AZ Freiamt, vom: Donnerstag, 2. Juli 2015

FREIAMT 29
AARGAUER ZEITUNG
DONNERSTAG, 2. JULI 2015
Mike Wong geht auf Rekord-Fussmarsch
Rudolfstetten Der 21-jährige Informatik-Student will mit einem ehrgeizigen Projekt Geld für Waisenkinder sammeln
bewältigen, was eine Marschzeit von
rund acht Stunden bedeutet. Wie will
er das schaffen? «Mit meinem starken
Willen und einem Rucksack gepackt
nur mit dem Notwendigsten. Er wiegt
kaum mehr als zehn Kilos», erklärt der
Wagemutige.
Die Routen hat er mit Google Maps
ermittelt, über einen Zeitraum von ein
bis zwei Monaten und danach noch viel
Zeit für den Feinschliff investiert. Darum weiss er auch, dass nicht alle Länder über ein so ausgefeiltes Wanderwegnetz, wie die Schweiz verfügen.
«Ich werde häufig entlang von Landstrassen laufen müssen.»
Schlafen will er so oft wie möglich im
Zelt, in Städten allenfalls in einer Jugendherberge. Auch sonst bleibt Wong
in seiner Durchführung flexibel. Wenn
er an einem heissen Julimittag eine längere Pause einlegen muss, so wird er
am Abend länger gehen. An körperlicher Fitness mangelt es ihm denn
nicht. Wong betreibt seit etwas mehr
als sechs Jahren Parkour (eine effiziente
Fortbewegungsart mit Überwindung
von Hindernissen) und ist oft in den
Bergen unterwegs.
VON LYNE SCHUPPISSER
Am 12. Juli startet Mike Wong zu seinem persönlichen Abenteuer: «A long
Walk» – ein langer Marsch. Innerhalb
eines Monats will der 21-Jährige zu
Fuss, mit Rucksack, Kamera und Zelt
durch elf Länder Europas ziehen und
damit den bestehenden Rekord von
10 Ländern überbieten. Als Wong vor
einem Jahr zufällig ein Buch von Alastair Humphrey in die Hände geriet, fing
alles an. Humphrey hatte während viereinhalb Jahren mit dem Fahrrad die
Welt erkundet. Seine Erlebnisse und
Eindrücke inspirierten Wong so stark,
dass er begann, andere Bücher von
Abenteuern zu lesen. Und immer stärker wurde Sein Drang herauszufinden:
«Wie weit kann ich gehen?»
Projekt von Guinness bewilligt
Mit der Idee für sein Abenteuer wurde Wong bei Guinness World Records
vorstellig. Im November 2014 reichte
seine Anfrage ein. Nach langer Bearbeitungs- und Prüfungszeit erhielt er im
April das Einverständnis. Er darf den
Versuch wagen, den alten Weltrekord
von 10 zu Fuss durchquerten Ländern
in einem Monat zu brechen.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
– das gilt auch für die Guinness World
Records. Auf Wongs Armbanduhr werden während der Reise alle seine GPSDaten im Minutentakt auf eine Karte
gespeichert. So lässt sich überprüfen,
ob er auf seiner Reise wirklich zu Fuss
unterwegs ist und sich nicht eben mal
per Autostopp eine Ruhepause gönnt.
Als IT-Experte, Wong studiert im zweiten Semester Informatik, wäre es ein
Leichtes, die Uhr zu manipulieren. Das
liegt aber nicht in seinem Interesse.
Während dem Marsch will er Spenden
sammeln für die englische Hilfsorganisation «Hope and Homes for Children».
Sie setzt sich für Kinder in Waisenhäusern ein und wurde schon von anderen
Abenteurern unterstützt.
Freunde hielten ihn für verrückt
Viel Wille und wenige Gewicht
Die 1200 Kilometer lange Reise wird
Wong von Holland über die Schweiz bis
hinunter nach Kroatien führen. An einem Tag will er jeweils 40 Kilometer
Mike Wong mit seinem Rucksack, dem treuen Begleiter für das kommende Abenteuer.
LYNE SCHUPPISSER
Auf sein Vorhaben reagierten Freunde und Familie überrascht und hielten
ihn für verrückt. «Jetzt finden sie es
aber eine coole Idee und unterstützen
mich.» Freunde und Interessierte können seinen Marsch auf www.mwong.ch
mitverfolgen. Dort wird der leidenschaftliche Fotograf voraussichtlich alle
zwei bis drei Tage die neuesten Fotos
veröffentlichen.
Starten wird Mike Wong im holländischen Vaas. Dort kommen ihm geografische Gegebenheiten zugute – das Dreieck Holland, Belgien und Deutschland,
ermöglicht es ihm, in einem Tag drei
Länder zu passieren. Wong freut sich
auf abwechslungsreiche Landschaften.
«Von der Nordsee bis zum adriatischen
Meer kann ich den ganzen Wechsel verfolgen.» Weiter könne er auf seinem
Marsch auch «einfach mal abschalten».
Seit seiner Lehre war er ohne Unterbruch am Arbeiten und Studieren. Allein zu reisen, macht ihm nicht aus.
«Ich lerne sicher viele Leute können.»
Sie unterstützen viele Schüler auf dem Lebensweg
Wohlen Die beiden Kantilehrer
Markus Stutz und Urs Senn treten nach 36 Jahren Schulmeisterei in den Ruhestand.
