispiel
1
Die Regelung des Getrenntlebens der Ehegatten A und B verpflichtet A
u.a. dazu, B monatlich für die drei Kinder und sie selbst Unterhaltsbeiträge von Fr. 14'300.– zzgl. allfälliger Kinderzulagen zu bezahlen. A
reicht gegen diese Verfügung Rechtsmittel ein und bezahlt nicht.
Im Strafverfahren stellt er sich auf den Standpunkt, ab dem Zeitpunkt, in
dem B den Strafantrag gestellt habe, bis zum heutigen Zeitpunkt liege
kein rechtskräftiges Gerichtsurteil betreffend seine Unterhaltspflicht vor,
weshalb er nicht bestraft werden könne.
Strafbarkeit von A?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 9
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Art. 220 – Entziehen von Minderjährigen
Wer eine minderjährige Person dem Inhaber des Rechts zur
Bestimmung des Aufenthaltsortes entzieht oder sich weigert, sie
ihm zurückzugeben, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu
drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 10
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Art. 220 – Entziehen von Minderjährigen
Objektiver Tatbestand
 Täterkreis:
•
Aussenstehende Dritte
•
Eltern ohne Sorgerecht
•
Eltern mit geteiltem Sorgerecht
 Tatobjekt: Minderjähriger
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 11
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Art. 220 – Entziehen von Minderjährigen
 Tathandlung (alternativ):
• Entziehen (Begehungsdelikt)
•
Räumliche Trennung
•
Einverständnis irrelevant
•
erfüllt mit Trennung
• Verweigern der Rückgabe (Dauerdelikt)
11.01.2016
•
Widersetzen
•
nicht, wenn «Entzug» noch legal, z.B. aufgrund
Besuchsrecht
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 12
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Art. 220 – Entziehen von Minderjährigen
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
Prozessvoraussetzung
 Strafantrag:
•
Eltern mit alleinigem oder geteiltem Sorgerecht
•
Vormund
•
KESB
Rechtfertigungsgrund
 Rechtfertigender Notstand
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 13
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Fallbeispiel
2
Die 13-jährige A flüchtet während des Scheidungsverfahrens der Eltern
nach Frankreich zu ihrer Grossmutter B, in der Absicht, bei dieser zu
verbleiben. B nimmt A bei sich auf und erklärt, A bei einer allfälligen
Rückkehr zu den Eltern nicht im Wege zu stehen, sondern sie dabei
unterstützen zu wollen.
Wenige Wochen später widersetzt sich B der richterlichen Verfügung, A
unverzüglich zur Mutter zurückzuschicken.
Strafbarkeit von B?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 14
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2. Vorlesung vom 4. März 2016
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Gemeingefährliche
Verbrechen und Vergehen
(Art. 221, Art. 222, Art. 229 und Art. 230 StGB)
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 16
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Art. 221 – Brandstiftung
1
Wer vorsätzlich zum Schaden eines andern oder unter Herbeiführung einer
Gemeingefahr eine Feuersbrunst verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter
einem Jahr bestraft.
= Vorsätzliche Feuersbrunst
2
Bringt der Täter wissentlich Leib und Leben von Menschen in Gefahr, so ist die
Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
= Wissentliche Leibes-/Lebensgefährdung: Qualifikation
3
Ist nur ein geringer Schaden entstanden, so kann auf Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren oder Geldstrafe erkannt werden
= Geringer Schaden: Privilegierung
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 17
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Art. 221 – Brandstiftung
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tathandlung:
• Verursachen
• einer Feuersbrunst
 Tatobjekt: Brennbare Im-/Mobilien
 Taterfolg:
•
Abs. 1: Schaden eines anderen oder Gemeingefahr
•
Abs. 2: Konkrete Individualgefahr für Leib und Leben
Subjektiver Tatbestand

