Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Grundlagen & Methodik Athletik-Training Kraft Lehrbrief 1 des Fernlehrgangs zur Athletik-Training A-Lizenz Autoren: Florian Münch Benedikt Menges Impressum: SPORTLEREI AKADEMIE Kistlerhofstr. 70, Gebäude 160 81379 München Tel: 089 / 72 630 740 Fax: 089 / 72 634 068 Net: www.sportlerei-akademie.de E-Mail: [email protected] Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2015 Alle Rechte vorbehalten Hinweis: Um die Lesbarkeit des Textes zu vereinfachen, wurde auf das gemeinsame Verwenden männlicher und weiblicher Bezeichnungen verzichtet. Wir danken allen Leserinnen für ihr Verständnis. Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 1 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Bearbeitung des Lehrbriefes So gehen Sie vor: Zunächst lesen Sie bitte das gesamte Kapitel durch! Bearbeiten Sie dann die einzelnen Abschnitte des Kapitels! Lesen Sie sie aufmerksam durch und versuchen Sie dabei, die Sachverhalte der einzelnen Abschnitte zu erfassen und auf bereits vorhandenes Wissen oder Erfahrungen aus der Praxis zu beziehen (die wichtigsten Informationen werden am Ende des Kapitels zusammengefasst)! Nutzen Sie im Zweifel auch andere Nachschlagewerke (z.B. Bücher oder das Internet)! Mit den Aufgaben am Ende des Lehrbriefs können Sie überprüfen, ob Sie das Kapitel verstanden haben und in der Lage sind, das erarbeitete Wissen wiederzugeben. Die Lösungen finden Sie im Anhang. Fachwörter und fremdartige Begriffe sind unterstrichen und im angehängten Glossar erklärt. Verweise auf bereits behandelte Themen und Inhalte sind mit Q (für Querverweis gekennzeichnet) Zu den Übungen sind keine Lösungen angegeben, da zumeist individuelle Antworten gefordert sind und die Übungen zur Vertiefung des Lernstoffes in den Praxisseminaren gemeinsam bearbeitet werden. Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 2 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Lernziele dieses Lehrbriefes Mit Durcharbeiten dieses Lehrbriefes sollen sie… Den Begriff Athletik-Training inhaltlich verstanden haben und wissen welche körperlichen Voraussetzungen für ein Athletik-Training notwendig sind. Die Inhalte und Ziele des Athletik-Trainings allgemein kennen. Den Trainingsbegriff allgemein wiederholt und verstanden haben. Die Anpassungsschritte des Körpers auf Belastungen wiederholt und verstanden haben. Die Belastungskomponenten als Steuerungsgrößen für das Training wiederholt und verstanden haben. Das Superkompensationsmodell verstanden haben. Die Trainingsprinzipien kennen, sowie ihre Wechselwirkung untereinander verstanden haben. In Bezug auf das Trainingsprinzip und der Periodisierung eine eingipflige und zweigipflige Trainingsplanung mit ihrer Periodenunterteilung kennengelernt haben. Die Erscheinungsformen der Kraft kennengelernt haben. Die verschiedenen Muskelfasertypen kennengelernt haben. Die grundlegende Methodik im Krafttraining kennengelernt haben. Trainingsmethoden für Hypertrophie, Maximalkraft- und Schnellkraft- sowie Reaktivkraft, kennengelernt haben. Den Aufbau einer langfristigen Trainingsplanung sowie einer Trainingseinheit im Bereich des speziellen Athletik-Trainings und verschiedene Trainingsprogramme kennengelernt haben. Die Methoden der Kraftmessung kennengelernt haben. Spezielle Rahmenprotokolle für fortgeschrittene Athleten kennengelernt haben und verstanden haben, wann welches Protokoll sinnvoll ist. Die fünf großen Übungen im Athletiktraining kennengelernt haben. Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 3 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Inhalt 1 Einleitung ...............................................................................................................................................7 2 Das Athletiktraining .............................................................................................................................. 10 3 2.1 Der funktionsfähige Bewegungsapparat als Voraussetzung ............................................................. 10 2.2 Athletik-Training braucht einen Zweck und ein Ziel .......................................................................... 12 2.3 Grundlegende Inhalte im Athletiktraining ......................................................................................... 12 2.4 Die motorischen Fähigkeiten ............................................................................................................. 14 2.5 Zusammenfassung von Kapitel 2 ....................................................................................................... 17 Physiologische Grundlagen der Kraft .................................................................................................... 18 3.1 3.1.1 Fasertypenzusammensetzung ....................................................................................................... 19 3.1.2 Intramuskuläre Koordination ........................................................................................................ 23 3.1.3 Intermuskuläre Koordination ........................................................................................................ 23 3.2 Genetische Faktoren.......................................................................................................................... 24 3.2.1 Körpertypen .................................................................................................................................. 24 3.2.2 Hebel- und Längenverhältnisse ..................................................................................................... 27 3.3 Anpassung und Superkompensation ................................................................................................. 28 3.3.1 Anpassungsschritte ....................................................................................................................... 28 3.3.2 Superkompensation ...................................................................................................................... 29 3.4 4 Physiologie der Kraft.......................................................................................................................... 19 Zusammenfassung von Kapitel 3 ....................................................................................................... 32 Grundlagen der Trainingslehre ............................................................................................................. 34 4.1 Trainingsszenarien ............................................................................................................................. 34 4.2 Der Trainingsbegriff ........................................................................................................................... 