Welche Bedeutung messen Lehrkräfte Zielen bei der

Stephan Wernke & Klaus Zierer
Welche Bedeutung messen Lehrkräfte Zielen bei der
Unterrichtsplanung bei? Ergebnisse zweier qualitativer Studien
Zusammenfassung: Die Klarheit der Lehrperson stellt unbestritten eine wichtige Anforderung an Unterricht dar und manifestiert sich insbesondere in der Klarheit und Transparenz
der Ziele des Unterrichts. Spielen die Ziele in didaktischen Modellen zur Unterrichtsplanung
und im Rahmen der Ausbildung von Lehrkräften an der Universität und im Studienseminar
noch eine entscheidende Rolle, so zeigen Ergebnisse aus der empirischen Forschung zum
Planungshandeln von Lehrkräften, dass bei der alltäglichen Unterrichtsplanung kaum noch
Überlegungen zu Zielen angestellt werden.
Ausgehen von dieser Diskrepanz haben wir zwei qualitative Studien zur Bedeutung unterschiedlicher Planungsdimensionen durchgeführt, die im folgenden Beitrag vorgestellt werden. Die Ergebnisse der Untersuchung machen deutlich, dass insbesondere die Ziele des
Unterrichts für die befragten Lehrkräfte - zumindest auf der theoretischen Ebene - eine zentrale Rolle spielen und den Ausgangspunkt für ihre Planungsüberlegungen bilden. Warum
klafft zwischen theoretischem Wissen und den tatsächlichen Planungshandeln eine derartige
Kluft? Gründe dafür werden im Beitrag diskutiert und abschließend werden Implikationen für
die Praxis hergeleitet.
Schlüsselworte: Unterrichtsplanung, Planungshandeln, Zielformulierungen
Teachers lesson planning and the importance of learning goals - Results of two
qualitative studies
Abstract: The clarity of the teacher is an important requirement for teaching. Especially the
clarity and transparency of the learning goals play a key role in didactical models for lesson
planning, and in the context of teacher education at the university. However, results of the
empirical research on the planning actions of teachers show that in everyday lesson planning
hardly any reflections about learning goals can be identified.
Based on this discrepancy, we conducted two studies with teachers on the importance
of different dimensions of lesson planning. The results of the studies show that learning goals
on a theoretical level play a central role for the teachers, and that goals are the starting point
for their planning considerations. So why is there such a gap between theoretical knowledge
and everyday lesson planning? Reasons are discussed in the following article.
Keywords: lesson planning, teacher acting, learning goals
1.
Einleitung
Wirft man einen Blick auf die derzeit hoch gehandelten Ergebnisse von Hattie (2013), gehört
der Faktor „Klarheit der Lehrperson“ zu den zehn wirkungsstärksten Faktoren, die die Lernleistung von Schülerinnen und Schülern (positiv) beeinflussen (d=0,75). Mit dieser Erkenntnis
liefert Hattie allerdings - zumindest inhaltlich - nichts neues, findet man genau diesen Aspekt
z.B. bereits bei Helmkes Ausführungen zur Unterrichtsqualität (Helmke, 2010), in Meyers
zehn Merkmalen guten Unterrichts (Meyer, 2008) und sogar schon in den Unterrichtsprinzipien von Comenius (1657) wieder. Die Klarheit der Lehrperson stellt unbestritten eine wichti1
ge Anforderung an Unterricht dar und manifestiert sich insbesondere in der Klarheit und
Transparenz der Ziele des Unterrichts. Den Schülern und den Lehrkräften sollten die Ziele
einer Unterrichtsstunde transparent sein. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist es, dass
sich Lehrkräfte vorab bewusst mit den Zielen Ihres Unterrichts auseinandersetzen. Ihnen
sollte dementsprechend schon bei der Planung von Unterricht eine besondere Aufmerksamkeit zukommen.
2.
Theoretischer Hintergrund: Ziele als Teil der Unterrichtsplanung
Folgt man Jank & Meyer (1991) so lassen sich die Inhaltsbereiche der Allgemeinen Didaktik
in Bezug auf die Unterrichtsplanung sehr anschaulich anhand von neun W-Fragen darstellen: Wer soll was, von wem, wann, mit wem, wo, wie, womit und wozu lernen? Ausgehend
von diesen grundsätzlichen Fragen der Allgemeinen Didaktik lassen sich sechs Perspektiven
nennen, die bei der Planung von Unterricht zu beachten sind: Die Zielperspektive (Wer und
wozu?), die Inhaltsperspektive (Was?), die Methodenperspektive (Wie, mit wem und von
wem?), die Medienperspektive (Womit?), die Raumperspektive (Wo?) und die Zeitperspektive (Wann?). Diese sechs Perspektiven werden im didaktischen Sechseck zusammengeführt,
stehen „in einem Wechselwirkungsverhältnis zueinander“ und kennzeichnen die „zentralen
Dimensionen des Unterrichts“ (Zierer, 2013, S. 31).
Abb. 1: Das Didaktische Sechseck
Zwischen allen sechs Dimensionen bestehen Wechselwirkungen. Während Inhalte, Medien,
Methoden, Raum und Zeit in gewisser Weise gleichwertig nebeneinanderstehen, spielen die
Ziele des Unterrichts aus theoretischer Perspektive eine besondere Rolle. Denn in der Auseinandersetzung mit den Zielen stößt man auf alle genannten W-Fragen und somit auf alle
unterrichtlichen Entscheidungen: Allen voran beantworten Zielentscheidungen die Frage
nach dem Wer und dem Wozu. Diese beiden hängen unmittelbar voneinander ab, denn die
Ziele, die sich ein Unterricht setzt, sind immer in Abhängigkeit und in Bezug auf die Lernenden zu sehen. Welcher Lernende soll aus welchen Gründen etwas lernen? Damit zeigt sich
zudem, dass die Ziele immer auch an die Inhalte gekoppelt sind. Etwas soll gelernt werden.
Damit wird direkt die Frage nach dem Was angeführt. Des Weiteren ist Unterricht aufgrund
der Begegnung von Lehrkraft und Schülerschaft im Stoff immer auch ein Vermittlungs- und
insofern ein Lehr-Lern-Prozess. Es schließen sich also Fragen nach dem Von-wem, Mit-wem
und Wie an, die aus methodischer Sicht unter Zuhilfenahme von Arbeits- und Aktionsformen,
Sozialformen, Klassen- und Gesprächsführungsstrategien sowie Unterrichtsprinzipien zu
beantworten sind. Diese wiederum verfolgen bzw. bedienen jede für sich bestimmte Ziele.
