Baden-Württembergs erster Funeral Master: Die Heidelberger Bestatterin Verena KurzFeuerstein Bestattungsunternehmen genießen nicht den allerbesten Ruf. Hartnäckig hält sich das Vorurteil, in der Branche wimmle es von Beileidsheuchlern, die älteren Witwen die Rente aus der Tasche ziehen. Nun soll das Image aufpoliert werden. Der Bundesverband deutscher Bestatter will den Lehrberuf Bestattungsfachgehilfe einführen und der Funeral Master, ein freiwilliger Lehrgang mit Zertifikation, dient der Standardsicherung innerhalb dieses zunftlosen Berufzweiges. Die Heidelbergerin Verena Kurz-Feuerstein ist nicht nur erste weibliche Funeral Master in Baden Württemberg, sondern Leichenrekonstrukteurin, Eventmanagerin und Seelsorgerin in Einem. "Das ist nichts für schwache Nerven", warnt Verena Kurz-Feuerstein, "ich richte gerade ein Unfallopfer für die Abschiednahme her". Im Heidelberger Bestattungshaus Kurz-Feuerstein ist eine junge Frau aufgebahrt, die einen Tag zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Formalin-Geruch liegt in der Luft. Zur Konservierung ist das Blut der Toten durch eine Formalinlösung ersetzt worden. Es wird noch ein paar Tage dauern, bis die junge Amerikanerin ihre letzte Ruhe findet. Ihr Leichnam muss in die Staaten überführt werden und Fluggesellschaften sowie Konsulate schreiben eine Einbalsamierung vor. Im Regelfall ist das nicht nötig. Oft vergehen zwischen Tod und Bestattung nur wenige Tage, mindestens aber zwei. So will es das Gesetz, um eventuellen Scheintod auszuschließen. Behutsam verschließt Verena Kurz-Feuerstein die Schnittwunden im Gesicht der Toten mit Wachs. Nach einer Foto-Vorlage wird der Toten mit spezieller Kosmetika wieder ein würdevolles Antlitz zurückgegeben. "Das ist für mich auch eine Herausforderung", erzählt die Thanatopraktikerin, so ihre korrekte Berufsbezeichnung, nicht ohne Stolz. "Aber eine Schönheitschirurgin bin ich nicht". Ein Leichnam soll zur Abschiedsnahme eben nur so wie vor dem Tod aussehen, und nicht besser. "Die Erfahrung zeigt, dass den Angehörigen der Verlust erleichtert wird, wenn die Toten so aussehen, wie sie sonst auch aussahen". Dass man den Toten wegen der Leichenstarre die Knochen bricht, sei ein landläufiges Gerücht, ärgert sich die Bestatterin in vierter Generation, "die Starre wird mit Wärme gelöst". Dem durch schwarze Schafe entstandenen Negativimage möchte sie entgegenwirken, deshalb engagiert sich die 37-jährige sehr. Im November organisiert sie in Heidelberg das Bundes-Juniorentreffen der Bestatter, ihr Ziel ist eine Art Netzwerk, das gerade bei Überführungen die Arbeit erleichtern soll. Ihre stete Abrufbereitschaft im Rahmen des "Deathcare & Embalming-Team", einer mobilen Einsatztruppe, die in Katastrophengebieten für den fachgerechten Umgang mit Opfern sorgt, ist für Verena Kurz-Feuerstein eine Selbstverständlichkeit. Auch Särge sind Modesache Sofern es ihre Arbeit zulässt – Bestatter haben nie wirklich Feierabend– reist sie in die Vereinigten Staaten, in das Eldorado der Bestattungskultur. Auf Seminaren und Messen der NFDA (National Funeral Dirctors Association) informiert sie sich über die neuesten Trends und Techniken der Branche. Auch Särge sind Modesache. Während die Amerikaner sowieso eigene Wege gehen, dort favorisiert man Särge aus Stahl und Bronze, fallen die der Italiener durch geschmackvoll schlichtes Design auf. Die Deutschen halten es mit Särgen wie mit ihrem Wohnzimmerschrank: Klassisch und gut verarbeitet. Sonderlackierungen werden zwar selten, aber immer öfter gewünscht, ganz zu schweigen von der Weltraumbestattung, die derzeit voll im Trend liegt und auch bei Kurz-Feuerstein ab 10.000 Mark gebucht werden kann. Das Neuste allerdings sei es in den Staaten, seine Asche einem Beton beigeben zu lassen, der in Korallenform gegossen und im Meer versenkt helfen soll, neue Korallen anzusiedeln. "Ich versuche auch gerne ausgefalleneren Wünschen