24 WIENER STAATSOPER D rei Jahre ist es erst her, dass Margarita Gritskova im Nationaltheater Weimar, dessen Ensemblemitglied sie damals noch war, den Bradamente in Händels Alcina sang. Kurz vor der Premiere gab sie der Thüringer Allgemeinen ein Interview, in dem sie auch auf ihren bevorstehenden Wechsel nach Wien zu sprechen kam. An der Staatsoper werde sie vorerst nur kleinere Rollen zu singen bekommen, war sie damals überzeugt. Tatsächlich debütierte sie im Haus am Ring im September 2012 als Tebaldo in Verdis Don Carlo; der Fjodor in Boris Godunow sowie die Nymphe Dryade in Ariadne auf Naxos waren weitere Einstandspartien. Doch nur wenige Monate später, im Juni 2013, vertraute ihr Direktor Dominique Meyer bereits eine Hauptrolle an: die Rosina in Il barbiere di Siviglia. Spätestens da war klar, dass er ein Ausnahmetalent an Land gezogen hatte. „Ich hätte nie gedacht, dass es so schnell gehen würde“, erzählt Margarita Gritskova in exzellentem Deutsch. „Ich dachte, an solch einem Haus, an dem die besten Sänger der Welt auftreten, sei es normal, wenn man als junge Sängerin nur langsam vorankommt. Als mich Direktor Meyer als Rosina besetzte, bin ich fast ein wenig erschrocken, dachte mir aber, einen Versuch ist es wert. Ich hoffte, der Auf- Öl für die Stimme MARGARITA GRITSKOVA. Als Angelina in „La Cenerentola“ zeigt die junge Mezzosopranistin wieder, welch großes Talent sie ist. FOTOS: WIENER STAATSOPER / MICHAEL PÖHN (3) MARGARITA GRITSKOVA: Als Angelina in Rossinis La Cenerentola an der Wiener Staatsoper. ¬ BÜHNE 9 2015 bueh1509_STOP Serie Gritskova.indd 24 21.08.15 12:40 25 gabe gewachsen zu sein und das in mich gesetzte Vertrauen nicht zu enttäuschen“ – was ihr auch vollauf gelang. Geboren wurde Margarita Gritskova in St. Petersburg. Sie hat, wie sie erzählt, „von Kindheit an gesungen“, an einer Musikschule das Klavierspielen erlernt und in einem Kinderchor mitgewirkt. Bewusst die Entscheidung zu treffen, Sängerin zu werden, brauchte sie nicht, denn sie ist in diesen Beruf, der für sie eine echte Berufung darstellt, „hineingewachsen“. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass sie bereits mit 13 Jahren ihrer Lehrerin Nelly Lee begegnete, die sie heute noch betreut. „Sie ist für mich sehr wichtig“, sagt sie, „denn sie hat nicht nur gute Ohren, sondern auch ein großes Verständnis dafür, was physisch beim Singen passiert, fast wie ein Arzt. Sie hat mir geholfen, meine Stimme zum Klingen zu bringen.“ Am Konservatorium von St. Petersburg machte Margarita Gritskova rasch Fortschritte und 2008 wurde sie sogar auserkoren, unter Mariss Jansons die Carmen zu singen, der sich mit dieser Hochschulproduktion auf eine geplante Aufführungsserie an der Wiener Staatsoper vorbereiten wollte, die er aus gesundheitlichen Gründen dann jedoch absagen musste. „Das war eine große Ehre für mich“, schwärmt Margarita Gritskova. „Mariss Jansons ist ein phantastischer Dirigent. Das werde ich nie vergessen.“ Die meisten jungen russischen Sänger zieht es in den Westen und sie gäben viel dafür, dort eine Chance zu erhalten. Margarita Gritskova hat das nicht bewusst angestrebt, doch nach Abschluss ihres Gesangsstudiums vermittelte ihr ihre Agentur ein erstes Vorsingen in Weimar. „Ich dachte zuerst, mit 22 Jahren sei ich vielleicht noch zu jung dafür, doch es hat mir eine Türe geöffnet und mich in meiner Entwicklung weitergebracht.“ Sie sprach kein Wort Deutsch, als sie im Herbst 2009 ihr Engagement in Weimar antrat, vor allem aber war sie in Sachen szenischer Darstellung zu jener Zeit noch völlig unbedarft, da sie im Rahmen ihrer Ausbildung in St. Petersburg zu wenig darauf vorbereitet worden war. „Das war sehr schwierig für mich. Ich war als Cherubino in Le nozze di Figaro besetzt, den ich schon in St. Petersburg gesun- gen hatte. Stimmlich beherrschte ich ihn, aber ihn zu spielen fiel mir schwer. Schließlich verlor unsere Regisseurin die Geduld und ersetze mich durch eine andere Sängerin. Da habe ich verstanden, dass ich noch sehr viel lernen muss.