35 4.3 Zielorientierung ................................................................................................................................. 37 4.4 Systematik ......................................................................................................................................... 39 4.4.1 Belastungskomponenten .............................................................................................................. 39 4.4.2 Die Trainingsprinzipien .................................................................................................................. 44 4.5 Planmäßigkeit .................................................................................................................................... 48 4.5.1 Trainingssteuerung ........................................................................................................................ 48 4.5.2 Grundlegender Trainingsablauf..................................................................................................... 52 4.6 Periodisierung .................................................................................................................................... 53 4.6.1 Unterteilung .................................................................................................................................. 54 4.6.2 Jahresperiodisierung ..................................................................................................................... 56 4.6.3 Modelle der Jahresperiodisierung................................................................................................. 56 4.6.4 Die Trainingseinheit ...................................................................................................................... 64 4.6.5 Praxisaspekt zur Periodisierung .................................................................................................... 64 Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 4 Athletik-Training Course Kraft 4.7 5 7 Zusammenfassung von Kapitel 4 ....................................................................................................... 68 Spezielle Trainingslehre im Krafttraining .............................................................................................. 70 5.1 Maximalkraft ..................................................................................................................................... 70 5.2 Schnellkraft ........................................................................................................................................ 71 5.3 Reaktivkraft ....................................................................................................................................... 71 5.4 Kraftausdauer .................................................................................................................................... 72 5.5 Grundlegende Trainingsrichtlinien der Kraftdimensionen ................................................................ 72 5.5.1 Sportliche Anfänger ....................................................................................................................... 73 5.5.2 Maximalkrafttraining ..................................................................................................................... 75 5.5.3 Schnellkrafttraining ....................................................................................................................... 77 5.5.4 Reaktivkrafttraining ....................................................................................................................... 78 5.5.5 Kraftausdauertraining ................................................................................................................... 78 5.6 Anpassungszeiten an Krafttraining .................................................................................................... 79 5.7 Methoden der Kraftmessung ............................................................................................................ 80 5.7.1 Der deduktive Ansatz .................................................................................................................... 81 5.7.2 Der induktive Ansatz ..................................................................................................................... 82 5.7.3 Messung in der Praxis ................................................................................................................... 83 5.7.4 Rumpfkrafttest .............................................................................................................................. 84 5.8 6 SPORTLEREI AKADEMIE Zusammenfassung von Kapitel 5 ....................................................................................................... 86 Spezielle Methodik im Athletiktraining (Rahmenprotokolle) ................................................................ 88 6.1 Klassisches Beispiel eines Muskelaufbauprogramms ........................................................................ 88 6.2 Hypertrophiespezifisches Training (HST) ........................................................................................... 91 6.3 German Volume Training für Masseaufbau ...................................................................................... 94 6.4 Westside Training zur Kraftsteigerung .............................................................................................. 96 6.5 High Intensity Training (HIT) .............................................................................................................. 99 6.6 5x5 Training als Kompromiss ...........................................................................................................101 6.7 Die Wahl des richtigen Protokolls ...................................................................................................102 6.8 Beispiel Trainingsplanung ................................................................................................................103 6.9 Zusammenfassung von Kapitel 6 .....................................................................................................110 Lernkontrollfragen .............................................................................................................................. 