Doppelpunkt Nr. 4/15

Stadt St.Gallen
Schulamt
DOPPELPUNKT
Lesen und Begegnen
Information für Mitarbeitende Schulamt Stadt St.Gallen
März 1/2016
EDI TORI A L
Liebe Mitarbeiterinnen,
liebe Mitarbeiter
Haben Sie gewusst, dass Sie problemlos in der Lage sind, den folgenden
Text zu lesen? Gmäess Sutiden ist
es nälmich nchit witihcg, in wlecehr
Rneflogheie die Bstachuebn in eneim
Wrot snid. Das Ezniige, was wcthiig
ist, ist, dass der estre und der leztte
Bstabchue an der ritihcegn Pstoiion
snid. Der Rset knan ein ttoaelr Bsinöldn sein, und tedztrorm knan man ihn
onhe Pemoblre lseen. Kuzrum: Lesen
ist ein wihticger kulureltler Asepkt, so
Lesen – Die Verführung zum Selberdenken
wicthig, dass es unabingbdar ist, es
zu beheschrren. Und denonch gibt es
bedauelichrerwesie eine beahtcliche
Anazhl an Schuabgälnerginnen und -abgngären, die nicht rihtcig lesen können.
Vom Lesen als Phäomnen und vom
Lesen als Allagsgtut, aebr acuh von der
Bibiotlhek als wunbarderem Lesoert
und vileem mehr hadenlt der volieregnde «Doelppupnkt». Viel Sapss!
Dr. iur. Marlis Angehrn
Leiterin Schulamt
Alle haben wir es gespielt, im Kindergarten, in der Schule: das Telefonspiel.
Man sitzt im Kreis, und der Erste flüstert
dem nächsten ein Wort ins Ohr. Das
geht rundherum – und am Ende kommt,
Anlass zu allgemeiner Heiterkeit, etwas
völlig anderes heraus.
Bevor es die Schrift gab, war die
Überlieferung der Menschheitsgeschichte ein einziges Telefonspiel – lückenhaft,
unzuverlässig, rätselhaft, von den Launen des Geschichtenerzählers abhängig.
Erst die Kulturtechnik des Schreibens
und Lesens machte es dem Menschen
möglich, sich seiner Vergangenheit zu
vergewissern.
Kein Wunder also, wird die Erfindung
der Schrift als einer der wichtigsten
Schritte der Menschheitsgeschichte
bezeichnet. Erst jetzt konnte Wissen
festgehalten und gesichert werden.
Wissen bedeutet bekanntlich Macht,
und so waren Schreiben und Lesen für
sehr lange Zeit Machtinstrumente in
den Händen der Priester und Herrscher.
Noch heute hat ja, wer mehr liest und
sich länger bildet, mehr Chancen in
unserer Gesellschaft.
2
Abstraktionsschritte
Die Anfänge der neuen Kulturtechnik
werden unterschiedlich datiert: Einige
Schrift-Gelehrte meinen, sie bereits
in Zeichen zu erkennen, die vor 7’000
Jahren in Südosteuropa und in China
auf Objekten angebracht wurden. Ihre
Bedeutung ist aber nicht klar; es könnte
sich auch um Ornamente handeln.
Eine klare Funktion hatten hingegen
die Kerben und Keile auf Tontafeln im
alten Mesopotamien um ca. 2’700 vor
Christus: Es waren Listen und Tabellen
der landwirtschaftlichen Buchführung.
Die Entwicklung der Schrift ist die
einer zunehmenden Abstraktion: Piktogramme, also stilisierte Zeichnungen
von Gegenständen, waren leichter zu
«lesen» als deren Weiterentwicklung
zu ersten Keil- und Kurrentschriften. Aus
der Wortschrift wurde so die Silben- und
schliesslich die Buchstabenschrift – jedes Mal ein grosser Abstraktionsschritt,
eine grössere Leseleistung. Auch die
Schriftmedien entwickelten sich mit
zunehmender Informationsmenge:
Papyrus und Pergament liessen sich in
grösseren Mengen herstellen.
