guggemma eiskalt platz nehmen

gugge ma 35:gugge ma 24
03.12.2010
16:55 Uhr
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Eiskalt Platz nehmen
Künstler/innen gestalten Sitzgruppen in der Nordstadt
Waren Sie schon beim Probesitzen
in der Gießener Nordstadt? Nein?
Macht nichts, denn Sie werden
auch in der kommenden Zeit noch
so manche Gelegenheit dazu
haben. Denn in der Nordstadt
entstehen zurzeit an den unterschiedlichsten Orten
Sitzgelegenheiten – die
allerdings mit dem gängigen
Verständnis einer Sitzbank im
öffentlichen Raum nicht viel zu
tun haben.
Vielmehr handelt sich um künstlerisch gestaltete Orte der Kommunikation, die dazu einladen sollen Platz zu nehmen und sich mit anderen
Menschen, zum Beispiel aus der unmittelbaren
Nachbarschaft, auszutauschen.
„In Deutschland ist es leider vermehrt so, dass
sich die Menschen in ihren privaten Bereich,
also ihre Wohnungen oder umzäunten Gärten
zurückziehen“, bedauert Mona Wolf vom
Atelierhaus ‚Trafo e. V.’ aus der Ederstraße in
Gießen. Durch das Kunstprojekt ‚draußen sitzen’ wolle man die Menschen animieren, sich nicht
zuhause zu verkriechen, sondern sich wieder häufiger im öffentlichen Raum zu treffen, alte
Kontakte zu pflegen und neue zu knüpfen.
Vermittelt und entwickelt wurde das Projekt durch
die derzeit in der Steinstraße 75 ansässige
Kümmerei, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die
lokale Kulturwirtschaft durch Vernetzung,
Beratung und Leerstandsmanagement zu stärken. „Als das Förderprogramm ‚Soziale Stadt’
auslief, war in der Nordstadt praktisch noch
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eine Projektidee namens „Baumpfad“ übrig Briefwurfsendungen oder über die Presse auf
geblieben, derer sich bis dahin keiner so rich- unser Projekt aufmerksam zu machen. Wir
tig angenommen hatten“, erläutert Kümmerei- möchten sie von Anfang an aktiv mit einbeKoordinator Jörg Wagner. Man habe dieses Projekt ziehen. So sitzen wir beispielsweise irgendwo
gerne übernommen und inhaltlich weiterentwi- am Wegesrand und bieten den Passanten an
ckelt, so dass jetzt anstelle der geplanten Bäume mit uns eine Tasse Kaffee zu trinken und ein
Sitzgruppen die Aufenthaltsqualität im Freien wenig zu plaudern. Wir leben also die von uns
steigern. Im Auftrag der Stadt Gießen und in definierte Zielsetzung praktisch vor“, sagt Mona
enger Abstimmung mit den Kooperationspartnern, Wolf.
wie u. a. auch der Wohnbau, wird das Projekt Und das nicht ganz ohne Erfolg, wie sich laut
nun umgesetzt.
Frauke Voigt an so manch interessanter
Wo Jörg Wagner und seine Kollegin Manuela Begegnung ablesen lässt: „Ein wirklich schönes
Weichenrieder inzwischen eher eine koordinie- Erlebnis war es, als sich eine Gruppe
rende und verwaltende Funktion im gemeinsa- Jugendlicher bei uns einfand. Wir waren geramen Projekt ‚draußen sitzen’ übernehmen, haben de dabei, unsere selbst gebastelten Sitzgedie Mitglieder des Atelierhauses Frauke Voigt, legenheiten in unterschiedlicher Weise anzuMona Wolf und Julia Erb den aktiven künstleri- ordnen, um für diese eine optimale Position
schen Part inne. So sind sie zu Beginn des Pro- zu ermitteln. Sogleich beteiligten sich die
jektes erst einmal losgezogen, haben sich in der Jugendlichen an der Lösungsfindung und wenig
Nordstadt orientiert
später stieß ein älteres
Ein wirklich schönes Erlebnis war
und Fotos von mögEhepaar hinzu, das sich
es, als sich eine Gruppe
lichen neuen Kommuniauch sofort aktiv einJugendlicher bei uns einfand.
kationsorten gemacht.
brachte. So kamen durch
In einem nächsten Schritt haben sie sich das Projekt Menschen ins Gespräch, die sich
Sitzgelegenheiten, Thermoskannen mit Kaffee ansonsten vermutlich niemals miteinander
sowie Tassen mitgenommen und sich an ausge- unterhalten hätten.“
wählten Orten niedergelassen.