Abs. 1: Eventualvorsatz genügt

Abs. 2: Direkter Vorsatz
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 18
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 221 – Brandstiftung
Übersicht – Sachen
Subjektiv
Betroffenheit
Rechtsgut
Tatbestand
Wollen/
Inkaufnahme
Gefahr für Sachen
Art. 221 Abs. 1 Variante II
(Gemeingefahr)
Wollen/
Inkaufnahme
Schaden an Sachen
ohne Feuersbrunst
Art. 144
Wollen/
Inkaufnahme
Schaden an Sachen
durch Feuersbrunst
Art. 221 Abs. 1 Variante I
(Schaden eines anderen)
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 19
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 221 – Brandstiftung
Übersicht – Personen
Subjektiv
Betroffenheit
Rechtsgut
Tatbestand
Wollen
Gefahr für
bestimmte Person
Art. 129 (wissentliche
Lebensgefährdung)
Wollen
Gefahr für
beliebige Person
Art. 221 Abs. 2 (wissentliche
Leibes- und Lebensgefährdung)
Inkaufnahme
Gefahr für
beliebige Person
Art. 221 Abs. 1 Variante II
(Gemeingefahr)
Wollen/
Inkaufnahme
Schaden für
Person
Art. 111 ff. / Art. 122 ff.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 20
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
3
Daniel streitet seit mehreren Monaten mit seinen Eltern über die Höhe
des Taschengeldes. Als sie wieder einmal streiten, verlässt Daniel völlig
entsetzt die elterliche Wohnung. Schon seit längerem hat Daniel den
Entschluss gefasst, seinen Eltern alles heimzuzahlen.
Im Erdgeschoss des Zweifamilienhauses setzt er seinen Plan in die Tat
um, indem er in den Heizungsraum eindringt und die Ölfeuerung in
Brand setzt. Die sich im Zeitpunkt des Brandausbruchs in der Wohnung
aufhaltenden Eltern können sich noch rechtzeitig in Sicherheit bringen.
Strafbarkeit von Daniel?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 21
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 222 – Fahrlässige Verursachung einer
Feuersbrunst
1
Wer fahrlässig zum Schaden eines andern oder unter Herbeiführung
einer
Gemeingefahr
eine
Feuersbrunst
verursacht,
wird
mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
= Fahrlässige Feuersbrunst
2
Bringt der Täter fahrlässig Leib und Leben von Menschen in Gefahr,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
= Fahrlässige Leibes-/Lebensgefährdung: Qualifikation
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 22
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 222 – […] Feuersbrunst
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tathandlung:
• Verursachen
• einer Feuersbrunst
 Tatobjekt: Brennbare Im-/Mobilien
 Taterfolg:
•
Abs. 1: Schaden eines anderen oder Gemeingefahr
•
Abs. 2: Konkrete Individualgefahr für Leib und Leben
 Natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 23
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 222 – […] Feuersbrunst
Fahrlässigkeit
 Verletzung einer Sorgfaltspflicht:
•
Sorgfaltspflicht
•
Vorhersehbarkeit (Adäquanz)
•
Vermeidbarkeit
 Risikozusammenhang:
• Zwischen Sorgfaltspflichtverletzung und eingetretenem Erfolg
Konkurrenz
 Echte Konkurrenz zu Art. 117 und 125 StGB
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 24
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
4
Damit während der Renovation eines unbewohnten Mehrfamilienhauses
genug Licht vorhanden war, wurde im Treppenhaus ein Provisorium von
Arbeitern einer Elektroinstallationsfirma errichtet. Auf Anweisung des
Meisters wurde eine Lichterkette mit Glühbirnen montiert, die wie eine
Girlande durch das Treppenhaus gespannt wurde. Eine der Glühbirnen
kam dabei zu nahe an die Holztreppe zu liegen. Die stetig abgestrahlte
Wärme verursachte einen Glimmbrand wodurch das Treppenhaus in
Brand geriet. Es entstand grosser Sachschaden.
Strafbarkeit des Chefs?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 25
Rechtswissenschaftliche Fakultät
3. Vorlesung vom 11. März 2016
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 229 – Gefährdung durch Verletzung der
Regeln der Baukunde
1
Wer vorsätzlich bei der Leitung oder Ausführung eines Bauwerkes oder
eines Abbruches die anerkannten Regeln der Baukunde ausser acht lässt
und dadurch wissentlich Leib und Leben von Mitmenschen gefährdet, wird
mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Mit
Freiheitsstrafe ist eine Geldstrafe zu verbinden.
= Wissentliche Personengefährdung
2
Lässt der Täter die anerkannten Regeln der Baukunde fahrlässig ausser
Acht, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
= Fahrlässige Personengefährdung
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 27
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 229 – […] Baukunde
Objektiver Tatbestand
 Täter:
•
•
Leitung
•
Ingenieure, Architekten, Baumeister, Bauleiter, Bauunternehmer,
Bauführer (+)
•
Bauherr (-), es sei denn er handelt als Bauleiter, Bauführer, etc.
Ausführung/Abbruch
•
Polier, Maurer, Elektriker, Zimmermann, Baggerführer,
Sicherheitsbeauftragter, Geologe, Geotechniker etc.
 Tatobjekt:
•
11.01.2016
Bauwerk in Aufbau/Abbruch
•
Häuser, Bahnen, Strassen, Kanäle, Brücken, Tunnel, Leitungen,
Treppen, Aufzüge, Hilfskonstruktionen (+)
•
Wohnwagen, Campingzelte (-)
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 28
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 229 – […] Baukunde
 Tathandlung:
• Ausserachtlassung
• anerkannter Regeln der Baukunde
 Taterfolg: Gefährdung anderer Menschen
Subjektiver Tatbestand
 Abs. 1: Vorsatz
• Eventualvorsatz hinsichtlich Bauregeln/Ausserachtlassen genügt
• Wissentliche Gefährdung
 Abs. 2: Fahrlässigkeit
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 29
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
5
Bauführer T lässt an der Hausfassade, die entlang einer stark
befahrenen Strasse liegt, ein 10 Meter hohes Baugerüst
aufstellen. Er hat für die vorgesehene Gerüstfläche zu wenig den
Vorschriften entsprechende Verankerungsdübel. Darum weist er
seine Arbeiter an, „sie sollen sich etwas einfallen lassen“! Die
Arbeiter improvisieren und das Gerüst wird aufgestellt. Dort bleibt
es ein halbes Jahr stehen.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 30
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
6
Bauführer Max lässt nach der Renovation einer Gebäudefassade
das Baugerüst abbrechen. Aufgrund des zeitlichen Drucks ordnet
er an, dass auf die Sperrung des unter dem Gerüst
durchführenden Gehsteigs verzichtet wird. Im Rahmen der
Abbrucharbeiten fällt ein Holzbrett vom Gerüst und trifft ca. 2
Meter neben dem Passanten Bruno auf den Boden auf.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 31
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 230 – Beseitigung oder Nichtanbringung
von Sicherheitsvorrichtungen
1. Wer vorsätzlich in Fabriken oder in andern Betrieben oder an Maschinen eine zur
Verhütung von Unfällen dienende Vorrichtung beschädigt, zerstört, beseitigt oder
sonst unbrauchbar macht, oder ausser Tätigkeit setzt,
wer vorsätzlich eine solche Vorrichtung vorschriftswidrig nicht anbringt,
und dadurch wissentlich Leib und Leben von Mitmenschen gefährdet,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Mit
Freiheitsstrafe ist eine Geldstrafe zu verbinden.
2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
oder Geldstrafe.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 32
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 230 – […] Sicherheitsvorrichtungen
Objektiver Tatbestand
 Täter:
•
Ziff. 1 Abs. 1: Jedermann
•
Ziff. 1 Abs. 2: Personen, die für die Anbringung von
Sicherheitsvorrichtungen verantwortlich sind
 Tatobjekt: Sicherheitsvorrichtungen
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 33
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 230 – […] Sicherheitsvorrichtungen
 Tathandlung:
•
gemäss Ziff. 1 Abs. 1
•
•
Beschädigen, Zerstören, Beseitigen, Unbrauchbarmachen
oder Aussertätigkeitsetzen
gemäss Ziff. 1 Abs. 2
•
vorschriftswidriges
•
Nichtanbringen
 Taterfolg: Gefahr für Leib und Leben
 Kausalzusammenhang
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 34
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 230 – […] Sicherheitsvorrichtungen
Subjektiver Tatbestand
 Art. 230 Ziff. 1 verlangt Vorsatz:
•
Sicherheitsvorrichtungen bewusst und gewollt beschädigen und die
Gefahr wissentlich herbeiführen
•
Eventualvorsatz bzgl. Gefährdung genügt nicht
 Art. 230 Ziff. 2 als fahrlässige Verübung:
•
Pflichtwidrigkeit
•
in Bezug auf Handlung und die sich durch diese ergebende
Gefährdung
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 35
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
Schreinerin
T
7
entfernt
an
der
Tisch-Kreissäge
den
vorgeschriebenen Berührungsschutz über dem Sägeblatt, damit
sie die Werkstücke einfacher bearbeiten kann.
Nachdem T mit ihrer Arbeit fertig ist, belässt sie die Maschine in
diesem Zustand und geht weg.
Strafbarkeit von T?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 36
Rechtswissenschaftliche Fakultät
4. Vorlesung vom 18. März 2016
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Verbrechen und Vergehen
gegen den öffentlichen Frieden
(Art. 260, Art. 260ter, Art. 260quinquies, Art. 261, Art. 261bis und Art. 262 StGB)
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 38
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 260 – Landfriedensbruch
1
Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung teilnimmt, bei der
mit
vereinten
Kräften
gegen
Menschen
oder
Sachen
Gewalttätigkeiten begangen werden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu
drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
= Grundtatbestand
2
Die Teilnehmer, die sich auf behördliche Aufforderung hin
entfernen, bleiben straffrei, wenn sie weder selbst Gewalt
angewendet noch zur Gewaltanwendung aufgefordert haben.
= Strafausschlussgrund
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 39
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 260 – Landfriedensbruch
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tathandlung:
•
Teilnahme
•
an einer öffentlichen Zusammenrottung
Objektive Strafbarkeitsbedingung
 Gewalttätigkeiten an Menschen oder Sachen
 Mit vereinten Kräften
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 40
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 260 – Landfriedensbruch
Subjektiver Tatbestand

