Technik, die gewollt ist. Ein Vergleich verschiedener Entwicklungsansätze von Techniken zur Unterstützung von Menschen mit Demenz Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) KIT – Universität des Landes Baden-Württemberg und nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft www.kit.edu Agenda. ? 2 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS). Prof. Dr. Michael Decker 3 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Cognitive System Labs (CSL). AKTIV Hallo Frau Huber, möchten Sie eine Runde spielen? HeiKa-2 Prof. Dr. Tan a Schultz 4 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS MOVEMENZ. BMBF Vorprojekt Diplomarbeit in Informatik 2014 5 06.10.2015 2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. 2016 ITAS Ziel und Forschungsfragen. Vergleich und Bewertung bestehender Ansätze von Technikentwicklungen Hier: Technology-push und Demand-pull Wie stellt sich das Feld der Pflege dar? Welche Erfahrungen und Expertise besitzen Technikentwickler in Bezug auf Technology-push- und Demand-pull-Ansätze Welche technischen Unterstützungsmöglichkeiten entstehen bei der Verschmelzung dieser? Erforschung der Herausforderungen und des aktuellen Grades von Technikeinsatz in der Pflege 6 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ? ITAS Definitionen. Technik Die digitalen Systeme, die in der Arbeit adressiert werden, umschließen sowohl assistive Technologien als auch Technologien zur Förderung und zum Erhalt der Eigenständigkeit durch physisches und kognitives Training. […] Neben diesen digitalen Systemen, die aus Sicht der Informatik naheliegend als Technologien gelten, werden auch mobilitätsunterstützende technische Artefakte mit eingeschlossen. Mobilität Die Definition von Mobilität und Bewegung fasst also Mobilität, im Kontext mit Menschen mit Demenz, als physisch-kognitive Aktivität bzw. die Fähigkeit dazu auf. Bewegung bedeutet rein physische Aktivität bzw. die Fähigkeit dazu. [Woll, 2015, S.33] 7 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ? ITAS Methodik. 8 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Methodik. Besichtigung 4 Heime mit unterschiedlicher Größe, Trägerschaft und Grad des Technikeinsatzes Beobachtung In einem Heim zwei mal zwei Wochen, insgesamt 70 Stunden 9 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Methodik. Recherche Hierarchische Klassifizierung in Baumstruktur Taxonomie nach Rahmung der Arbeit Blätter zeigen Stellvertreter Persona Auf Basis von Glende et al. angepasst an Heimkontext auf Basis von Beobachtungen 10 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Methodik. Teilstandardisierte Interviews Technikentwickler 21 von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und aus der Wirtschaft angefragt 8 durchgeführt und ausgewertet Pflegekräfte 10 aus den besichtigten Heimen angefragt 8 durchgeführt ausgeführt 11 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Erkenntnisse. 12 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Erkenntnisse. 13 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Erkenntnisse. Transfer von Wissenschaft in Wirtschaft Es gibt gerade in der Pflege ein unglaubliches Implementierungsdefizit, auch von Dingen, die schon sehr klar sind, aber in der Praxis noch nicht in der Breite angewendet werden. […] Wir untersuchen dann schon den nächstmöglichen Technikeinsatz mit irgendeiner neuen Technologie, es wäre natürlich sinnvoll überhaupt die Implementierung einer sehr gut verstandenen Technologie voranzutreiben. (T02) 14 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Erkenntnisse. Anwendung im Pflegeheim Die größte Herausforderung ist immer unseren Senioren zu erklären, dass wir was Neues ausprobieren. Weil die am wenigsten Bezug zur Technik haben und es auch nicht verstehen, das zeigen auch die Schwierigkeiten, als wir unser neues [Dokumentationssystem] ausprobiert haben, dass viele Demenzerkrankte gar nichts damit anfangen konnten und uns als Abhördienst hielten. (P22) Zum Dokumenationszeitpunkt [Direkte Dokumentation am verfügbaren Tablet] könnte man theoretisch machen, aber wird halt nicht gemacht, weil es wird am Ende gemacht. Ich weiß nicht, ob das so gemacht wird, weil es schon immer so gemacht wurde? Wir hatten in der Schule gelernt zeitnah zu dokumentieren (P33). 15 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Erkenntnisse. Technology-push und Demand-pull Die Sicht der technischen Experten und die eine Ahnung haben davon, was technisch machbar ist, aber typischerweise nicht wissen, was man damit anfangen kann. Das ist natürlich der klassische Technology-Push-Ansatz, wir haben einen tollen neuen Hammer, deswegen sehen alle Probleme aus wie ein Nagel. (T08) Einen Bedarf auszudrücken ist auch nicht so einfach, wir haben dafür Strukturen gesucht, also dass wir den Pflegebedarf, Pflegeprobleme formulieren, die Pflegeplanung definieren und mit Expertenworkshops daraus dann den Bedarf definiert. Und da gibt es – das muss man sagen – keine Einigung, wie man das macht. [...] Es gibt halt auch keine Instrumente um Bedarf auszudrücken, das ist auch ein Problem. (T01) 16 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Erkenntnisse. Sozio-technischer Technikentwicklungsansatz Abgrenzung zwischen Technology-Push und Demand-Pull so gar nicht machen. Weil erfolgreich ist man dort, wo man beide Dinge gleichzeitig hat. […] Wo ich