PNP vom 02.09.15 Den Zauber geheimer Orte greifbar

PNP vom 02.09.2015
Den Zauber geheimer Orte greifbar machen
KuLaMu und tschechischer Verein ENVIC entdeckten gemeinsam 40 verlassene Orte –
Website auf Deutsch in Arbeit
von Romy Ebert-Adeikis
Langsam holt sich die Natur zurück, was ihr einst gehörte. Hier in
Buzosna/Riesenbach im Böhmerwald fressen sich die Bäume und
Sträuche durch das alte Gemäuer einer früheren Streichholzfabrik.
Bischofsreut. Wo Kalte und Warme Moldau zusammenfließen, da tropft es. Zumindest, wenn die
Flüsse aus kleinen Wasserkrügen gegossen auf glattem, festem Papier zusammenkommen. So wie bei
der symbolischen Taufe der gemeinsam herausgegebenen Broschüre, mit der die Pilsener
Umweltorganisation ENVIC und der Haidmühler Förderverein "Kulturlandschaftsmuseum
Grenzerfahrung" (KuLaMu) ihr im Dezember 2014 gestartetes Projekt "Denkwürdige Landschaften"
offiziell abgeschlossen haben.
Verlassene und auch vergessene Orte im Bayerischen Wald und Böhmerwald standen bei dem Projekt
im Mittelpunkt. 40 Stück haben die beiden Vereine dabei porträtiert. "Meistens geht es um die
Geschichte der Orte, warum sie erbaut und wieder verlassen wurden. Unsere Idee basiert hingegen auf
der Schönheit der Landschaften", erklärte Projektinitiator Vaclav Cubr von ENVIC bei der
Abschlusskonferenz im Bischofsreuter Witikohof sein Anliegen, Orte wiederzuentdecken, deren
Bewohner sie zurückließen oder durch die Vertreibung zurücklassen mussten. "Diese Dörfer können ja
nichts für die Geschichte. Sie sind trotzdem schön", so Cubr. Das Ziel: Diese Schönheit greifbar
machen, allen voran visuell.
Michael "Sem" Sellner (l.) und Vaclav Cubr (r.) taufen die
gemeinsame Projektbroschüre.
-2Bei der abschließenden Tagung in Bischofsreut präsentierten die beiden Vereine den Gästen – darunter
auch die Haidmühler Bürgermeisterin Margot Fenzl und ihr Philippsreuter Amtskollege Helmut Knaus,
Maria Altendorfer von der Euregio Donau-Moldau, die das Projekt ja finanziell förderte, sowie Karel Klein
vom Bund Naturschutz und Andreas Bürger vom FNL-Landschaftsbüro München – wie man das Ziel
gleich mehrfach erreicht hat:
Da ist zunächst die zweisprachige Broschüre, in der zehn der ausgewählten Orte anhand von
poetischen Texten, verträumten und zugleich messerscharfen Bildern und Landkarten dargestellt
werden.
Zwei Länder, ein starkes Team: Die Organisatoren der beiden Projektpartner ENVIC und KuLaMu, zusammen mit
Gästen der Abschlusskonferenz in Bischofsreut. − Fotos: Ebert-Adeikis
Eine vollständige Schau aller Orte – 30 aus Tschechien und 10 aus Deutschland – findet sich bereits auf
einer tschechischen Website, deren deutschsprachiges Pendant im September online gehen wird. Aber
auch in bewegten Bildern sind die Eindrücke festgehalten worden – bei Youtube kann man, ebenfalls auf
Deutsch und Tschechisch, die beeindruckenden Landschaften, überwucherten Steinmauern,
stehengelassenen Kellergewölbe und Kaminessen an sich vorüberziehen lassen.
Schließlich organisierten die beiden Vereine auch drei Rundfahrten mit Zeitzeugen und Heimatforschern,
die zu solch verlassenen Orten in den Regionen Winterberg, Haidmühle bzw. Bergreichenstein führten.
Gut 80 Interessierte wanderten mit – ein Zulauf, mit dem Projektleiterin Drahomira Bilkova gar nicht
gerechnet hatte, sie aber umso zufriedener machte. Dabei waren die Organisatoren, allen voran Initiator
Cubr, zunächst skeptisch: "Es sind ja auch besondere Landschaften, weil sie nicht mehr vom Menschen
beeinflusst werden. Deswegen haben wir uns lange gefragt, ob wir diese wirklich zeigen sollen, oder ob
sie dann ihren Zauber verlieren."
Aber jetzt, nach den Touren, sei man froh, sie gemacht zu haben. Cubr: "Wenn niemand mehr die alten
Wege geht, gibt es bald keinen Weg mehr und der Zauber ist genauso verloren." Außerdem gab es
ausnahmslos positive Rückmeldungen zu den Touren. "Man spürte eine besondere Kraft an diesen
Orten", drückt es eine Teilnehmerin aus. "Das ist unglaublich spannend, ein tolles Erlebnis", meinte eine
tschechische junge Frau.
Aber auch der deutsche Projektpartner KuLaMu – der als einziger Verein auf die Anfrage der
tschechischen Umweltorganisation reagiert hatte – ist mehr als zufrieden, unter anderem, weil man
durch die Zusammenarbeit nun auch in Pilsen und Umgebung die eigenen Projekte bekannter machen
konnte. Auch wenn die Entfernung nach Pilsen eine Herausforderung gewesen sei, so der Vorsitzende
Michael "Sem" Sellner: "Alles geht nicht per Mail oder Telefon und so bin ich fünfmal nach Pilsen
gefahren, was fast 2000 Kilometer für mich bedeutet hat."
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"Denkwürdige Landschaften" habe aber einfach sehr gut zu den KuLaMu-Projekten gepasst, wie die
Wiederbelebung des verlassenen Leopoldsreuts mit seinem Festspiel. Aber auch zum
grenzübergreifenden Anspruch, den KuLaMu als Verein in der Grenzgemeinde Haidmühle an sich hat.
"Auch wenn das Projekt offiziell Ende August abgeschlossen ist, werden wir die Verbindung zu ENVIC
wohl weiter aufrecht erhalten und es ist durchaus vorstellbar, dass es eine Fortsetzung der
Zusammenarbeit gibt", sagt Sellner deshalb.
Ein erster Schritt dazu wird bereits im Herbst gemacht. Am 17. und 18. Oktober wird KuLaMu einen
Ausflug nach Pilsen machen, um die tschechische Stadt aber auch weitere verlassene Orte im
Böhmerwald zu erkunden.
Bis dahin können Interessierte die noch tschechische Website www.krajinypamatne.eu besuchen oder
sich eine der zweisprachigen, kostenlosen Projektbroschüren in der Touri-Info Haidmühle besorgen.