Grüner Daumen beim Einkauf

Dieser Beitrag stammt aus Beschaffung aktuell 6/2015
RECHT
Rechtliche Aspekte beim Green Procurement
Grüner Daumen beim Einkauf
Daumen hoch für Green Procurement:
Die Berücksichtigung von Umwelt- und
„
Was heute unter ‚Green Procurement‘ positiv behandelt wird,
wurde lange als ‚Instrumentalisierung des Vergaberechts für
vergabefremde Kriterien‘ eher
negativ gesehen.“
RA Dr. Volker Dobmann
Nachhaltigkeitsaspekten wird in den
Einkaufsabteilungen immer wichtiger.
Für öffentliche und private Unternehmen gelten vergaberechtlich
erhebliche Unterschiede.
RA Dr. Volker Dobmann, Berlin
D
ie „grüne“ Beschaffung nimmt im Zuge einer verstärkten Nachfrage umweltfreundlicher und ressourcenschonender Produkte und Dienstleistungen
immer mehr an Bedeutung zu und auch die
Unternehmen selbst sehen sich zunehmend
der Nachhaltigkeit verpflichtet.
ÖFFENTLICHE BESCHAFFER, die für Unternehmen der öffentlichen Hand einkaufen, unterliegen dem Vergaberecht. Das Vergaberecht will
dafür sorgen, dass alle Anbieter fair und gleich
behandelt werden. Die Vergabe eines Auftrages soll transparent sein und auf festen,
nachvollziehbaren Regeln beruhen. Deshalb
müssen öffentliche Aufträge in Deutschland in
der Regel auch öffentlich ausgeschrieben werden. So soll sichergestellt sein, dass die Gelder
nicht verschwendet, sondern wirtschaftlich
eingesetzt werden und Korruption keine Chance hat. Und eben Umweltbelange bei der Auftragsvergabe Berücksichtigung finden.
Rechtlicher Rahmen. „Bei allen öffentlichen
Auftragsvergaben gelten unterschiedliche
rechtliche Regelungen, je nachdem, ob der
Wert des zu vergebenden Auftrages oberhalb
oder unterhalb des sogenannten Schwellenwertes liegt“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Volker
Dobmann aus Berlin. Oberhalb der Wertgrenze sind die Vergabevorschriften strenger. Für
die Mehrzahl der Behörden in Deutschland
Die Autorin
Anja Falkenstein, Rechtsanwältin
und Fachjournalistin, Karlsruhe
28
Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)
Beschaffung aktuell 2015 06
liegt der Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungsaufträge bei 207 000 Euro. Für den
sogenannten Sektorenbereich, also zum Beispiel für Energieversorger, Trinkwasserversorger, Stadtwerke und Verkehrsbetriebe, gelten derzeit 414 000 Euro.
„Was heute unter ‚Green Procurement‘ positiv
behandelt wird, wurde lange als ‚Instrumentalisierung des Vergaberechts für vergabefremde
Kriterien‘ eher negativ gesehen – Bürokratie,
Verteuerung des Einkaufs und so weiter“, weiß
Rechtsexperte Dobmann. „Erst ab dem Jahre
2009 sind Erleichterungen und Hilfestellungen
von gesetzgebender Seite vorgenommen worden, ausgehend von EU-Initiativen.“ Zwei Vergaberichtlinien der Europäischen Union sowie
mehrere nationale Gesetze und Verordnungen
bilden den rechtlichen Rahmen für das Green
Procurement. Das zentrale Gesetz für Auftragsvergaben im Bundesrecht ist das Gesetz gegen
Rahmen der Eignungsprüfung, bei der Festlegung des Auftragsgegenstandes, im Rahmen
der technischen Spezifikation in der Leistungsbeschreibung, als Zuschlagskriterium und als
zusätzliche Ausführungsbedingung“, sagt Vergaberechtsspezialist Dobmann. Und Dr. Thomas Rautenberg, Leiter der Stadtkämmerei der
Stadt Frankfurt am Main, ergänzt: „In einigen
Landesvergabegesetzen finden sich ebenfalls
Regelungen zur nachhaltigen Beschaffung, so
zum Beispiel in § 3 des Hessischen Vergabeund Tariftreuegesetzes, der soziale, ökologische
und innovative Anforderungen beinhaltet.“
„
Dr. Thomas Rautenberg, Leiter der
Stadtkämmerei der Stadt Frankfurt am Main
Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Die
§§ 97 ff. GWB enthalten allgemeine Vorgaben,
die als Rechtsgrundlage für die Verwendung
ökologischer Kriterien herangezogen werden.
In welcher Weise der öffentliche Auftraggeber
Aspekte der Nachhaltigkeit konkret in das Vergabeverfahren einbringt, bleibt im Wesentlichen seiner Kreativität überlassen. „Grundsätzlich ist ‚Green Procurement‘ auf allen Ebenen
eines Beschaffungsvorganges möglich – im
Unterhalb der Gesetzes-, also auf der Verordnungsebene, werden die Vorgaben konkreter.
