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klasseKinder! I 01 I 15
lebenslagen
rigkeit mit oder ohne Tränen, alles ist denkbar und normal!
Oft leiden trauernde Kinder unter Schuldgefühlen und haben
Angst, dass noch jemand sterben könnte. Auch sind Entwicklungsrückschritte nicht selten, einige Kinder leben nun in der
Vergangenheit und in einer Traumwelt mit dem Toten.
Halbwahrheiten sind gefährlich
Kinder suchen Erklärungen für alles, was ihnen begegnet.
Nach einem so einschneidenden Verlusterlebnis wie dem
Tod brauchen sie daher besonders klare Gefühlsregungen
und deutliche Zeichen von ihrer Umgebung. Vor allem Halbwahrheiten oder ausweichende Formulierungen wie „der Verstorbene hat sich zur Ruhe gelegt / ist eingeschlafen / geht
auf eine Reise“ können kindliche Ängste und Sorgen verstärken: Plötzlich ist das Einschlafen angstbesetzt, weil es mit
der Möglichkeit des Sterbens verbunden wird. Kinder brauchen ehrliche Antworten auf Fragen wie „Was glaubst du, wo
mein Papa jetzt ist?“, „Denkst du, meine Mama ist jetzt im
Himmel?“. Erwachsene sollten zugeben, dass auch sie nicht
alles wissen und verstehen. Wenn sie selbst sehr unsicher
sind, können sie beispielsweise sagen: „Ich weiß es nicht,
was glaubst du denn?“ So werden die ganz eigenen, oft sehr
kreativen Vorstellungen und Gedanken von Kindern nicht beschnitten oder verändert.
Wenn...
Gerade in der Zeit der Trauer ist Normalität für Kinder lebensnotwendig. Die Schule und der Hort sind ihr zweites Zuhause,
dort können sie für kurze Zeit vergessen. Und doch befinden sie sich in einem fortwährenden Zwiespalt: Ihr Verhalten
ist nach außen oft angepasst, Erwachsenen fällt es dadurch
leicht, so zu tun, als wäre nichts passiert. Dennoch fühlen
sie sich ständig anders. Sie wollen nicht sprechen, aber sind
vielleicht gekränkt, wenn sie nicht angesprochen werden. Sie
spüren, dass sie beobachtet werden, wissen die bedauernden Blicke aber oft nicht zu deuten.
... Kinder trauern
allem fernhalten, was mit Sterben, Tod
und Trauer zu tun hat. Ein so schwerer
Verlust wie der Tod von Mutter, Vater,
Geschwisterkind, gleichaltrigem Freund
oder einem anderen geliebten Menschen macht oft sprach- und hilflos.
Nicht selten führen solche Krisensituationen auch im Umfeld der Schule zu
Unsicherheit und Problemen: Was geht
in Kindern vor, die einen nahestehenden
Menschen verloren haben? Und wie
kann man ihnen helfen?
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W
enn ein geliebter Mensch stirbt, bricht für
Kinder die Welt zu Hause zusammen: Die
Familie als elementare soziale Instanz der
kindlichen Entwicklung ist zutiefst erschüttert. Und so leiden Kinder nicht nur unter dem Verlust des
Verstorbenen, sondern zudem unter dem veränderten Verhalten der Hinterbliebenen. Da sie alle Gefühlsregungen von
Erwachsenen wahrnehmen, sollten Gefühle nicht unterdrückt
oder durch vorgespielte Fröhlichkeit verborgen werden. Denn
das verunsichert die Kinder stark, sie beginnen an ihren eigenen Gefühlen zu zweifeln und verlieren Halt und Orientierung.
Kinder trauern anders als Erwachsene: Sie springen in ihre
verschiedenen Gefühle hinein wie in Pfützen und im nächsten
Moment wieder heraus. Lachen und Weinen wechseln sich ab
mit Toben, Streiten, Schweigen. Oft ist der Schock über den
Verlust auch so groß, dass man ihnen gar nichts anmerkt – sie
funktionieren einfach weiter und tun so, als sei nichts passiert. Das Verhalten trauernder Kinder ist so unterschiedlich
wie die Kinder selbst: Verdrängung, innerer Rückzug, albernes, aufgedrehtes Verhalten, Aggressionen, Wut, tiefe Trau-
Getrauert werden soll dort, wo man seine Beziehungen lebt,
und deshalb kann die Schule nicht ausgelassen werden.
