LOKAL HANDELN! EINE ERSTE UMWELT

Working Paper
No.133
LOKAL HANDELN! EINE ERSTE UMWELT- UND POLITOKONOMISCHE ANALYSE DES KOHLENDIOXIDMARKTES IN TOKIO (ACTING LOCALLY! A FIRST
ANALYSIS OF TOKYO'S CARBON MARKET)
Sven Rudolph, Toru Morotomi
Graduate School of Economics, Kyoto University
June, 2015
Lokal handeln!
Eine erste umwelt- und politökonomische Analyse des Kohlendioxid-Marktes in Tokio
Sven Rudolph und Toru Morotomi1
Zusammenfassung
Können auch lokale Treibhausgas-Märkte einen relevanten Beitrag zum Klimaschutz leisten?
Dieser Frage geht der vorliegende Beitrag am Beispiel der japanischen Hauptstadt nach.
Großstädte spielen eine zunehmend wichtige Rolle im Klimaschutz, ebenso wie der
Emissionshandel. Tokio, weltweit die größte Metropolregion, etablierte 2010 erstmals einen
auf den Stromverbrauch in Bürogebäuden fokussierten lokalen Kohlendioxid-Markt, dessen
erste Erfüllungsperiode zurzeit ausläuft. Wie konnte es aber trotz der jüngsten
klimapolitischen Abstinenz Japans politisch gelingen, ein Emissionshandelssystem in Tokio
zu etablieren? Welche Ausgestaltungsspezifika zeichnen das Tokioter System aus? Und
welche Resultate konnten bisher erzielt werden? Diese drei Fragen beantworten wir auf der
Basis einer polit-ökonomischen Durchsetzungs- sowie einer umweltökonomischen Designund Wirkungsanalyse. Wir zeigen, dass der Tokioter Kohlendioxid-Markt vergleichsweise
ambitioniert ausgestaltet ist und die bisherigen Wirkungen vielversprechend sind. Gleichwohl
sind Verbesserungen besonders im Bereich der Marktgestaltung, der Erstvergabe und der
erlaubten Emissionsgesamtmenge möglich. Die Durchsetzung gelang allerdings allein vor
dem Hintergrund einer lokalspezifischen politischen Interessen- und Machtkonstellation.
1 Einleitung
Die aktuelle japanische Zentralregierung unter Premierminister Abe (Liberaldemokratische
Partei, LDP) übt sich nach den ambitionierten Ankündigungen der Vorgängerregierung unter
Premierminister Hatoyama (Demokratische Partei Japan, DPJ) auf dem Klimagipfel in
Kopenhagen in klimapolitischer Zurückhaltung (Rudolph 2014). So wurde das 2009
angekündigte mittelfristige Ziel einer Reduktion der Treibhausgase um 25% gegenüber 1990
bis 2020 im Jahr 2013 auf eine Reduktion um 3.8% gegenüber 2005 gesenkt; faktisch eine
Erhöhung um 3,1% gegenüber 1990. Das 2010 angekündigte Klimaschutzgesetz wurde
ebenso wenig umgesetzt wie ein verpflichtendes nationales Emissionshandelssystem. Allein
eine bereits 2010 angekündigte Kohlenstoffsteuer auf niedrigem Niveau und ein
vergleichsweise anspruchsvoller Einspeisetarif für erneuerbare Energien wurden im Jahr 2012
1
Dr. Sven Rudolph ist Associate Professor for Contemporary Economics in English, Toru Morotomi, PhD,
Professor for Environmental Economics an der Kyoto University, Japan. Kontakt: [email protected].
implementiert. Polit-ökonomisch lässt sich diese Zurückhaltung im Wesentlichen vor dem
Hintergrund
des
klimapolitisch
skeptischen
„Eisernen
Dreiecks“
aus
Industrie,
Wirtschaftsministerium und LDP sowie des Fehlens einer adäquaten ökologisch orientierten
Gegenbewegung
aus
Umweltverbänden,
grünen
Parteien,
Umweltministerium
und
umweltorientierten Forschungsinstitutionen verstehen.
Subnationale Akteure können aber in Japan eine wichtige Rolle im Klimaschutz spielen
(Niizawa/Morotomi 2014). So sieht die nationale Klimapolitik – legitimiert durch den
Omnibus Decentralization Act von 1999 – eine aktive Rolle für Präfekturen und Kommunen
vor. Subnationale Akteure sind demnach aufgerufen, Klimaschutzpläne zu entwickeln und
diese zielorientiert umzusetzen. Die Präfekturen und Kommunen sind dabei völlig frei in der
Zielsetzung und der Maßnahmenwahl. Die Kontrolle erfolgt im Rahmen eines Pledge-andReview-Prozesses; sanktioniert wird die Nicht-Erfüllung allerdings allein durch eine Nameand-Shame-Kampagne.
Subnationale
Klimaschutzaktivitäten
sollen
so
vor
allem
Emissionsreduktionen in den Sektoren Haushalte und Verkehr bewirken, bezüglich derer den
Präfekturen
und
Kommunen
erhebliche
Informationsvorsprünge
gegenüber
der
Zentralregierung unterstellt werden.
Tokio kommt im subnationalen Klimaschutz in Japan eine zentrale Rolle zu (TMG 2010). Die
japanische Hauptstadt ist mit 13 Millionen Einwohnern noch immer weltgrößte
Metropolregion, fünfzehntgrößte Volkswirtschaft und emittiert ähnliche Mengen an
Kohlendioxid (CO2) wie die nordeuropäischen Staaten Schweden oder Norwegen. Mit der
Ausrichtung der Olympischen Spiele im Jahr 2020 kommt Tokio zudem eine wichtige
politische und gesellschaftliche Orientierungsfunktion in Japan und darüber hinaus zu. Nicht
zuletzt war Tokio für die japanische Umweltpolitik, ähnlich wie Kalifornien für die USA,
bereits in der Vergangenheit Labor für Politikexperimente und Vorreiter für nationale
Maßnahmen.
Generell ist die zentrale klimapolitische Rolle von Großstädten in der jüngeren Vergangenheit
mehrfach von renommierten internationalen Institutionen betont worden (OECD 2009, World
Bank 2010). Bereits heute lebten rund die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, wo mehr
als 70% der energiebedingten CO2-Emissionen ausgestoßen werden; Tendenz in beiden
Fällen steigend. Theoretische unterstützt werden regionale und lokale Klimaschutzaktivitäten
aktuell auch wieder von der umweltpolitischen Föderalismus-Debatte (Oates 2004). Nachdem
Tiebout (1956) für die Bereitstellung öffentlicher Güter den Wettbewerb zwischen
Kommunen über ein „voting by feet“ gefordert hatte, sprachen sich spätere Beiträge vor dem
Hintergrund grenzüberschreitender Externalitäten aus Angst vor einem „race to the
bottom“ für eine Zentralisierung aus (Stewart 1977). Jüngst wird aber wieder betont, dass
Regionen und Kommunen selbst bei globalen Umweltproblemen wie dem Klimawandel als
Versuchslabore dienen und sie lokale Spezifika gerade in den Verursacherbereichen
Haushalte und Verkehr besser berücksichtigen könnten (Adler 2004; Revesz 1992, 1996).
Der Emissionshandel als wichtiges Instrument der Klimapolitik scheint trotz einiger Probleme
etabliert. Zwar werden immer wieder Stimmen laut, die vor allem den europäischen
Treibhausgas-Emissionshandel (EU ETS) kritisch sehen, ihn sogar vollständig verwerfen
(Spash 2009). Global scheint sich das Instrument aber trotz einiger gescheiterter nationaler
Versuche (USA, Australien, Japan) auf allen Governance-Ebenen von der lokalen (Tokio,
Shenzen etc.) und regionalen (Regional Greenhouse Gas Initiative (RGGI), California Capand-Trade Program), über die nationale (New Zealand Emissions Trading Scheme) bis hin zur
supranationalen und globalen (EU ETS, Flexible Kyoto Mechanismen) auszubreiten; und
weitere Regionen wie beispielsweise Washington State und die kanadische Provinz Ontario
betreiben die Einführung eigener Systeme neuerdings mit Nachdruck. Zudem gilt die
Verknüpfung etablierter Systeme vielen Ökonomen noch immer als wichtiger Baustein eines
globalen Klimaschutzregimes (Ranson/Stavins 2012); unüberwindbare Hindernisse existieren
selbst bei abweichenden Ausgestaltungen offenbar nicht (Lenz et al 2014) und einzelne
konkrete Linking-Projekte (Kalifornien-Québec, Tokio-Saitama) erweisen sich als durchaus
erfolgreich. Nicht zuletzt dürfen, bei aller notwendigen Kritik, selbst kleine Erfolge
existierender Systeme angesichts der epochalen Herausforderung des globalen Klimaschutzes
und der einhergehenden Notwendigkeit der Nutzung multipler Instrumente nicht ignoriert
werden: So erfüllt das EU ETS trotz niedriger CO2-Preise und geringer Innovationsanreize
sein
zentrales
Ziel
der
Begrenzung
der
europäischen
Gesamtemissionen
(Ellerman/Convery/Perthuis 2010); RGGI hat mit der Verwendung der Versteigerungserlöse
erhebliche Emissionseinsparungen erzielt, die Energieeffizienz erhöht und regenerative
Energien gefördert (Rudolph/Lerch 2012); und auch Kaliforniens frühe Erfahrungen sind
durchaus vielversprechend (Rudolph/Kawakatsu/Lerch 2014). Zudem sollten die historischen
Erfolge des US Acid Rain Programs, das eine Halbierung der Schwefeldioxid-Emissionen bei
gleichzeitiger Halbierung der Gesamtkosten gegenüber einem ordnungsrechtlichen Ansatz
erreichte, nicht in Vergessenheit geraten (Ellerman et al. 2000).
Die japanische Hauptstadt Tokio hat sich jedenfalls für einen solchen Markt als zentralen
Baustein ihrer Klimaschutzstrategie entschieden und damit erstmals ein lokales, auf den
Endverbrauch von Strom fokussiertes CO2-Handelssystem etablierte, dessen erste
Erfüllungsperiode gerade zu Ende geht. Damit ist Tokio nicht nur marktorientierter Vorreiter
in Japan, sondern bezüglich lokaler CO2-Märkte auch weltweit. Wie konnte es aber trotz der
Zurückhaltung der Zentralregierung gelingen, auf lokaler Ebene in Japan ein ambitioniertes
marktwirtschaftliches Instrument der Klimapolitik politisch durchzusetzen? Welche
Ausgestaltungsspezifika zeichnen das auf den Stromverbrauch in Bürogebäuden fokussierte
System aus? Und wie sind die bisherigen Resultate zu bewerten?
Diesen Fragen widmen wir uns im vorliegenden Beitrag mittels einer umweltökonomischen
Design- und Wirkungs- sowie einer polit-ökonomischen Durchsetzungsanalyse. Zunächst
beschreiben und bewerten wir die Tokioter Klimapolitik und die konkrete Ausgestaltung des
lokalen Emissionshandelssystems (Abschnitt 2). Im Anschluss widmen wir uns den aktuellen
Resultaten
der
ersten
Erfüllungsperiode
und
den
politischen
Hintergründen
der
Implementierung auf der Basis bewährter umwelt- und polit-ökonomischer Ansätze
(Abschnitt 3). Wir schließen mit einem Fazit und einigen Politikempfehlungen (Abschnitt 4).
2 Klimapolitik und lokaler Emissionshandel in Tokio
Wenngleich Dales (1968) in seinen frühen Überlegungen zum Emissionshandel die
administrative Einfachheit eines Cap-and-Trade-Systems betonte, erweist sich das Design
solcher Systeme in der klimapolitischen Praxis als durchaus komplex. So müssen mindesten
Entscheidungen über folgende Ausgestaltungselemente getroffen werden (Sterk et al. 2006),
entlang derer wir nach einer kurzen Einführung zur klimapolitischen Gesamtstrategie Tokios
die konkrete Ausgestaltung des lokalen CO2-Marktes vorstellen und bewerten:

Verbindlichkeit und Anwendungsbereich
o freiwillige vs. verpflichtende Teilnahme
o einbezogenen Schadstoffe und Emittenten
o Opt-in und Opt-out-Möglichkeiten
o Upstream- vs. Downstream-Ansatz

Gesamtemissionsmenge (Cap)
o absolute vs. spezifische Ziele
o Gesamtemissionsmenge und Dynamisierung des Caps

Erstvergabe und Gültigkeit von Emissionslizenzen
o kostenlose vs. kostenpflichtige Erstvergabe
o Zulässigkeit von Banking, Borrowing und Projektgutschriften (Offsets)
o Zuteilung an Neuemittenten und Behandlung von Anlagenstilllegungen

Handelssystem
o Handels- bzw. Erfüllungsperiode
o Handelsplattform
o Markteingriffe

Kontrollsystem und Sanktionen
o Emissionsfeststellung, Berichterstattung und Verifizierung
o Emissions- und Lizenzregister
o Kontrolle und Sanktionen

sonstige, begleitende Maßnahmen
o z.B. Border Tax Adjustment
Tokios Treibhausgas-Emissionen bewegen sich in einer klimapolitisch durchaus relevanten
Größenordnung und stagnierten in der ersten Dekade des neuen Jahrtausends (TMG 2010,
2015a). Japans Hauptstadt Tokio emittierte im Jahr 2011 rund 65 Millionen Tonnen
Treibhausgase, von denen rund 95% CO2-Emissionen sind. Tokios Pro-Kopf-CO2Emissionen sind mit 4,89 Tonnen pro Jahr deutlich geringer als im nationalen Durchschnitt.
Und auch die Kohlenstoffintensität ist mit 146 Kilotonnen pro Milliarde US-Dollar des
Bruttoinlandsprodukts im globalen Vergleich der Großstädte gering. Im Trend stiegen Tokios
CO2-Emissionen zwischen 1990 und 2006 um rund 6% und sanken dann nur leicht bis zum
Jahr 2010, dem Startjahr des lokalen Emissionshandelssystems. Für 46% der gesamten CO2Emissionen ist der Handels- und Industriesektor verantwortlich, wovon wiederum 40% von
Großemittenten verursacht werden. Von den rund 1.400 Großemittenten sind aber nur 200
Industrieanlagen, während die restlichen Einrichtungen Bürogebäude des Handel- und
Dienstleistungssektors sind.
Bereits in der ersten Hälfte des neuen Jahrtausens hatte Tokio verschiedene klimapolitische
Maßnahmen implementiert, die für sich allein zwar nur begrenzt Emissionsreduktionswirkung
zeigten, gleichwohl aber für den lokalen Emissionshandel wichtige Institutionen etablierten.
Konkrete Beispiele hierfür waren das CO2 Emission Reduction Program und das Tokyo
Green Buildings Program, die auf einen Policy Mix aus freiwilligen Vereinbarungen,
ordnungsrechtlichen Vorgaben und ökonomischen Anreizinstrumenten basierten. Im Rahmen
des Reporting mussten seit April 2002 rund 1.000 große Einrichtungen wie Fabriken und
Bürogebäude mit einem jährlichen Endenergieverbrauch ab 1.500 Kilolitern Rohöläquivalent
der
Stadtregierung
Emissionsreduktionen
jährlich
waren
Auskunft
zwar
über
ihre
freiwillig;
Treibhausgas-Emissionen
die
Berichte
mussten
geben.
aber
Energieverbrauchsdaten inklusive der Energiequellen auf monatlicher Basis ebenso wie einen
Dreijahresplan für das CO2-Management enthalten. In einem schrittweisen Prozess von
„Administrative
Guidance“,
des
ureigenen
kooperativ
ausgelegten
japanischen
Implementierungsstils gesetzlicher Regulierungen, überprüfte die Stadtregierung die Berichte
und Pläne, beriet die Einrichtungen und forderte ggf. die Vorlage überarbeiteter Pläne, die
dann sogar veröffentlicht wurden. Das Programm generierte allerdings aufgrund des
freiwilligen Charakters von Emissionsreduktionen allein eine 2%ige Senkung der CO2Emissionen zwischen 2002 und 2005.
Im Jahr 2005 wurde ein Rating System ergänzt, das Einrichtungen in die Kategorien C
(vorgeschlagene Maßnahmen nicht umgesetzt) bis A (vorgeschlagene Maßnahmen
vollständig umgesetzt) einteilte. Die Noten A+ und AA wurden verliehen, wenn Einrichtungen
ein Reduktionsziel von mindestens 2% bzw. 5% vorsahen. Im Ergebnis stieg der Anteil an ARatings bis 2006 von 48% auf 98%. Ergänzt wurden zudem neue Anforderungen an die
Berichte: Nun mussten auch Details über Energiespartechnologien berichtet und Schätzungen
der erwarteten Emissionsreduktionen aus der Anwendung dieser Technologien abgegeben
werden.
Im Jahr 2007 legte Tokio dann eine umfassende Klimaschutzstrategie vor, die auch den
entscheidenden Anstoß für ein lokales Emissionshandelssystem gab (TMG 2007). Die
konkreten Reduktionsziele für Treibhausgase wurden auf 25% bis 2020 und 50% bis 2050
(Basis 2000) festgelegt und im März 2008 durch Sektorziele für das Jahr 2020 ergänzt (Abb.
1).
Abbildung 1: Tokios Reduktionsziele für 2020 nach Sektoren
gesamt
Industrie, Handel
Haushalte
Verkehr
Ziel (Basis 2000)
-25%
-17%
-19%
-42%
Quelle: eigene Darstellung mit Daten aus TMG 2010.
Als wichtiges Instrument der Klimaschutzstrategie wurde für Großemittenten ein lokales
Emissionshandelssystem angestrebt, das 2008 verabschiedet und dann tatsächlich ab dem Jahr
2010 umgesetzt wurde.
Das Tokyo Metropolitan Government Emissions Trading Scheme (TMG ETS) ist in seiner
Ausgestaltung weltweit einzigartig, denn es etabliert den ersten verpflichtenden lokalen CO2Markt auf der Basis des Endenergieverbrauchs von Großemittenten (TMG 2010, 2015a). Das
TMG ETS fokussiert auf CO2-Emissionen aus großen Bürogebäuden und Industrieanlagen
mit einem Jahresendenergieverbrauch von mindestens 1.500 Kilolitern Öläquivalent, was
CO2-Emissionen von rund 2.000-3.000 Tonnen entspricht. Während differenzierte
Emissionsfaktoren für Brennstoffe in Industrieanlagen gelten, wird der Stromverbrauch in
anderen Einrichtung mit einem einzigen und unveränderlichen Emissionsfaktor berücksichtigt,
der sich aus dem Brennstoffmix des einzigen Stromversorgers von Tokio, der Tokyo Electric
Power Company (TEPCO), ergibt. Das TMG ETS umfasst so rund 1.200 Einrichtungen –
davon 1.000 Bürogebäude und 200 Industrieanlagen – und mit 13 Millionen Tonnen rund
21% der Tokioter CO2-Emissionen. Einbezogen sind damit neben Industrieanlagen nahezu
alle
Bürogebäude,
kommerziell
genutzten
Hochhäuser,
Krankenhäuser
und
Regierungsgebäude einschließlich des Parlaments und des kaiserlichen Palasts. Die
Teilnahme ist für alle Einrichtungen verpflichtend.
Die Festlegung der erlaubten Emissionsgesamtmenge (Cap) erfolgt in einer Mischung aus
top-down und bottom-up Verfahren. Für die beiden Erfüllungsperioden 2010-2014 und 20152019 wurden von der Stadtregierung prozentuale Reduktionsziele von 6% und 15% für die
durchschnittlichen Emissionen in der jeweils 5jährigen Erfüllungsperiode festgelegt.
Ausgehend davon wurden Erfüllungsfaktoren differenziert nach Sektoren ermittelt (Abb. 2):
Abbildung 2: Reduktionsziele TMG ETS
Bürogebäude
Industrieanlagen
Periode I (2010-2014)
8%
6%
Periode II (2015-2019)
17%
15%
Quelle: eigene Darstellung mit Daten aus TMG 2015a
Die Basisperiode können die betroffenen Anlagen und Einrichtungen allerdings aus drei
aufeinanderfolgenden Jahren zwischen 2002 und 2007 selbst wählen. Um frühe
Emissionsreduktionen (Early Action) zu berücksichtigen, können sich Einrichtungen mit
besonders hoher Energieeffizienz in der Basisperiode als „Top Level Facility“ oder „NearTop Level Facility“ zertifizieren lassen, was die jeweilige Reduktionsanforderung auf 50%
bzw. 75% reduziert. Das Cap ergibt sich dann additiv aus den individuellen
Reduktionsverpflichtungen aller Anlagen und Einrichtungen.
Die Erstvergabe von Emissionsrechten an die Emittenten basiert weitgehend auf einem
Grandfathering, der kostenlosen Vergabe auf der Basis historischer Emissionen. Allerdings
orientiert sich das TMG ETS hierbei stärker an einem Baseline-and-Credits System, denn an
einem Cap-and-Trade Programm. So wird für die betroffenen Einrichtungen zunächst eine
individuelle jährliche Reduktionsanforderung auf der Grundlage historischer Emissionen in
der Basisperiode (EBP) und des sektorspezifischen Erfüllungsfaktors (EF) ermittelt:
Reduktionsanforderung = EBP x EF
Prinzipiell kann aus dieser Formel die an die Einrichtungen zu verteilende absolute Menge an
Emissionsrechten pro Erfüllungsperiode ermittelt werden:
Zuteilung pro Erfüllungsperiode = (EBP – (EBP x EF)) x 5
Können die Einrichtungen ihre Reduktionsverpflichtung übererfüllen, so erhalten sie
Emissionsreduktionsgutschriften (Excess Reduction Credits, ERC):
Emissionsreduktionsgutschriften = tatsächliche Reduktion – Reduktionsanforderung
An die Einrichtungen ausgegeben werden nun allein diese Gutschriften, nicht aber
Emissionslizenzen im Gesamtumfang der individuell erlaubten Gesamtmenge an Emissionen.
Jede Gutschrift hat den Wert von einer Tonne CO2.
Instrumente für die zeitliche und geographische Optimierung von Reduktionsmaßnahmen
werden in eng begrenztem Rahmen akzeptiert. Das Banking, das Aufsparen von frühen
Emissionsrechten aus frühen Reduktionen für spätere Verwendungen, ist zwar unbegrenzt
auch über die Erfüllungsperioden hinweg möglich; das Borrowing, das Leihen von
Emissionsrechten aus der Zukunft, ist allerdings untersagt. Emissionsgutschriften (Offsets)
aus den Flexiblen Kyoto Mechanismen werden nicht akzeptiert. Angerechnet werden können
allein Offsets aus vier Projektkategorien, die jeweils auf Antrag ausgestellt werden:

Small and Midsize Facility Credits (SME Credits) aus Energieeinsparungen in kleinen
und mittelständischen Einrichtungen innerhalb Tokios, die nicht dem TMG ETS
unterworfen sind; die Gesamtmenge dieser Gutschriften ist unbegrenzt.