Gleiches gilt für die Medien, die den zu vermittelnden Stoff erfahrbar machen. Die Frage
nach dem Womit ist insofern ebenfalls zielabhängig. Medien übernehmen in diesem Sinn die
2
Vermittlerrolle zwischen Schüler und Stoff und helfen darüber hinaus, durch didaktische Aufbereitung Lernen zu ermöglichen und Ziele zu erreichen. Die Frage nach dem Wo mag auf
den ersten Blick obsolet erscheinen, findet Unterricht in der Regel im Klassenzimmer statt.
Aber: Unterricht muss nicht immer im Klassenzimmer stattfinden, sondern kann auch auf
Gängen, in Turnhallen, in Aulen, auf Pausenhöfen oder in nahezu allen anderen Räumen
stattfinden, über deren Aufteilung und Gestaltung man sich Gedanken machen muss, wenn
Lehrprozesse gelingen und die Ziele des Unterrichts erreicht werden sollen. Auch das Klassenzimmer selbst birgt eine Reihe von Raumfragen, die es zu beantworten gilt: Wo lässt sich
am besten im Klassenzimmer ein Sitzkreis machen? Wo ist Platz für einen Marktplatz? Wie
kann die Präsentation von Gruppenarbeiten aus räumlicher Sicht organisiert werden, ohne
dass es zu Störungen im Unterrichtsverlauf kommt, um Problemen bei der Zielerreichung
entgegenzuwirken. Letztlich bleibt mit der Frage nach dem Wann die zeitliche Perspektive zu
berücksichtigen: Auch wenn aus unterschiedlichen Gründen der 45-Minuten-Takt nach wie
vor den schulischen Alltag dominiert, so ist damit die Frage nach dem Wann des Unterrichts
nicht vollends beantwortet. Denn auch diese 45 Minuten müssen geplant und im Hinblick auf
die Lehrkraft, die Schülerschaft und den Stoff abgestimmt werden. Welche Ziele lassen sich
in diesem zeitlichen Rahmen erreichen bzw. welcher zeitliche Rahmen ist für bestimmte Ziele notwendig? Vor allem Überlegungen zur Artikulation des Unterrichts bieten zahlreiche Hilfestellungen, um Unterricht zieladäquat zu strukturieren.
3.
Forschungsfokus
Wie eben erläutert wurde, spielen die Ziele im didaktischen Sechseck eine entscheidende
Rolle. Diese Bedeutung lässt sich auch in anderen didaktischen Modellen zur Unterrichtsplanung (z.B. Heimann, 1962) und im Rahmen der (theoretischen) Ausbildung von Lehrkräften
an der Universität und im Studienseminar feststellen. Vor diesem Hintergrund überrascht es,
dass zahlreiche empirische Forschungen zum Planungshandeln von Lehrkräften zu dem
Ergebnis kommen (vgl. z.B. Bromme, 1981; Haas, 1992, 1998), dass bei der alltäglichen
Unterrichtsplanung kaum noch Überlegungen zu Zielen angestellt werden. Es stellt sich somit die Frage, welche Bedeutung Lehrkräfte überhaupt Zielen bei der Unterrichtsplanung
beimessen.
Ausgehend von der Diskrepanz zwischen Theorie und Empirie wurden im Rahmen des
Projektes EEPAD (Entwicklung und Evaluation von Planungsmodellen der Allgemeinen Didaktik; vgl. dazu Zierer & Wernke, 2013; Wernke & Zierer, 2015; Wernke, Werner & Zierer,
2015) zwei Studien mit Lehrkräften zur Bedeutung unterschiedlicher Planungsdimensionen
durchgeführt, die im Folgenden im Überblick dargelegt und dessen Ergebnisse im Anschluss
diskutiert werden.
4.
Studie 1
In der ersten Studie wurden Interviews mit N=18 per Zufall gezogenen Lehrkräften zu deren
Unterrichtsplanung durchgeführt. Ziel war, herauszufinden, wie Lehrkräfte alltäglichen
Unterricht planen, welche der oben angeführten Planungsdimensionen aufgegriffen werden
und welche Bedeutung diese bei der Unterrichtsvorbereitung haben. Unter den Befragten
sind 11 Frauen und 7 Männer, die zwischen 28 und 62 Jahre alt sind (M=43,3) und
Diensterfahrungen im Umfang von 4 bis 30 Jahren haben (M=16,6). Die Befragung hat
keinen Fokus auf bestimmte Fächer oder Schulformen, sondern einen allgemeindidaktischen
Blickwinkel, so dass Lehrkräften aller Fächer und Schulformen befragt wurden.
3
4.1 Methodisches Vorgehen
Die Interviews wurden im privaten Umfeld der Lehrkräfte durchgeführt und bestehen aus drei
inhaltlichen Blöcken. Im ersten Interview-Block wurden die Lehrkräfte aufgefordert an eine
konkrete Unterrichtsstunde zu denken, die im Lauf der Woche anstehen würde. Dazu sollten
sie frei erzählen, wie sie bei deren Planung vorgehen, was genau ihre Überlegungen dabei
sind und welche Schritte sie bei der Unterrichtsplanung vollziehen. Diese Frageaspekte
wurden durch drei Merkkarten (Wie?, Was? und Schritte?) visuell unterstützt.
Im zweiten Interview-Block wurde den Lehrkräften in willkürlicher Reihenfolge und
nacheinander konkrete Planungsaspekte (Ziele, Inhalte, Methoden, Medien, Raum, Zeit,
Lerngruppe) vorgelegt. Diese wurde ebenfalls durch Merkkarten visualisiert. Hierzu waren
sie aufgefordert, darzulegen, welche Überlegungen zu diesen Aspekten bei der
Unterrichtsplanung der eigenen Meinung nach getätigt werden sollten.
Im dritten Interview-Block der Befragung sollten die Lehrkräfte die zuvor auf einem Tisch
ausgebreiteten Merkkarten zu den sieben Planungsaspekten sortieren. Eine erste Sortierung
sollten sie vornehmen, indem sie die Wichtigkeit der verschiedenen Planungsaspekte
bewerten und diese somit hierarchisieren. Im nächsten Schritt sollten sie die entstandene
Prioritätenliste dahingehend umsortieren, in welcher Reihenfolge sie die Planungsaspekte
bei der Unterrichtsplanung angehen würden.
Die transkribierten Interviews wurden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring,
2008) ausgewertet. Sie wurden anhand eines in einer größeren, vorangegangenen Studie
zum Planungshandeln von Lehrkräften (Bakenhus, Wernke & Zierer, eingereicht) induktiv
entwickelten Kategoriensystems ausgewertet. Alle Interviews wurden von zwei Ratern
codiert, um Interraterreliabilitäten berechnen zu können.