Wissentlicher und willentlicher Anschluss oder Verbleib

Bewusstsein der bedrohlichen Grundstimmung

Eine Billigung oder Unterstützung der Verübung der
Gewalttätigkeiten ist nicht erforderlich
Strafausschlussgrund gemäss Abs. 2
 Entfernung nach behördlicher Aufforderung
 Analog: Entfernung ohne behördliche Aufforderung
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 41
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
8
Der Berufsfotograf A.M. schoss Aufnahmen von randalierenden
Demonstranten, die am 1. Mai 2001 Steine gegen das Hotel Regina in
Zürich warfen.
Zu diesem Zweck «stürzte sich A.M. im eigentlichen Sinn ins
Getümmel» und befand sich mitten unter den Demonstranten.
Strafbarkeit von A.M.?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 42
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
9
Die wiederholt wegen Landfriedensbruchs und ähnlichen Delikten
verurteilte Anführerin des sogenannten „Schwarzen Blocks“ Susanne S.
nähert sich am 1. Mai dem Helvetiaplatz in Zürich. Sie trägt mehrere
Pflastersteine auf sich.
Auf dem Helvetiaplatz formiert sich eine Gruppe vermummter Personen,
die dem „Schwarzen Block“ zugeordnet werden kann. Gewalttätigkeiten
sind aber noch nicht erfolgt.
Susanne S. wird unmittelbar vor dem Betreten des Platzes verhaftet und
wegen versuchtem Landfriedensbruch angeklagt.
Kann sie verurteilt werden?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 43
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 260ter – Kriminelle Organisation
1. Wer sich an einer Organisation beteiligt, die ihren Aufbau und ihre
personelle Zusammensetzung geheim hält und die den Zweck
verfolgt,
Gewaltverbrechen
zu
begehen
oder
sich
mit
verbrecherischen Mitteln zu bereichern,
= Beteiligung an krimineller Organisation
wer eine solche Organisation in ihrer verbrecherischen Tätigkeit
unterstützt,
= Unterstützung einer kriminellen Organisation
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 44
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 260ter – Kriminelle Organisation
Objektiver Tatbestand
 Organisation:
•
Geheimer Aufbau (omertà)
•
Zweck
•
•
11.01.2016
•
Gewaltverbrechen
•
oder Bereicherung durch verbrecherische Mittel
Professionalität
•
dauerhafte
•
arbeitsteilige
•
und hierarchische Struktur
Austauschbarkeit der Mitglieder
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 45
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 260ter – Kriminelle Organisation
 Tathandlung:
•
Beteiligung
• «Insider»
• wesentliche Funktion
•
Unterstützung
• «Outsider»
• Beitrag zur Stärkung, ohne der Organisation anzugehören
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 46
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 260ter – Kriminelle Organisation
2. Der Richter kann die Strafe mildern (Art. 48a), wenn der Täter
sich bemüht, die weitere verbrecherische Tätigkeit der Organisation
zu verhindern.
= Strafmilderung für Rücktritt vom vollendeten Delikt
3. Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn die
Organisation ihre verbrecherische Tätigkeit ganz oder teilweise in
der Schweiz ausübt oder auszuüben beabsichtigt. Artikel 3 Absatz 2
ist anwendbar.
= Erweiterung des Ubiquitätsprinzips
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 47
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
10
Eine Gruppe von familiär eng miteinander verbundenen Personen
organisierte im grossen Stil den Import, die Lagerung und den Verkauf
harter Drogen. Kopf der Gruppe war H.B. Nach dessen Untertauchen
standen sein Bruder D.B., seine (Schein-) Ehefrau F.V.-B. sowie die
Schwester Z.A.-B. mit ihrem Ehemann E.A. sowie der Cousin S. im
Zentrum. Im Hintergrund agierte Vater Z.B.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 48
Rechtswissenschaftliche Fakultät
5. Vorlesung vom 8. April 2016
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 260quinquies – Finanzierung des Terrorismus
1
Wer in der Absicht, ein Gewaltverbrechen zu finanzieren, mit dem die
Bevölkerung eingeschüchtert oder ein Staat oder eine internationale
Organisation zu einem Tun oder Unterlassen genötigt werden soll,
Vermögenswerte sammelt oder zur Verfügung stellt, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
= Umsetzung von Art. 2 ÜBFT
2
Nimmt der Täter die Möglichkeit der Terrorismusfinanzierung lediglich
in Kauf, so macht er sich nach dieser Bestimmung nicht strafbar.
= Direkter Vorsatz notwendig
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 50
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 260quinquies – Finanzierung des Terrorismus
3
Die Tat gilt nicht als Finanzierung einer terroristischen Straftat, wenn sie
auf
die
Herstellung
oder
Wiederherstellung
demokratischer
und
rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von
Menschenrechten gerichtet ist.
= Straflose Finanzierung legitimer Gewaltverbrechen
4
Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn mit der Finanzierung
Handlungen unterstützt werden sollen, die nicht im Widerspruch mit den
in bewaffneten Konflikten anwendbaren Regeln des Völkerrechts stehen.
= Straflose Finanzierung völkerrechtskonformer Gewaltverbrechen
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 51
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 260quinquies – Finanzierung des Terrorismus
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tathandlung:
•
Vermögenswerte
•
sammeln oder
•
zur Verfügung stellen
 Erfolg nicht notwendig
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 52
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 260quinquies – Finanzierung des Terrorismus
Subjektiver Tatbestand
 Direkter Vorsatz
 Abs. 2: Straflosigkeit bei Eventualvorsatz
 Doppelte Absicht:
•
Finanzierung von Gewaltverbrechen
•
mit dem Ziel der Einschüchterung oder Nötigung
•
Eventualabsicht genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 53
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 260quinquies – Finanzierung des Terrorismus
Delikt mit überschiessender Innentendenz
Objektiv
Subjektiv
Vermögenswerte
Direkter Vorsatz
sammeln
Wissen
zur Verfügung stellen
Willen
Absicht: Unterstützung von Gewaltverbrechen
Absicht: Einschüchterung oder Nötigung
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 54
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 260quinquies – Finanzierung des Terrorismus
Ausschlussklauseln
 Abs. 3: Finanzierung legitimer Freiheitskämpfer
 Abs. 4: Finanzierung völkerrechtskonformer Gewaltverbrechen
Bundesgerichtsbarkeit
 Gemäss Art. 24 Abs. 1 StPO
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 55
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
11
F ist heimlicher Kopf der losen Vereinigung «Babylon muss fallen». Nur er
kennt alle Mitglieder und lädt diese immer kurzfristig mittels Telefonanruf zu
Treffen an wechselnden Plätzen ein. Alljährlich verteilt er zudem einen
Aufruf, um Sympathisanten zu gewinnen. Dazu legt er unzählige Flyer an
öffentlich zugänglichen Orten wie Universitäten, Spitälern oder Bahnhöfen
anonym aus. Im diesjährigen Flyer heisst es:
„Die Finanzkrise ist nur ein weiteres Zeichen für den Verfall unserer
Gesellschaft. Die Gier treibt uns in den Abgrund und schuld daran sind die
Banker! Auf mein Zeichen schlagen wir los! Bringt was ihr habt zu unserer
Demonstration am 10. Oktober 2008 auf den Paradeplatz in Zürich, die
Schonzeit ist zu Ende! Es lebe die Revolution, Babylon muss endlich fallen!“
Schätzungsweise 70 Personen folgen dem Aufruf und nehmen an der
Demonstration teil, unter diesen auch F. K, der den Flyer gelesen hat, ist
vom Aufruf begeistert, denn „endlich handelt jemand“. Auch er nimmt an der
Demonstration teil und übergibt F dort eine Geldspende von CHF 500.--.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 56
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 261 – Störung der Glaubens- und
Kultusfreiheit
Wer öffentlich und in gemeiner Weise die Überzeugung anderer in Glaubenssachen,
insbesondere den Glauben an Gott, beschimpft oder verspottet oder Gegenstände
religiöser Verehrung verunehrt,
= Störung der Glaubensfreiheit
wer eine verfassungsmässig gewährleistete Kultushandlung böswillig verhindert,
stört oder öffentlich verspottet,
wer einen Ort oder einen Gegenstand, die für einen verfassungsmässig
gewährleisteten Kultus oder für eine solche Kultushandlung bestimmt sind, böswillig
verunehrt,
= Störung der Kultusfreiheit
wird mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 57
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 261 Abs. 1 – Störung Glaubensfreiheit
Objektiver Tatbestand

Täter: Jedermann

Tathandlung:
• Beschimpfen / Verspotten / Verunehren
• in gemeiner Weise
• öffentlich

Tatobjekt:
• Glauben anderer
• Gegenstände religiöser Verehrung
Subjektiver Tatbestand

Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 58
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 261 Abs. 2 und 3 – Störung Kultusfreiheit
[…]
wer eine verfassungsmässig gewährleistete Kultushandlung böswillig
verhindert, stört oder öffentlich verspottet,
= Kultushandlung
wer einen Ort oder einen Gegenstand, die für einen verfassungsmässig
gewährleisteten Kultus oder für eine solche Kultushandlung bestimmt sind,
böswillig verunehrt,
= Kultusort und Kultusgegenstand
wird mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 59
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 261 Abs. 2 und 3 – Störung Kultusfreiheit
Abs. 2: Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tathandlung: Verhinderung / Störung / öffentliche Verspottung
 Tatobjekt: Verfassungsmässig gewährleistete Kultushandlungen
Beispiele (+)
Beispiele (-)
Prozessionen
Beachten von Kleidungs- und
Ernährungsvorschriften
Religiöse Handlungen in Kirchen oder innerhalb
geschlossener Versammlungen
Stilles persönliches Gebet
Taufe und letzte Ölung in Privaträumen
Religionsunterricht
Meditationsveranstaltungen
Sonntagsschule
Freitagsgebete
Seelsorge
Sabbat-Feiern
Suppenküchen
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 60
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 261 Abs. 2 und 3 – Störung Kultusfreiheit
Abs. 3: Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tathandlung: Verunehrung
 Tatobjekt:
• Für verfassungsmässig garantierte Kultushandlung bestimmter
• Ort oder Gegenstand
Abs. 2 und 3: Subjektiver Tatbestand
 Direkter Vorsatz (strittig)
 Böswilligkeit
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 61
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
12
Maler X. malt ein Bild von einer gekreuzigten Frau. «Im Bild wird nicht
irgendein Kreuz, sondern das Christuskreuz der christlichen Religionen
dargestellt. Die Form des Kreuzes und die Inschrift am Kopf des
Stammes erinnern den Christen unfehlbar an den Kreuzestod von
Christus. An Stelle des Leibes Christi hängt jedoch eine nackte
Frauengestalt am Kreuz, die mit gespreizten Beinen die deutlich
sichtbare Scham offen zur Schau stellt, als ob sie zum Geschlechtsakt
bereit wäre.»
Strafbarkeit von X?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 62
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
12
BGE 86 IV 19
«Eine solche ans Unzüchtige im Sinne von Art. 204 StGB (Anmerkung:
aufgehoben, bzw. ersetzt) grenzende Darstellung, mit dem Erlösungstod
Christi in Parallele gesetzt, stellt eine grobe Entwürdigung des
Christuskreuzes als Symbol christlicher Glaubenssätze dar und verletzt
daher in gemeiner Weise die religiöse Überzeugung anderer. Der
Umstand, dass die dargestellte Frau keine Dornenkrone trägt und ans
Kreuz
gebunden
statt
genagelt
ist,
hebt
die
religiöse
Gedankenverbindung nicht auf.»
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 63
Rechtswissenschaftliche Fakultät
6. Vorlesung vom 15. April 2016
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 261bis – Rassendiskriminierung
Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer
Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft,
= öffentlicher Aufruf zu Hass / Diskriminierung
wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung
oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet
sind,
= öffentliche Verbreitung von Ideologien
wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran
teilnimmt,
11.01.2016
= Hilfshandlungen zu Abs. 1 und 2
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 65
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 261bis – Rassendiskriminierung
wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer
Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie
oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise
herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder
andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost
oder zu rechtfertigen sucht, = Direkte Diskriminierung / Leugnung Völkermord
wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist,
einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder
Religion verweigert,
= Leistungsverweigerung
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 66
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 261bis – Rassendiskriminierung
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tatobjekt:
•
ethnische
•
•
rassische
•
•
gemeinsame Glaubensorientierung
Gruppe
•
11.01.2016
Zuschreibung biologisch-erblicher Merkmale
oder religiöse
•
•
gemeinsame Geschichte / Verhaltensnormen
Selbst- und Fremdwahrnehmung
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 67
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 261bis – Rassendiskriminierung
 Tathandlung:
•
Abs. 1: öffentlicher Aufruf zu Hass und Diskriminierung
•
Abs. 2: öffentliches Verbreiten diskriminierender Ideologien zur
Herabsetzung oder Verleumdung
•
Abs. 3: Organisation, Förderung und Teilnahme an
Propagandaaktionen
•
Abs. 4: öffentliches Diskriminieren oder Herabsetzen von
Personen oder Gruppen (Alt. 1)
•
Abs. 4: Leugnen, Verharmlosen oder Rechtfertigen von
Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Alt. 2)
•
Abs. 5: tätige Diskriminierung
 Öffentlichkeit: Abs. 1, 2 und 4
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 68
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 261bis – Rassendiskriminierung
Abs. 1
 Tathandlung:
•
öffentlicher Aufruf
•
zu Hass oder Diskriminierung
Abs. 2
 Tathandlung:
• öffentliche Verbreitung
• systematisch herabsetzender oder verleumdender
• Ideologien
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 69
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 261bis – Rassendiskriminierung
Abs. 3
 Tathandlung:
•
Organisation, Förderung oder Teilnahme
•
an Propagandaaktionen nach Abs. 1 und Abs. 2
Abs. 4
 Tathandlung (Alternative 1):
• öffentliche Herabsetzung oder Diskriminierung
• durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer
Weise
 Tathandlung (Alternative 2):
• Leugnen, gröblich Verharmlosen oder Rechtfertigen
• von Völkermond oder anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 70
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 261bis – Rassendiskriminierung
Abs. 5
 Tathandlung:
•
Verweigerung
•
einer für die Allgemeinheit bestimmten
•
Leistung
•
ohne sachlichen Grund
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 71
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 261bis – Rassendiskriminierung
Subjektiver Tatbestand
 bei allen Varianten genügt Eventualvorsatz
Konkurrenzen
 innerhalb Art. 261bis: Unechte Idealkonkurrenz
(Abs. 1-3 und 5 gehen vor)
 andere Individualrechtsgüter: Echte Konkurrenz
(Ausnahmen: Art. 126 und 177 StGB)
 Straftaten gegen Gemeininteressen: Echte Konkurrenz
(Ausnahmen: Art. 258 und 259 StGB)
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 72
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
13
X veröffentlichte als Präsident der F-Partei auf der
parteieigenen Website unter anderem folgende Aussage:
«Die F-Partei weist darauf hin, dass u.a. die Einwanderer
(so genannte Flüchtlinge) aus dem Kosovo einen
unverhältnismässig hohen Anteil an der zunehmenden
Gewaltbereitschaft und Kriminalität in der Schweiz haben.
Darum verlangt die F-Partei die Rückschaffung sämtlicher
Einwanderer aus dem Kosovo innert der ursprünglich
verfügten Frist. Es hat sich mittlerweile zur ständigen
Praxis entwickelt, dass aufgenommene Asylanten die
Schweiz nie mehr verlassen und nach einer 12-jährigen
Aufenthaltsdauer in unserem Land die praktisch
bedingungslose Einbürgerung verlangen können. Die FPartei will keine neuen Schweizer, die eine kriminelle
Vergangenheit aufweisen.»
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 73
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
14
Angehörige einer politischen Partei initiierten eine Inserate- und
Plakatkampagne,
öffentlichen
Hand
um
an
sich
ein
so
gegen
einen
Integrationsprojekt
Beitrag
der
der
Caritas
auszusprechen. Der Slogan lautete: «Kontaktnetz für Kosovo-
Albaner Nein». Durch optische Darstellung mit unterschiedlicher
Schriftgrösse wurde die Aussage auf «Kosovo-Albaner Nein»
zugespitzt.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 74
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
15
Am 14.08.05 erschien im Sonntags-Blick ein Interview mit dem
im Westjordanland wohnhaften Rechtsanwalt H., in welchem
dieser sich folgendermassen äussert:
«Die Araber sind die neuen Nazis».
Strafbarkeit des verantwortlichen Redaktors?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 75