111 7.1 Lernkontrollfragen zu Kapitel 2 .......................................................................................................111 7.2 Lernkontrollfragen zu Kapitel 3 .......................................................................................................111 7.3 Lernkontrollfragen zu Kapitel 4 .......................................................................................................111 7.4 Lernkontrollfragen zu Kapitel 5 .......................................................................................................112 7.5 Lernkontrollfragen zu Kapitel 6 .......................................................................................................112 Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 5 Athletik-Training Course Kraft 8 9 SPORTLEREI AKADEMIE Lösungen zu den Lernkontrollfragen ................................................................................................... 113 8.1 Lösungen zu Kapitel 2 ......................................................................................................................113 8.2 Lösungen zu Kapitel 3 ......................................................................................................................114 8.3 Lösungen zu Kapitel 4 ......................................................................................................................115 8.4 Lösungen zu Kapitel 5 ......................................................................................................................116 8.5 Lösungen zu Kapitel 6 ......................................................................................................................118 Tabellenverzeichnis ............................................................................................................................ 120 10 Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................................ 121 11 Glossar ............................................................................................................................................... 122 12 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................ 126 Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 6 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE 3 Physiologische Grundlagen der Kraft Wie bereits eingangs erwähnt (Kapitel 2 Q) setzt sich Athletik aus verschiedenen Fähigkeiten zusammen. Alle haben jedoch physiologische Grundlagen, die die Leistung des Athleten bestimmen. Sportliche Leistungen sind ohne motorische Kraft nicht zu verwirklichen. Grundlage aller Kraftbetrachtungen ist die physikalische Gesetzmäßigkeit, nämlich Kraft als das Produkt aus Masse und Beschleunigung: Kraft = Masse x Beschleunigung Im Einzelnen ergeben sich im Sport folgende Kraftsituationen: Es müssen… - Der Schwerkraft und dem eigenen Körpergewicht entgegengewirkt werden (z.B. Kreuzhang beim Turnen), Die eigene Körpermasse oder zugeschaltete Lasten beschleunigt werden (z.B. Sprünge, Würfe, Gewichtheben), Die Reibungs-, Luft- oder Wasserkraft überwunden werden (z.B. Rudern, Schwimmen), Die Kräfte des Gegners überwunden werden (z.B. Judo, Ringen), Die elastischen Kräfte von Gegenständen überwunden werden (z.B. Expander, Gummiband) Für die Wahl der möglichen Krafttrainingsmaßnahmen ist es weiterhin wichtig, nach dem Ziel der Bewegung zu unterscheiden. Folgende Ziele sind möglich: - Eine Bewegung in einer möglichst kurzen Zeit durchführen (z.B. Fechten, Sprinten: das erfordert einen hohen Kraftanstieg und in Abhängigkeit von der Last auch eine hohe Ausprägung der Maximalkraft). Durch eine Bewegung einem Körper eine hohe Endgeschwindigkeit geben (z.B. Kugelstoß, Speerwurf: das erfordert eine hohe Kraftentwicklung bei hoher Verkürzungsgeschwindigkeit der Muskulatur). Eine möglichst große Masse auf eine bestimmte Geschwindigkeit beschleunigen (z.B. Gewichtheben: das erfordert hohe Maximalkraft, hohe muskuläre Leistungsfähigkeit in bestimmten Bereichen der Kontraktionsgeschwindigkeit). Basisfähigkeit Subkategorien Komponenten Maximalkraft Schnellkraft Reaktivkraft Kraftausdauer (statisch, konzentrisch) (exzentrischkonzentrisch) (statisch, dynamisch) - - - Maximalkraft - Anaerob-alaktazider Stoffwechsel - Anaerob-laktazider Stoffwechsel - Aerob-glykolytischer Stoffwechsel Maximalkraft Explosivkraft Startkraft Muskuläre Leistungsfähigkeit Maximalkraft Explosivkraft Startkraft Reaktive Spannungsfähigkeit Tabelle 1 Hierarchische Gliederung der Kraft in verschiedene Kraftarten und ihre Komponenten (Grosser, 2012) Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 18 Athletik-Training Course Kraft 3.1 SPORTLEREI AKADEMIE Physiologie der Kraft Die Kraft wird hauptsächlich durch die Faserzusammensetzung und die Koordination (sowohl innerhalb, als auch zwischen den Muskeln) bestimmt. An diesen drei Stellschrauben kann der Trainer drehen und wird bezogen auf das Ziel eine Verbesserung erreichen können. 3.1.1 Fasertypenzusammensetzung Der menschliche Muskelapparat besteht grob aus drei Arten von Muskelfasern, die überall am Körper in Kombination vorkommen. Die Verteilung dieser Muskelfasern bestimmt dabei in nicht unerheblichem Maße die sportliche Leistungsfähigkeit des Athleten. Es gibt die roten, langsam zuckenden Muskelfasern (slow twitch/ST), die eine erhöhte Ermüdungsresistenz vorweisen und somit überwiegend für langanhaltende oder stetig wiederkehrende Belastungen herangezogen werden. Die ST-Fasern werden in wissenschaftlicher Literatur auch als Typ I bezeichnet. Sie zeichnen sich durch eine erhöhte Mitochondrienanzahl aus. Sie arbeiten deshalb und aufgrund bestimmter Enzyme vorwiegend aerob, also unter Anwesenheit von Sauerstoff. Aufgrund dessen ist der Myoglobingehalt höher, was den Fasern eine rötliche Färbung verleiht. Anteil von ST-Fasern ist in stützender Muskeln wie beispielsweise dem m. soleus hoch (de Marées, 2003). Außerdem gibt es die FT-Fasern (fast twitch), auch Typ II genannt. Innerhalb derer teilt man weiter in Typ IIA und Typ IIX ein. Sie haben einen geringeren Myoglobingehalt und haben daher eine weiße Färbung. Typ IIXFasern sind die Fasern, die am schnellsten zucken und die meiste Kraft produzieren. Sie ermüden aber auch viel schneller als Typ I-Fasern. Typ IIA-Fasern kontrahieren immer noch schneller als Typ I, jedoch nicht so schnell wie Typ IIX-Fasern. Der Gehalt an Typ II-Fasern ist bei „bewegender“ Muskulatur, wie beispielsweise dem m. latissimus dorsi (nach Johnson, 1973) hoch. Hinweis: In Fachkreisen erfolgt teilweise eine Einteilung der Muskelfasern in bis zu sieben Typen. Dies würde aber zu weit führen und hat wenig praktische Relevanz. Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 19 Athletik-Training Course Kraft Typ I SPORTLEREI AKADEMIE Typ II Typ IIA Typ IIX Langsam kontrahierend Schnell Sehr schnell kontrahierend Kontraktionsdauer 75ms 30ms 20ms Wenig Kraft pro Kontraktion Kräftige Kontraktion Sehr große Kraft pro Kontraktion Ermüdungsresistent Ermüdbar Schnell ermüdet Kleine Motoneurone Große Motoneurone Große Motoneurone Kleine mot. Endplatten Größere Große mot. Endplatten Reizschwellen niedrig Höher Hoch Sehr viele Mitochondrien Viele Wenig Sehr viel Myoglobin Mäßig viel Wenig Sehr viele Kapillaren viele Wenig Wenig Phosphagene Speicher Viele Sehr viele Myosin-ATP-ase Aktivität gering Hoch Sehr hoch Viel Fett und KH Viel KH Sehr viel KH gespeichert Mit hochaktiven Enzymen des aeroben Fettund KHStoffwechsels ausgestattet Mit Enzymen des aeroben und anaeroben Stoffwechsels versehen Dominanz von Enzymen anaeroben Stoffwechsels Querschnitt 3100 bis 5000 ² 4400 bis 5900 ² 3500 bis 5300 ² des Tabelle 2 die wesentlichen Merkmale der einzelnen Muskelfasertypen (nach Badtke et al. 1995, 25) In obiger Tabelle sind detaillierte Merkmale der einzelnen Muskelfasertypen dargestellt. Es sind erheblich Unterschiede festzustellen. Nach dem Hennemann‘schen Prinzip werden bei geringen Kraftanforderungen vor allem Typ I-Fasern rekrutiert. Je höher die Anforderungen werden, desto mehr Typ II-Fasern werden auch rekrutiert. Die elektrische Schwelle für eine Aktivierung der Typ II-Fasern ist höher, weshalb sie eben seltener aktiviert werden. Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 20 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Abbildung 7 Faserrekrutierung (Quelle: Sportlerei Akademie) Werden viele elektrische Impulse an die Muskulatur gesendet bzw. ist das elektrische Signal stark, so werden vorwiegend Typ II-Fasern benutzt und die Kraft steigt. Sehr deutlich ist zu erkennen, dass es ein fließender Verlauf ist und man nicht sagen kann, dass ab einer gewissen Schwelle nur noch Typ I oder Typ II Fasern verwendet werden (Baechle, 2008). Die Faserverteilung ist genetisch vorgegeben, wonach es also wirklich „geborene Sprinter“ und Langzeitausdauersportler gibt. Mit Training kann nur bedingt Einfluss auf die Muskelfaserverteilung genommen werden. Eine Umwandlung von Typ IIX- zu Typ IIA-Fasern wird als Folge von Krafttraining angenommen. Ebenfalls wird eine Umwandlung von Typ IIA- zu Typ IIX-Fasern angenommen, falls über einen längeren Zeitraum vor allem explosives Training oder Training der Schnelligkeit betrieben wurde. Auch kann eine Umwandlung von Typ II (A und X) in Typ I bei langanhaltendem Ausdauertraining stattfinden. Dies erklärt auch, warum Sprinter bei genug Training recht passable Langstreckenzeiten erzielen können, Langstreckenläufer aber nur sehr mäßige Sprintleistungen (de Marées, 2003). Denn eine Umwandlung von Typ I zu Typ II wird stark bezweifelt (Beardsley, 2013). Abbildung 8 Umwandlungsprozesse der Muskelfasern (Quelle: Sportlerei Akademie) Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 21 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Die Muskelfasern reagieren unterschiedlich auf Belastung. Training von Maximalkraft Schnelligkeit, Schnellkraft, Flächenvergrößerung der FT-Fasern Vermehrung der kontraktilen Elemente Vermehrung Zellplasma der anaeroben wegen Enzyme Training von Kraftausdauer, Ausdauer Flächenvergrößerung der ST-Fasern wegen Vermehrung und Vergrößerung der Mitochondrien im Vermehrung der aeroben Enzyme in den Mitochondrien Glykogenvermehrung in den FT-Fasern Myoglobinvermehrung Rückgang der Kapillarisierung (Kapillarenzahl pro Faser) Glykogenvermehrung in den ST-Fasern Zunahme der Diffusionsstrecke für Sauerstoff durch die Hypertrophie Metabolische Differenzierung der FT-Fasern in Richtung FTO- und ST-Fasern Zunahme der Kapillarisierung (Kapillarenzahl pro Faser), erhöhte Durchlässigkeit der Kapillarenwand, Schlängelung Führt bei hohem Leistungsniveau zu einem Rückgang der aeroben Ausdauerfähigkeit Führt bei hohem Leistungsniveau zu einem Rückgang der Schnelligkeit, Schnellkraft und Maximalkraft Tabelle 3 Anpassungsreaktionen der Muskelfasertypen auf spezifische Belastungsreize Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 22 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Die oben dargestellte Flächenvergrößerung sollte immer relativ betrachtet werden. Denn Typ I-Fasern hypertrophieren bei Training zwar auch, jedoch sind diese Zuwächse nur extrem gering. Die dicksten Muskelfasern sind Typ IIA-Fasern. Diese wachsen auch am stärksten bei Hypertrophietraining. Andersrum sind die Trainingseffekte von Ausdauertraining bei den Typ I-Fasern am stärksten zu beobachten. 3.1.2 Intramuskuläre Koordination Unter intramuskulärer Koordination versteht man das Zusammenspiel von Nervensystem und einem einzelnen Muskel, was im Optimalfall zur Rekrutierung möglichst vieler Muskelfasern des Hauptbewegungsmuskels führt. „…ist die Fähigkeiten, mehr motorische Einheiten eines Muskels gleichzeitig zu aktivieren und damit kontrahieren zu können.“ (Weineck, 2010b) Je höher die Anzahl der herangezogenen Fasern ist, desto größer ist das Kraftpotential für die Bewegung. Durch spezielles Training lassen sich mehr Muskelfasern rekrutieren, was sich beim Sprinttraining durch eine gesteigerte Leistungsfähigkeit bemerkbar macht. Je besser die intramuskuläre Koordination innerhalb der benötigten Muskeln zur Erlangung einer höheren Geschwindigkeit ist, desto besser fallen Beschleunigungswerte und Endgeschwindigkeit aus. Die intramuskuläre Koordination beschreibt also die Anzahl der Fasern die bei einer Aktion auch tatsächlich verwendet werden. 3.1.3 Intermuskuläre Koordination Die Intermuskuläre Koordination ist das Zusammenspiel mehrerer Muskeln in einer Bewegung (Weineck, 2010b). Es finden verschiedene Prozesse zum synchronen Ablauf statt. Ein Beispiel für die Wichtigkeit der intermuskulären Koordination sei der Sprint: Beim Sprint ist der gesamte Bewegungsapparat notwendig und aktiv. Es werden beide Körperhälften sowie die gesamten oberen und unteren Extremitäten benötigt. Im Bereich der Beine sind sowohl die Beinstrecker als auch die beinbeugenden Muskeln aktiv und wechseln sich in der Arbeit ab. Die Rumpfmuskulatur muss ausreichend Stabilität aufbringen, damit eine gute Kraftübertragung gewährleistet ist. Vor allem ein ausgewogenes Verhältnis von Bauch und Rückenmuskulatur ist notwendig, damit eine aufrechte Körperhaltung möglich ist. Der Schultergürtel und die Arme dienen als Schwungelemente und sind erheblich am Erhalt der Lauffrequenz beteiligt. Die Armbewegung benötigt ausreichend stark ausgeprägte Rücken- und Brustmuskeln um eine flüssige Bewegung zu gewährleisten. Sobald ein Glied in dieser Bewegungskette zu schwach bzw. ein anderes zu stark ausgebildet ist, müssen alle anderen beteiligten Muskeln dieses Defizit kompensieren und dagegen arbeiten. So muss beispielsweise die Rumpfmuskulatur dafür sorgen, dass das Becken möglichst gerade stehen bleibt und dennoch eine ausreichend große Öffnung der Hüfte möglich ist. Sollten die Hüftbeuger zu wenig flexibel sein, zieht sich dies durch die gesamte Bewegung und der restliche Bewegungsapparat leidet unter der zusätzlichen Belastung. Eine zu schwache Muskulatur im Bereich des oberen Rückens kann dazu führen, dass der Oberkörper nach vorne absinkt, was wiederum zu einer eingeschränkten Atemfähigkeit unter Belastung führen kann. Sind nun die physiologischen Grundlagen der Kraft verstanden habe, widmen wir uns nun den einzelnen Erscheinungsformen der Kraft. Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 23 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Übung 2 Geben sie in eigenen Worten den Unterschied zwischen inter- und intramuskulärer Koordination wieder. Antwort: 3.2 Genetische Faktoren Neben den trainierbaren Faktoren wie der intra- und intermuskulären Koordination wird die Kraft aber auch von genetische Faktoren bedingt, die fast nicht beeinflusst werden können. Zwar kann man „gegen“ seinen Körpertyp trainieren indem man beispielsweise versucht mehr Muskelmasse aufzubauen, jedoch ist dies schwierig und mit viel Anstrengung und Geduld verbunden. 3.2.1 Körpertypen Ein weiterer nicht unwesentlicher Faktor im Kraftbereich ist der Körpertyp. Dabei reicht die Spannbreite von groß und dünn bis klein und stämmig. Natürlich gibt es keine festen Muster bei menschlichen Körpern, dennoch kann man von einer relativ grundlegenden Einteilung ausgehen. Diese wurde von William Sheldon bereits in den 30er Jahren beschrieben. Diese Unterteilung ist auch heute in der Trainingswissenschaft und der Sportmedizin noch in Verwendung. Als Trainer sollte man die Körpertypen kennen und wissen wie diese auf Training reagieren. Jeder Typ hat entsprechend Vorteile und Nachteile im Wettkampf. Der Trainer muss vor Beginn des Trainings entscheiden, ob er an den spezifischen Stärken oder den Schwächen arbeiten will. Hier gilt es auch die zur Verfügung stehende Zeit zu beachten. Falls viel Zeit (zum Beispiel zwischen zwei Saisons) verfügbar ist, kann versucht werden die Schwächen zu beheben. Denn das erfordert mehr Zeit. Der Leptosome – der ektomorphe Typ Er wird charakterisiert durch (relativ) kurzen Oberkörper, lange Arme und Beine, schmale Füße und Hände sowie geringe Fettansammlung. Erkennbar sind ein eher kleiner Brustkorb und schmale Schultern, meist lange, dünne Muskeln. Die Haare sind dünn und nicht dicht. Ektomorphe/leptosome Menschen sind meist hochwüchsig; es besteht aber auch die Möglichkeit geringer Körpergröße bei Ektomorphie. Häufig findet sich eine geringere Relativkraft wieder. Bei „schlaksigen“ Athleten ist zwar der Körperfettanteil oft sehr gering, die Kraftleistung jedoch auch. Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 24 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Optische Merkmale meist groß und schlank kurzer Oberkörper, lange Arme und Beine schmale Füße und Hände schmale Schultern, kleiner Brustkorb meist lange und dünne Muskeln geringes Körperfett oft schlechte Körperhaltung zu beobachten schneller Stoffwechsel bei geringer Stoffwechseleffektivität Abbildung 9 Peter Crouch (Quelle: wikipedia) Abbildung 10 ektomorpher Typ (Quelle: docstoccdn.com) Typischerweise fällt es solchen Athleten schwer Muskelmasse aufzubauen. Daher würden sie auch von einigen Kilo mehr Muskelmasse profitieren, um beispielsweise im Zweikampf besser bestehen zu können. Hier muss der Athletiktrainer wissen, dass ein Hypertrophietraining nicht über sechs bis acht Wochen zum Ziel führt, sondern ein längerer Weg ansteht. Im Profisport beispielsweise über mehrere Saisons. Der Athlet – der mesomorphe Typ Erkennbar sind ein mächtiger Brustkorb, feste und dicke Haare, Körper in V-Form (Sanduhrform bei Frauen), dicke Haut, markante Wangenknochen und massiver Unterkiefer, langes und breites Gesicht, Fettanlagerungen im Allgemeinen meist nur an Bauch und Hüfte, große Hände und Füße, langer Oberkörper, kräftige Muskulatur und große Körperkraft. Die Mesomorphie kann in athletische und normale Form unterteilt werden. Optische Merkmale breiter Brustkorb, schmales Becken (V-Form, bei Frauen Sanduhrform) Fettanlagerungen meist an Bauch und Hüfte kräftige Muskulatur, kompaktes Skelett- und Bindegewebe in der Regel gute Körperhaltung Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 25 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Abbildung 11 mesomorpher Typ (Quelle: docstoccdn.com) Abbildung 12 David Haye (Quelle: the-safe-house.com) Mesomorphe Körpertypen sind die klassischen Athleten. Sie bauen leicht Muskelmasse auf und Fett ab. Als Trainer hat man hier gute Chancen ein hochwirksames Training zu planen und durchzuführen. Die mesomorphen Sportler adaptieren schnell und können gut belastet werden. Sie zeichnen sich auch durch hohe relative Kraft aus. Der Pykniker – der endomorphe Typ Erkennbar sind weiche Muskulatur, kurze Arme und Beine, rundes Gesicht, kurzer Hals, glatte und weiche Haut, breite Hüften, starke Fettaufspeicherung und viele, aber dünne Haare. Auf den Philosophen G.W.F. Hegel zurückgehend ist dieser Konstitutionstypus in Süddeutschland auch bekannt unter dem Begriff der Bierwirtsphysionomie. Endomorphe Menschen werden häufig als klein und adipös beschrieben; es gibt aber auch hochwüchsige mit endomorphem Körperbautyp. Endomorphe leben von ihrer Kraft, die meist sehr hoch im Vergleich zu anderen ist. Häufig findet man hier auch Gewichtheber, Powerlifter und Strongmen. Optische Merkmale meist klein, kurze Arme und Beine rundes Gesicht weiche Muskulatur breites Becken gleichmäßig erhöhtes Körperfett Hang zur Adipositas (Fettleibigkeit) gute Nährstoffresorption und langsamer Stoffwechsel Abbildung 13 endomorpher Typ (Quelle: docstoccdn.com) Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 26 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Als Trainer kann man bei endomorphen Sportlern von viel Kraft ausgehen. Der Trainer sollte aber darauf achten hin und wieder intensive Einheiten zur Fettverbrennung einzulegen. Endomorphe Sportler tendieren leicht zu Fettansammlungen, und könnten dadurch auch ihren Wettbewerbsvorteil verlieren. HIIT-Training bietet sich hier besonders an. Abbildung 14 Brock Lesnar (Quelle: allstarworkout.com) Der Mischtyp Niemand ist ein völlig reiner Typus, sondern jeder weist Merkmale aller drei Typen auf. Man unterscheidet in der Sheldonschen Typologie etwa achtzig Untergruppen. Die Fettanspeicherung, der Muskelaufbau und der Skelettbau sind dabei eng korreliert. Ein endo-mesomorpher Typ wäre beispielsweise ein grundsätzlich muskulöser sportlicher Typ, der dabei zu starkem Fettansatz neigt. 