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WIENER STAATSOPER
D
rei Jahre ist es erst her, dass
Margarita Gritskova im Nationaltheater Weimar, dessen Ensemblemitglied sie damals noch war,
den Bradamente in Händels Alcina
sang. Kurz vor der Premiere gab sie
der Thüringer Allgemeinen ein Interview, in dem sie auch auf ihren bevorstehenden Wechsel nach Wien zu
sprechen kam. An der Staatsoper
werde sie vorerst nur kleinere Rollen
zu singen bekommen, war sie damals
überzeugt. Tatsächlich debütierte sie
im Haus am Ring im September 2012
als Tebaldo in Verdis Don Carlo; der
Fjodor in Boris Godunow sowie die
Nymphe Dryade in Ariadne auf Naxos
waren weitere Einstandspartien. Doch
nur wenige Monate später, im Juni
2013, vertraute ihr Direktor Dominique Meyer bereits eine Hauptrolle
an: die Rosina in Il barbiere di Siviglia.
Spätestens da war klar, dass er ein Ausnahmetalent an Land gezogen hatte.
„Ich hätte nie gedacht, dass es so
schnell gehen würde“, erzählt Margarita Gritskova in exzellentem Deutsch.
„Ich dachte, an solch einem Haus, an
dem die besten Sänger der Welt auftreten, sei es normal, wenn man als
junge Sängerin nur langsam vorankommt. Als mich Direktor Meyer als
Rosina besetzte, bin ich fast ein wenig
erschrocken, dachte mir aber, einen
Versuch ist es wert. Ich hoffte, der Auf-
Öl für die Stimme
MARGARITA GRITSKOVA. Als Angelina in
„La Cenerentola“ zeigt die junge Mezzosopranistin wieder, welch großes Talent sie ist.
FOTOS: WIENER STAATSOPER / MICHAEL PÖHN (3)
MARGARITA GRITSKOVA: Als Angelina in Rossinis La Cenerentola
an der Wiener Staatsoper.
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gabe gewachsen zu sein und das in
mich gesetzte Vertrauen nicht zu enttäuschen“ – was ihr auch vollauf gelang.
Geboren wurde Margarita Gritskova in St. Petersburg. Sie hat, wie sie
erzählt, „von Kindheit an gesungen“,
an einer Musikschule das Klavierspielen erlernt und in einem Kinderchor
mitgewirkt. Bewusst die Entscheidung
zu treffen, Sängerin zu werden,
brauchte sie nicht, denn sie ist in diesen Beruf, der für sie eine echte Berufung darstellt, „hineingewachsen“. Das
hängt wohl auch damit zusammen,
dass sie bereits mit 13 Jahren ihrer
Lehrerin Nelly Lee begegnete, die sie
heute noch betreut. „Sie ist für mich
sehr wichtig“, sagt sie, „denn sie hat
nicht nur gute Ohren, sondern auch
ein großes Verständnis dafür, was physisch beim Singen passiert, fast wie ein
Arzt. Sie hat mir geholfen, meine
Stimme zum Klingen zu bringen.“ Am
Konservatorium von St. Petersburg
machte Margarita Gritskova rasch
Fortschritte und 2008 wurde sie sogar
auserkoren, unter Mariss Jansons die
Carmen zu singen, der sich mit dieser
Hochschulproduktion auf eine geplante Aufführungsserie an der Wiener Staatsoper vorbereiten wollte, die
er aus gesundheitlichen Gründen
dann jedoch absagen musste. „Das
war eine große Ehre für mich“,
schwärmt Margarita Gritskova. „Mariss
Jansons ist ein phantastischer Dirigent. Das werde ich nie vergessen.“
Die meisten jungen russischen Sänger zieht es in den Westen und sie gäben viel dafür, dort eine Chance zu erhalten. Margarita Gritskova hat das
nicht bewusst angestrebt, doch nach
Abschluss ihres Gesangsstudiums vermittelte ihr ihre Agentur ein erstes Vorsingen in Weimar. „Ich dachte zuerst,
mit 22 Jahren sei ich vielleicht noch zu
jung dafür, doch es hat mir eine Türe
geöffnet und mich in meiner Entwicklung weitergebracht.“ Sie sprach kein
Wort Deutsch, als sie im Herbst 2009 ihr
Engagement in Weimar antrat, vor allem aber war sie in Sachen szenischer
Darstellung zu jener Zeit noch völlig
unbedarft, da sie im Rahmen ihrer Ausbildung in St. Petersburg zu wenig darauf vorbereitet worden war. „Das war
sehr schwierig für mich. Ich war als
Cherubino in Le nozze di Figaro besetzt,
den ich schon in St. Petersburg gesun-
gen hatte. Stimmlich beherrschte ich
ihn, aber ihn zu spielen fiel mir schwer.