Outside Tokyo Credits (OTC) aus Einrichtungen außerhalb Tokios aber innerhalb
Japans mit einem Jahresendenergieverbrauch von 1.500 Kilolitern Öläquivalent aber
weniger als 150.000 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr in der Basisperiode; die
Gesamtmenge
anrechenbarer
Gutschriften
beträgt
maximal
ein Drittel
der
individuellen Reduktionsanforderungen einer vom TMG ETS betroffenen Einrichtung.

Renewable Energy Credits (REC) aus der solaren Strom- und Wärmeerzeugung sowie
aus der Stromerzeugung aus Windanlagen, Geothermie, kleinen Wasserkraftwerken
und Biomasse; die anrechenbare Gesamtmenge dieser Gutschriften ist unbegrenzt und
REC aus Solar, Wind und Geothermie werden 1,5fach gewertet.

Saitama Linking Credits (ERC, SME Credits)
Für Neuemittenten und Anlagenstilllegungen existieren spezifische Regeln. Neuemittenten
fallen erst unter das TMG ETS, wenn die allgemeine Größengrenze von 1.500 Kilolitern
Rohöläquivalenten Endenergieverbrauch pro Jahr in drei aufeinanderfolgenden Jahren
überstiegen wird. Die Reduktionsziele werden dann auf der Basis durchschnittlicher
Emissionen in dieser dreijährigen Basisperiode festgelegt, wenn die Einrichtungen in diesem
Zeitraum von der Stadtregierung verordnete Energiesparmaßnahmen ergriffen haben. Ist dies
nicht
der
Fall,
werden
einrichtungsspezifische
Benchmarks
in
Form
von
Emissionsintensitätsstandards angelegt. Einrichtungen können das TMG ETS verlassen, wenn
eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist; die Erfüllungsperiode wird dann entsprechend
angepasst:

Der Energieverbrauch des vorherigen Jahres liegt unterhalb von 1.000 Kilolitern.

Der Energieverbrauch der vergangenen drei Jahre liegt unterhalb von 1.500 Kilolitern.

Die Einrichtung wird geschlossen.
Der Handel mit Emissionsrechten unterliegt zahlreichen Einschränkungen. So können zwar
sowohl alle betroffenen Einrichtungen als auch jede andere juristische Person als Akteure am
Markt agieren. Gehandelt werden durfte aber, erstens, erst ab dem Jahr 2011, also dem
zweiten Jahr der ersten Erfüllungsperiode. Zweitens können nur zertifizierte und auf Antrag
ausgegebene Gutschriften, also ERC, SME Credits, OTC, REC und Saitama Linking Credits,
transferiert werden, nicht aber die Gesamtmenge individueller Emissionsrechte. Drittens
dürfen Verkäufer ERC nur im Umfang der Hälfte ihrer Basisperiode-Emissionen veräußern.
Nicht zuletzt existiert keine institutionalisierte Handelsplattform; Transaktionen können allein
bilateral erfolgen. Um am Emissionsgutschriften-Markt agieren zu können, muss jede
Einrichtung zudem ein Konto bei der Stadtregierung eröffnen. Allerdings richtet die
Stadtregierung selbst zwei- bis viermal jährlich Gutschriften-Auktionen aus, bei denen in
einer Uniform Price Auction Gutschriften versteigert werden, die die Stadtregierung im
Rahmen anderer Klimaschutzprogramme erworben hat. Außerdem engagiert sich die
Stadtregierung in der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage, indem sie
Handelsmessen ausrichtet und Informationen über die jährlichen Emissionen und
Reduktionen der einzelnen Einrichtungen sowie über Referenzpreise bereitstellt, die in
Befragungen der betroffenen Einrichtungen zu durchgeführten Transfers erhoben wurden.
Preislenkende Markteingriffe wie Preisober- oder -untergrenzen sind bisher nicht eingesetzt
worden, werden für die Zukunft aber nicht kategorisch ausgeschlossen.
Für das Monitoring etablierte Tokio ein eigenes System, da die internationalen Normen
aufgrund des spezifischen Fokus des TMG ETS nicht anwendbar waren. Berichtspflichtig
sind unmittelbar die betroffenen Einrichtungen selbst. Bei großen Bürogebäuden gilt die
Berichtspflicht für die Eigentümern; allerdings sind die Mieter angehalten, mit den
Eigentümern zu kooperieren. Die CO2-Emissionen müssen jeweils bis November eines jeden
Jahres für das Vorjahr berichtet werden. Als Grundlage für die Berichte werden
Emissionsberechnungen auf der Basis des gemessenen Energieverbrauchs durchgeführt.
Neben den Emissionsberichten müssen auch Emissionsreduktionspläne vorgelegt werden, die
zukünftige Maßnahmen darlegen. Alle Berichte werden von derzeit 38 registrierten externen
Institutionen verifiziert. Verbucht werden alle Emissions- und Gutschriftendaten in einem von
der Stadtregierung geführten elektronischen Register, in dem die einzelnen Einrichtungen
jeweils ein Konto eröffnen müssen. Dieses Konto enthält Informationen über die
Basisperioden-Emissionen, die aktuellen Emissionen, die Reduktionsanforderungen, die
Emissionsreduktionsgutschriften und etwaige Gutschriften-Transfers. Alle Kontodaten sind
öffentlich.
Bei Nicht-Erfüllung der Anforderungen werden empfindliche Strafen fällig. Neben der
Strafzahlung von bis zu 500.000 Yen muss die Reduktionsverpflichtung nachträglich erfüllt
werden, wobei Überschuss-Emissionen mit einem Faktor von 1,3fachen gewichtet werden.
Wird diese Anforderung wiederum nicht erfüllt, so kauft die Stadtregierung selbst
Emissionsgutschriften am Markt und lastet die Kosten den relevanten Einrichtungen an.
Zudem werden die Namen der Einrichtungen veröffentlicht, die die Anforderungen nicht
erfüllt haben.
Nach außen engagiert sich die Tokioter Stadtregierung für die Verbreitung des
Emissionshandels.
International
ist
Tokio
Mitglied
im
Emissionshandelsnetzwerk
International Carbon Action Partnership (ICAP) und der C40 Cities Climate Leadership
Group (C40) und hat wesentliche Impulse für die regionalen Pilotprojekte in China, aber auch
für aktive Diskussionen in südostasiatischen Metropolen wie Bangkok und Singapur gegeben.
Innerhalb
Japans
versucht
Tokio
auch weiterhin die nationale
Regierung vom
Emissionshandel zu überzeugen. Andere japanische Großstädte wie Osaka, Kyoto und Kobe
beobachten im Rahmen der Union of Kansai Governments intensiv das Tokioter Projekt;
Kooperationsverhandlungen mit Tokios Nachbarpräfektur Saitama waren bereits 2011
erfolgreich, so dass nun Gutschriften aus Saitama auch in Tokio anerkannt werden.
Insgesamt betritt Tokio mit seinem lokalen Emissionshandelssystem in mehrfacher Hinsicht
Neuland: Tokio etabliert den ersten verpflichtenden CO2-Markt in Japan und den weltweit
ersten städtischen Emissionshandel mit Fokus auf die Endenergienutzung in Gebäuden. Die
Ausgestaltung des TMG ETS erweist sich in weiten Teilen als ambitioniert, wenngleich
einige Elemente für eine kosteneffiziente Zielerreichung kritisch sind. Positiv hervorzuheben
ist, dass das Programm, anders als seine japanischen Vorgänger auf nationaler Ebene, für die
betroffenen Einrichtungen verpflichtend ist und alle lokalen Großemittenten des wichtigsten
Treibhausgases CO2 einbezieht. Das Cap wird absolut gesetzt und die Reduktionsziele
erscheinen vor dem Hintergrund analoger Ziele für nicht-industrielle Quellen in anderen
Ländern (z.B. Deutschland –14%) zunächst als durchaus anspruchsvoll. Das erwartete
Preisniveau von 100-150 US$ pro Tonne CO2 liegt so auch beträchtlich höher als in anderen
Emissionshandelssystemen. Ebenso können das Monitoring als verlässlich und die Strafen als
abschreckend gelten. Die Akzeptanz von Banking unter Ausschluss von Borrowing sowie die
Einbeziehung anspruchsvoller Offsets bei gleichzeitigem Ausschluss fragwürdiger Kyoto
Projekte sind ebenfalls positiv.
Einige kritische Punkte sind jedoch ebenfalls anzumerken. Die kostenlose Zuteilung kann
verlässliche Preissignale verzögern und zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Zudem wird
kein Aufkommen generiert, das für effizienzsteigernde, redistributive oder klimaschützende
Maßnahmen genutzt werden könnte. Die Beschränkung des Handels auf Gutschriften und das
Fehlen einer institutionalisierten Handelsplattform erhöhen die Transaktionskosten und
können eine optimale Allokation von Vermeidungsmaßnahmen behindern. Nicht zuletzt deckt
das TMG ETS nur rund 21% der Tokioter CO2-Emissionen ab; und gemessen an den
klimapolitischen Reduktionsnotwendigkeiten in den Industrieländern von 25 bis 40% bis
2020 gegenüber 1990 ist auch das Tokioter Ziel unzureichend.
Insgesamt
kann
das
TMG
ETS
als
gelungen,
wenngleich
gerade
in
den
Ausgestaltungselementen Cap, Erstvergabe und Handelssystem nachgebessert werden könnte.
Die Tokioter Stadtregierung hat diese Kritikpunkte jüngst in einem Revisionsprozess intensiv
diskutiert, konnte sich bisher aber nicht für eine grundlegende Überarbeitung des Systems
entscheiden (TMG 2015d). Gleichwohl zeigt die sich nun anschließende umweltökonomische
Wirkungsanalyse des TMG ETS auf der Basis aktueller Resultate, dass positive und negative
Elemente bei der Ausgestaltung unmittelbar Wirkung auf die ökologische Effektivität und die
ökonomische Effizienz des CO2-Handels in der japanischen Hauptstadt entfaltet haben.
3 Erfahrungen aus der ersten Handelsperiode
Die traditionelle umweltökonomische Analyse handelbarer Emissionsrechte hat trotz
ambivalenter Erfahrungen mit dem Instrument in der Praxis nachgewiesen, dass der
Emissionshandel prinzipiell in der Lage ist, politisch vorgegebene Emissionsreduktionsziele
zielgenau und kosteneffizient zu erreichen (Tietenberg 2006). Üblicherweise werden in
umweltökonomischen Analysen folgende wesentliche Wirkungskategorien unterschieden
(Endres 2007):