«Leise zu lesen, ohne die Lippen zu
bewegen, war schon fast ein Akt des
Ungehorsams gegen die Obrigkeit.»
Gottlieb F. Höpli, ehem. Chefredaktor des St.Galler Tagblatts
Die Reformation als Leseauftrag
Der Aufstieg Europas zum führenden
Kontinent hat unmittelbar mit der Aneignung der Kulturtechnik des Lesens
und Schreibens zu tun. In den Klöstern
wurde geschrieben und abgeschrieben.
Noch aber war das gemeine Volk vom
unmittelbaren Zugang zu diesem Wissen ausgeschlossen. Erst der Buchdruck
stiess das Tor zum Wissen für immer
mehr Menschen auf. Ein Zufall war es
nicht, dass 75 Jahre nach Johannes Gutenberg der Reformator und Bibelübersetzer Luther den Grundsatz statuierte:
«Sola scriptura». Allein die Schrift also
solle für alle Christenmenschen massgebend sein – nicht nur für die Kleriker
und den Adel!
Lesen hiess damals aber grundsätzlich vor allem: das immer gleiche Buch
Neue Bücherburg der Stadtbibliothek St.Katharinen
lesen – die Bibel, und zwar laut. Leise zu
lesen, ohne die Lippen zu bewegen, war
schon fast ein Akt des Ungehorsams gegen die Obrigkeit. Erst das Aufkommen
des städtischen Bürgertums öffnete den
Damm weiter. Ganz allmählich entzog
sich die Wissensaneignung dem Kanon
der religiösen «Leitkultur».
Neue Medien wie Zeitungen und
Zeitschriften durchlöcherten seit dem
17. Jahrhundert die Gebote und Verbote
der politischen und religiösen Obrigkeit,
auch wenn diese mit der Zensur unbotmässige Information noch lange unterband. Erst die Aufklärung stellte das
Ziel des individuellen Urteilens in den
Mittelpunkt. Der Philosoph Immanuel
Kant definierte es 1784 so: «Aufklärung
ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.
Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich
seines Verstandes ohne Leitung eines
anderen zu bedienen.»
Lesen – Ein Akt der Emanzipation
Jetzt war das Lesen endgültig zur
Angelegenheit des Einzelnen geworden.
Und wir sind definitiv in der alphabetisierten Gegenwart angekommen, in der
Nichtlesenkönnen einen gefährlichen
Makel darstellt. Wer gedruckte Informationen nicht versteht und befolgt, gefährdet womöglich sein Leben – handle
es sich um Verkehrsvorschriften, um
Warnhinweise oder um einen Medikamentenbeipackzettel.
Noch immer ist für mich das Buch
der Inbegriff des Lesens. Wenn ich
in seine Welt eintauche, bin ich auf
die radikalst mögliche Art allein, im
Gespräch mit dem Autor und seinem
Text. Ich kann in dieser Situation der
Vereinzelung gar nicht anders, als mir
selbst eine Meinung zu bilden.
Deshalb ist der ungehinderte Zugang
zu Gedrucktem und zum Internet in
Diktaturen noch immer unerwünscht.
Zwar sagen uns Medienexperten seit
einiger Zeit das Ende des GutenbergZeitalters voraus. Aber die Datenwolken, die nach ihrer Überzeugung an die
Stelle der Bibliotheken treten sollen,
enthalten doch immer nur Geschriebenes, das gelesen werden soll. Der
Abschied vom Trägermedium Papier ist
also noch kein ausreichender Beleg für
die Prognose des Kommunikationstheoretikers Vilém Flusser von 1992: «Nur
noch Historiker und andere Spezialisten
werden in Zukunft lesen und schreiben
lernen müssen.»
Das wäre nicht einfach ein Verlust.
Das wäre ein Rückschritt in der Emanzipation des Menschen.