4.2 Ergebnisse
Das Kategoriensystem besteht aus den sieben Oberkategorien Ziele, Inhalte, Methoden,
Medien, Raum, Zeit und Lerngruppe und dazugehörigen Unterkategorien (im Umfang von bis
zu zehn). Im Folgenden werden die Ergebnisse der Erhebung entsprechend der oben
dargelegten Interview-Blöcke dargelegt.
Erster Interview-Block: Freie Äußerungen zum Planungsprozess
In Tabelle 1 werden die deskriptiven Ergebnisse des ersten Blockes in Bezug auf
Oberkategorien dargestellt. Die Überprüfung der Intercoderreliabilität nach Cohen in Bezug
auf diese Oberkategorien ergab eine Übereinstimmung von 100%.
Tab. 1: Deskriptive Ergebnisse
Nennungen insgesamt
Ziele
Inhalte
Methoden
Medien
Raum
Zeit
Lerngruppe
13
48
44
36
0
51
28
Anzahl der Personen
(von N=18)
10
18
16
13
0
17
15
in Prozent
%
55,6
100,0
88,9
72,2
0,0
94,4
83,3
im Durchschnitt
Ø
0,72
2,66
2,44
2,00
0,00
2,83
1,55
Insgesamt konnten in den freien Darlegungen der 18 Lehrkräfte 220 Planungsaspekte
identifiziert werden. Im Durchschnitt wurden somit rund 12 Planungsüberlegungen von den
4
befragten Lehrkräften genannt, wenn sie frei erzählen, wie sie bei der Unterrichtsplanung
vorgehen und welche Schritte und Überlegungen sie tätigen. Mit Blick auf die
Oberkategorien wird dabei deutlich, dass den einzelnen Planungsbereichen unterschiedliche
Aufmerksamkeit zukommt. So stellen z.B. alle Lehrkräfte Überlegungen zu den Inhalten an,
niemand nennt hingegen Überlegungen zum Raum. Überlegungen zu den Methoden, den
Medien, der Zeit und auch zur Lerngruppe werden von der Mehrzahl der Befragten berichtet.
Ziele werden in den Ausführungen von nur etwas mehr als der Hälfte der Lehrkräfte genannt.
Zweiter Interview-Block: Äußerungen zu konkreten vorgegebenen
Planungsaspekten
Bei der Auswertung des zweiten Interview-Blockes zeigte sich im Vergleich zum ersten
Interview-Block eine interessante Wendung: Wenn Lehrkräften direkt mit den konkreten
Planungsaspekten (Ziele, Inhalte, Methoden, Medien, Raum, Zeit Lerngruppe) konfrontiert
werden, dann fallen ihnen zu allen Bereichen wichtige Kernfragen ein. Sie können zu jedem
Bereich etwas ausführen, darlegen, welche Überlegungen in Bezug auf diese wichtig sind,
und schlüssige Planungsüberlegungen nennen. Dies ist übrigens auch in den Bereichen der
Fall, die in den freien Überlegungen des ersten Blocks gar nicht genannt wurden.
Mit dem Fokus der Auswertung auf den Planungsaspekt der Ziele wird darüber hinaus
deutlich: Während im ersten Interview-Block Zielüberlegungen nur in der Hälfte der Fälle
angestellt wurden, legen bei direkter Ansprache der Ziele alle Lehrkräfte Überlegungen vor,
die man ihrer Meinung nach diesbezüglich anstellen sollte.
Die generellen Aussagen der Lehrkräfte zu den Zielen reichen dabei von „Für jede Stunde
überlege ich mir ein Unterrichtsziel.“, „Die überlege ich mir wirklich immer!“ und „Ohne Ziele
würde Unterricht meiner Meinung nach keinen Sinn ergeben.“ über „Ziele hat man im
Hinterkopf, sonst würde man ja ins Leere planen.“, „...aber das ist eher implizit.“ bis hin zu
„Die sind ja durch das Kerncurriculum vorgegeben.“. Keine der befragten Lehrkräfte hält
Ziele für unwichtig und so legen auch alle weitere Ausführungen zu den Zielen im Hinblick
auf Taxonomien, Hierarchisierungen, Kompetenzen, Differenzierungen, methodischen
Konsequenzen, Transparenz usw. dar. Bei diesen angeführten Aspekten handelt es sich
dabei nicht um Einzelnennungen, sondern diese wurden jeweils von mehreren Lehrkräften
genannt.
Des Weiteren wird in den Antworten ersichtlich, dass es Lehrkräften schwer fällt, die Ziele
des Unterrichts von dessen Inhalten zu differenzieren. So führen die Überlegungen zu den
Zielen bei drei Viertel der Lehrkräften sofort zu den Inhalten: Das Ziel des Unterrichts ist
neues inhaltliches Wissen. Es lassen sich sogar Hinweise darauf finden, dass Ziele und
Inhalte gänzlich gleich gesetzt werden: „Ich suche mir aus: Was muss ich machen im Lesen.
Jetzt - so ganz speziell - würde ich vielleicht eine Stunde nehmen zu Verben mit Vorsilben,
Bedeutung der Verben. Dann fang ich an, mir Sachen dazu zu überlegen. Nachdem ich ja
jetzt also das Ziel weiß, was sie lernen sollen, überlege ich: Wie gehe ich vor?“.
Dritter Interview-Block: Sortierung der Planungsaspekte
Die im zweiten Interview-Block mit den Lehrkräften bereits besprochenen Planungsaspekte
wurden im letzten Teil des Interviews von den Lehrkräften in zwei Sortierungsschritte
geordnet. Durch die vorangegangene inhaltliche Besprechung kann von einem
gemeinsamen Verständnis der Planungsaspekte ausgegangen werden.
Die erste Sortierung sollten die Lehrkräfte im Hinblick auf die persönlich empfundene
Wichtigkeit der Planungsaspekte vornehmen, so dass insgesamt eine „Prioritätenliste“
5
gebildet wurde. Eine Mehrfachvergabe eines Ranges war möglich. Die Sortierungen der
einzelnen Lehrkräfte sind im Detail der Tabelle 2 zu entnehmen.
Auf dem ersten Rang der gebildeten Prioritätenlisten finden sich nur drei der insgesamt
sieben Planungsaspekte wieder. Dies sind mit jeweils 8 Nennungen der Inhalt und die Ziele
und mit 4 Nennungen die Lerngruppe. Auf Rang 2 werden 9 mal die Ziele genannt, 4 mal die
Inhalte, 3 mal die Lerngruppe und 2 mal die Methoden. Rang 3 und 4 werden dominiert von
den Methoden (6 bzw. 5 Nennungen), auf Rang 5 und 6 ist die Zeit vorherrschend. Die
Medien sind am stärksten auf den mittleren Rängen vertreten, in allen Sortierungen bildet
der Planungsaspekt Raum das Schlusslicht.