Auf diese Weise entstehen nach und nach meh„In diesem Projekt geht es uns darum, die rere unterschiedliche Sitzgruppen, die sich über
Menschen nicht nur durch irgendwelche das gesamte Gebiet der Nordstadt verteilen wergugge’ma 4 ·2010
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»Gugge´ma!«
„Bitte Platz nehmen“
sagen (v.l.n.r.):
Jörg Wagner, Mona Wolf,
Frauke Voigt und
Manuela Weichenrieder
adt
...?«
»WUSSTEN SIE
öle sehr
olle Pflanzen
… dass wertv
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Darum nur kalt
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Quelle: Deutsc
den. Und dass sie ihrerseits handen Farben der Nordstadt, wie sie beispielsmit dem Passanten in weise durch Fassadenanstriche entstehen, setKommunikation treten, trägt einen weiteren Teil zen aber auch eigene Farbakzente, die betonen,
zur Zielsetzung bei. Wie Sitzbänke mit den dass es sich bei dieser Sitzgruppe um ein besonPassanten in Kommunikation treten können, deres und individuelles Element handelt. Das
möchten Sie wissen?
Formkonzept bezieht sich auf die eher ungeDas funktioniert über das so genannte Wort- wöhnlichen Formen dieser Möblierung des öffentkonzept. Jede Sitzgruppe bekommt über mehre- lichen Raums. Wobei nicht alle Sitzgruppen neu
re Sitzelemente verteilt eine Art Motto zuge- hergestellt werden, sondern die Künstler an einiwiesen. So heißt eine
gen Orten auf bestehenAuf diese Weise entstehen nach
beispielsweise ‚eiskalt
de Strukturen, wie beiund nach mehrere
Platz nehmen’. Diesem
spielsweise vorhandenen
unterschiedliche Sitzgruppen
Satz wird auf anderen
Mauern am Wegesrand,
Elementen jeweils eine sinngemäße Entsprechung zurückgreifen. Diese werden dann künstlerisch
in türkischer und auch in russischer Sprache bearbeitet und bekommen dadurch einen gänzzugewiesen. „Wir konnten beobachten, dass lich neuen Charakter.
dadurch, dass der Satz in unterschiedlichen Wenn Sie also zukünftig durch die Nordstadt pilSprachen und auch unterschiedlicher Schrift gern, dann sollten Sie dies offenen Auges tun.
da steht, sich die Passanten unterschiedlicher Und wenn Sie dabei auf eine bunt bemalte
Nationen gegenseitig fragen, was das eigent- Sitzgruppe treffen, die so gar nicht nach Parkbank
lich heißt und sich darüber austauschen. So aussieht, dann setzen Sie sich doch einfach mal.
bringen wir also auch unterschiedliche Kulturen Vielleicht kommt dann ja gerade der Nachbar
zusammen, die über unsere Sitzgruppen die vorbei, den Sie schon immer mal fragen wollten,
Hemmschwelle zur Kommunikation verlieren“, was er eigentlich so treibt in seinem Leben. Er
erläutert Frauke Voigt.
wird es Ihnen mit Sicherheit gerne erzählen.
Neben dem Wortkonzept gibt es zudem ein Farbund ein Formkonzept für die Sitzgruppen. So
orientieret sich die Farbgestaltung an den vor-
www.kümmerei.org
www.draussensitzen.org
www.trafo.me
gugge’ma 4 ·2010
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