Datum: 06.08.2015 «Die kurze Piste 28 ist ein Risiko» Für den Chef des Bundesamtes für Zivilluftfahrt, Peter Müller, hat die Sicherheit am Flughafen Zürich oberste Priorität. Darum setzt er sich für die Pistenverlängerung und für Abflüge über die Goldküste ein. Mit Peter Müller sprach Pia Wertheimer Braucht es eine Katastrophe, damit sich das Bundesamt für Zivilluftfahrt für mehr Sicherheit am Flughafen Zürich einsetzt? Nein. Bei allem Verständnis für die Lärmthematik: Wir möchten die Sicher- heitsmarge in Zürich erhöhen. In der Güterabwägung zwischen Sicherheit und Umwelt sollte Erstere ein noch grösseres Gewicht erhalten. Das möchten wir im neuen Luftfahrtpolitischen Bericht auch so formulieren. Wir unternehmen viel, damit ein Absturz weniger wahrscheinlich wird - ganz ausschliessen lässt sich ein Crash aber nie. Der Sicherheitsbericht zum Flughafen Zürich tung Sicherheit gemacht werden. Die von Zusammenstössen senken. Er Entflechtung des Flugverkehrs im Os- führt aber über die wirtschaftlich ten, also beim Anflug über Deutschland, und politisch potente Zürcher Goldküste. Scheut Bundesbern gehört in dieses Kapitel. den Konflikt mit diesen Kreisen? Die Verhandlungen mit Deutschland Nein. Bundesrätin Leuthard hat den kommen allerdings nicht vom Fleck. Südstart geradeaus aus SicherheitsüberEs geht auch um die Sicherheit in legungen zur Diskussion gestellt, obZürich - und der Bund übt keinen schon sie sich damit lärmpolitisch sehr politischen Druck aus. Warum? exponierte. Bisher herrschte die TenIn Fachkreisen in Deutschland und der denz, den Süden von Anflügen am früSchweiz ist man sich einig, dass die Ent- hen Morgen zu entlasten, weil diese Reflechtung des Ostanflugs die Sicherheit gion unter den Auswirkungen der deut- wesentlich verbessert. Wir bekommen von deutschen Flugsicherungsexperten diesbezüglich Unterstützung. Jedoch ist vom März 2013 enthält einen Katalog mit in Süddeutschland die Opposition gegen Massnahmen, welche die Sicherheit ver- den Anflugverkehr auf Zürich nach wie bessern können. Einige dieser Massnah- vor sehr gross. Die süddeutschen men wurden umgesetzt, andere sind Politiker verlangen vom Verkehrsminisnoch in Abklärung. ter, dass er die geltende Verordnung verschärfe. Wir warten aber nicht nur auf Ganz konkret: Was hat das Bazl den Staatsvertrag. Deutschland sollte veranlasst, um das Risiko einer auch dem Betriebsreglement 2014 des Katastrophe zu senken? Flughafens zustimmen. Dieses sieht weWeil wir Druck gemacht haben, erstellt gen der Entflechtung des Ostanflugs der Flughafen nun ein spezielles Brems- eine etwas veränderte Routenführung bett am Ende der Landebahn 28. Dies ist über deutschem Hoheitsgebiet vor. eine rasch wirkende Sicherheitsmassnahme, denn die Frage der Verlänge- Das schwierige Verhältnis zu rung der Piste 28 steht noch im Raum. Deutschland tangiert die Sicherheit Zudem finden tagsüber keine Vermes- im Zürcher Luftraum. Was tun Sie? sungsflüge mehr statt, das entlastet das In erster Linie streben wir die Zustimkomplexe Betriebssystem. Bereits jetzt mung zur geplanten Änderung des Bewird der Flughafen also sicherer betrie- triebsreglements an, weil sie für die Siben, als dies bislang der Fall gewesen ist. Die Sicherheit hat oberste Priorität, aber der Flughafen muss auch politische Ak- zeptanz haben, damit er funktioniert. Und in dieser Frage spielt die Lärmdiskussion eine Rolle. Trotzdem steigt die Anzahl der Vorfälle, bei denen sich Flugzeuge gefährlich nahe kamen. heitsargumente führen nun aber zur Überlegung, mehr Südstarts geradeaus durchzuführen - dieser Diskurs wird nun geführt. Massgebend