tatsächlich Forschungsanspruch habe, habe ich in aller Regel beides. Ich habe also sowohl neue Möglichkeiten, die da kommen mit Technologien, als auch, klar die Probleme, die ich schon kenne. (T02) Bedarfsanalyse, in der Technikentwickler in späterer Anwendungsdomäne hospitieren Technikentwicklungsprojekt mit Herausforderung, die große Anwendungsnähe und Nutzereinbindung weiterzuverfolgen und begleitet durch constructiveTA 17 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Erkenntnisse. Anpassung mit Fokus auf Demenz Teilhabe – Stigmata – Zeitersparnis – Bewegungsförderung Teilhabe [kann] auch im Konflikt mit Sicherheit stehen […] und man im gewissen Rahmen damit einfach leben muss, dass die Leute in gewisser Weise ein Recht darauf haben gefährdet zu sein. (T02) Teilnehmende Beobachtung als Methode Bedarfe bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz zu erfassen Interviews erscheinen nur in Anfangsstadien sinnvoll, später kaum Mehrwert 18 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS auf einen Blick. basierend auf Im Rahmen von Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse Postfach 3640, 76021 Karlsruhe Dipl.-Inform. Johannes Hirsch [email protected] 0721.608 24841 19 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Quellen. [Glende et al., 2011] Glende, S.; Nedopil, C.; Podtschaske, B.; Stahl, M.; Friesdorf, W. (2011). Nutzerabhängige Innovationsbarrieren im Bereich altersgerechter Assistenzsysteme. 1. Studie im Rahmen der AAL-Begleitforschung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Abschlussbericht [Godin und Lane, 2013] Godin, B.; Lane, J.P. (2013). Pushes and Pulls: The Hi(story) of the Demand Pull Model of Innovation. Project on the Intellectual History of Innovation. Working Paper No. 13 [Herstatt und Lettl, 2000] Herstatt, C.; Lettl, C. (2000). Management of “technology push” development projects. Paper No. 5. Technology and Innovation Management at the Technische Universität Hamburg-Harburg [Rosenberg, 1969] Rosenberg, N. (1969). Direction of technological change Inducement mechanisms and focusing devices. In: Economic Development and Cultural Change 18 (1), S. 1–24 [Woll, 2015] Woll, S. (2015). Technische Unterstützung für die Mobilität von Menschen mit Demenz: Eine ethische Reflexion zum Spannungsverhältnis Freiheit versus Sicherheit. Masterarbeit am Institut für Philosophie und am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des KIT, Karlsruhe 20 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Technology-push und Demand-pull. Technology-push A situation where an emerging technology or a new combination of existing technologies provide the driving force for an innovative product and problem solution in the market place. In certain cases it is even possible that the new technology, when it is transformed into radical product or process innovations, achieves its own market position. [Herstatt und Lettl, 2000, S.2] Demand-pull Studien in den 1950er und 1960er Jahren argumentierten, dass die Nachfrage, „the need pull force“ [Godin und Lane, 2013, S.5] die Geschwindigkeit und Richtung von Innovationen antreibt. Somit „lenken“ Bedürfnisse Unternehmen derart, dass sich diese auf bestimmte Probleme bzw. Bedürfnisse fokussieren ‚müssen‘ [Rosenberg, 1969]. 21 06.10.2015 Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS Persona. 22 06.10.2015 Persönliche Daten: Reinhold Neubauer; 78 Jahre alt; verwitwet, einen Sohn; pensionierter Lokführer und Reiseleiter; Rente ca. 1350 Euro/Monat; er hat eine beginnende mittlere Demenz Aussage: „Zum Glück hab‘ ich meine ehemalige Nachbarin, die ist meine Möglichkeit rauszukommen und sie und ihre Freundin sind neben meinem Sohn meine Besucher. Er macht auch allen Papierkram für mich. Meine Technik, die ich vorher schon genutzt habe, wie Handy, Digitalkamera und so nutze ich weiter.“ Er ist… …demenzerkrankt, wohnt nach einem Sturz vor ein paar Jahren im Pflegeheim. Aus Pflegesicht braucht er noch keine Unterstützung. Er erhält regelmäßig Besuch von seinen beiden mit ihm befreundeten Nachbarinnen und seinem Sohn. Auch wenn die Erinnerung an kurz Zurückliegendes oft fehlt und die letzten Jahre verschwimmen so nutzt er trotzdem weiterhin seine bekannte Technik wie Handy, Digitalkamera oder die Kombination aus TV und DVD-Player. Auf dem Gang absolviert er täglich ein paar Runden mit Rollator um zu trainieren, für mehr reichen gefühlte Kraft und Mut nicht mehr. Er will… …weiterhin mit dem Rollator laufen und die Technik sollte die Unterstützung immer weiter ausbauen. Für sinnvoll hält er auch kreative Tätigkeiten, wie das Basteln von Modellen oder Digitalfotografie, um geistig fit zu bleiben. Bei größeren Projekten wie Videoaufnahmen sucht er Unterstützung durch Andere. Es muss Spaß machen, denn schließlich muss man immer was machen. Sorgen macht ihm… …seine eingeschränkte Lernfähigkeit. Er kann sich nur schlecht merken, wie ein neues Gerät zu bedienen ist, wen er in der letzten Zeit kennengelernt hat oder mit wem er Kontakt hatte. Dies führt auch zu zunehmendem Misstrauen. Zudem scheut er zu hohe Kosten bei der Anschaffung von Technik, da er nicht genau einschätzen kann, ob sie ihm wirklich die erhoffte Unterstützung bietet. Er möchte sich weder der Technik noch seinem eigenen Kräfteverlust ausgeliefert fühlen. Johannes Hirsch – Technik, die gewollt ist. ITAS
© Copyright 2025 ExpyDoc