Gottlieb F. Höpli,
ehemaliger Chefredaktor des St.Galler
Tagblatts
Von Bücherburgen, Game-Events und Kaffeeklatsch
Seit einem Jahr ist die Stadtbiblio thek St.Gallen an zwei Standorten zu
Hause: In der kolossalen Hauptpost
ist die Erwachsenenbibliothek und im
schmucken Katharinen die Kinder- und
Jugendbibliothek untergebracht. Dort
laden Bücherburg und Sofalounge zum
Verweilen ein, lauschen Kinder und Eltern Geschichten, finden Lehrpersonen
Unterrichtsmaterialien oder drehen
Schulklassen Filme. Die grosse Schwesterbibliothek beim Bahnhof bietet –
zusammen mit der Kantonsbibliothek
– rund 100’000 Medien an: Bücher,
Filme, Hörbücher. Und über allem weht
ein feiner Kuchenduft vom Café St Gall,
Treffpunkt und Leseort in einem.
Freihandbibliothek wird Stadt­
bibliothek
Auf das Jahr 2015 hin wurde aus
der St.Galler Freihandbibliothek die
Stadtbibliothek St.Gallen. Mit dem
Namenswechsel und der Integration
in die Stadtverwaltung begann für das
Bibliotheksteam ein intensives Jahr.
Ende Januar wurden im Katharinen die
Erwachsenenmedien in Kisten gepackt
und am neuen Standort, der Bibliothek
Hauptpost, neu einsortiert.
Stadt­bibliothek
in der
Hauptpost
Zusammenwachsen in der
Bibliothek Hauptpost
Mit den Erwachsenenmedien zog
auch die Hälfte des Stadtbibliothekteams in die Hauptpost. Gleichzeitig
zügelte die Kantonsbibliothek Vadiana
einen Teil ihrer Bestände in die neue
Bibliothek. So können nun Medien der
Stadt- sowie der Kantonsbibliothek
am gleichen Ort zu denselben Bedingungen ausgeliehen werden. Eröffnet
wurde die Bibliothek Hauptpost am
28. Februar 2015: eine neue Bibliothek
an einem neuen Standort mit einem
neuen Team. Besonders erfreulich war,
dass die Zusammenarbeit zwischen
dem Team der Kantonsbibliothek und
dem Team der Stadtbibliothek von
Anfang an funktionierte – gab es doch
davor nur kurz Gelegenheit, sich gegenseitig kennenzulernen und die neuen
Abläufe durchzuspielen.
Treffpunkt beim Bahnhof
Vor dem Umzug bekamen wir den
Eindruck, dass viele unserer Kunden
den Auszug der Erwachsenenbibliothek
aus den gemütlichen Räumen im Katharinen bedauerten. Schnee von gestern!
Für viele ist der Standort nahe dem
Bahnhof und den Buslinien ideal. Das
Café St Gall ist zum beliebten Treffpunkt
geworden – auch für spontane Begegnungen, wie sie sich in der Bibliothek
immer wieder ergeben. Die Zeitschriftenlounge mit einem grosszügigen
Angebot an Zeitungen und Zeitschriften
lädt auch stille Besucher zum Verweilen ein. Zur Attraktivität der Bibliothek
tragen auch die Veranstaltungen bei.
So lädt die Stadtbibliothek während
der Wintermonate zu einem Matinéezyklus ein, und in Zusammenarbeit mit
der interkulturellen Bibliothek werden
regelmässig fremd- oder zweisprachige
Lesungen durchgeführt. Abgerundet
wird das grosszügige Angebot durch
die Digitale Bibliothek Ostschweiz
(dibiost) und E-Medien St.Gallen. Dank
dem Velokurier St.Gallen bleiben die
beiden Standorte der Stadtbibliothek
in Verbindung. Bei Wind und Wetter
transportieren die Pedaleure die blauen
Kisten zwischen der Hauptpost und Katharinen. Dieser Service erlaubt unseren
Kunden, die Medien der Stadtbibliothek
an beiden Orten zurückzugeben oder
an den anderen Standort zu bestellen.