ökologische Effektivität
o Treffsicherheit
o Innovationsanreiz

ökonomische Effizienz
o einzel- und volkswirtschaftliche Kosteneffizienz
o Administrations- und Transaktionskosten
Auf der Basis diese Kategorien analysieren wir in den folgenden Abschnitten die bisherigen
Resultat des TMG ETS.
Polit-ökonomische Studien auf der Basis der Public Choice Theorie haben zudem versucht zu
erklären,
warum
die
politischen
Durchsetzungschancen
marktbasierter
Umweltpolitikinstrumente eher gering (Kirchgässner/Schneider 2003, Rudolph 2005) und
konkrete klimapolitische Emissionshandelssysteme oft wenig ambitioniert ausgestaltet sind
(Anger/Böhringer/Oberndorfer 2008, Markussen/Svendsen 2005). Im Wesentlichen zeichnen
sich
Emissionshandelssysteme
demnach
durch
ein
Wirkungsprofil
aus,
das
durchsetzungsstarken Interessen wie denen von Emittenten und Umweltbürokraten zuwider
läuft, während nur durchsetzungsschwache Gruppen wie die Umweltverbände ein solches
Instrument gutheißen. Allerdings haben polit-ökonomische Fallstudien in Deutschland, den
USA und Japan auch gezeigt, unter welchen politischen Konstellationen die Durchsetzung
von Emissionshandelssystemen möglich wird (Rudolph 2006, Rudolph 2011, Rudolph/Lerch
2012). Gemeinhin werden in polit-ökonomischen Studien folgende streng eigennutzorientierte
Akteure unterschieden:

Wähler

Umweltorganisationen

Industrieverbände

Umweltbürokraten

Politiker
Auf
der
Basis
dieser
umweltökonomische
Differenzierung
Analyse
den
untersuchen
politischen
wir
im
Anschluss
Entscheidungsprozess
des
an
die
Tokioter
Emissionshandelssystems.
3.1 Ökologische Effektivität und ökonomische Effizienz des TMG ETS
Aus ökologischer Sicht ist das TMG ETS gemessen an seiner Zielerreichung bisher ein großer
Erfolg (TMG 2015b). So lagen die tatsächlichen Emissionsreduktionen in der ersten
Erfüllungsperiode (2010-2014) bisher deutlich über den angestrebten Reduktionszielen (Abb.
3). Im Februar 2015 hatten 90% aller betroffenen Einrichtungen ihre Ziele von 6% bzw. 8%
für die erste Erfüllungsperiode mehr als erfüllt. 69% der Einrichtungen hatten sogar ihre Ziele
für die zweite Erfüllungsperiode (2015-2019) von 15% bzw. 17% erreicht. Akkumuliert
wurden so absolut rund 1,1 Millionen Tonnen CO2 gegenüber dem Startjahr 2010 und rund
2,9
Mio.
t.
gegenüber
dem
Basisjahr
eingespart.
Gemäß
der
eingereichten
Emissionsreduktionspläne sind weitere Einsparungen von rund jeweils 100.000 in den Jahren
2014 und 2015 vorgesehen. Auch die CO2 Intensität in Bürogebäuden ist von durchschnittlich
103 t. CO2/m2 in der Basisperiode auf 75 t. CO2/m2 im Jahr 2012 um rund 27% gesunken
Abbildung 3: Emissionsreduktion 2010-2013
CO2-Emissionen (Mio. t.)
16.00
14.00
13.61
11.83
12.00
10.60
10.64
10.53
2011
2012
2013
10.00
8.00
6.00
4.00
2.00
0.00
Basis
2010
Reduktionsrate (%)
25
22
22
2011
2012
23
20
15
15
13
10
6
5
0
Ziel I
Ziel II
2010
2013
Quelle: eigene Darstellung mit Daten aus TMG 2015b
Die von den betroffenen Einrichtungen erstellten Emissionsreduktionspläne geben zudem
Auskunft über konkrete Maßnahmen. Der größte Anteil an Einzelprojekten wurde dabei in
den Bereichen Heizung und Kühlung sowie Beleuchtung umgesetzt. Demnach wurden bis
Februar 2015 insgesamt 10.211 Einzelmaßnahmen verwirklicht, 1.945 davon im Bereich
Heizung und Kühlung, 2.757 im Bereich Beleuchtung und 6,651 in anderen Bereichen (z.B.
Wasserver- und -entsorgung). Die resultierenden Emissionsreduktionen lagen bei 265.300
Tonnen für den Bereich Heizung und Kühlung, 158.000 Tonnen für den Bereich Beleuchtung
und 713.100 Tonnen für alle sonstigen Bereiche. Die Bereiche Wärme und Kälte sowie
Beleuchtung stellen damit die bedeutendsten Aktivitätsfelder für die Emissionsreduktion dar.
Auch aus ökonomischer Perspektive entwickeln sich die Resultate nach anfänglichen
Schwierigkeiten nun positiv. Wenngleich die Marktaktivität mit insgesamt 27 Transaktionen
und 72.307 transferierten Emissionsgutschriften bis März 2014 noch immer insgesamt
begrenzt ist, lässt sich jüngst ein positiver Trend bei der Menge transferierter
Emissionsgutschriften feststellen (Abb. 4); analog stieg auch die Anzahlzahl der Transferfälle
von 4 in 2011 auf 17 in 2013.
Abbildung 4: Marktaktivitäten
Anzahl transferierter Emissionsgutschriften
80,000
72,307
70,000
60,000
50,000
40,000
32,072
30,000
20,576
19,659
2011
2012
20,000
10,000
0
2013
gesamt
Quelle: eigene Darstellung mit Daten aus TMG 2015a
Hierbei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Berichterstattung der Emissionen für die
erste Erfüllungsperiode erst im November 2015 abgeschlossen ist und selbst danach noch
Emissionsgutschriften
bis
Juni
2016
zwecks
abschließender
Erfüllung
der
Reduktionspflichten der ersten Erfüllungsperiode transferiert werden können. Die
Stadtregierung erwartet daher gerade für die Zeit von Mitte 2015 bis Mitte 2016 eine erhöhte
Marktaktivität.
Neben den tatsächlichen Lizenztransfers kann die Anzahl ausgestellter Emissionsgutschriften
ein früher Indikator für zukünftige Transfers sein. Auch hier ist die Tendenz für ERC bis
März 2014 steigend (Abb. 5); ein analoger Trend zeichnet sich auch für REC und SME
Credits ab.
Abbildung 5: Ausstellung von Emissionsgutschriften
Anzahl ERC
180,000
157,117
160,000
141,417
140,000
120,000
100,000
80,000
60,000
40,000
20,000
15,700
0
0
2011
2012
2013
gesamt
Quelle: eigene Darstellung mit Daten aus TMG 2015a
Hinsichtlich der Preise für Emissionsrechte muss auf Schätzungen zurückgegriffen werden.
Da Transaktionen allein bilateral zwischen den betroffenen Einrichtungen stattfinden, es aber
keine offizielle Handelsplattform gibt, sind Preisinformationen öffentlich nicht zugänglich.
Selbst die Stadtregierung verfügt nicht über diese Daten, da zwar die CO2-Transfermenge,
nicht aber der ausgehandelte Preis berichtet werden muss. Von der Stadtregierung bei
Unternehmensberatungen dreimal pro Jahr in Auftrag gegebene Befragungen von jeweils 1015 betroffenen Einrichtungen weisen aber auf vergleichsweise niedrige und zudem jüngst
stark sinkende Preise für Emissionsgutschriften hin (TMG 2015c). Ex ante Analysen
schätzten zunächst Preise von 100-150 US$ pro Tonne CO2. Gemäß interner Informationen
zum einzigen frühen Transfer von Emissionsrechten bis April 2012 lag der Preis damals auch
tatsächlich bei 142 US$. Neuere Befragungsergebnisse weisen jedoch weit geringere Preise
mit sinkender Tendenz auf; im Oktober kostete ein ERC nur noch maximal 5.000 Yen und
damit rund 45 US$ (Abb. 5); ein analoger Trend lässt sich auch für die Preise von REC
darstellen.
Die Administrationskosten für das TMG ETS sind nach Behördenangaben beträchtlich,
konkrete Zahlen aber nicht öffentlich. Angesichts eines Mitarbeiterstabs von derzeit 18
hochqualifizierten Personen allein für das TMG ETS scheinen die Kosten aber signifikant.
Für die Transaktionskosten gehen ex ante Schätzungen von bis zu 2.500 Yen pro Tonne CO 2Reduktion aus (Wakabayashi/Kimura/Nishio 2011).
Abbildung 6: Preistrend für ERC
Preise (¥)
12,000
10,800
10,000
9,900
10,000
8,800
8,000
8,000
6,000
5,000
4,000
2,000
0
3/12
10/12
3/13
10/13
3/14
10/14
Quelle: eigene Darstellung mit Daten aus TMG 2015c
Anmerkung: Die dargestellten Preise für ERC sind die Obergrenzen eines von den befragten Einrichtungen
angegebenen Preisintervalls (im Oktober 2014 bspw. 4.000-5.000 Yen).
Aus umweltökonomischer Perspektive kann das TMG ETS damit als durchaus erfolgreich