Tab. 2: Prioritätenlisten der einzelnen Lehrkräfte (N=18)
LehrRang 2
Rang 3
Rang 4
kraft Rang 1
Rang 5
Rang 6
Rang 7
1
Lerngruppe
Ziele
2
Inhalte
Ziele
3
4
5
Ziele
Ziele
Inhalte
6
Raum, Methoden
Raum
Zeit
-
-
Zeit
Lerngruppe
-
Methoden
Methoden,
Inhalte
Methoden,
Medien
Inhalte
Medien
Ziele
Lerngruppe
Raum
Raum
-
Inhalte
Ziele
Lerngruppe
Medien,
Methoden
Methoden
Zeit
Zeit
Zeit
-
7
8
9
Lerngruppe
Inhalte
Inhalte
Ziele
Lerngruppe
Ziele
Methoden
Ziele
Lerngruppe
Medien
Methoden
Methoden
Zeit
Zeit
-
Raum
Raum
-
10
11
12
13
Inhalte
Inhalte
Ziele
Lerngruppe
Ziele
Ziele
Inhalte
Inhalte, Ziele
Lerngruppe
Methoden
Zeit
Methoden
Zeit
Zeit
Raum
-
Raum
Raum
14
Ziele
Lerngruppe
Methoden
Lerngruppe
Methoden
Medien, Zeit,
Raum
Inhalte
Medien,
Raum
Inhalte
Medien
Medien,
Raum, Zeit
Medien
Medien
Lerngruppe
-
-
-
15
16
17
Ziele
Ziele
Inhalte,
Ziele, Lerngruppe
Ziele
Lerngruppe
Inhalte
Methoden,
Zeit
Zeit
Methoden
-
Raum
Zeit
-
Medien
Raum
-
-
-
18
Σ
8x Inhalt
8x Ziele
4x Lerngruppe
Inhalte
Inhalte
Lerngruppe
Medien
Methoden,
Medien
9x Ziele
6x Methoden
4x Inhalt
4x Medien
3x Lerngruppe 4x Inhalt
2x Methoden 4x Lerngruppe
1x Ziele
1x Zeit
1x Raum
Raum, Medien, Zeit,
Methoden
Methoden
Medien
Raum
Lerngruppe,
Zeit, Raum
9x Methoden
5x Medien
5x Raum
3x Zeit
2x Lerngruppe
-
6x Zeit
6x Zeit
5x Raum
5x Medien
4x Raum 1x Medien
2x Raum
1x Lern1x Lerngruppe
gruppe
1x Inhalte
1x Methoden
Mit einem abstrahierenden Blick kann festgehalten werden, dass – nach Bewusstmachung
zentraler Planungsaspekte – die Ziele und der Inhalt als die wichtigsten Planungsaspekte
angesehen werden. Sie werden auf den unteren Rängen gar nicht mehr genannt. Die
Lerngruppe wird ebenfalls als wesentlich angesehen, fällt aber gegenüber den ersten beiden
6
deutlich ab und findet sich vereinzelnd auch auf niedrigeren Rängen wieder. Es schließen
sich die Methoden an, die grundsätzlich Zielen und Inhalten nachgeordnet sind. Dann folgen
die Medien und die Zeit. Als am wenigsten wichtig wird der Planungsaspekt des Raumes
betrachtet.
Eine zweite Sortierung sollten die Lehrkräfte schließlich unter chronologischem Aspekt
vollziehen. Dazu sollten sie die Planungsaspekte in die Reihenfolge bringen, in der sie diese
im Planungsprozess bearbeiten würden. Auch diese Ergebnisse lassen sich wieder
tabellarisch darstellen (vgl. Tabelle 3).
Tab. 3: Von den Lehrkräften (N=18) angegebene Reihenfolgen im Planungsprozess
LehrRang 1
Rang 2
Rang 3
Rang 4
Rang 5
kraft
Rang 6
Rang 7
1
Lerngruppe
Ziele
2
Inhalte
Ziele
3
Inhalte
Ziele
Methoden,
Inhalte
Methoden,
Medien
Methoden
4
5
Ziele
Inhalte
Inhalte
Ziele
Lerngruppe
Lerngruppe
6
Inhalte
Lerngruppe
7
Lerngruppe
Ziele
8
9
10
11
12
Inhalte
Inhalte
Inhalte
Inhalte
Ziele
Lerngruppe
Ziele
Zeit
Ziele
Inhalte
13
14
Inhalte
Ziele
Ziele
Lerngruppe
Ziele, Methoden
Inhalte,
Methoden
Ziele
Lerngruppe
Lerngruppe
Lerngruppe
Methoden,
Medien
Medien
Inhalte
15
16
17
Ziele
Ziele
Ziele, Lerngruppe
Inhalte
Lerngruppe
Inhalte
Inhalte
18
Σ
Inhalte
Lerngruppe
Zeit, Methoden
Ziele
Methoden,
Medien
10x Inhalt
9x Ziele
8x Methoden
6x Ziele
4x Inhalt
6x Lerngruppe
3x Lerngruppe 4x Lerngruppe 4x Medien
4x Inhalt
2x Ziele
1x Zeit
Raum, Medien
Zeit
-
-
Raum
Zeit
Lerngruppe
-
Medien, Lerngruppe
Methoden
Medien, Methoden
Raum, Medien
Zeit
Raum
-
Raum
Zeit
Zeit
Raum
Medien
-
Zeit
-
-
Medien
Zeit
Raum
-
Methoden
Methoden
Methoden
Methoden
Zeit
Medien
Zeit
Ziele
Medien
Raum
Zeit
Raum
Medien
Zeit
Lerngruppe
Raum
Medien
Raum
Raum
Methoden
Raum, Zeit,
Medien, Methoden
Methoden
Medien
Medien
Zeit
-
-
-
Zeit
Methoden
Raum
Raum
Zeit
-
Medien
Raum
-
Lerngruppe,
Raum, Zeit
9x Methoden
8x Medien
5x Raum
2x Zeit
2x Lerngruppe
-
-
-
9x Zeit
3x Raum
2x Medien
1x Ziele
1x Methoden
5x Raum
4x Raum
4x Zeit
3x Medien
2x Lerngruppe
1x Medien
Bei der Sichtung der Planungsreihenfolgen wurde deutlich, dass diese im Großen und
Ganzen ähnlich der erstellten Prioritätenlisten ist. Für die Planungsaspekte lassen sich
tendenziell vergleichbare Positionen identifizieren. Auf den vorderen Plätzen liegen Ziele und
Inhalte, gefolgt von der Lerngruppe, methodischen und zeitlichen Überlegungen. Der Raum
ist auch hier im hinteren Bereich zu finden und wird von einigen Lehrkräften sogar ganz
aussortiert.