Gamen und Erzählen in der
Stadtbibliothek Katharinen
Während die Bibliothek Hauptpost
den Betrieb aufnahm, wurden die ehemaligen Klosterräume Katharinen bei
laufendem Betrieb zu einer modernen
Kinder- und Jugendbibliothek umgebaut. Dabei stand die Aufenthaltsqualität für die verschiedenen Altersgruppen
im Vordergrund. Die Bücherburg lädt
die Kleinen zum Spielen und Entdecken
ein und die Sofalounge am anderen
Ende der Bibliothek die Jugendlichen
zum Chillen. Oft verabreden sich Kinder und Jugendliche in der Bibliothek
zum Gamen, und es wird nicht selten
beobachtet, wie sie danach mit einem
Buch herausspazieren. Katharinen ist
weit mehr als eine Bibliothek, in der
Bücher ausgeliehen werden. Jede Woche finden Erzählstunden statt, in denen Geschichten in Mundart und neun
weiteren Sprachen erzählt werden. Mit
den Buchstart-Veranstaltungen werden
junge Eltern dafür sensibilisiert, wie
4
S chrägstrich
Worte sind Lebensbegleiter
Das Erzählzimmer der Stadtbibliothek St.Katharinen
sie spielerisch den Spracherwerb
ihrer Kinder fördern können. Die interkulturelle Bibliothek mit über 15 Sprachen
spiegelt zudem die sprachliche Vielfalt
in der Stadt St.Gallen wider.
Auch ein Ort für Schulen
Die Stadtbibliothek engagiert sich für
eine Zusammenarbeit mit Lehrpersonen
und ihren Schulklassen. Mit stufengerechten Klassenführungen fördert sie
die Medien- und Informationskompetenz der Schülerinnen und Schüler. Bei
den Jüngeren geschieht dies spielerisch
mit einer Bibliotheksralley oder einer
Schatzsuche mit dem iPad. Jugendliche
lernen, Informationsquellen im Katalog
zu suchen und Bücher zu rezensieren.
Für Lehrpersonen steht eine Auswahl an
Unterrichtsmaterialien und Lehrmitteln
im Erdgeschoss zur Verfügung, bereitgestellt von der Pädagogischen Hochschule St.Gallen. Zudem können sich
Schüler mit den rund 20 Themenboxen
selbstständig in ein Thema vertiefen.
Do it yourself im Medienlabor
Erst vor Kurzem wurde ein Medienlabor eröffnet: ein Raum mit Kameras,
Aufnahmegeräten und iPads, der
Schulklassen und Bibliotheksbesucher
zum Experimentieren einlädt. Schulen
können sich für Workshops anmelden
oder Geräte für eigene (Film-)Projekte
ausleihen, und sie erhalten Tipps für
deren Anwendung. Dieses neue Angebot zeigt, wie Bibliotheken auf neue
Entwicklungen reagieren. Mitarbeitende
in Bibliotheken sind Informationsspezialisten, die Schüler und Erwachsene
dabei unterstützen, sich in der heutigen
Informationsgesellschaft zurechtzufinden.
Die Stadtbibliothek ist im Schulamt
gut angekommen. Sie kann in der Stadtverwaltung viel Fachwissen abholen
und auf wertvolle Unterstützung zählen.
Christa Oberholzer, Leitung Stadtbibliothek
und Katrin Braun, Verantwortliche
Öffentlichkeitsarbeit Stadtbibliothek
Stadtbibliothek Katharinen → www.bibliothek.stadt.sg.ch
Bibliothek Hauptpost → www.bibliosg.ch
Ach ja, bevor es vergessen geht: Carlo
Schusterfleck lässt herzliche Grüsse ausrichten. Habe den schrulligen Nachtportier
des Gasteiner Hofs in Bad Gastein wieder
einmal besucht, die Anreise war ganz
einfach. Hermann Burger, Werke in acht
Bänden, dritter Band: «Die Wasserfallfinsternis von Badgastein».
Auch Oskar Matzerath bin ich jüngst
öfters begegnet. Ich habe den Gnomen,
der an seinem dritten Geburtstag das
Wachstum einstellt und fortan trommelnd
das Weltgeschehen kommentiert, wieder
einmal durch sein Danzig begleitet. Vom
Fauteuil aus, auf den Knien «Die Blechtrommel» von Günter Grass.