gelten. Die Emissionen wurden erheblich reduziert und liegen bereits heute auf dem Niveau
der erlaubten Emissionsgesamtmenge für die zweite Erfüllungsperiode 2015-2017.
Offensichtlich waren die Reduktionspotentiale erheblich und sogar größer als erwartet. Zwar
können einige der erzielten Reduktionen auf die drastischen Energieeinsparvorgaben nach der
Dreifachkatastrophe (Erdbeben, Tsunami, Kernschmelze im Atomkraftwerke Daiichi in
Fukushima) vom 11. März 2011 (3/11) zurückgeführt werden. Neben Aussagen von
betroffenen Einrichtungen gegenüber der Tokioter Stadtregierung sprechen allerdings zwei
weitere Indizien dafür, dass auch das TMG ETS unmittelbar Wirkung entfaltet hat: Erstens
waren die Emissionsreduktionen bereits vor 2011 beachtlich und lagen sogar deutlich höher
als die eigentlichen Anforderungen für die erste Erfüllungsperiode. Zweitens wurden
Energiesparmaßnahmen trotz der Lockerung der durch 3/11 induzierten Vorschriften
fortgeführt, und zudem sind gemäß der Emissionsreduktionspläne weitere Projekte
vorgesehen. Es wird erwartet, dass diese sogar Wachstumsschübe ausgelöst von der weiteren
Erholung von der Finanzkrise und von der erhofften Wirtschaftsbelebung durch die aktuelle
Wirtschaftspolitik der japanischen Regierung (Abenomics) kompensiert werden könnten.
Diese Aussicht auf ein auch weiterhin nicht bindendes Cap eröffnet aus ökologischer Sicht
Möglichkeiten der Zielverschärfung, wie sie auch in anderen Systemen wie dem EU ETS und
RGGI
nachträglich
umgesetzt
wurden
und
nachhaltigkeitsökonomischer Sicht auch notwendig sind.
aus
klimapolitischer
und
Das noch immer geringe Handelsvolumen lässt sich vor dem Hintergrund spezifischer
Ausgestaltungsmerkmale verstehen. Hierzu gehören die Möglichkeit des Banking über die
Erfüllungsperiodengrenze hinweg, die teilweise Überlappung von Erfüllungs- und
Handelsperiode und die sich abzeichnende mangelnde Knappheit an Emissionsrechten.
Zusätzliche Handelsbarrieren bilden die erheblichen Transaktionskosten aufgrund des Fehlens
einer öffentlichen Handelsplattform, die Notwendigkeit der Einzelgenehmigung von
Emissionsgutschriften und die alleinige Handelbarkeit von Gutschriften. Allerdings scheinen
die anfängliche Zurückhaltung bei der Reallokation von Emissionsrechten abzunehmen, was
einerseits sicher am nahenden Ende der ersten Erfüllungs- und Handelsperiode liegt.
Andererseits dürften aber auch die Maßnahmen der Tokioter Stadtregierung zur
Zusammenführung von Angebot und Nachfrage Wirkung zeigen. Gleichwohl bestehen hier
noch erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten wie beispielsweise die Etablierung einer
offiziellen Handelsplattform oder die Ausweitung der Handelbarkeit von Emissionsrechten.
Die Preise für Emissionsgutschriften liegen deutlich unter den Erwartungen und sie sinken,
was für die Erschließung günstiger Emissionsreduktionspotentiale spricht. Angesichts der
fehlenden Knappheit droht aber eine ähnliche Entwicklung wie im EU ETS, wo die
derzeitigen Preise für EU Allowances kaum noch Innovationsanreize setzen. Auch
diesbezüglich empfiehlt sich eine Verschärfung des Caps, sollte sich zum endgültigen
Abschluss der ersten Erfüllungsperiode tatsächlich ein erheblicher Überschuss an
Emissionsrechten ergeben.
3.2 Polit-ökonomische Durchsetzbarkeit des TMG ETS
Auch aus polit-ökonomischer Perspektive muss das Tokioter Emissionshandelssystem gerade
vor dem Hintergrund der Erfahrungen auf nationaler Ebene in Japan als überraschender
Erfolg gelten (Nishida/Hua 2011: 525, Rudolph 2014). Grund hierfür war eine
lokalspezifische Macht- und Interessenkonstellation, die sich maßgeblich von der Situation
auf nationaler Ebene unterschied. Zwar erwiesen sich auch im Tokioter Fall die 14
wichtigsten Emittentengruppen angeführt vom zentralen japanischen Wirtschaftsverband
Keidanren und anfangs auch unterstützt von der Tokioter Handelskammer, dem Repräsentant
kleiner und mittelständiger Betriebe, erwartungsgemäß als vehemente Gegner eines
ambitionierten lokalen Kohlendioxid-Marktes. Sie befürchteten dabei vor allem, eine absolute
Emissionsmengenbegrenzung
könne
Wachstumspotentiale
limitieren,
starke
Preisfluktuationen wie in der EU könnten Planungsunsicherheiten schaffen und eine faire
Erstvergabe sei ohnehin unmöglich. Zudem wurde mit bereits aus dem nationalen Diskurs
bekannten Argumenten auf die bereits hohe Energieeffizienz hingewiesen, die keine weiteren
Emissionsreduktionen erlaube. Nicht zuletzt seien freiwillige Instrumente wie der etablierte
klimapolitische Keidanren Voluntary Action Plan die bessere Alternative.
Jedoch agierten die Umweltverbände auf lokaler Ebene in Tokio deutlich effektiver als auf
nationaler Ebene. Angeführt vom auch national im Bereich Emissionshandel aktivsten
Verband, dem World Wide Fund for Nature (WWF), unterstützen die Organisationen ein
ambitioniertes Emissionshandelssystem in der japanischen Hauptstadt ausdrücklich.
Beweggründe dafür waren neben der Hoffnung, ein CO2-Markt in der japanischen Hauptstadt
könne auch ein nationales System beflügeln, der verpflichtende Charakter eines solchen
Programms, die absolute Emissionsmengenbegrenzung und die Setzung eines Preissignals für
Kohlendioxid.
Unterstützt wurde die proaktive Position der Umweltverbände von Tokios ehemaligem
Gouverneur Shintaro Ishihara, dessen politische Führung als wesentlicher Erfolgsfaktor des
TMG ETS gelten muss. Ishihara, lokal äußerst beliebt und bekannt für seine
Entschlussfreudigkeit und seine oft im Gegensatz zur nationalen Regierung stehenden
Positionen, wollte Tokio als weltweiten Vorreiter im lokalen Klimaschutz etablieren und die
japanische Hauptstadt zur „Low Carbon City“ machen, insbesondere auch mit Blick auf die
Bewerbung für die Olympischen Spiele 2020. Unterstützung fand er dabei mehrheitlich auch
in der Tokioter Bevölkerung.
Die lokale Umweltverwaltung Tokios, das TMG Bureau of Environment, war ebenfalls
äußerst interessiert an einem lokalen Emissionshandelssystem. Wesentliche Gründe hierfür
waren vor dem Hintergrund des weitgehenden Scheiterns freiwilliger Emissionsreduktionen