Schließlich verlor unsere Regisseurin
die Geduld und ersetze mich durch
eine andere Sängerin. Da habe ich verstanden, dass ich noch sehr viel lernen
muss.“ Doch Margarita Gritskova lernt
schnell. So wie sie sich der deutschen
Sprache in kurzer Zeit bemächtigte,
entwickelte sie sich auch rasch zu einer
gewandten Darstellerin und avancierte
in Weimar zum Publikumsliebling.
Trotz ihrer Erfolge dort arrangierte
ihre Agentin für sie ein Vorsingen in
Wien. Zunächst wusste Margarita
Gritskova nicht, für welche Produktion
oder welches Haus. „Ich dachte, es sei
für ein Festival oder etwas Ähnliches,
weshalb ich nicht so nervös war. Erst in
Wien erfuhr ich, dass es für die Wiener
Staatsoper sei.“ Trotzdem bewahrte
sie die Nerven, sang vor, wurde zunächst jedoch im Unklaren über das
Ergebnis gelassen. Erst als sie wieder
in Weimar war, erfuhr sie, dass sie die
Wiener Staatsoper engagiert hatte.
Ging damit ein Traum in Erfüllung?
„Damals hatte ich davon geträumt, in
Weimar verlängert zu werden. Das Engagement in Wien übertraf all meine
Träume.“
Auch das Wiener Publikum schloss
Margarita Gritskova rasch ins Herz.
Ihre agile, farbenreiche Stimme, die zu
subtilen Zwischentönen fähig ist, was
SERIE
JUNGE SÄNGER an
der Wiener Staatsoper
An der Wiener Staatsoper gastieren
natürlich die Weltstars der Oper,
gleichzeitig fördern wir aber eine
junge Generation von Sägern: die
Stars von morgen. Viele dieser jungen
Sängerinnen und Sänger haben sich
auch bei den wichtigsten internationalen Gesangswettbewerben durchgesetzt und werden im Laufe ihres
Staatsopern-Engagements auch von
anderen großen Bühnen angefragt.
Und von hier aus treten sie ihre internationale Karriere an, in den letzten
Jahren etwa Adam Plachetka, Daniela
Fally, Anita Hartig,
Alessio Arduini, Valentina Naforniţă und
andere.
DOMINIQUE MEYER
wiederum ihrem starken Ausdruckswillen sehr entgegenkommt, eignet
sich ideal für Musik von Mozart und
Rossini, bei der sie ihre Qualitäten voll
ausspielen kann. Als Idamante in Mozarts Idomeneo gelang ihr im Herbst
2014 denn auch der große Durchbruch. „Lyrische Emphase“ habe sie
„mit sicherer Koloraturgewandtheit“
gekrönt, war in der Tageszeitung Die
Presse zu lesen. Wenige Monate später
triumphierte sie auch als Angelina in
einer Aufführungsserie von Rossinis
La Cenerentola, in der sie bei der Premiere noch Tisbe, eine der beiden
bösen Stiefschwestern des Aschenputtels, verkörpert hatte. „Rossini ist
Öl für meine Stimme. Es gibt viele Koloraturen, aber sie sind sehr delikat.
Man kann sie ganz ohne Druck singen. Das passt sehr gut für mein Alter.“ Zwar träumt sie davon, eines Tages dramatische Rollen wie Amneris
oder Eboli zu übernehmen, aber sie ist
klug genug, das – sofern sich ihre
Stimme überhaupt in diese Richtung
entwickeln sollte – auf eine ferne Zukunft zu verschieben. Woran sie jedoch schon jetzt mit Gerhard Schlüsselmayr, einem der erfahrensten Korrepetitoren der Staatsoper in diesem
Fach, arbeitet, ist der Octavian im Rosenkavalier, freilich noch ohne eine
konkrete Aufführung im Visier zu haben. „Diese Rolle ist mein Traum. Aber
es ist eine große und schwere Aufgabe, nicht nur musikalisch. Auch die
deutsche Sprache mit ihrem stark österreichischen Akzent ist eine Herausforderung.“
Vorerst beschränkt sich Margarita
Gritskova daher auf ihre derzeitigen
Fachpartien und freut sich darauf, im
September wieder als Angelina auf
der Bühne zu stehen. „Natürlich muss
man sie technisch gut zu singen. Es
muss leicht klingen. Aber ich möchte
ihr auch Tiefe geben. Sven-Eric
Bechtolfs Regie spiegelt bewusst unsere Zeit wider. Man legt allzu großen
Wert auf Vergnügen und Spaß. Das,
was der Seele wirklich gut tut, kommt
dabei viel zu kurz. Wenn ich das in dieser Inszenierung zeigen könnte, wäre
B
ich sehr glücklich.“
PETER BLAHA
Rossini: La Cenerentola;
Wiener Staatsoper, Mi., 16., Sa., 19.,
Mi., 23., Sa., 26. September, 19.00 Uhr
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