Tim Röhr USA, Virginia Daimler-Byrnes

Tim Röhr
USA, Virginia
Daimler-Byrnes-Stipendium Region Stuttgart
Die ersten Wochen hier in Virginia habe ich ruhiger zugehen lassen. Tennis ist für mich der wichtigste
Sport. Durch Brian Loop von AFS habe ich einen Tennisspieler kennengelernt, der mir auch andere
Spieler vermitteln konnte. Auch von Coach Teague von der Schule habe ich Handynummern bekommen
und konnte „im Schlag bleiben“.
Die Schule fing Mitte August wieder an, mit zweieinhalb Wochen Ferien für mich. Ich bin mittlerweile im
Cross Country (Wettkampf ist hier das Rennen über 5km) Programm der Schule. Hauptgrund für mich
war zu Beginn in Form zu bleiben. Um im Hidden-Valley Highschool Team an den Wettkämpfen
teilnehmen zu können, verlangt Coach King zwanzig Trainings. An dieser Stelle habe ich herausgefunden,
dass alle anderen das Training schon Wochen vor Schulbeginn begonnen hatten und ich an den ersten
Rennen nicht teilnehmen konnte.
Das tägliche Training ist hart; aber das ist der Weg für alle, schneller zu werden. Und es schweißt das
Team zusammen. Für mich ist das in den ersten Wochen wichtig. Am ersten Schultag kenne ich nur ein
paar Leute, hauptsächlich vom Tennis. Aber unter 1200 Schülern habe ich in den ersten Tagen
niemanden in der Menschenmenge in den Pausen wiedererkannt. Und auch in meinen Klassen - jeder
hat hier seine eigenen Stundenplan - waren nur fremde Gesichter um mich herum.
Das änderte sich Stück für Stück, als ich meine Nebensitzer
besser kennenlernte und in den Gängen in den Pausen mehr
und mehr Gesichter wiedererkannte. Am Anfang neu dabei
war für mich auch der Smalltalk: „Hey, how are you?- Pretty
good, how are you doing? “. Das macht es einfacher, mit
Leuten ins Gespräch zu kommen.
Und das „von Beginn an offen sein“, sich vorstellen und
Freundschafften schließen, hatte für mich den schönen
Nebeneffekt, dass es sich in der Schule herumspricht.
Schnell wussten viele, dass es nun einen Austauschschüler
von Deutschland in der „Titan’s Family“ gibt.
Die Footballspiele freitags sind ein Highlight der Woche. Vor
Heimspielen gibt es ein traditionelles „Tailgate“ auf dem
Parkplatz vor dem Stadion, beim dem wir Hamburger und
Hotdogs grillen, uns einen Football zuwerfen, die Musik vom
Auto aufdrehen und uns „mental“ auf das Zuschauen vorbereiten. Im Stadion der „Student Section“ ist
die Hölle los. So gut wie jeder von der Schule ist hier und feuert das Team an. Ein verlorenes Spiel war
allerdings nur am Spielstand zu erkennen, nicht aber an der Stimmung. Nach dem Spielen lassen wir
dann auf Anwesen von Freunden mit toleranteren Eltern den Abend weiter ausklingen.
Gewöhnungsbedürftig finde ich hier das „Tardy System“: Nachdem Gong schießen alle Lehrer die
Zimmertüren und wer noch auf dem Gang wird registriert. Bei dritter Wiederholung gibt es dann Strafen
nach Katalog. So weit macht das Sinn; der Unterricht fängt immer pünktlich an. Eines Tages habe ich mir
nach dem Unterricht noch etwas von meiner Mathelehrerin erklären lassen. Danach hatte ich
Mittagspause und hatte es daher nicht sonderlich eilig, zur Cafeteria zu kommen. Das war der Tag, an
dem das System mir eine Registrierung verpasste; das ist clever.
Mittlerweile habe ich die nötigen Trainingseinheiten hinter mir, um an den Rennen teilnehmen zu
können. Die Wettkämpfe sind gewöhnlich an Samstagen. Je weiter entfernt es ist, desto früher müssen
wir an der Schule sein. Das führt gelegentlich zum Aufstehen zu "Unzeiten", aber ist es definitiv Wert
und mit einem großen Kissen geht die Nacht in Bus weiter. Die Atmosphäre im Team ist genial. Der Tag
findet größtenteils in unserem
Lager, einer riesigen Plane, statt.
Es geht mit Frühstücken, relaxen
und dann dem gemeinsamen
Aufwärmen weiter. Wenn wir
nicht selbst rennen oder
aufwärmen, feuern wir unsere
Starter in den anderen
Wettbewerben an. Nach dem
Rennen ist vor dem Rennen. Es
geht weiter mit gemeinsamen
Cooldown, gefolgt von
Nachmittagsbuffet, Baden im
See oder der sofortigen
Heimreise - je nach
Örtlichkeiten.
Schule wird von Tag zu Tag besser. Aus Nebensitzern sind gute Freunde geworden. Mein Stundenplan
enthält viele Fächer, die in Deutschland nicht angeboten werden, was es abwechslungsreicher macht.
Bestes Beispiel: „Culinary Arts“- Kochen.
Es ist Oktober. Diese Tatsache hat mich beim Feststellen erst mal geschockt. Die ersten zwei Monate
sind schon vorbei; und das ging sehr schnell. Erinnerungen von vor einem Jahr, der Bewerbung für AFS,
kommen.