Hier existieren leistungsspezifische Verordnungen, zum Beispiel die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB). Die allgemeine Vergabeverordnung gibt vor, dass
Energieeffizienz und Energieverbrauch bei der
Vergabe öffentlicher Aufträge für energieverbrauchsrelevante Geräte und Waren – dazu gehören beispielsweise auch Fenster – zu berücksichtigen sind. Auch die Lebenszykluskosten eines Produktes und die Entsorgungskosten spie-
Ein großer Schwerpunkt bei
den Ausschreibungen der
Stadtkämmerei bildet die
Recycelbarkeit des Produktes.“
Dr. Thomas Rautenberg
Dieser Beitrag stammt aus Beschaffung aktuell 6/2015
len hier eine Rolle. Bei der Beschaffung von
Fahrzeugen müssen Energieverbrauch und
Umweltauswirkungen, insbesondere Emissionen, als entscheidende Kriterien herangezogen werden. „Ein großer Schwerpunkt bei den
Ausschreibungen der Stadtkämmerei bildet
die Recycelbarkeit des Produktes“, sagt Rautenberg. „So wird zum Beispiel bei der Verwendung von Büromaterial vorwiegend Recyclingkunststoff gefordert oder bei der Vergabe
von Papier ausschließlich Recyclingpapier ausgeschrieben.“ So einfach kann Umweltschutz
sein, wenn man ihn nur konsequent umsetzt.
bietet der Wettbewerb und ist gut fürs Image.
Nachhaltigkeit im Handeln steht jedem Unternehmen gut zu Gesicht. Wer es ganz ernst
meint, kann ein Umweltmanagementsystem
implementieren oder sich zertifizieren lassen,
zum Beispiel gemäß ISO 14001 oder EMAS (siehe Kasten). „Nachhaltigkeit ist ein wichtiges
Thema für uns, dies bestätigen auch jüngst die
Rezertifizierungen durch das Umweltsiegel
Ökoprofit und das Klimaschutzprogramm
ACA“, sagt Andreas Host, Leiter Zentraler Einkauf am Flughafen Düsseldorf. „Auch der zentrale Einkauf agiert dementsprechend nach-
EINKÄUFER IN PRIVATEN UNTERNEHMEN unterliegen keinen vergaberechtlichen Vorgaben.
Hier geben Unternehmensphilosophie und
Compliance-Regeln den Ausschlag – und der
Kunde. Denn dessen vermehrt „grüne“ Wünsche und Anforderungen umzusetzen, geNormen
ISO 14001 und EMAS
Die ISO 14001 ist eine weltweit anerkannte
Norm für Umweltmanagement, die Unternehmen bei der Berücksichtigung von Umweltund Nachhaltigkeitsaspekten anleitet. Sie
kann Bestandteil eines Umweltmanagementsystems sein, dessen Ziele jedes Unternehmen
selbst festlegt. Die ISO 14001 wurde mittlerweile auch an die DIN EN ISO 9001 angepasst. Auf diese wichtige Qualitätsmanagementnorm wird häufig in Einkaufsund Beschaffungsverträgen verwiesen.
Die EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) basiert auf einer EU-Verordnung und ist
auf die Europäische Union beschränkt. Unternehmen, die an dem Öko-Audit gemäß EMAS
teilnehmen, müssen eine Umwelterklärung
veröffentlichen und sich regelmäßig von Gutachtern überprüfen lassen. Dann dürfen sie
auch das EMAS-Logo führen.
Andreas Host, Leiter Zentraler Einkauf am
Flughafen Düsseldorf
haltigkeitsorientiert. Das reicht über die Verwendung von Recyclingpapier für Printmedien
über die Bestellung von neuen Elektroautos für
den Fahrzeugpool bis hin zum Einsatz von erneuerbaren Energien mittels Blockheizkraftwerk und Photovoltaikanlage.“ Sogar das neue
Verwaltungsgebäude entspricht den Vorgaben
der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges
Bauen. Die Kollegen vom Stuttgarter Flughafen
verfolgen ebenfalls einen ganzheitlichen Ansatz und wurden dafür jüngst mit dem Nachhaltigkeitspreis Logistik ausgezeichnet.
Neben der Bewertung von Preis- und Qualitätskriterien bezieht der Einkäufer beim Green Procurement umweltspezifische Faktoren in den
Entscheidungsprozess mit ein. Die Berücksichtigung bestimmter Umweltaspekte kann
auch zum Bestandteil der Ausschreibung gemacht werden. Doch oft herrscht in den Ein-
„
Die Einsparung ökonomischer
Ressourcen geht meist mit
der Schonung ökologischer
Ressourcen einher, das heißt, die
Reduzierung von Betriebs- und
Entsorgungskosten zahlt auch
auf die Nachhaltigkeit ein.“
Andreas Host
kaufsabteilungen noch die alte Denke vor, die
das Kosten-Nutzen-Verhältnis eines Produktes
oder einer Dienstleistung isoliert betrachtet.
„Die Einkäufer müssen aber neben den Anschaffungskosten bei Fahrzeugen und Maschinen stets die gesamten Lebenszykluskosten
berücksichtigen“, erklärt Einkaufsleiter Host
und bringt die Vorteile des Green Procurements auf den Punkt: „Die Einsparung ökonomischer Ressourcen geht meist mit der
Schonung ökologischer Ressourcen einher, das
heißt, die Reduzierung von Betriebs- und Entsorgungskosten zahlt auch auf die Nachhaltigkeit ein.“ Und nicht selten übersteigen die Einsparungen die Ausgangsinvestition.
Beschaffung aktuell 2015 06
Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)
29