Rechtswissenschaftliche Fakultät
7. Vorlesung vom 22. April 2016
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 262 – Störung des Totenfriedens
1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt
= Grabschändung
wer einen Leichenzug oder eine Leichenfeier böswillig stört oder verunehrt,
= Störung Beerdigung/Abdankung
wer einen Leichnam verunehrt oder öffentlich beschimpft,
= Leichenschändung
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2. Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines
Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
= Wegnahme Leichnam
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 77
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 262 – Störung des Totenfriedens
Ziff. 1 Abs. 1
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tatobjekt: Ruhestätte eines Toten
 Tathandlung:
•
Verunehren
•
in roher Weise
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 78
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 262 – Störung des Totenfriedens
Ziff. 1 Abs. 2
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tatobjekt: Leichenzug / Leichenfeier
 Tathandlung:
•
verunehren
•
stören
Subjektiver Tatbestand
 Direkter Vorsatz (strittig)
 Böswilligkeit
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 79
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 262 – Störung des Totenfriedens
Ziff. 1 Abs. 3
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tatobjekt: Leichnam
 Tathandlung:
•
verunehren
•
öffentlich beschimpfen
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 80
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 262 – Störung des Totenfriedens
Ziff. 2
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tatobjekt: Leichnam / Teile eines Leichnams / Asche
 Tathandlung:
•
Wegnahme
•
wider den Willen
•
des Berechtigten
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 81
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
16
Bruno, der in einem Betrieb tätig ist, der Herzschrittmacher
fabriziert, entfernt einen solchen mit einem Taschenmesser und
ohne medizinische Kenntnisse bzgl. Leichenöffnung aus dem
Körper eines Verstorbenen.
Strafbarkeit von Bruno?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 82
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Verbrechen und Vergehen gegen den
Staat und die Landesverteidigung
(Art. 271 StGB)
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 83
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 271 – Verbotene Handlungen für einen
fremden Staat
1. Wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden
Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten
zukommen,
= Handeln für einen fremden Staat
wer solche Handlungen für eine ausländische Partei oder eine andere
Organisation des Auslandes vornimmt,
= Handeln für ausländ. Partei/Organisation
wer solchen Handlungen Vorschub leistet,
= Beihilfe zu Abs. 1 und 2
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, in schweren
Fällen mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 84
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 271 – Verbotene Handlungen für einen
fremden Staat
2. Wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung ins Ausland entführt,
um ihn einer fremden Behörde, Partei oder anderen Organisation
zu überliefern oder einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen, wird
mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
= Entführung ins Ausland
3. Wer eine solche Entführung vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe
oder Geldstrafe bestraft.
= Vorbereitungshandlungen einer Entführung
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 85
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 271 – Verbotene Handlungen […]
Ziff. 1
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tatort: «Auf schweizerischem Gebiet»
 Tathandlung:
•
amtliche Handlung
•
für fremden Staat (Abs. 1)
bzw. ausländische Partei / Organisation (Abs. 2)
oder einer solchen Handlung Vorschub leisten (Abs. 3)
•
ohne Bewilligung
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 86
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 271 – Verbotene Handlungen […]
Ziff. 2 und 3
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tathandlung:
•
Entführung
•
ins Ausland
•
durch Gewalt, List oder Drohung
•
bzw. Vorbereitungshandlungen dazu (Ziff. 3)
Subjektiver Tatbestand
 Direkter Vorsatz
 Absicht, einer fremden Behörde/Partei/Organisation zu überliefern oder
einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 87
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
17
Gegen B., den H. seit 1981 als Anwalt in der Schweiz vertrat, wurde in Australien eine
Strafuntersuchung insbesondere wegen Vermögensdelikten geführt. Um die Beweiskraft
verschiedener durch die Schweizerische Volksbank den australischen Behörden 1975
übermittelten und von einem Beamten der Kantonspolizei Zürich 1981 vor dem australischen
Gericht als echt bezeugten Kopien von Urkunden zu erschüttern, gelangte H. an die
Schweizerische Volksbank in Zürich. Anlässlich einer ersten Besprechung legte er acht
zumindest in sprachlicher Hinsicht von ihm redigierte Entwürfe von Bestätigungen vor,
welche die Geschäftsvorgänge unzutreffend darstellten, deren drei nach inhaltlicher
Abänderung schliesslich akzeptiert wurden. An einer zweiten Besprechung nahm auf Wunsch
von B. und durch Vermittlung von H. dessen Mitarbeiter, Rechtsanwalt und Notar S. teil,
damit er später vor dem australischen Gericht als Person mit erhöhter Glaubwürdigkeit über
das, was er wahrgenommen hatte, Zeugnis ablegen und seine Schlussfolgerungen
bekanntgeben könne. B. befragte die Bankvertreter, während S. einige wenige Notizen
machte. In den folgenden beiden Tagen arbeiteten S. und B. verschiedene "als Aktennotiz"
bezeichnete Erklärungen in englischer Sprache aus, an denen H. insofern mitwirkte, als er S.
mehrfach bezüglich Interpretationsfragen und Übersetzung Auskunft erteilte und die
Erklärungen schliesslich durchsah. Diese gaben den Verlauf des Gesprächs mit den
Vertretern der Schweizerischen Volksbank nicht wahrheitsgetreu wieder, indem
Anpassungen an die australischen Beweisregeln vorgenommen wurden. Die Aktennotizen
wurden, wie H. wusste, von S. anlässlich seiner Anhörung als Zeuge vor dem australischen
Gericht als Gedankenstütze verwendet, und der Verteidiger von B. reichte sie zudem dem
Gericht ein. Um eine Bewilligung für ein derartiges Vorgehen war nicht nachgesucht worden.
Strafbarkeit von H und S?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 88
Rechtswissenschaftliche Fakultät
8. Vorlesung vom 29. April 2016
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Strafbare Handlungen gegen die
öffentliche Gewalt
(Art. 285, Art. 286, Art. 287, Art. 292 und Art. 293 StGB)
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 90
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 285 – Gewalt und Drohung gegen
Behörden und Beamte
1. Wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde oder einen Beamten durch Gewalt oder
Drohung an einer Handlung, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt, hindert, zu einer
Amtshandlung nötigt oder während einer Amtshandlung tätlich angreift, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
= Hinderung / Nötigung / tätlicher Angriff
Als Beamte gelten auch Angestellte von Unternehmen nach dem Eisenbahngesetz vom
20. Dezember 1957, dem Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 2009 und dem
Gütertransportgesetz vom 19. Dezember 2008 sowie Angestellte der nach dem
Bundesgesetz vom 18. Juni 2010 über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen
im öffentlichen Verkehr mit Bewilligung des Bundesamts für Verkehr beauftragten
Organisationen.
11.01.2016
= lex specialis zu Art. 110 Abs. 3 StGB
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 91
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 285 – Gewalt und Drohung gegen
Behörden und Beamte
2. Wird die Tat von einem zusammengerotteten Haufen begangen, so wird
jeder, der an der Zusammenrottung teilnimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Der Teilnehmer, der Gewalt an Personen oder Sachen verübt, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen
bestraft.
= kollektive Widersetzung (Aufstand)
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 92
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 285 – Gewalt und Drohung […]
Ziff. 1
Objektiver Tatbestand