7
Allerdings lassen sich auch Unterschiede herauskristallisieren: So scheinen inhaltliche
Überlegungen sich deutlicher an die Spitze zu setzen und bei den meisten der Lehrkräfte der
Ausgangspunkt für ihre Planungen zu sein (10 Nennungen). Die Ziele hingegen werden den
inhaltlichen Entscheidungen im Planungsprozess eher nachgeordnet. Diesen beiden folgend
heben sich als nächster Planungsschritt deutlich die Methoden hervor. Mit 8 und 9
Nennungen dominieren diese Rang 3 und 4. Mit ihnen einhergehen Entscheidungen, die die
Medien betreffen. Die Lerngruppe findet im Planungsprozess keine klare Position, sie taucht
vielerorts in den genannten Planungsreihenfolgen auf und spielt anscheinend immer mal
wieder eine Rolle.
Fazit aus der Studie 1
Lässt man Lehrkräfte ihre konkreten Planungsüberlegungen einer Unterrichtsstunde ohne
Einschränkungen oder Vorgaben darlegen, so fokussieren diese deutlich auf die Inhalte und
die Methoden des Unterrichts. Ziele spielen hier eine eher nebensächliche Rolle. Gibt man
den Lehrkräften hingegen konkrete Planungsaspekte vor, so wird deutlich, dass die Ziele des
Unterrichts von allen Lehrkräften als ein wichtiger Planungsaspekt empfunden werden. Lässt
man sie dann noch zusätzlich Ziele, Methoden, Raum, Zeit, Medien, Inhalte und Lerngruppe
nach ihrer Wichtigkeit und Chronologie im Planungsprozess sortieren, so stehen die Ziele
und Inhalte des Unterrichts an vorderster Stelle. Anders ausgedrückt: Praxisnah erfasst
spielen die Ziele kaum eine Rolle, unter theoretischem Blickwinkel stehen sie hingegen mit
an erster Stelle.
5.
Studie 2
In der zweiten Studie wurde eine Stichprobe von 35 Oberschullehrkräften aus
Niedersachsen untersucht. Es handelt sich wieder um Lehrkräfte aller Fächer, weitere
soziodemografische Daten wurden nicht abgefragt und liegen somit nicht vor. Die Lehrkräfte
wurden einzeln im Lehrerzimmer ihrer Schule befragt. Zur Erfassung der Daten wurden
ihnen sechs Kärtchen mit den sechs Dimensionen des didaktischen Sechsecks (Ziele,
Inhalte, Methoden, Medien, Raum, Zeit) ausgehändigt. Dazu erhielten sie die
Aufgabenstellung, diese sechs Kärtchen mit Blick auf ihre eigene Unterrichtsplanung zu
ordnen. Im Unterschied zu Studie 1 wurde den Befragten die Möglichkeit gegeben,
Beziehungen zwischen einzelnen Kärtchen darzustellen und Pfeile zwischen den Kärtchen
einzuzeichnen. Eventuelle Reihenfolgen oder Hierarchisierungen konnten anhand von
Nummerierungen auf den Kärtchen notiert werden. Erst am Ende des „Legeprozesses“
wurde das Endergebnis fixiert, so dass Umstrukturierungen während des gesamten
Prozesses möglich waren. Die Interviewsituation wurde nicht aufgenommen und
transkribiert, so dass nur die gelegten Struktur-Modelle die Grundlage der Auswertung
bilden. Diese wurden mithilfe der Struktur-Lege-Technik (Scheele, 1988; Scheele &
Groeben, 1984) ausgewertet.
5.1 Ergebnisse zur Rangordnung
Die befragten Lehrkräfte mussten innerhalb der Aufgabenstellung eine für sie logische
Ordnung der sechs Begriffe Ziele, Inhalte, Methoden, Medien, Raum und Zeit darstellen. Von
der Möglichkeit, die Begriffe in eine durchnummerierte Reihenfolge zu bringen, machten mit
einer Ausnahme alle Befragten Gebrauch, so dass 34 der befragten Lehrkräfte eine
Rangordnung erstellten. Ein Ausschluss einzelner Begriffe aus der Rangordnung war dabei
ebenso wie eine Doppelvergabe von Rangzahlen möglich. Wenn Begriffe von einzelnen
8
Lehrkräften nicht berücksichtigt wurden, ist dies in den folgenden Abbildungen durch den
„Rang 0“ gekennzeichnet.
Die Dimensionen Inhalt und Ziele sind bei den befragten Lehrkräften die vorrangigen
Momente bei der Unterrichtsplanung. Dabei stehen Überlegungen zum Inhalt bei 51% (18
Nennungen) der Befragten auf Rang 1 und bei 45% (16 Nennungen) auf Rang 2. Die
Verteilung für die Dimension Ziele ist ähnlich: 54% (19 Nennungen) auf Rang 1 und 37% (13
Nennungen) auf Rang 2. Der Lageparameter, also der Rang mit den jeweils häufigsten
Nennungen, beider Dimensionen gibt den Rang 1 an. Diese Gleichartigkeit wird in Abbildung
2 noch verdeutlicht.
20
18 19
16
15
13
Inhalt
10
Ziele
5
2
0
0
Rang 1
Rang 2
Rang 3
0 0
0 0
0 0
Rang 4
Rang 5
Rang 6
1 1
Rang 0
Abb. 2: Rangordnung - Inhalt und Ziele
Die Dimensionen Methoden und Medien nehmen laut den Lehrkräften in der Unterrichtsplanung einen mittleren Rang ein (vgl. Abb. 3). Dabei stehen Überlegungen zu Methoden bei
51% (18 Nennungen) der Befragten auf Rang 3 und bei 22% (8 Nennungen) auf Rang 4. Die
Verteilung für die Dimension Medien ist mit 37% (13 Nennungen) Rang 3 und mit 31% (11
Nennungen) Rang 4. Der Lageparameter gibt für beide Dimensionen den Rang 3 an. Die
Dimensionen unterscheiden sich hinsichtlich der äußeren Ränge: Die Methode steht für 20%
(7 Nennungen) der Befragten an zweiter Stelle der Planung. Den Medien wird von 11%
(4 Nennungen) sowohl der Rang 2 als auch der Rang 5 zugeordnet.