von Verbliebenen gerecht zu werden", berichtet die Bestatterin und lächeld. Erst kürzlich habe sie eine buddhistische Bestattung ausgerichtet, mit Räucherstäbchen, vielen Blumen, Nahrungsmittelopfern und allem Pipapo. Oder Zigeuner-Bestattungen. Die mag sie besonders, "da ist so viel Würde und Respekt gegenüber den Toten im Spiel". Ein Rosenbouquet und Kränze über Kränze zieren das Grab. Eine Kutsche, die den Sarg zum Grab transportiert, gehört da schon zum guten Ton. Da der Abschied im Hause der Familie stattfindet und der Tote nicht mehr aus dem Sarg genommen werden darf, ist es keine Seltenheit, dass ein Kran zum Einsatz kommt, um den Sarg aus der Wohnung zu hieven. Andere Völker andere Sitten eben. Kaum eine Urlaubsreise, während der sich Verena Kurz-Feuerstein nicht auch über die dortige Bestattungskultur informiert. Dass die Kurz-Feuersteins seit Jahrzehnten ihre Haustiere selbst beerdigen und schon ein kleiner Friedhof von zehn Tieren entstanden ist, versteht sich fast von selbst. Auf den Friedhofen jedoch ist Tradition Pflicht. Häufig scheitern ausgefallene, originelle Grabmäler an den strikten Friedhofsverordungen. Individualität ist nur in geringem Maß machbar. Aber immerhin: Seit neuestem gibt es auf dem Heidelberger Bergfriedhof ein "Feld zur freien Gestaltung", dort können Gräber nach Gusto angelegt und dekoriert werden. Sebstverständlich hat Verena Kurz-Feuerstein von ihrer eigenen Beerdingung auch schon genaue Vorstellungen: ”Meine Leute sollen feiern, und nicht nur einen, sondern drei Tage lang”. Der Sarg soll ihre Lieblingsfarbe haben. Dunkelblau wünscht sie ihn sich, und eine Feuerbestattung soll es werden. Der Bestatter als Eventmanager In der Empfangshalle des Bestattungshauses Kurz-Feuerstein dominiert ein großes Gemälde. Es zeigt die Heidelberger Altstadt um die Jahrhundertwende - auf der Alten Brücke rangiert das Gespann eines Leichenwagens. Neben der Sitzecke am Eingang sind dezent aber präsent Taschentuch-Spender drapiert - wie überall im Haus. Mit dem Aufzug geht es ins Büro. Alles ist in schönem dunklen Granit gefließt. Gerade hat sich Verena KurzFeuerstein vor dem nächsten Beratungstermin zum Durchatmen an ihren Schreibtisch gesetzt, als das Telefon klingelt: Ein bekannter Verleger ist verstorben und soll in Heidelberg beigesetzt werden. Das bedeutet Trauerfeier und Beisetzung im großen Stile, der Bestatter wird zum Eventmanager. Neben den üblichen Formalitäten, Koordinationen, Bestellungen und Behördengängen bedeutet das auch das Drucken hunderter von Einladungen zur Beisetzung, das Erstellen von Kondolenzlisten, eine riesige Order Kränze... das volle Programm. Zwar keine Routine für die junge Unternehmerin, aber auch kein Neuland. Schließlich war sie schon damit beaftragt, die Eltern der schwedischen Königin Sylvia in Heidelberg zur letzten Ruhe zu betten: "Da war schon einiges zu organisieren". Verena Kurz-Feuersteins Ur-Großvater war Barbier und, wie damals üblich, auch Leichenbeschauer. Ein Funktion, die mittlerweile Ärzte übernehmen. Mittlerweile fordere der Verband deutscher Bestatter wieder die Ausbildung zum. Zu unroutiniert seien die Ärzte, die sich von Natur aus mehr mit den Lebenden beschäftigen. Fast hätte Verena Kurz-Feuerstein die Familientradition gebrochen. Nach dem Wirtschaftsabitur lernte sie Steuerfachgehilfin, und wollte Medizin studieren. Rechtzeitig entdeckte sie aber ihr Interesse für's Bestattungswesen. Mittlerweile ist sie heilfroh in diesem Beruf zu sein. Ihr Team ist auf zehn feste Mitarbeiter, zwei Azubis und acht Filialen angewachsen. Derzeit wird zur hauseigenen Trauerhalle eine zweite hinzugebaut und der Bereich für Totenhygiene erweitert. Das Geschäft läuft gut, und wenn alles gut geht, ist bis nächstes Jahr das Bestattungshaus der Kurz-Feuersteins das modernste in Deutschland. Text: Oliver Rack Fotos: Alexander Grüber
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