zunächst eine explizite Klimaschutzmotivation aus ähnlichen Beweggründen wie denjenigen
der
Umweltverbände.
Zudem
bestand
aber
auch
die
Aussicht,
international
in
klimapolitischen Städteinitiativen wie der C40 Cities Climate Leadership Group oder dem
Emissionshandelsnetzwerk
International
Carbon
Action
Partnership
(ICAP)
als
wohlinformierter Vorreiter zu agieren.
Auf dieser interessenpolitischen Basis initiierte die Stadtregierung einen offenen
Konsultationsprozess, der alle relevanten politischen Stakeholder einbezog und eine
spezifische Machtbalance schuf und zementierte, die sich als vorteilhaft für die Umsetzung
des TMG ETS erwies.
In diesem Prozess agierte das TMG Bureau of Environment als besonders durchsetzungsstark,
da es erstens mit 10-30 hochqualifizierten, klimapolitisch engagierten Mitarbeitern
ausgestattet war, zweitens die offizielle Zuständigkeit für die klimapolitischen Strategien und
Programme der Metropole besaß und drittens zusätzliche Expertise durch die Kooperation mit
renommierten Umweltökonomen und Umweltverbänden aufgebaut hatte; gerade die
Kooperation von Umweltverbänden und Verwaltung ist in Japan selten, da von
Regierungsseite noch immer ein erhebliches Misstrauen gegenüber zivilgesellschaftlichen
Protestakteuren besteht. Nicht zuletzt verfügte das TMG Bureau of Environment über
detaillierte
Informationen
Reduktionsplanung
aus
relevanter
der
obligatorischen
Tokioter
Emissionsberichterstattung
Emittenten,
die
es
ihr
und
ermöglichten,
Reduktionspotentiale vergleichsweise exakt abzuschätzen.
Der politische Einfluss der ansonsten in Japan nahezu machtlosen Umweltverbände wurde
durch die zeitweilig enge Kooperation mit dem TMG Bureau of Environment maßgeblich
aufgewertet. Dies galt insbesondere im Vergleich zu den Wirtschaftsakteuren. Bereits vor den
eigentlichen Stakeholder-Treffen hatte die Tokioter Handelskammer die Koalition der Gegner
aus
der
Industrie
verlassen,
da
besonders
aus
den
Offset-
und
begleitenden
Förderprogrammen für erneuerbare Energien und Effizienzmaßnahmen wirtschaftliche
Vorteile für kleine und mittelständige Unternehmen zu erwarten waren. Damit bestand keine
geschlossene Allianz „der Wirtschaft“ gegen das TMG ETS, was die Gegner in der Industrie
politisch erheblich schwächte. Da zudem die in Keidanren dominante energieintensive
Stahlindustrie kaum Produktionsstandorte in Tokio besitzt und die ebenfalls im Keidanren
einflussreichen Stromerzeuger vom TMG ETS nicht direkt betroffen sind, konnte auch
Keidanren seine sonst so machtvolle Position kaum nutzten.
In den drei Stakeholder-Meetings im Juli 2007, Oktober 2007 und Januar 2008 war die
Industrie vor diesem Hintergrund nicht in der Lage, ihre ablehnende Haltung politisch
durchzusetzen. Zunächst konnten die wesentlichen Keidanren-Argumente vom gut
vorbereiteten TMG Bureau of Environment entkräftet werden, indem tatsächliche
Reduktionspotentiale auf der Basis der Emissionsberichte und der Reduktionspläne aufgezeigt
und die Wirkungslosigkeit vormaliger freiwilliger Ansätze nachgewiesen wurde. Zusätzlicher
Druck auf die Industrie einzulenken wurde erzeugt durch die Öffentlichkeitsbeteiligung in den
Stakeholder-Meetings. Rund 200 Vertreter der Tokioter Bürgerschaft nahmen jeweils teil,
hatten bereits im Vorlauf Zugang zu allen relevanten Daten und politischen Stellungnahmen
und unterstützten mehrheitlich eine ambitionierte lokale Klimapolitik. Eine solche
Beteiligung der Zivilgesellschaft an politischen Entscheidungsverfahren ist ebenfalls ein eher
ungewöhnlicher Vorgang in Japan, wo in aller Regel eine regierungsinterne Konsensbildung
der öffentlichen Debatte vorausgeht.
Letztlich führte die lokalspezifische Ausgangssituation aus einer engagierten politischen
Führung, einer pro-aktiven Umweltverwaltung, politisch gestärkten Umwelt- und
demgegenüber geschwächten Industrieverbänden sowie einer wachsamen Zivilgesellschaft
über ein ungewöhnlich offenes Entscheidungsverfahren zu einer einstimmigen Annahme des
lokalen Emissionshandelssystems durch das städtische Parlament im Juni 2008. Das Tokioter
Beispiel zeigt damit, dass es, wider allen polit-ökonomischen Barrieren, bei spezifischen
Rahmenbedingungen und einer geeigneten Prozessgestaltung durchaus gelingen kann, ein
vergleichsweise ambitioniertes klimapolitisches Emissionshandelssystem durchzusetzen,
selbst in Japan.
4 Fazit
Wenngleich sich die aktuelle japanische Zentralregierung in klimapolitischer Zurückhaltung
übt, ist es der japanischen Hauptstadt Tokio gelungen, einen ambitionierten und bisher
durchaus wirksamen lokalen CO2-Markt zu etablieren.
Solche sub-nationalen Klimaschutzaktivitäten vor allem in Metropolen wie Tokio können
einen wesentlichen Beitrag zum globalen Klimaschutz leisten. Ein wichtiges Instrument
hierfür kann selbst auf lokaler Ebene der Emissionshandel sein, der sich zumindest teilweise
bereits in anderen Anwendungen bewährt hat. Gleichwohl ist das Design eines ambitionierten,
den klimapolitischen Notwendigkeiten und den ökonomischen Realitäten angemessenen
Systems keineswegs eine triviale Aufgaben, wie auch die vielfältigen Erfahrungen und
nachträglichen Revisionen implementierter Systeme in anderen Ländern zeigen.
Tokios Emissionshandelssystem hat nach weitgehend gescheiterten freiwilligen Maßnahmen
erhebliche Erfolge erzielt. Voraussetzung hierfür ist ein weitgehend gelungenes Design, das
signifikante, kostengünstige Emissionsreduktionen verspricht. So konnten bereits in der ersten
Erfüllungsperiode die CO2-Emissionen der betroffenen Einrichtungen deutlich unter die
Zielwerte reduziert, die Marktaktivität erhöht und die Preise für Emissionsgutschriften
gesenkt werden. Gleichwohl entfalteten Schwächen im Design ebenfalls bereits in der ersten
Erfüllungsperiode Wirkungen. So erweist sich das Cap als nicht bindend, die
Marktorganisation als erheblich transaktionskostenintensiv, und die Erstzuteilung folgt nicht
dem strengen Verursacherprinzip. Hieraus lassen sich folgende Optionen für eine
Verbesserung des Systems ableiten:

Ausweitung des Anwendungsbereichs auf andere Sektoren

signifikante Verschärfung des Caps

Ausweitung der Erstzuteilung per Versteigerungen

Etablierung einer Handelsplattform

Übertragbarkeit aller (implizit) zugeteilten Emissionsrechte
Analoge Revisionen haben sich bereits in anderen Systemen wie dem EU ETS oder RGGI als
durchaus erfolgreich erwiesen und könnten so auch dem TMG ETS einen nachhaltigen Erfolg
sichern.
Aus polit-ökonomischer Perspektive muss das Tokioter Emissionshandelssystem gerade vor
dem Hintergrund der ernüchternden Erfahrungen auf nationaler Ebene in Japan als
überraschender Erfolg gelten, der sich allerdings aus einer lokalspezifische Macht- und
Interessenkonstellation erklärt. Polit-ökonomische Erfolgsfaktoren waren dabei

eine expliziter politisch-administrativer Gestaltungswille der Tokioter Stadtregierung,

ein für alle politischen Stakeholder offener Diskussionsprozess und

die Bildung pro-aktiver Netzwerke bei gleichzeitiger Spaltung der Gegner.
Auch diesbezüglich haben sich analoge Erfolgsfaktoren bereits bei der Implementierung von
Emissionshandelssystemen in der EU oder den USA als hilfreich erwiesen, während
andererseits das Scheitern eines klimapolitischen Emissionshandelssystems auf nationaler
Ebene in Japan auf das Fehlen dieser Faktoren zurückgeführt werden kann.
Insgesamt ermutigt das Tokioter Emissionshandelssystem zu einer marktorientierten lokalen
Ergänzung globaler und nationaler Klimaschutzaktivitäten und es bleibt zu hoffen, dass sich
der Emissionshandel nicht nur in Tokio langfristig etabliert, sondern auch in anderen
Metropolen weltweit Nachahmung findet.
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Summary
Which role for local carbon markets? This article answers the question looking at Tokyo’s
CO2 emissions trading scheme as an example. Metropolises play an increasingly important
part in climate protection, and so does emissions trading. Tokyo, still the biggest metropolis in
the world, established the first local CO2 market focused on power consumption in office
buildings in 2010, the first compliance period of which is just now ending. So, despite of the
recent reluctance of Japan’s federal government to engage in climate policy, how could Tokyo politically succeed in implementing a local carbon market? Which design specifics characterize this program? And how can the most recent results of the first compliance period be
judged? These questions are answered using a politico-economic feasibility as well as an environmental economics design and effect analysis. We show that Tokyo’s CO2 market is
comparatively ambitious in its design and that the results of the first compliance period are so
far promising. Still, the program can be significantly improved by strengthening the cap,
phasing in auctioning, and reducing barriers for trading. However, the program only became
politically feasible due to local specifics in the power balance and the respective climate policy interests.