VON JÖRG BAUMANN
Ein gängiges Klischee: Lehrer sind nach
Jahrzehnten im Schuldienst ausgebrannt.
Nicht so die beiden Kantonsschullehrer
Markus Stutz und Urs Senn. Sie nahmen
die Lehrtätigkeit an der Kanti Wohlen
1979 zusammen auf und hörten nun nach
36 Jahren gemeinsam auf. Beide finden:
«Lehrer sein, das ist fantastisch. Wir durften vielen Schülern dabei helfen, herauszufinden, wo sie talentiert sind.»
Schule stark gewachsen
Natürlich hat sich das Umfeld in den
letzten 36 Jahren stark gewandelt. So ist
die Kantonsschule Wohlen, die 200 Schüler zählte, als Stutz und Senn dort Lehrer
wurden, grösser geworden. 800 Schülerinnen und Schüler drücken heute die
Schulbank. Bald werden es noch mehr
sein.
Über die kritische Grösse dürfe man
sich durchaus seine Gedanken machen,
sagen Stutz und Senn. «Bei 1000 und
noch mehr Schülern wird die Schule noch
etwas unpersönlicher.» Aber mit einer
Maturitätsquote von 16 Prozent liege der
Kanton Aargau «gerade richtig», stellt
Stutz fest. Schliesslich wachse die Bevölkerung im Freiamt noch immer stark. Und
da sei es nichts anderes als natürlich, dass
Horizontes beitragen, sagt Urs Senn. «Ich
durfte den meisten Schulklassen neben
der zeitgenössischen Literatur auch die
Werke von William Shakespeare näherbringen.»
Lehrerkollege Markus Stutz ging es in
seinen Fachgebieten ähnlich. «Keine Physikstunde ohne Experiment, bei dem man
etwas sieht und lernt», war sein Prinzip.
Und im Freifach Astronomie durfte der
Hobbysterngucker, der selber ein Fernrohr herstellte und es in der Schule auch
einsetzte, zahlreiche Schüler in die Welt
der Planeten einführen. Auch dies eine
Ausweitung des Bildungshorizontes, wie
wohl kaum ein Schüler missen möchte.
auch immer mehr Schüler und Schülerinnen an die Mittelschule wollten. Über die
richtige Grösse der Kantonsschule Wohlen
würden aber richtigerweise nicht die Lehrer entscheiden. «Das ist Sache der Politik», finden die beiden.
«Interessiert, gescheit, anständig»
Die Politik, so spinnt der nun pensionierte Deutsch- und Englischlehrer Urs
Senn den Faden weiter, müsse sicher daran interessiert sein, dass eine rein zweckorientierte, auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtete Ausbildung die Ziele
einer breiten Bildung nicht durchkreuze.
«Unsere Schüler sind in der grossen Mehrheit interessiert, gescheit und sehr anständig.» Aber ihr Umfeld habe sich in den
letzten 36 Jahren gewaltig geändert, meint
der Mathematik- und Physiklehrer Markus
Stutz. «Das Handy gab es, als wir an der
Kanti anfingen, noch gar nicht. Heute gehört es zum Alltag. Dass man Tag und
Nacht am Telefon erreichbar sein muss,
ist sicher nicht gut.» Befremdlich wirkt
auf Senn, dass die Wirtschaft schon Vierzehnjährige als Konsumenten umgarnt
und so einem unvorteilhaften Sog unterwirft.
Viele Schüler erreichten viel
Alles in allem sind die beiden pensionierten Lehrer stolz auf ihre viele hundert
ehemaligen Schülerinnen und Schüler,
von denen es einige sehr weit ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gebracht haben – wie die Bundesrätin Doris Leuthard
oder die Fernsehmoderatorin Susanne
Wille. Viele Schülerinnen und Schüler hät-
«Nie den Humor vergessen»
Seit wenigen Tagen Pensionäre: Die langjährigen Wohler KantonsschulBA
lehrer Markus Stutz (links) und Urs Senn.
«Viele Schüler haben profitiert von
den vielfältigen
Bildungsmöglichkeiten, wie sie die
Kanti zum Glück
immer noch bietet.»
ten von den vielfältigen Bildungsmöglichkeiten, wie sie die Kantonsschule zum
Glück noch immer biete, profitiert, sagen
die beiden Neupensionäre. Mitgeholfen
hätten da bestimmt auch das Kantiforum,
das in Wohlen kulturell aktiv ist, die regelmässigen Schüleraustausche mit dem Ausland oder auch die vielen weiteren Schulveranstaltungen, die zur Erweiterung des
Schulkarrieren an der Kanti Wohlen
nehmen gelegentlich unerwartete Kurven.
So stellte eine Schülerin ihr Wirtschaftsstudium zurück, das sie angestrebt hatte,
und wurde – Koch. Eine Ausnahmeerscheinung zwar, aber doch ein Indiz dafür, dass das Ziel, zufrieden und glücklich
zu werden, nicht nur dann erreicht werden kann, wenn man sofort studiert. Beide Lehrkräfte fanden es wichtig, den
Schülern einen möglichst spannenden Unterricht zu bieten und dabei den Humor
nie zu vergessen.
«Wir haben die Lehrfreiheit immer geschätzt. Wir konnten sehr vieles selber gestalten. Das forderte uns zwar, aber machte eben auch Freude», sagen sie. In der
Freizeit wollen beide weiterhin häufig reisen. Markus Stutz will an seinem Haus in
Wohlen endlich eine Sonnenuhr anbringen – «eine, die stimmt», sagt er.