“ Doch Margarita Gritskova lernt schnell. So wie sie sich der deutschen Sprache in kurzer Zeit bemächtigte, entwickelte sie sich auch rasch zu einer gewandten Darstellerin und avancierte in Weimar zum Publikumsliebling. Trotz ihrer Erfolge dort arrangierte ihre Agentin für sie ein Vorsingen in Wien. Zunächst wusste Margarita Gritskova nicht, für welche Produktion oder welches Haus. „Ich dachte, es sei für ein Festival oder etwas Ähnliches, weshalb ich nicht so nervös war. Erst in Wien erfuhr ich, dass es für die Wiener Staatsoper sei.“ Trotzdem bewahrte sie die Nerven, sang vor, wurde zunächst jedoch im Unklaren über das Ergebnis gelassen. Erst als sie wieder in Weimar war, erfuhr sie, dass sie die Wiener Staatsoper engagiert hatte. Ging damit ein Traum in Erfüllung? „Damals hatte ich davon geträumt, in Weimar verlängert zu werden. Das Engagement in Wien übertraf all meine Träume.“ Auch das Wiener Publikum schloss Margarita Gritskova rasch ins Herz. Ihre agile, farbenreiche Stimme, die zu subtilen Zwischentönen fähig ist, was SERIE JUNGE SÄNGER an der Wiener Staatsoper An der Wiener Staatsoper gastieren natürlich die Weltstars der Oper, gleichzeitig fördern wir aber eine junge Generation von Sägern: die Stars von morgen. Viele dieser jungen Sängerinnen und Sänger haben sich auch bei den wichtigsten internationalen Gesangswettbewerben durchgesetzt und werden im Laufe ihres Staatsopern-Engagements auch von anderen großen Bühnen angefragt. Und von hier aus treten sie ihre internationale Karriere an, in den letzten Jahren etwa Adam Plachetka, Daniela Fally, Anita Hartig, Alessio Arduini, Valentina Naforniţă und andere. DOMINIQUE MEYER wiederum ihrem starken Ausdruckswillen sehr entgegenkommt, eignet sich ideal für Musik von Mozart und Rossini, bei der sie ihre Qualitäten voll ausspielen kann. Als Idamante in Mozarts Idomeneo gelang ihr im Herbst 2014 denn auch der große Durchbruch. „Lyrische Emphase“ habe sie „mit sicherer Koloraturgewandtheit“ gekrönt, war in der Tageszeitung Die Presse zu lesen. Wenige Monate später triumphierte sie auch als Angelina in einer Aufführungsserie von Rossinis La Cenerentola, in der sie bei der Premiere noch Tisbe, eine der beiden bösen Stiefschwestern des Aschenputtels, verkörpert hatte. „Rossini ist Öl für meine Stimme. Es gibt viele Koloraturen, aber sie sind sehr delikat. Man kann sie ganz ohne Druck singen. Das passt sehr gut für mein Alter.“ Zwar träumt sie davon, eines Tages dramatische Rollen wie Amneris oder Eboli zu übernehmen, aber sie ist klug genug, das – sofern sich ihre Stimme überhaupt in diese Richtung entwickeln sollte – auf eine ferne Zukunft zu verschieben. Woran sie jedoch schon jetzt mit Gerhard Schlüsselmayr, einem der erfahrensten Korrepetitoren der Staatsoper in diesem Fach, arbeitet, ist der Octavian im Rosenkavalier, freilich noch ohne eine konkrete Aufführung im Visier zu haben. „Diese Rolle ist mein Traum. Aber es ist eine große und schwere Aufgabe, nicht nur musikalisch. Auch die deutsche Sprache mit ihrem stark österreichischen Akzent ist eine Herausforderung.“ Vorerst beschränkt sich Margarita Gritskova daher auf ihre derzeitigen Fachpartien und freut sich darauf, im September wieder als Angelina auf der Bühne zu stehen. „Natürlich muss man sie technisch gut zu singen. Es muss leicht klingen. Aber ich möchte ihr auch Tiefe geben. Sven-Eric Bechtolfs Regie spiegelt bewusst unsere Zeit wider. Man legt allzu großen Wert auf Vergnügen und Spaß. Das, was der Seele wirklich gut tut, kommt dabei viel zu kurz. Wenn ich das in dieser Inszenierung zeigen könnte, wäre B ich sehr glücklich.“ PETER BLAHA Rossini: La Cenerentola; Wiener Staatsoper, Mi., 16., Sa., 19., Mi., 23., Sa., 26. September, 19.00 Uhr ¬ 2015 9 BÜHNE bueh1509_STOP Serie Gritskova.indd 25 21.08.15 12:40
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