Mit meinem Gastvater Bob und Hund Reuce gehe ich oft
wandern beziehungsweise bergsteigen. Insbesondere im Herbst
ist das genial, wenn die Arbeit des Aufsteigens sich dann am
Gipfel mit einem atemberaubenden Ausblick bezahlt macht. Das
Bild hier ist vom McAfee Knob am Appalachian Trail Hike in
Roanoke – mit einem der besten Ausblicke. Mit meinen
Gasteltern bin ich sehr glücklich!
Ganz große Sache hier: „Homecoming Football Game and
Dance“. Das Cross County Team hatte zwar ein Rennen in North
Carolina und verbrachte die Nacht vom Freitag im Hotel, aber es
war definitiv Wert, auf das Rennen zu verzichten. Das Spiel,
eingeleitet mit einer Parade von unserer Schule zum eigentlichen
Stadion, war mit Abstand das Beste. Am Samstag, vor dem
eigentlichen Homecoming Dance an der Schule, haben wir in
unserer Gruppe Fotos gemacht und sind dafür von Haus zu Haus und letztendlich zum Golfklub HiddenValley gefahren für unterschiedliche Kulissen. Unsere Gruppe bestand aus circa 12 Paaren. Abendessen
gab es dann in einem anderen Haus und es ist später geworden, als wir dann die Schule zum
eigentlichen Event erreicht haben. Dort sind wir nur eine halbe Stunde gewesen, weil, im Gegensatz zum
Vorjahr, das Licht in der Sporthalle an war
und die Musik von der Schulleitung zensiert
wurde. Im riesigen Keller von einem anderen
Haus ging es dann ohne Licht und mit
angemessener Musik weiter in die Nacht.
Das Tanzen nach amerikanischem Standard
ist ohne Vorkenntnisse schnell zu lernen; das
war recht angenehm. Von außen betrachtet
würde es viele als einfach bezeichnen, und
das war auch mein erster Eindruck. Es macht
aber definitiv Spaß!
An Halloween bin ich mit Freunden zu einem „Haunted House“ (saisonales Geisterhaus) gefahren. Das
Erlebnis war aufregend, aber nicht wirklich schockierend. Selbst mit dem Kunstblut X auf der Stirn, das
den Schauspielern „besonderes erschrecken“ signalisiert, ist „amüsant“ das best beschreibende Adjektiv
und ich konnte im ganzen Geschehen das STIHL-Logo auf der Motorsäge entdecken - Unterhaltung mit
Qualität.
Im November habe ich am traditionellen No-Shave-November mitgemacht. Eine klasse Idee, die nach
Deutschland gebracht werden muss!
Thanksgiving habe ich hier mit meiner Gastfamilie gefeiert. Das Wichtigste dabei hier ist das
Thanksgiving Dinner: traditioneller Truthahn mit Macaroni and Cheese, Stuffing und Pumkin Pie; um nur
einmal meine Favoriten zu erwähnen. Ganz große Küche, aber auch genauso groß in den Portionen - die
Reste haben uns eine knappe Woche danach noch ernährt.
Mit der Wintersaison ist Cross-Country-Zeit vorbei und ich versuche mich mit Basketball. Das Training im
Varsityteam ist hart, aber so soll es sein. Das hat auch den angenehmen Nebeneffekt, dass ich in Form
bleibe für Tennis im Frühling. Da es an der Schule insgesamt vier Basketballteams (Junior Varsity m/w
und Varsity m/w) gibt und das Training zwei Stunden dauert, muss eine Trainingszeit vor Schulbeginn
eingeschoben werden. Dieser Schwarze Peter hat uns für den ersten Monat getroffen: Training um 6
Uhr am Morgen. Individuelles Korbwerfen ist um 5 Uhr und freiwillig, aber fast alle sind da; und auch
ich.
Mit der Zeit habe ich mich an den Rhythmus gewöhnt, meine Gastfamilie hat das Abendessen
vorgerückt und es hat mir ein anderes Zeitgefühl gegeben - der Tag hat 24 Stunden, wann auch immer
der Schlaf kommt. Als Wiedergutmachung für das frühe Aufstehen hat unser Coach Donuts und
Orangensaft als Frühstück nach dem Training mitgebracht. Am Ende vom Training müssen wir fünf in
Folge treffen; wenn ein Wurf daneben geht, sind neuen Sekunden auf der Uhr, in der wir ans andere
Ende der Halle und zurück sprinten müssen. Wenn einer von uns es nicht in der vorgegebenen Zeit
zurückgeschafft hat, müssen alle noch mal rennen. Manchmal ist der Wurm drinnen und es dauert lang
– und gefühlt ewig – bis alle sitzen. Schulbeginn ist keine Erlösung. Wenn es länger dauert, bekommen
unsere Lehrer eine E-Mail, sodass wir genug Zeit zum Duschen und Frühstücken haben. Als das Training
jetzt für uns nach der Schule ist, können wir wieder „ausschlafen“; aber Donuts gibt es leider nicht mehr.
Ich hoffe, mit dem Bericht die interessantesten Erlebnisse erfasst zu haben. In einem halben Jahr ist
mehr passiert, als hier auf ein paar Seiten zusammenzufassen wäre. Hier erst mal herzlichen Dank für
diese Erfahrungen und Erlebnisse an die Stipendiengeber der Andreas STIHL AG & Co. KG, der Daimler
AG und der IHK Region Stuttgart für das Daimler Byrnes Stipendium Region Stuttgart. Diese Zeit hier ist
für mich unendlich wichtig und ich möchte betonen, dass es mir eine Ehre ist, dabei zu sein und diese
einmaligen Erfahrungen machen zu können.
Link aus der Schülerzeitung:
http://www.titantimes.org/studentlife/2012/10/10/foreign-exchanged-and-fitting-rightin/