3.2.2 Hebel- und Längenverhältnisse Manche Menschen haben scheinbar von Natur aus mehr Kraft als andere. Häufig sind das endomorphe Typen. Dies liegt unter anderem daran, dass die Hebelverhältnisse bei bestimmten Kraftübungen den körperlichen Gegebenheiten der endomorphen zugutekommen. Beispielsweise sind für das Bankdrücken eine große Brust und kurze Arme von Vorteil, da hier das Gewicht nicht so weit nach oben gedrückt werden muss. Bei den Kniebeugen sind ebenfalls kürzere Gliedmaßen von Vorteil. Lange Beine wären nachteilig, da der Weg weiter wäre und die Intensität sich so erhöhen würde. Ein einfaches Rechenbeispiel verdeutlicht diesen Sachverhalt: Athlet A und B müssen beide 150 Kilo auf der Bank drücken. Athlet A muss dabei einen Weg von 55 cm zurücklegen bis er das Gewicht komplett gedrückt hat. Athlet B jedoch nur 52 cm. Athlet A: 150 kg x 55 cm = 8250 kg x cm Athlet B: 150 kg x 52 cm = 7800 kg x cm Ein weiterer Faktor der die individuellen Unterschiede im Sport erklären kann, sind die Sehnenansatzpunkte, also die Punkte an denen die Sehne am Knochen ansetzt. Diese wiederum beeinflussen die Hebel. Die Sehne ist vereinfacht gesagt das Verbindungsstück zwischen Muskel und Knochen. Die Sehne überträgt die Kraft, die von der Muskelkontraktion ausgeht auf die Knochen und es kommt zu einer Bewegung. Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 27 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE 5 Spezielle Trainingslehre im Krafttraining Nachdem das Athletiktraining allgemein (Kapitel 1 und 2 Q), die biologischen Grundlagen der Kraft (Kapitel 3 Q), sowie die Grundlagen der Trainingslehre und der Trainingsplanung (Kapitel 4 Q) erläutert wurden, folgt nun die spezielle Krafttrainingslehre. 5.1 Maximalkraft „Die Maximalkraft ist die höchstmögliche Kraft, die das Nerv-Muskel-System bei maximaler willkürlicher Kontraktion auszuüben vermag.“ (Mühlfriedel, 1994) Die Maximalkraft ist das wichtigste Maß im Krafttraining. Wichtig ist es zu wissen, dass man die absolute Maximalkraft willentlich nicht erreichen kann. Der Körper hat autonom geschützte Reserven, die er nur in Notsituationen freigibt. Diese Form wird als Absolutkraft bezeichnet. Von der Maximalkraft leiten sich alle anderen Kraftformen ab. Maximalkraft Schnellkraft isometrisch, konzentrisch Kraftausdauer exzentrisch, konzentrisch (DVS) isometrisch, konzentrisch exzentrisch, konzentrisch (DVS) Explosivkraft Reaktivkraft Impulsgröße Impulsgröße Dyn. Real. Explosivkraft Kraftmaximum Ermüdungswid erstand Ermüdungswid erstand Dyn. Real. Kraftmaximum Abbildung 34 Kraftdimensionen (Turbanski, 2015) Dies bedeutet, dass durch eine Steigerung der Maximalkraft auch positive Effekte auf die untergeordneten Kraftfähigkeiten genommen werden können. Eine weitere Unterteilung der Maximalkraft erfolgt anhand der Muskelarbeitsweisen. Es gibt sowohl eine konzentrische Maximalkraft, also bei Bewegungen, bei denen sich Ursprung und Ansatz der arbeitenden Muskulatur entfernen, als auch eine exzentrische Maximalkraft, bei Bewegungen, bei denen sich Ursprung und Ansatz entfernen. Außerdem gibt es eine isometrische Maximalkraft bei statischen Bewegungen. Die höchste Maximalkraft wird bei exzentrischen Bewegungen erzielt. Sie liegt circa. 30 bis 40% höher als die isometrische (zweithöchste Kraftform) und konzentrische. Diese Differenz wird Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 70 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE als Kraftdefizit bezeichnet. Bei gut trainierten kann diese Differenz deutlich geringer werden und wird so auch als Maß für die willentlich zur Verfügung stehende Kraft verwendet. Die relative Kraft gibt das Verhältnis zwischen Kraft und Körpergewicht wider. Ist sie höher, kann relativ zum Körpergewicht mehr Kraft aufgebracht werden (nach Grosser, 2008). Die Maximalkraft beeinflusst stark die Sprint- und Sprungleistung. Sowohl Hoff & Helgerud (2004), als auch Wisloff (2004) kommen zu diesem Schluss. Wisloff untersuchte den Zusammenhang zwischen der maximalen Kniebeugeleistung, der Sprintleistung und der Sprunghöhe. Ähnliche Effekte zeigte auch Manolopoulos (2013). 5.2 Schnellkraft „Die Schnellkraft ist die Fähigkeit des Nerv-Muskel-Systems, Widerstände mit einer hohen Kontraktionsgeschwindigkeit zu überwinden.“ (Mühlfriedel, 1994) In Abhängigkeit von der Sportart kommt es zu einer unterschiedlichen Gewichtung der Einflussfaktoren auf die Schnellkraft. Hat ein Sportler nur wenig Zeit (weniger als 250 ms), um einen Impuls zu erzeugen, dann sind die Höhe der Startkraft und die Größe des Kraftanstieges (Explosivkraft s. u.) von Bedeutung. Solche Sportarten sind z. B. das Fechten, das Boxen, der Sprint und alle reaktionsabhängigen Sportarten. Hat ein Sportler Zeit, um einen Impuls zu erzeugen, wie beim Hammer-, Diskus-, Speerwurf, beim Kugelstoßen oder auch bei Sprüngen, die eindeutig mit langen Bodenkontaktzeiten ausgeführt werden können (z. B. Volleyball), dann tritt die Leistungsfähigkeit der Muskulatur als bestimmende Eigenschaft für die Schnellkraft in den Vordergrund. Bei diesen Sportarten kommt es darauf an, dass die Muskulatur in konzentrischer Arbeitsweise noch große Kräfte aufbringen kann. Nach diesen Erklärungen ist es günstig, zwei Definitionen der Schnellkraft zu unterscheiden, eine Definition, die das Ziel ausdrückt, eine Bewegung in kurzer Zeit auszuführen, und eine Definition, die erkennen lässt, dass man nicht zeitlimitiert einem Gegenstand eine hohe Endgeschwindigkeit erteilen muss. Die Schnellkraft für Bewegungen unterhalb 250 ms ist hauptsächlich die Fähigkeit, möglichst große Kraftwerte innerhalb kürzester Zeit zu erzielen; sie kann durch die Schnellkraftparameter bestimmt werden. Die Schnellkraft für Bewegungen über 300 ms ist durch die muskuläre Leistungsfähigkeit bestimmt und kann durch sie erfasst werden. Die Startkraft ist der Kraftwert, der 50 ms nach Kontraktionsbeginn erreicht wird, d. h. die Fähigkeit, einen hohen Kraftwert schon zu Beginn der Kontraktion zu erreichen. Die Explosivkraft wird durch den maximalen Kraftanstieg innerhalb einer Kraft-Zeit-Kurve bestimmt, der bei maximal schneller Kontraktion gegen einen statischen Widerstand erzeugt wird. 5.3 Reaktivkraft „Reaktivkraft ist die exzentrisch-konzentrische Schnellkraft bei kürzest möglicher Kopplung (< 200 ms) beider Arbeitsphasen, also in einem Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus.“ (Grosser, 2012) Anders ausgedrückt: Reaktivkraft ist die Fähigkeit, einen Impuls im Dehnungs-Verkürzungszyklus zu erzeugen. In sog. Reaktivbewegungen, wie beispielsweise Niedersprüngen, Absprüngen mit Anlauf und schnellen Laufschritten, tritt der sog. Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus auf. Es kommt hierbei zunächst zu einer kurzen exzentrischen Dehnung der Muskulatur, verbunden mit einem eigenständigen Innervations- und Elastizitätsverhalten, dann zur konzentrischen Phase, in die, die Wirkung der Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 71 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Voraktivierung, die gespeicherte elastische Spannungsenergie und Reflexinnervation aus der vorhergehenden Phase eingehen. Leistungsbestimmend sind hier neben den Faktoren Muskelfaserquerschnitt und Zusammensetzung das Elastizitäts- und Innervationsverhalten von Muskeln, Sehnen und Bändern. Dieses Elastizitäts- und Innervationsverhalten wird auch als reaktive Spannungsfähigkeit bezeichnet; sie ist die Grundvoraussetzung der Reaktivkraft. Die Reaktivkraft selbst kann als eine Sonderform der Schnellkraft gesehen werden. 5.4 Kraftausdauer „Kraftausdauer ist die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, eine möglichst große Kraftstoßbzw. Impulssumme in einer gegebenen Zeit gegen höhere Lasten zu produzieren.“ (Mühlfriedel, 1994) Damit ist jedoch keine Festlegung auf Höhe und Dauer des Krafteinsatzes getroffen. Infolgedessen wird aus trainingsmethodischen Gründen nach dem Kriterium "Größe des Krafteinsatzes" unterteilt in: Maximalkraftausdauer (auch: hochintensive Kraftausdauer): über 75% der Maximalkraft bei statischer und dynamischer Arbeitsweise. (Submaximale) Kraftausdauer (auch: mittelintensive Kraftausdauer): 75 – 50% der Maximalkraft bei dynamischer Arbeit, bis 30% bei statischer Arbeit. (Aerobe) Kraftausdauer (auch: Ausdauerkraft): 50 – 30% der Maximalkraft bei dynamischer Arbeitsweise. In dieser Gliederung (nach Kraftgröße und Arbeitsweise) sind indirekt auch die unterschiedlichen Stoffwechselvorgänge und damit typischen Zeitverhältnisse für Kraftausdauerleistungen berührt. Um die Kraftausdauer quantitativ zu erfassen, können die Definitionen lauten: „Dynamische Kraftausdauer ist die Fähigkeit, bei einer bestimmten Wiederholungszahl von Kraftstößen (= Kraft x Zeit) innerhalb eines definierten Zeitraums, die Verringerung der Kraftstöße möglichst gering zu halten. Statische Kraftausdauer ist die Fähigkeit der Muskulatur, einen bestimmten Kraftwert über eine definierte Anspannungszeit möglichst ohne Spannungsverlaust zu halten." (Grosser, 2012) Übung 12 Überlegen sie welche Kraftarten bei folgenden Sportarten dominant sind: Fußball Reiten Tennis Gewichtheben Volleyball Joggen Rudern Karate Golf Frisbee 5.5 Grundlegende Trainingsrichtlinien der Kraftdimensionen Die Begriffe „Protokolle“, „Programme“ und „Trainingssysteme“ werden im weiteren Verlauf synonym verwendet. Im Folgenden werden methodische Richtlinien für das Training der verschiedenen Kraftdimensionen dargestellt. Sie dienen der Vermittlung der allgemein gültigen Grundsätze der Trainingslehre. Ausgehend vom Trainingsziel kann dann die Methode gewählt werden. Die Angaben sind speziell für die Gestaltung einer Trainingseinheit geschrieben. Rahmentrainingsprotokolle mit Gestaltungshinweisen im Wochenverlauf folgen später im Lehrbrief. Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 72 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass es eine isolierte Trainingswirkung nicht gibt. Jede Kraftbelastung hat zunächst komplexen Wirkungscharakter. Dies wird schon darin deutlich, dass bei jeder Belastung mehrere biologische Funktionsbereiche (z.B. Muskel, Energiebereitstellung, Hormonsystem) angesprochen werden und die erste messbare Kraftsteigerung – unabhängig von der gewählten Belastungsmethode – durch eine Verbesserung der Koordination hervorgerufen wird. Es ist allerdings möglich, durch bestimmte Belastungsgestaltung die eine oder andere Wirkungsrichtung zu akzentuieren. An solche Akzentuierungen ist bei der differenzierten Entwicklung von Maximalkraft und anderen Kraftformen zu denken. In diesem Kapitel werden verschiedene Trainingsformen vorgestellt, die alle durch Parameter der klassischen Trainingslehre beschrieben werden. Dabei basieren alle Angaben auf Grosser (2012), sind aber in dieser Form in sämtlichen Standardwerken der Trainingslehre gleich oder nur minimal verändert vorhanden. Die Last (L) wird dabei in Prozent des Einer-Wiederholungsmaximums (EWM) angegeben. Vor dem Beginn des Krafttrainings muss daher das Einer-Wiederholungsmaximum bestimmt werden. Die Intensität (I) einer Belastung ergibt sich aus der Last und der Bewegungsgeschwindigkeit. Ist die Last sehr hoch und die Geschwindigkeit maximal ist die Intensität auch hoch. Ist nur die Bewegungsgeschwindigkeit sehr hoch, die Last aber gering, so ist die Belastung aber auch hoch, da die Geschwindigkeit hier dominant ist. Die Bewegungsgeschwindigkeit (Bg) kann in drei Formen unterteilt werden: langsam(gering)/zügig, schnell und explosiv-schnell. Im weiteren Verlauf werden folgende Abkürzungen benutzt: AW I L Da Bg Wh S P Arbeitsweise der Muskulatur Intensität Last Dauer einer Übung Bewegungsgeschwindigkeit Wiederholungszahl Serien Pausen 5.5.1 Sportliche Anfänger Hat man als Athletiktrainer mit unerfahrenen Sportlern zu tun oder betreut eine Mannschaft ohne Vorerfahrung auf dem Gebiet Krafttraining sollte man einiges beachten. Noch vor Aufnahme des Trainings sollte nach Möglichkeit ein medizinischer Check mit allen Spielern durchgeführt werden beziehungsweise bestehende gesundheitliche Probleme bekannt sein. Hat man nicht die professionellen Möglichkeiten einer Untersuchung für jeden Athlet, so kann durch ein Fragebogen und ein Anamnesegespräch viel in Erfahrung gebracht werden. Nach Planung des Trainings kann man mit der Durchführung beginnen. Beim ersten Training muss dem Athlet die richtige und sachgemäße Arbeit an den Gewichten gezeigt werden. Beispielsweise kann von einer Handballmannschaft ohne Erfahrung im Krafttraining nicht erwarten zu wissen, wie man die Hantelscheiben ordentlich aufhebt und absetzt. Häufig kommt es zu Verletzungen weil die Sicherheitshinweise nicht befolgt werden oder schlimmer noch: gar nicht bekannt sind. Hier muss sich der Trainer Zeit nehmen und die Athleten ausbilden. Die Sicherungshinweise müssen gekannt und befolgt werden: Es muss ein Warm Up erfolgen Die Gewichte müssen rückengerecht gehoben und abgestellt werden (möglichst gerader Rücken) Die Gewichte müssen an Langhantelstangen immer gesichert sein Die Übungstechnik muss bekannt sein bei Fragen an Trainer wenden Bewegungsqualität geht immer vor Wiederholungsanzahl Abbruch der Übung bei Qualitätsverlust Bei Training mit maximalen Gewichten sollte ein Trainingspartner zum Eingreifen vorhanden sein Richtiges Schuhwerk muss vorhanden sein Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 73 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Bei Schwindel, Atemnot, Schmerzen (keine Trainingsschmerzen), Krämpfen wird das Training unterbrochen oder sogar eingestellt Generell gelten für die Planung eines Trainings für sportliche Anfänger auch wieder die Grundlagen der Trainingslehre mit den Trainingsprinzipien. Einfache Übungen müssen dem Anfänger nahegebracht werden, bevor die Intensität