20
18
15
13
10
Methoden
8
7
4
5
0
11
1
0 0
Rang 1
Rang 2
Medien
4
Rang 3
Rang 4
Rang 5
0
2
Rang 6
1 1
Rang 0
Abbildung 3: Rangordnung - Methoden und Medien
Die Zeit erhält Rang 4 als Lageparameter. Diese Ordnung wurde von 34% (12 Nennungen)
der Lehrkräfte mitgetragen. Darüber hinaus wurden der Rang 3 mit 28% (10 Nennungen),
Rang 5 mit 20% (7 Nennungen) und Rang 6 mit 8% (3 Nennungen) zugeteilt. Die Abbildung
4 zeigt, dass die Ränge 1 und 2 innerhalb dieser Dimension jeweils von nur einer Lehrkraft
benannt wurden.
9
Der Dimension Raum wird als Lageparameter der Rang 5 zugeordnet. Diese Ordnung
wurde von 37% (13 Nennungen) der Lehrkräfte mitgetragen. Darüber hinaus wurden den
Überlegungen zum Raum der Rang 6 mit 28% (10 Nennungen), Rang 4 mit 17% (6 Nennungen) und Rang 3 mit 5% (2 Nennungen) zugeteilt. Die Abbildung 4 zeigt, dass der Rang 1
von einer Lehrkraft benannt wurde. Diese Dimension wurde innerhalb der Planung von drei
Befragten gar nicht berücksichtigt.
15
12
13
10
10
10
7
6
5
1 1
0
Rang 1
0
1
Rang 2
3
2
Rang 3
Raum
Zeit
3
1
Rang 4
Rang 5
Rang 6
Rang 0
Abb. 4: Rangordnung – Zeit und Raum
Betrachtet man alle Dimensionen mit dem Fokus auf die Hauptverteilungen und lässt Nennungen <10 außer Acht, so ergibt sich die in Tabelle 4 dargestellte Rangordnung.
Tab. 4: Dimensionen mit einer Häufigkeit  10 Nennungen - Rangordnung
Platzierung
Variablen
Prozent
Rang 1
Inhalt und Ziele
51% (18) / 54% (19)
Rang 2
Inhalt und Ziele
45% (16) / 37% (13)
Rang 3
Methoden und Medien und Zeit
51% (18) / 37% (13) / 28% (10)
Rang 4
Zeit
34% (12)
Rang 5
Raum
37% (13)
Rang 6
Raum
28% (10)
5.2 Ergebnisse zu den Beziehungsstrukturen
Neben dieser Ordnungsaufgabe hatten die befragten Lehrkräfte die Möglichkeit, die für sie
logische Struktur der sechs Begriffe untereinander durch Symbole darzustellen. Dazu sollten
sie die Beziehung zwischen den sechs Aspekten durch Pfeile kennzeichnen. Dieser
Möglichkeit wurde durch insgesamt 264 Symboleinzeichnungen nachgegangen. Dabei
wurden drei Symbolformen benutzt: Doppelpfeile (n=127; 48%) für Interpendenzen,
Einfachpfeile (n=117; 44%) für Dependenzen und das Gleichheitszeichen (n=20; 8%) für
Äquivalenzen.
Interdependenzen (Doppelpfeile )
Das Struktursymbol des Doppelpfeils nimmt 48% der genannten Symbole ein und wurde am
häufigsten genutzt, um Beziehungen zwischen zwei Dimensionen zu kennzeichnen. Die Dimensionen Methoden und Ziele sind mit insgesamt 53 bzw. 51 Nennungen am häufigsten in
10
Nennungen
Wechselwirkungen eingebunden. Die Dimension Medien ist mit 45, die Dimension Inhalt mit
42 und die Dimension Zeit mit 38 Nennungen in Wechselwirkungen vertreten. Die geringste
Häufigkeit von Wechselwirkungen zeigt sich mit 25 Nennungen bei der Dimension Raum. In
Abbildung 5 wird die Gesamtanzahl aller Wechselwirkungen, verteilt auf die sechs Dimensionen, verdeutlicht.
60
50
40
30
20
10
0
53
51
45
42
38
25
Methoden
Ziele
Medien
Inhalt
Dimensionen
Zeit
Raum
Abb. 5: Interdependenzen pro Dimension
Betrachtet man die Häufigkeiten zu jedem der sechs Dimensionen im Detail, so zeigt sich,
dass die wechselseitige Verbindung zwischen den Dimensionen Inhalt und Ziele mit 17 Nennungen von ca. der Hälfte der befragten Lehrkräfte angegeben wird und somit die am häufigsten genannte Interpendenz ist.
Hinsichtlich der Dimensionen sind die Methoden am stärksten in Wechselwirkungen involviert. Diese Verbindungen bestehen zwischen Methoden und Medien (13 Nennungen), Methoden und Zeit (12 Nennungen), Methoden und Inhalt (11 Nennungen) sowie Methoden und
Ziele (10 Nennungen). Die Beziehung zwischen Methoden und Medien ist dabei die zweithäufigste Verbindung innerhalb der Wechselwirkungen.
Eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen Ziele und Zeit wurde 10 mal angegeben. Die
Verbindungen zwischen Medien und Ziele nennen 9 der Lehrkräfte, zwischen Medien und
Zeit sowie Medien und Raum wurde in 8 Fällen ein Doppelpfeil eingezeichnet. Die Strukturen
Raum und Ziele, Zeit und Inhalt, Raum und Zeit, Medien und Inhalt, Raum und Inhalt werden
am wenigsten gewählt (<6 Nennungen). Die Häufigkeiten der wechselseitigen Verbindungen
werden in Abbildung 6 verdeutlicht.
Nennungen
20
15
10
17
13
12
11
10
10
9
8
8
5
0
Dimensionspaar
Abb. 6: Interdependenzen pro Dimensionspaaren
11
7
7
5
5
3
2
Die von den Lehrkräften hinsichtlich der Unterrichtsplanung, gewählten Interdependenzen
lassen sich analog zum didaktischen Sechseck darstellen (vgl. Abbildung 7). Die Verbindungen sind hier durch Doppelpfeile gekennzeichnet, die in Abhängigkeit zur Anzahl der aufgetretenen Häufigkeiten unterschiedlich stark ausgeprägt sind.
Abb. 7: Interdependenzen mit Blick auf das Didaktische Sechseck
Dependenzen ( Einfacher Pfeil )
Das Struktursymbol des einfachen Pfeils nimmt 44% (117 Nennungen) der genannten Symbole ein und wurde am zweithäufigsten genutzt, um Ordnungen zwischen zwei Dimensionen
zu kennzeichnen. Die Dimension Inhalt wird mit 33 Nennungen am häufigsten durch einfache Dependenzen gekennzeichnet. Die Ziele werden 22 mal, die Methoden 20 mal, die Medien 18 mal und die Zeit 17 mal mit einfachen Pfeilen versehen. Die geringste Häufigkeit von
einfacher Dependenz zeigt sich mit insgesamt 7 Pfeilen bei der Dimension Raum. In Abbildung 8 wird die Anzahl aller einfachen Dependenzen der sechs Dimension im Detail dargestellt.