Täter: Jedermann

Betroffene Person: Träger hoheitlicher Gewalt

Tathandlung:

•
Gewalt oder Drohung (Varianten 1 und 2)
•
tätlicher Angriff (Variante 3)
≠
Tatobjekt!
Taterfolg (bei Varianten 1 und 2):
•
Hinderung einer Amtshandlung
•
Nötigung zu einer Amtshandlung
Subjektiver Tatbestand

Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 93
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Art. 285 – Gewalt und Drohung […]
Ziff. 2
Objektiver Tatbestand

Tathandlung:
•


Teilnahme an einer «Zusammenrottung»
Täter:
•
Passiver Teilnehmer (Abs. 1)
•
Aktiver Teilnehmer (Abs. 2)
Objektive Strafbarkeitsbedingung (Abs. 1):
•
Verwirklichung des objektiven Tatbestandes von Art. 285 Ziff. 1 StGB
aus der Zusammenrottung heraus
Subjektiver Tatbestand

Eventualvorsatz genügt.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 94
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
18
Als eine zivile Mitarbeiterin der Stadtpolizei Zürich eine
Parkbusse verteilen wollte, wurde sie unvermittelt von einem
Handwerker angegangen, der weder Besitzer noch Lenker des
im Halteverbot stehenden Fahrzeuges war. Neben wüsten
Beschimpfungen spuckte er der Frau auch auf ihre Kleider und
Schuhe.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 95
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 286 – Hinderung einer Amtshandlung
Wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde oder einen Beamten an einer
Handlung hindert, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt, wird mit Geldstrafe
bis zu 30 Tagessätzen bestraft.
Als
Beamte
gelten
auch
Angestellte
von
Unternehmen
nach
dem
Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957, dem Personenbeförderungsgesetz
vom 20. März 2009 und dem Gütertransportgesetz vom 19. Dezember 2008
sowie Angestellte der nach dem Bundesgesetz vom 18. Juni 2010265 über die
Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr mit
Bewilligung des Bundesamts für Verkehr beauftragten Organisationen.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 96
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 286 – Hinderung einer Amtshandlung
Objektiver Tatbestand

Täter: Jedermann

Betroffene Person: Träger hoheitlicher Gewalt

Tathandlung:

•
aktiver Widerstand
•
passiver Widerstand
≠
Tatobjekt!
Taterfolg:
•
Amtshandlung wird mindestens erschwert
Subjektiver Tatbestand

Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 97
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
19
20 Studierende einer Universität sprachen erlaubtermassen an
einer Fakultätssitzung vor, um so ihre Bedenken in Bezug auf die
geplante Studienreform anzumelden. Nach dem Verlesen ihrer
Erklärung
wurden
sie
vom
Dekan
aufgefordert,
das
Sitzungszimmer zu verlassen. Da die Studierenden diesen
Anweisungen nicht folgten, musste die Sitzung in ein anderes
Gebäude verlegt werden, woraus eine Verzögerung von ca. 15
Minuten resultierte.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 98
Rechtswissenschaftliche Fakultät
9. Vorlesung vom 6. Mai 2016
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 287 – Amtsanmassung
Wer sich in rechtswidriger Absicht die Ausübung eines Amtes oder
militärische Befehlsgewalt anmasst, wird mit Freiheitsstrafe bis zu
drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 100
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 287 – Amtsanmassung
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tathandlung:
•
Anmassung Amtsausübung
•
Anmassung militärischer Befehlsgewalt
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
 rechtswidrige Absicht
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 101
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
20
Weil X sich schon seit längerer Zeit darüber ärgerte, dass ein in der
Nachbarschaft ansässiger Garagist für seine Kunden regelmässig
Parkplätze in der blauen Zone beanspruchte, erstellte er einen
Beanstandungsrapport
auf
dem
zuvor
im
Tram
gefundenen
Bussenblock der Stadtpolizei. Daraus geht hervor, dass in besagter
blauer Zone keine Plätze für andere Lenker und Wagen reserviert
werden dürfen. Den „polizeilichen“ Rapport befestigte X unter der
Windschutzscheibe des Fahrzeugs des Garagisten. X wollte damit
erreichen, dass der Garagist aufgrund dieses „polizeilichen“ Rapports
Angst vor einer Busse kriegen würde.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 102
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 292 – Ungehorsam gegen amtliche
Verfügungen
Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen
Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn
erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 103
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 292 – Ungehorsam […]
Objektiver Tatbestand
 Täter: Adressat der Verfügung
 Tathandlung:
•
Nichtbefolgung
•
einer amtlichen Verfügung
•
Zuständigkeit
•
Eröffnung, Zustellung und Kenntnisnahme
•
genaue Umschreibung des Verhaltens
•
Vollstreckbarkeit
•
Strafandrohung
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 104
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
21
Ein Polizist weist Anton an, einen Unfallort zu verlassen
respektive sich hinter eine Abschrankung zu begeben. Anton
bleibt jedoch stehen.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 105
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 293 – Veröffentlichung amtlicher geheimer
Verhandlungen
1
Wer, ohne dazu berechtigt zu sein, aus Akten, Verhandlungen oder
Untersuchungen einer Behörde, die durch Gesetz oder durch Beschluss der
Behörde im Rahmen ihrer Befugnis als geheim erklärt worden sind, etwas an
die Öffentlichkeit bringt, wird mit Busse bestraft.
= Veröffentlichung
2
Die Gehilfenschaft ist strafbar.
= Gehilfenschaft
3
Der Richter kann von jeglicher Strafe absehen, wenn das an die
Öffentlichkeit gebrachte Geheimnis von geringer Bedeutung ist.
= Geringfügigkeit
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 106
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 293 – Veröffentlichung […]
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tatobjekt:
•
Akten / Verhandlungen / Untersuchungen
•
einer Behörde
•
durch Gesetz / Verordnung / Beschluss
•
für geheim erklärt
 Tathandlung:
•
an die Öffentlichkeit bringen, ohne Berechtigung
•
Beihilfe dazu
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 107
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
22
In der „Sonntags Zeitung“ vom 26. Januar 1997 erschienen unter
den Überschriften „Botschafter J. beleidigt die Juden“ und „Mit
Bademantel und Bergschuhen in den Fettnapf“ zwei von Martin
signierte Artikel. Darin werden mehrere Passagen aus einem laut
den
Artikeln
vertraulichen
Strategiepapier
des
damaligen
Schweizer Botschafters in den USA, Carlo J., wiedergegeben.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 108
Rechtswissenschaftliche Fakultät
10. Vorlesung vom 13. Mai 2016
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Strafbare Handlungen gegen die
Amts- und Berufspflicht
(Art. 312, Art. 314, Art. 318, Art. 319, Art. 320 und Art. 321 StGB)
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 110
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 312 – Amtsmissbrauch
Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die ihre Amtsgewalt
missbrauchen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen
Vorteil
zu verschaffen
oder
einem
andern
einen
Nachteil
zuzufügen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder
Geldstrafe bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 111
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 312 – Amtsmissbrauch
Objektiver Tatbestand
 Täter:
•
Behördenmitglied
•
Beamter
 Tathandlung:
•
Missbrauch
•
der Amtsgewalt
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
 Vorteils- oder Benachteiligungsabsicht
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 112
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
23
Gegen 21.15 Uhr wurde Samuel von Polizeibeamten auf einem
Mofa ohne Helm fahrend angehalten. Da er sich nicht ausweisen
konnte, wurde er von den Polizeibeamten auf den Posten
gebracht und in eine Arrestzelle gesperrt. Nach einiger Zeit
versuchte
Samuel
durch
wiederholtes
Läuten
auf
sich
aufmerksam zu machen. Darauf schloss Polizist Max die
Zellentür auf, packte Samuel am Hemd, drückte ihn gegen die
Zellenwand, versetzte ihm einen Faustschlag gegen die linke
Schläfe und rief dabei „hock ab du Sauhund“.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 113
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 314 – Ungetreue Amtsführung
Mitglieder
einer
Behörde
oder
Beamte,
die
bei
einem
Rechtsgeschäft die von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen
schädigen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen
Vorteil zu verschaffen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren
oder mit Geldstrafe bestraft. Mit der Freiheitsstrafe ist eine
Geldstrafe zu verbinden.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 114
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 314 – Ungetreue Amtsführung
Objektiver Tatbestand
 Täter:
•
Behördenmitglied
•
Beamter
 Tathandlung:
•
Schädigung öffentlicher Interessen
•
bei einem Rechtsgeschäft
 Taterfolg:
•
Schaden
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
 Vorteilsabsicht (Eventualabsicht genügt nicht)
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 115
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
24
A stellt dem Gemeinderat ein Baubewilligungsgesuch für die
Errichtung eines neuen Wohnhauses mit Pferdestall sowie den
Umbau einer bestehenden Scheune ausserhalb der Bauzone.
Der Gemeinderat erteilt ihm eine entsprechende Bewilligung,
ohne
das
Gesuch
dem
für
Ausnahmen
zuständigen
Baudepartement zu unterbreiten.
Strafbarkeit des Gemeinderates?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 116
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 318 – Falsches ärztliches Zeugnis
1. Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Hebammen, die vorsätzlich ein unwahres Zeugnis
ausstellen, das zum Gebrauche bei einer Behörde oder zur Erlangung eines unberechtigten
Vorteils bestimmt, oder das geeignet ist, wichtige und berechtigte Interessen Dritter zu
verletzen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
= Grundtatbestand
Hat der Täter dafür eine besondere Belohnung gefordert, angenommen oder sich
versprechen lassen, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
= Qualifikation
2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse.
= Fahrlässigkeit
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 117
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 318 – Falsches ärztliches Zeugnis
Objektiver Tatbestand
 Täter: Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Hebammen
 Tatobjekt:
•
unwahres
•
Gesundheitszeugnis
•
mit spezifischer Zweckbestimmung
11.01.2016
•
zum Gebrauch bei einer Behörde
•
zur Erlangung eines unberechtigten Vorteils
•
zur Verletzung wichtiger und berechtigter Interessen Dritter
geeignet
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 118
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 318 – Falsches ärztliches Zeugnis
 Tathandlung:
•
Ausstellen des unwahren Gesundheitszeugnisses
•
besondere Belohnung (Ziff. 1 Abs. 2)
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
 Fahrlässigkeit (Ziff. 2)
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 119
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
25
Psychiater X stellte für seine langjährige Patientin A in den Jahren 1991
sowie 1995 ärztliche Gutachten zuhanden der Invalidenversicherung
aus, in denen er der A eine Depression und Arbeitsunfähigkeit
attestierte.
Im Jahre 2001 stellte X ein weiteres Zeugnis zuhanden einer
Unfallversicherung aus und hielt darin fest, dass A während der ganzen
Behandlungszeit nie Anzeichen einer depressiven Erkrankung gezeigt
habe.
Strafbarkeit von X?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 120
Rechtswissenschaftliche Fakultät
11. Vorlesung vom 20. Mai 2016
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 319 – Entweichenlassen von Gefangenen
Der Beamte, der einem Verhafteten, einem Gefangenen oder einem
andern auf amtliche Anordnung in eine Anstalt Eingewiesenen zur
Flucht behilflich ist oder ihn entweichen lässt, wird mit Freiheitsstrafe
bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 122
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 319 – Entweichenlassen von Gefangenen
Objektiver Tatbestand
 Täter: Beamter
 Tathandlung:
•
Hilfe zur Flucht
•
bzw. Entweichenlassen
•
eines Verhafteten, Gefangenen oder Eingewiesenen
 Taterfolg: Flucht
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 123
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
26
P wurde wegen Raubes zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Nach Eintritt in die Strafanstalt stellt er fest, dass sein alter Schulfreund
B als Vollzugsbeamter und Häftlingsbetreuer in derselben Strafanstalt
arbeitet.
P, der seine Unschuld immer beteuert hat, gelingt es nach mehreren
Wochen den B dazu zu überreden, eine Sicherheitstüre nicht zu
verschliessen, damit er aus dem Gefängnis ausbrechen kann. Die
Flucht gelingt.
Strafbarkeit von B?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 124
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 320 – Verletzung des Amtsgeheimnisses
1. Wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied einer
Behörde oder als Beamter anvertraut worden ist, oder das er in seiner amtlichen
oder dienstlichen Stellung wahrgenommen hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu
drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
= Grundtatbestand
Die Verletzung des Amtsgeheimnisses ist auch nach Beendigung des amtlichen
oder dienstlichen Verhältnisses strafbar.
= zeitliche Erweiterung
2. Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis mit schriftlicher
Einwilligung seiner vorgesetzten Behörde geoffenbart hat.
= Rechtfertigungsgrund
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 125
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 320 – Verletzung des Amtsgeheimnisses
Objektiver Tatbestand
 Täter: Beamter oder Behördenmitglied