und Komplexität gesteigert werden kann. Wollen die Handballer aus dem Beispiel mit Athletiktraining beginnen, sind einbeinige Kniebeugen auf dem Bosu-Ball keine Mittel der Wahl. Orientierend am Lernverhalten des Menschen sollte der Trainer dem Athlet oder der Mannschaft die Übungen vormachen, erklären und dann nachmachen lassen. So lernen die Sportler visuell, auditiv und propriozeptiv „am eigenen Leib“. Ziel sollte es sein gemäß der Trainingslehre einen leistungsgerechten Fortschritt zu erzielen und die Trainierenden an die Grundübungen zu führen. Diese sind Bankdrücken, Kniebeugen, Kreuzheben, Schulterdrücken und Klimmzüge. Die Übungen sind nicht ohne Grund die bekanntesten. Sie versprechen die größten Effekte im Kraft- wie auch Hypertrophiebereich. Sind die Grundübungen aus Beweglichkeitsgründen noch nicht möglich, sollte es das Ziel sein durch begleitendes Training dort hin zu kommen. Oft wird die wichtige Phase des Techniktrainings übersprungen, um sofort unter hohen Lasten zu trainieren. Wird die Technik aber nie gelernt, trainieren die Sportler teilweise jahrelang mit unsauberer Technik. Das kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgeschäden durch Fehlbelastungen des aktiven und passiven Bewegungsapparates führen. Beispielsweise sollte auf die Handstellung beim Bankdrücken eingegangen werden, sonst kann eine Überlastung des Handgelenks stattfinden und es können chronische Probleme auftreten. Hier sieht man deutlich, dass die Bewegungen erst gelernt werden müssen, bevor angefangen wird mit hohen Gewichten zu trainieren. Bei Mannschaftssportlern oder Athleten, deren Hauptsportart eine andere ist muss bei solchen Intensitäten auch darauf geachtet werden keine Überlastungen zu provozieren. Sonst könnte es zu Leistungsabfall im sportartspezifischen Training oder Wettbewerb kommen. Hier muss eine enge Zusammenarbeit mit dem Haupttrainer stattfinden. Der Athletiktrainer sollte sich stets mit dem Haupttrainer über den aktuellen Verlauf austauschen. Gegebenenfalls muss auch auf die eine oder andere Trainingseinheit verzichtet oder die Intensität gesenkt werden. Dadurch kann man die Regeneration besser steuern. Hat die Handballmannschaft beispielsweise zwei sehr wichtige Spiele in den kommenden Tagen sollte auf anstrengendes Maximalkrafttraining direkt vor den Spielen verzichtet werden. Die Leistung in den Spielen könnte sichtlich abfallen und so käme es zu Niederlagen. Gerade bei Anfängern im Krafttraining ist eine Selbsteinschätzung meist noch nicht so gut ausgeprägt. Der Trainer sollte dies berücksichtigen. Im weiteren Verlauf sollte der Trainer dementsprechend immer Phasen mit niedrigerer Intensität einbauen. Diese Vorgehensweise ist wie beim Training mit fortgeschrittenen Athleten gleich. Bei Anfängern im Krafttraining ist dies aber dahingehend anders, als dass (wie bereits angesprochen) die Anfänger häufig zu schnell zu viel wollen und sich selbst so in die Überlastung trainieren ohne es zu merken. Bei all diesen Punkten erkennt man, dass für Anfänger ein nicht maximal intensives Training zu bevorzugen ist. Entsprechend empfiehlt man den methodischen Ablauf: Kraftausdauer → Muskelaufbau → Maximalkraft → Schnelligkeit & Schnellkraft → Sprungkraft Im Kraftausdauertraining hat man die Möglichkeit aufgrund der relativ geringen Gewichte viele Wiederholungen zu absolvieren und dabei die korrekt-gelernten Bewegungsmuster zu festigen ohne Überlastungen zu provozieren. Nach einigen Wochen kann dann mit Muskelaufbau begonnen und die Intensität nach und nach gehoben werden. Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 74 Athletik-Training Course Kraft SPORTLEREI AKADEMIE Anfängermethode Diese Methode eignet sich für unerfahrene Sportler und solche, die bisher zwar ihre Hauptsportart betreiben, aber noch keine Krafttrainingserfahrung besitzen. Die Handballmannschaft ohne Erfahrung im Kraftraum beispielsweise. Aufgrund der leichteren Gewichte kann die Koordination und Übungsausführung geschult werden. So wird der Körper an Krafttraining gewöhnt und für spätere, stärker belastende Methoden vorbereitet. Gerade als Athletiktrainer im Amateurbereich sollte man von dieser Methode Gebrauch machen, da oft die nötige Krafttrainingserfahrung fehlt. Auch für verletzte Spieler, die sich gerade wieder erholen stellt diese Methode einen guten Einstieg dar. Methoden der leichten Krafteinsätze mit mittlerer Wiederholungszahl (= Anfängermethode) AW I L Bg Wh S P konzentrisch leicht/mittel 45 – 65% zügig 8 – 20 2 – 5; 10 – 15 verschiedene Übungen 1 – 3 Min; ohne volle Erholung Weitere Belastungsmerkmale: 5.5.2 Einfache Übungen (u.a. an Kraftmaschinen) Volle Bewegungsamplitude Agonisten und Antagonisten im Wechsel Allmähliche Steigerung der Last und Widerholungszahl Maximalkrafttraining Im Leistungssport wird Maximalkrafttraining in einem Bereich von eins bis fünf Wiederholungen mit sehr hohen Intensitäten (bis zu 100% der Maximalkraft) trainiert. Die mechanische Spannung auf die Skelettmuskulatur ist zwar maximal hoch, aber auf Grund der relativ kurzen Spannungsdauer (weniger als 20 Sekunden Zeit unter Spannung) spielen sich die Anpassungserscheinungen eher auf neuromuskulärer Ebene ab (Verbesserung der intramuskulären Koordination), als auf struktureller Ebene (siehe IK-Methode). Im Leistungsbodybuilding wird ebenfalls im Bereich der Maximalkraftentwicklung trainiert, hier allerdings eher im submaximalen Bereich (drei bis fünf Wiederholungen). Auf Grund der Kombination von sehr hohen mechanischen Spannungen und der im Gegensatz zum IK-Training längeren Spannungsdauer, kommt es bei dieser Trainingsmethodik sowohl zu einer Kraftsteigerung über neuromuskuläre Prozesse, als auch zu einem Dickenwachstum über Hypertrophieprozesse (siehe Hypertrophiemethode). Ein Maximalkrafttraining wird ausschließlich mit fortgeschrittenem oder leistungsorientiertem Training in Verbindung gebracht. Jedoch kann ein Maximalkrafttraining durchaus auch präventive und gesundheitsfördernde Aspekte verfolgen: Durch die hohen mechanischen Spannungen werden Bindegewebe und passive Strukturen des Bewegungssystems (z.B. Knochen) optimalen Trainingsreizen ausgesetzt, die durch ein eher umfangsorientiertes Training nie erzielt werden könnten. Durch die Verbesserung der Kraftentfaltung über neuromuskuläre Prozesse, können Alltagsbelastungen ökonomischer bewältigt werden. Es ist ein Trugschluss zu denken, dass Alltagsanforderungen, an die motorische Fähigkeit Kraft, immer nur umfangsorientiert sind. Gerade hochintensive Alltagsbelastungen (z.B. Heben und Tragen von schweren Gegenständen) können über ein hohes Kraftniveau besser kompensiert werden. Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 75
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