Um den Tod und die Trauer überhaupt in den Schulalltag
hineinlassen zu können, muss eine geschützte Atmosphäre
geschaffen werden. Die Schüler müssen wissen, dass ihre
Gefühle und Äußerungen im Klassenraum als geschütztem
Raum bleiben. Es ist jedoch wichtig, das betroffene Kind vorher zu fragen, was es selbst sich wünscht. Es gibt Kinder, die
den Verlust mit der Klasse teilen möchten, es gibt Kinder, die
darüber auf gar keinen Fall sprechen möchten. Hier gibt es
keine falschen oder richtigen Entscheidungen: Das Kind darf
selbst entscheiden, was es braucht und was ihm guttut.
Foto: Fotolia
Erwachsene möchten Kinder intuitiv von
Katharina Frönd, Dipl.-Theologin und Systemische Beraterin,
arbeitet beim Verein Sternenland in Sendenhorst bei Münster,
der Kinder, Jugendliche und ihre Familien im Trauerfall begleitet.
Das können Sie tun!
Richten Sie einen Trauerort ein: Auf einem Trauertisch können Dinge abgelegt werden, die verbinden und trösten – ein Foto des Verstorbenen,
ein Kondolenzbuch, Kerzen, Blumen, eine Bibel,
Bilder-Bücher, Material, mit dem die Schüler ein
Andenken für den Verstorbenen basteln können.
Bieten Sie Trauerrituale an: eine Andacht,
eine Gedenkminute, ein gemeinsam gestaltetes
Kondolenzbuch, zusammengetragene Gaben oder
bemalte Steine für das Grab, in Ruhe verfasste
Briefe und gemalte Bilder an den Verstorbenen.
Setzen Sie Zeichen der Hoffnung: Pflanzen Sie
einen Baum oder Blumen zum Gedenken auf dem
Gelände.
Hier gibt es Hilfe!
Professionelle Trauereinrichtungen wie der Verein
Sternenland, die Hospizbewegungen oder Seelsorger und Trauerbegleiter geben Ihnen Rat und
Begleitung. Hier hilft das Internet mit den Suchworten ‚Kindertrauer‘, ‚Trauerbegleitung‘ samt
Ort oder ATEG-BW e. V./KIS (Krisenseelsorge im
Schulbereich) / www.kindernetzwerk.de
Literatur für kinder und erwachsene
Stefanie Wiegel: Für immer in meinem Herzen: Das Trauerund Erinnerungsalbum für Kinder. Patmos (5. Auflage
2015). 44 Seiten, 14,90 Euro. ISBN 978-3-8436-0108-5
Susan Varley: Leb wohl, lieber Dachs. Verlag Annette Betz
(26. Auflage 2009). 32 Seiten, 12,95 Euro. ISBN 9783 -21910-283-2
Amelie Fried: Hat Opa einen Anzug an? Carl Hanser
(15. Auflage 1997). 32 Seiten, 13,90 Euro. ISBN 9783-446-19076-4
Willi will’s wissen (Serie): Wie ist das mit dem Tod?
Universal. DVD, 24 Minuten, ca. 5,99 Euro.
Margit Franz: Tabuthema Trauerarbeit: Kinder begleiten
bei Abschied, Verlust und Tod. Don Bosco Medien (7. Auflage 2008). 264 Seiten, 19,95 Euro. ISBN 978-3-7698-1342-5
Uwe Becker, Hanne Shah u. a.: Vom Umgang mit Trauer
in der Schule – Handreichung für Lehrkräfte und Erzieher
(Broschüre zu beziehen über www.veid.de)
Roland Kachler: Wie ist das mit … der Trauer? Gabriel
(2007). 144 Seiten, 11,90 Euro. ISBN 978-3-522-30116-9
Monika Müller, Franziska Röseberg (Hrsg): Handbuch
Kindertrauer – Die Begleitung von Kindern, Jugendlichen
und ihren Familien. Vandenhoeck & Ruprecht (2014).
547 Seiten, 49,99 Euro. ISBN 978-3-525-40227-6
Gertrud Ennulat: Kinder trauern anders. Verlag Herder
(11. Auflage 2015). 160 Seiten, 8,99 Euro. ISBN 9783-451-05367-2
Buchbesprechungen auf Seite 52
www.kindertrauer-sternenland.de
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