 Tatobjekt:
•
anvertrautes oder wahrgenommenes
•
Geheimnis
•
Tatsachen, nur einem beschränkten Personenkreis bekannt
•
berechtigtes Interesse an Geheimhaltung
•
Geheimhaltungswille
 Tathandlung: Offenbaren
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 126
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
27
Gemeinderat Max ist im Zusammenhang mit der Beurteilung
eines Baugesuchs unsicher. Er bespricht daher den Fall mit
einem
Beamten
der
vorgesetzten
kantonalen
Direktion.
Vorgängig schickt er diesem die entsprechenden Akten.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 127
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
28
Ein Journalist einer Tageszeitung fragte eine Verwaltungsassistentin der
Staatsanwaltschaft
zusammengestellten
an,
ob
die
von
Tatverdächtigen
des
ihm
auf
einer
Liste
Fraumünster-Postraubes
vorbestraft seien. Die Verwaltungsassistentin nahm bedenkenlos in das
ihr
mittels
eines
Passwortes
zugängliche
EDV-System
der
Geschäftskontrolle der Justizdirektion Einsicht und schickte drei
Stunden später die mit den gewünschten Angaben ergänzte Liste an
den Journalisten zurück.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 128
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 321 – Verletzung des Berufsgeheimnisses
1. Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht
zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker,
Hebammen, Psychologen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das
ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung
wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
Geldstrafe bestraft.
= Grundtatbestand
Ebenso werden Studierende bestraft, die ein Geheimnis offenbaren, das sie bei ihrem
Studium wahrnehmen.
= Studierende
Die Verletzung des Berufsgeheimnisses ist auch nach Beendigung der Berufsausübung
oder der Studien strafbar.
= zeitliche Erweiterung
2. Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis auf Grund einer Einwilligung des
Berechtigten oder einer auf Gesuch des Täters erteilten schriftlichen Bewilligung der
vorgesetzten Behörde oder Aufsichtsbehörde offenbart hat.
= Rechtfertigungsgrund
3. Vorbehalten bleiben die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die
Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde.
= Vorbehalt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 129
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 321 – Verletzung des Berufsgeheimnisses
Objektiver Tatbestand
 Täter:
•
Berufsgeheimnisträger
•
und ihre Hilfspersonen
 Tatobjekt:
•
anvertrautes oder wahrgenommenes
•
Geheimnis
•
Tatsachen, nur einem beschränkten Personenkreis bekannt
•
berechtigtes Interesse an Geheimhaltung
•
Geheimhaltungswille
 Tathandlung: Offenbaren
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 130
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 321 – Verletzung des Berufsgeheimnisses
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
Rechtfertigungsgründe
 Einwilligung des Berechtigten
 Bewilligung
 Gesetzliche Meldepflichten und -rechte
Prozessvoraussetzung
 Strafantrag
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 131
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
29
Dagmar wurde Opfer einer Auffahrkollision.
Die
Haftpflichtversicherung
des
Unfallverursachers
stellt
die
medizinischen Befunde von Dagmar Dr. med. Benz zur Erstellung eines
biomechanischen
Gutachtens
zur
Verfügung,
ohne
über
eine
Einwilligung von Dagmar zu verfügen.
Dr. Benz erstellt das Gutachten für die Haftpflichtversicherung, welches
ebenfalls der Suva zur Verfügung gestellt wird.
Strafbarkeit von Dr. Benz?
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 132
Rechtswissenschaftliche Fakultät
12. Vorlesung vom 27. Mai 2016
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Bestechung
(Art. 322ter, Art. 322quater, Art. 322quinquies, Art. 322sexies, Art. 322septies,
Art. 322octies StGB)
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 134
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Gliederung der Bestechungstatbestände
Soziale Rolle
Extraneus
Intraneus
aktive Korruption
passive Korruption
Bestechungstatbestände
Bestechen
(Art. 322ter/septies)
Sich bestechen lassen
(Art. 322quater/septies)
Auffangtatbestände
Vorteilsgewährung
(Art. 322quinquies)
Vorteilsannahme
(Art. 322sexies)
Ausschluss der
Tatbestandsmässigkeit
11.01.2016
Art. 322octies Ziff. 2 StGB
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 135
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 322ter – Bestechen
Wer einem Mitglied einer richterlichen oder anderen Behörde, einem
Beamten, einem amtlich bestellten Sachverständigen, Übersetzer oder
Dolmetscher, einem Schiedsrichter oder einem Angehörigen der Armee
im Zusammenhang mit dessen amtlicher Tätigkeit für eine pflichtwidrige
oder eine im Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung zu
dessen
Gunsten
oder
zu
Gunsten
eines
Dritten
einen
nicht
gebührenden Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 136
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 322ter – Bestechen
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tathandlung:
•
Anbieten, Versprechen oder Gewähren
•
eines nicht gebührenden Vorteils
•
zu Gunsten des Adressaten oder eines Dritten
 Adressat:
•
Amtsträger gemäss Auflistung
•
Private, die öffentliche Aufgaben erfüllen (Art. 322octies Ziff. 3)
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 137
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 322ter – Bestechen
Objektiver Tatbestand
 Tatzweck:
•
pflichtwidriges oder im Ermessen stehendes Verhalten
•
im Zusammenhang zur Amtstätigkeit
•
Äquivalenzverhältnis zwischen Vorteil und Verhalten des
Amtsträgers
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 138
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
30
Die Studentin Susi bietet ihrem Professor Fr. 1’000.-- an, wenn
er die Hausarbeit als genügend beurteilt, obwohl die notwendige
Leistung nicht erbracht wurde.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 139
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 322quater – Sich bestechen lassen
Wer als Mitglied einer richterlichen oder anderen Behörde, als Beamter,
als amtlich bestellter Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher
oder als Schiedsrichter im Zusammenhang mit seiner amtlichen
Tätigkeit für eine pflichtwidrige oder eine im Ermessen stehende
Handlung oder Unterlassung für sich oder einen Dritten einen nicht
gebührenden Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 140
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 322quater – Sich bestechen lassen
Objektiver Tatbestand
 Täter:
•
Amtsträger gemäss Auflistung
•
Private, die öffentliche Aufgaben erfüllen (Art. 322octies Ziff. 3)
 Tathandlung:
•
Fordern, sich versprechen Lassen oder Annehmen
•
eines nicht gebührenden Vorteils
•
zu Gunsten des Täters oder eines Dritten
 Adressat: Jedermann
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 141
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 322quater – Sich bestechen lassen
Objektiver Tatbestand
 Tatzweck:
•
pflichtwidriges oder im Ermessen stehendes Verhalten
•
im Zusammenhang zur Amtstätigkeit
•
Äquivalenzverhältnis zwischen Vorteil und Verhalten des
Amtsträgers
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 142
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
31
Die Studentin Susi bietet ihrem Professor Fr. 1’000.-- an, wenn
er die Hausarbeit als genügend beurteilt, obwohl die notwendige
Leistung nicht erbracht wurde. Dieser nimmt die Fr. 1’000.-entgegen und gibt Susi im Gegenzug eine genügende Note.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 143
Rechtswissenschaftliche Fakultät
13. Vorlesung vom 3. Juni 2016
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 322septies – Bestechung fremder Amtsträger
Wer einem Mitglied einer richterlichen oder anderen Behörde, einem
Beamten, einem amtlich bestellten Sachverständigen, Übersetzer oder
Dolmetscher, einem Schiedsrichter oder einem Angehörigen der
Armee, die für einen fremden Staat oder eine internationale
Organisation tätig sind, im Zusammenhang mit dessen amtlicher
Tätigkeit für eine pflichtwidrige oder eine im Ermessen stehende
Handlung oder Unterlassung zu dessen Gunsten oder zu Gunsten
eines Dritten einen nicht gebührenden Vorteil anbietet, verspricht oder
gewährt,
[…]
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 145
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 322septies – Bestechung fremder Amtsträger
[…]
wer als Mitglied einer richterlichen oder anderen Behörde, als Beamter,
als amtlich bestellter Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher,
als Schiedsrichter oder als Angehöriger der Armee eines fremden
Staates oder einer internationalen Organisation im Zusammenhang mit
seiner amtlichen Tätigkeit für eine pflichtwidrige oder eine im Ermessen
stehende Handlung oder Unterlassung für sich oder einen Dritten einen
nicht gebührenden Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 146
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 322quinquies – Vorteilsgewährung
Wer einem Mitglied einer richterlichen oder anderen Behörde, einem
Beamten, einem amtlich bestellten Sachverständigen, Übersetzer oder
Dolmetscher, einem Schiedsrichter oder einem Angehörigen der Armee
im Hinblick auf die Amtsführung einen nicht gebührenden Vorteil
anbietet, verspricht oder gewährt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 147
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 322quinquies – Vorteilsgewährung
Objektiver Tatbestand
 Täter: Jedermann
 Tathandlung:
•
Anbieten, Versprechen oder Gewähren
•
eines nicht gebührenden Vorteils
 Adressat:
•
Amtsträger gemäss Auflistung
•
Private, die öffentliche Aufgaben erfüllen (Art. 322octies Ziff. 3)
 Im Zusammenhang zur Amtstätigkeit
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 148
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 322sexies – Vorteilsannahme
Wer einem Mitglied einer richterlichen oder anderen Behörde, einem
Beamten, einem amtlich bestellten Sachverständigen, Übersetzer oder
Dolmetscher, einem Schiedsrichter oder einem Angehörigen der Armee
im Hinblick auf die Amtsführung einen nicht gebührenden Vorteil
anbietet, verspricht oder gewährt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
Seite 149
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Art. 322sexies – Vorteilsannahme
Objektiver Tatbestand
 Täter:
•
Amtsträger gemäss Auflistung
•
Private, die öffentliche Aufgaben erfüllen (Art. 322octies Ziff. 3)
 Tathandlung:
•
Fordern, sich versprechen Lassen oder Annehmen
•
eines nicht gebührenden Vorteils
 Adressat: Jedermann
 Im Zusammenhang zur Amtstätigkeit
Subjektiver Tatbestand
 Eventualvorsatz genügt
11.01.2016
Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
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Rechtswissenschaftliche Fakultät
Fallbeispiel
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Josef, Inhaber eines Zürcher Nachtklubs, hatte einem Angestellten des
Arbeitsamtes
der
Stadt
Zürich,
welcher
für
die
Erteilung
der
Arbeitsbewilligungen für ausländische Tänzerinnen zuständig war, CHF
5'000.-- übergeben, um damit die Bewilligung zur Beschäftigung von
sechs Cabaret-Tänzerinnen zu erhalten.
Als Grundlage bei der Prüfung von Gesuchen um Bewilligungen dient ein
interner Berechnungsschlüssel. Gemäss diesem war die zulässige Anzahl
Tänzerinnen
je
nach
Anzahl
Sitzplätzen,
Öffnungs-
und
Darbietungszeiten, Anzahl Auftritten pro Tag/Abend, Einrichtung und
Organisation, Personalunterkünften und der Personalsituation zu erteilen.
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Strafrecht Besonderer Teil III, Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch, FS16
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