dafür waren die Erkenntnisse aus dem Sicherheitsbericht 2013. Für einen weiteren Konflikt zwischen Bundesbern und Zürich sorgt die Verlängerung der Piste 28. Der Kantonsrat hat sie aus dem Richtplan Verkehr gestrichen. Der bundesrätliche Entscheid steht noch aus. Wie wichtig ist die Verlängerung der Piste für die Sicherheit? Die Piste 28 ist ein ausgewiesener Risiko- faktor, weil sie kurz ist. Unter dem Aspekt der Sicherheit ist es wichtig, dass man sie verlängern oder aber zumindest planerisch den Raum für eine Verlängecherheit und den Geschäftsgang am rung sichern kann. Wir machen uns daFlughafen wichtig ist. Es ist uns ein gros- für stark. Der Bundesrat wird sich dazu ses Anliegen, dass es damit vorwärts- voraussichtlich im Herbst äussern. geht. Deshalb möchten wir von Deutsch- Die Lotsen behaupten, das Korsett land bis spätestens Ende Jahr wissen, ob des Zürcher Luftraums sei wegen wir für das Betriebsreglement 2014 grünes Licht erhalten. Ist dies nicht der Fall, des politischen Widerstands so eng werden wir jene Änderungen umsetzen, gefasst und daher so gefährlich. Selbstverständlich sind die An- und Abfür die wir allein zuständig sind. Wenn ich sage: So sicher wie noch nie - Der Südstart mit einem Weiterflug bedeutet das nicht, dass wir mit der Si- geradeaus ab Piste 16 würde die tuation zufrieden sind. Wir möchten, Routen entflechten und die Gefahr dass in Zürich weitere Schritte in Rich- schen Restriktionen leidet. Die Sicher- flugregimes auch politisch gesteuert. Wichtig ist, dass die Entscheidungsgrundlagen klar sind: Entweder haben wir ein Maximum an Sicherheit und damit Datum: 06.08.2015 beispielsweise den ganzen Tag Südstarts geradeaus. Oder es gibt punlcto Sicherheit gewisse Abstriche wegen der Ruhebedürfnisse der Bevölkerung. Dessen müssen sich die Zürcher Politiker bewusst sein, wenn sie ihre Entscheidungen fällen. Die illegalen Einflüge im Nahbereich des Flughafens nehmen zu. Weshalb verbietet das Bazl den Kleinfliegern nicht, diesen Luftraum zu benutzen? Wegen einiger schwarzer Schafe derart drastische Massnahmen zu ergreifen, ist Flughafen Flughafen Zürich Südstart Situation heute Südstarts geradeaus Schlieren Zürich (Straight 16) Uster 5 km Herrliberg Herd i berg TA-Grafik mrue Sicherheit Mehr Abflüge gegen Süden Die Zahl der unerlaubten Einflüge in den Luftraum des Zürcher Flughafens steigt. In den letzten 10 Jahren kam es in mindestens 14 Fällen zu gefährlichen Annäherungen zwischen Flugzeugen. Die Lotsen schlugen deshalb mehrfach Alarm. Der Flughafen unterbreitete im Herbst 2014 einen Vorschlag, um die Situation zu entschärfen. Zudem warnten die Experten der Unfalluntersuchungsstelle (Sust) in mehreren Berichten und immer schärferem Ton vor den Gefahren, die von den Kreuzungen der Routen in der Luft und am Boden ausgehen. Sie empfahlen eine Analyse der Risiken auf und über den Zürcher Pisten. Daraus resultierte der Sicherheitsbericht zum Flughafen Zürich vom März 2013. Es obliegt nun dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl), auf die Umsetzung der Massnahmenpakete zu pochen. Der Bund muss sich derweil aus Aviatikkreisen den Vorwurf gefallen lassen, er kusche vor der Zürcher Politik, weil er zögere, die Südstarts ab Piste 16 mit einem geraden Weiterflug durchzusetzen. Dieses Abflugverfahren erhöht den Lärm für die Goldküste, würde aber die Flugrouten entflechten und damit die Sicherheit steigern. Im Gespräch mit dem TA wehrt sich Peter Müller, Direktor des Bundesamtes für Zivilluftfahrt, und macht sich für diese Abflüge stark. (pia)
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