Abb. 8: Häufigkeiten Dependenzen
12
Äquivalenzen (=)
In 20 Fällen wurde die Verbindung zwischen zwei Dimensionen durch ein Gleichheitszeichen
gekennzeichnet. Diese Gleichsetzung tritt mit 8 Nennungen am häufigsten zwischen den
Dimensionen Medien und Methode auf. Darüber hinaus wurde diese Struktur für Inhalt und
Ziele (5 Nennungen) sowie für Medien und Raum (3 Nennungen) benannt. Außerdem
wurden noch die Beziehungen Zeit=Raum (2 Nennungen), Methoden=Inhalt (1 Nennung),
sowie Inhalt=Methode=Medien (1 Nennung) genannt.
5.3 Fazit aus der Studie 2
Fasst man die konstruierten Strukturmodelle der Lehrkräfte zusammen, so lässt sich für die
Unterrichtsplanung Folgendes festhalten: Auf der theoretischen Ebene beginnt die Planung
für die meisten Lehrkräfte mit Überlegungen zu Zielen und Inhalten. Außerdem werden für
diese beiden Dimensionen die meisten Beziehungen zu den übrigen Planungsdimensionen
berichtet. Dies ist sowohl bei der Angabe von Doppelpfeilen als auch bei der Angabe von
einfachen Pfeilen der Fall. Ziel- und Inhaltsüberlegungen sind in jeweils einem Drittel der
genannten Wechselbeziehungen involviert, zusammen machen sie also zwei Drittel aller
Beziehungen aus.
Mit dem Fokus auf deren Anordnung zeigt sich, dass 17% aller Befragten, die mit der
Inhaltsfrage beginnen, die Begriffe Inhalt und Ziele auf einer Ebene angeordnet haben.
Darüber hinaus haben 14% Ziele und Inhalte durch gleiche Rangzahlen oder
Gleichheitszeichen, als definitorisch gleich gekennzeichnet. Ein Drittel der befragten
Lehrkräfte sieht somit Ziele und Inhalte als eine Einheit.
Insgesamt konnte somit gezeigt werden, dass Ziele für die Unterrichtsplanung neben den
Überlegungen zum Inhalt nicht nur maßgeblich mit anderen Dimensionen in Verbindung
treten, sondern von den Lehrkräften auch an erster Stelle der Planungsüberlegungen
gesehen werden, sobald sie bewusst auf diese hingewiesen werden.
6.
Zusammenfassung und Diskussion
Die Ergebnisse der zwei Untersuchungen führen auf den ersten Blick in unterschiedliche
Richtungen: Wenn man erstens Lehrkräfte ihre konkreten Planungsüberlegungen einer
Unterrichtsstunde ohne Einschränkungen oder Vorgaben darlegen lässt, dann spielen Ziele
eine untergeordnete Rolle. Wenn man zweitens Lehrkräfte aber direkt nach der Bedeutung
einzelner Planungsaspekte befragt und ihr theoretisches Wissen in den Blick nimmt, dann
sind insbesondere die Ziele des Unterrichts von zentraler Bedeutung. Das erste Ergebnis
findet somit Bestätigung in den Forschungen zum Planungshandeln von Lehrkräften (z.B.
Bromme, 1981; Haas, 1992, 1998; Yinger, 1978; Zahorik, 1975): Bei der Erfassung konkreter
(alltäglicher) Unterrichtsplanungen lassen sich insgesamt nur wenige Zielüberlegungen
identifizieren. Den Beginn finden die untersuchten Planungen in rein inhaltlichen
Überlegungen, Ziele werden nicht genannt. Scheinbar überraschend berichten die
untersuchten Lehrkräfte der Studie 1 im direkt darauffolgenden Interviewteil, dass sie die
Ziele des Unterrichts als sehr wichtig einschätzen. Sie gehen sogar so weit, dass sie sagen,
Planungen ohne Ziele seien sinnlos und würden ins Leere gehen. Sobald Lehrkräfte also auf
ihr theoretisches Wissen zurückgreifen müssen, verändert sich die Wahrnehmung des
Planungshandelns – das zentrale Ergebnis von Studie 2. Und damit zeigt sich auf den
zweiten Blick, dass Studie 1 und 2 nicht in verschiedene Richtungen laufen, sondern sich
gegenseitig ergänzen: Es bestehen Diskrepanzen zwischen dem theoretischen Wissen zum
Planungshandeln und dem tatsächlichen Planungshandeln. Wie kommt es zu diesen
Diskrepanzen?
13
Erklärungsversuche und Implikationen für die Praxis
Ein Teil der Diskrepanz zwischen theoretischem Wissen und tatsächlichem Handeln ist
unserer Meinung nach auf ein Erfassungsproblem zurückzuführen: Die Unterrichtsplanung
ist das tägliche Brot von Lehrkräften. Sie greifen auf Erfahrungen zurück und haben Abläufe
automatisiert.
Manche
Planungsüberlegungen
werden
deshalb
in
konkreten
Unterrichtsplanungen nicht (mehr) genannt und müssen auch nicht mehr bewusst getätigt
werden. Eine Klassenlehrkraft wird sich nicht bei jeder Unterrichtsstunde explizit Gedanken
über die Lerngruppe machen, die ihr sowieso hinlänglich bekannt ist. Bei Inhalten, die eine
Lehrkraft bereits mehrfach unterrichtet hat, liegen Schwerpunktsetzungen oder methodische
Umsetzung auf der Hand und müssen nicht unnötig reflektiert werden. So ist es dann auch
bei den Zielen: Die Ziele, so berichten es auch einige der befragten Lehrkräfte wortwörtlich in
den Interviews, sind „im Hinterkopf“ oder „implizit mitgedacht“.
Wenn allerdings neuere Ergebnisse der Schul- und Unterrichtsforschung (z.B. Hattie,
2013) herangezogen werden, die insbesondere die Klarheit der Lehrkraft und die
Transparenz der Ziele hervorheben, dann erscheint es bedenkenswert, ob Ziele „im
Hinterkopf“ oder „implizit mitgedacht“ ausreichend sind. Welche Erklärungsansätze kann es
vor diesem Hintergrund für die erhobene Diskrepanz zwischen theoretischem Wissen und
tatsächlichen Handeln geben?
Um diese Frage beantworten zu können, möchten wir auf das so genannte K3W +-Modell
zurückgreifen (vgl. Zierer, 2015 a). In diesem wird der Versuch unternommen, aktuelle
Ergebnisse der lehrerbezogenen Professionsforschung (vgl. Baumert & Kunter, 2006)
aufzugreifen und mit allgemeinen Resultaten der Expertenforschung (vgl. Gardner,
Csikszentmihalyi, & Damon, 2005) zu verbinden. Demzufolge basiert beruflicher Erfolg auf
„3 E’s“: Exzellenz, Engagement und Ethik. Die Kernthese lautet: Erst, wenn alle drei Aspekte
erkennbar sind und auftreten, sind Menschen in ihrem Tun erfolgreich. Übertragen auf die
Tätigkeit einer Lehrperson bedeutet dies, dass erfolgreiches Handeln in Schule und
Unterricht nicht nur Wissen und Können (in diesem Sinn Exzellenz), sondern auch Wollen (in
diesem Sinn Engagement) und Werten (in diesem Sinn Ethik) erfordert. Somit lässt sich
folgern, dass erfolgreiche Lehrkräfte Kompetenz (Wissen und Können) und Haltung (Wollen
und Werten) benötigen. Interessant ist dabei die Feststellung, dass zwischen diesen
Aspekten ein innerer Zusammenhang besteht: Können basiert auf Wissen, das erst
abgerufen wird, wenn ein Wollen vorhanden ist. Und dafür gibt es immer Gründe, so dass
das Wollen auf einem Werten fußt. Kann eine Lehrkraft auf das nötige Können, Wissen,
Wollen und Werten zurückgreifen, wird sie in einer Situation entsprechend handeln. Und,
sofern der Kontext günstig ist, wird sie in ihrem Tun auch erfolgreich sein. Fehlt einer der
genannten Aspekte, beispielsweise das Wollen, so wird die Lehrperson aller Voraussicht
nach mit ihrem Tun scheitern. Nachstehende Abbildung fasst das Gesagte zusammen (vgl.
Zierer, 2015 b):
14
Klaus Zierer: K3W
+
Abb. 9: Das K3W -Modell
Nimmt man das K3W +-Modell als Interpretationsgrundlage, so lassen sich für die Diskrepanz
zwischen theoretischem Wissen und tatsächlichem Tun folgende Erklärungsansätze
ableiten:
1) Die Diskrepanz kommt zustande, weil die Lehrkräfte zwar das Wissen und Können
haben, aber ihnen die Bedeutung und damit der Sinn und der Wert ihres Wissens und
Könnens nicht bewusst sind. Wenn beispielsweise Lehrkräfte wissen, wie wichtig
klare Ziele sind, und sie diese auch formulieren können, dies aber in der tagtäglichen
Unterrichtsplanung nicht machen, dann kann das daran liegen, dass sie es zwar
gelernt haben, die Haltungen jedoch fehlen, das Gelernte umzusetzen. Als
Konsequenz wäre hieraus der Schluss zu ziehen, dass in der Lehrerbildung verstärkt
auf Aspekte des Wollens und Wertens zu fokussieren ist und insofern nicht nur
Kompetenzen vermittelt werden, sondern auch Haltungsarbeit passiert.
2) Die Diskrepanz kommt zustande, weil die Lehrkräfte zwar das Wissen und Können
haben und auch das Wollen und Werten, aber der Kontext so ungünstig ist, dass
äußere Mechanismen sie daran hindern, ihre Kompetenz und Haltung, also ihre
Expertise in die Tat umzusetzen. Im Fall des oben angesprochenen Beispiels zur
Zielklarheit wäre dies der Fall, wenn Lehrkräfte aufgrund zeitlicher Überlastungen gar
nicht die Gelegenheit haben, ausführlicher an einer Zielklarheit und -transparenz zu
arbeiten, auch wenn sie es wüssten und könnten und noch dazu es wollten und gute
Gründe dafür hätten. Als Konsequenz wäre hieraus der Schluss zu ziehen, dass
systemisch und strukturell an Schule und Unterricht etwas zu verändern wäre, um
Kontexte zu schaffen, die vorhandene Expertise sichtbar werden lassen.
Summa summarum zeigen die vorgestellten Ergebnisse, dass es eine Diskrepanz zwischen
theoretischem Wissen und tatsächlichem Tun bei der Bedeutungsbemessung von Zielen bei
der Unterrichtsplanung gibt. Die Gründe hierfür sind entweder in der Lehrerbildung oder in
den strukturellen Rahmenbedingungen zu suchen. In beiden Fällen ist jedoch
Handlungsbedarf geboten, weil angesichts neuerer Ergebnisse der Schul- und
15
Unterrichtsforschung erfolgreiches Lernen ohne klare und transparente Ziele nicht möglich
ist.
Literatur
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berufserfahrene Lehrkräfte? Eine qualitative Studie.
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Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9 H. 4 (2006), 469–520.
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Theorie und Alltag. In: Pädagogik, 45, H.10 (1992), 46–48.
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Hattie, J. (2013): Lernen sichtbar machen. Deutschsprachige Ausgabe von „Visible Learning“
besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer. Baltmannsweiler.
Heimann, P. (1962): Didaktik als Theorie und Lehre. In: Die Deutsche Schule, 54 H. 9
(1962), 407-427.
Helmke, A. (2010): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität - Diagnose, Evaluation und
Verbesserung des Unterrichts (3. Auflage). Seelze-Velber.
Mayring, P. (2008): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz.
Meyer, H. (2008): Was ist guter Unterricht?. Berlin.
Scheele, B. & Groeben, N. (1984): Die Heidelberger Struktur-Lege-Technik (SLT): Eine Dialog- Konsens-Methode zur Erhebung Subjektiver Theorien mittlerer Reichweite. Weinheim.
Scheele, B. & Groeben, N. (1988): Dialog-Konsens-Methoden zur Rekonstruktion Subjektiver
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Studie zur Einschätzung der Praktikabilität allgemeindidaktischer Planungsmodelle. In:
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Zierer, K. & Wernke, S. (2013): Völlig unbrauchbar?! Zur Praktikabilität allgemeindidaktischer
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Zierer, K. (2015 a): Nicht nur Wissen und Können, sondern auch und vor allem Wollen und
Werten. Das K3W-Modell im Zentrum pädagogischer Expertise. In: Pädagogische
Rundschau, 69 H. 1 (2015).
Zierer, K. (2015 b): Alles eine Frage der Technik? Erfolgreiches Lehren als Simbiose von
Kompetenz und Haltung. In: Friedrich Jahresheft.
16
Dr. Stephan Wernke
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für
Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Allgemeine Didaktik
und Schulpädagogik an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Didaktische Modellbildung,
Unterrichtsplanung, Lehr- und Lernstrategien.
Kontakt: [email protected]
Prof. Dr. Klaus Zierer
Professor für Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt
Allgemeine Didaktik / Schulpädagogik an der Carl von Ossietzky
Universität Oldenburg.
Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Allgemeine Didaktik und
Schulpädagogik.
Kontakt: [email protected]
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