Und gerade erst habe ich die Bekanntschaft mit Georg Franz Müller gemacht,
einem Elsässer, der im 17. Jahrhundert
13 Jahre als Soldat der Niederländischen
Ostindien-Kompanie in Indonesien lebte.
Sein Reisebuch befindet sich in der Stiftsbibliothek St.Gallen, die die hochspannenden
Schilderungen in einem prächtigen Büchlein aufgearbeitet hat.
Drei Beispiele, wie wir über das Lesen
der Welt begegnen. Zwar tauchen wir
lesend vordergründig aus ihr ab – aber nur,
um ihr erst recht zu begegnen. Über andere
Menschen und Epochen, ferne Gegenden
und fremde Lebensrealitäten. Christian
Mägerle, der vor zwei Jahren verstorbene
St.Galler Lehrer und Lyriker, hat es so
beschrieben: «Spät klopft / ein Wort / ans
Tor / Im Lichtkreis / der Lampe / bereite
ich ihm / Quartier». Schöner kann man es
nicht sagen. Schöner kann man nicht ausdrücken, dass Worte nicht nur Hilfsmittel
der Verständigung sind, sondern Lebensbegleiter. Einladungen zu
Begegnungen.
Beda Hanimann
ist Redaktor beim «St.Galler
Tagblatt»
5
Die Freude an Büchern wecken
Annina Spirig von der Stadtbibliothek
Katharinen sprach mit Marianne Jacob
über ihre Arbeit als Leiterin der offenen
Schulhausbibliothek Rotmonten.
Annina Spirig: Was bedeutet
«offene Schulhausbibliothek»?
Marianne Jakob: Die Schulbibliothek
Rotmonten ist öffentlich und steht
allen Kindern vom Kindergarten bis zur
6. Klasse aus dem Schulquartier Rotmonten und Umgebung zur Verfügung.
Du bist seit der Gründung im Jahr
2001 mit dabei. Erinnerst du dich an
die Anfangszeit?
Früher kam regelmässig das «Buchmobil» auf unseren Pausenplatz gefahren. Diese Bibliothek auf Rädern
musste jedoch ausgemustert werden,
da sie nicht mehr fahrtüchtig war.
Danach war die Bibliothek in verschiedensten Schulzimmern unter-
Bibliothek
Rotmonten
gebracht – meist in Büchergestellen
auf Rädern. Unterdessen dürfen wir
unser Bibliotheksangebot in einem
eigenen Raum präsentieren, was eine
enorme Qualitätssteigerung bedeutet.
Im Gegensatz zum Anfang, als wir
die Ausleihe noch mit den berühmten
Steckkärtchen organisiert haben, dürfen
wir nun mit einem relativ einfachen, aber
effektiven Bibliothekssystem arbeiten.
Welche Unterstützung wünschst du
dir von der Stadtbibliothek?
Die Unterstützung, die wir seit dem
Anfang erhalten, hilft uns sehr. Dazu
gehört die Organisation von Treffen
mit den Verantwortlichen der anderen
Schulbibliotheken der Stadt St.Gallen.
Wertvoll ist zudem die Vorstellung von
Neuheiten und die Beratung bei der
Medienauswahl.
Welches sind die Aufgaben einer
Schulbibliothek?
Das Kind lernt über die Schulbibliothek das Ordnungssystem kennen. Bei
den Kindern die Freude an Büchern zu
wecken und sie das Lesen als etwas
Lustvolles erleben zu lassen, sind bestimmt unsere wichtigsten Aufgaben.
Und was wünschst du dir für eure
Schulhausbibliothek?
Ich wünsche mir, dass auch Kinder,
die kaum oder wenig lesen, den Weg
in unsere Bibliothek finden und wir bei
ihnen die Leselust wecken können.
Geeignet sind dafür beispielsweise
«Gregs Tagebücher», die berühmten
Comic-Romane von Jeff Kinney. Diese
Kinder kommen (leider) nicht von sich
aus in unsere Bibliothek. Wenn sie aber
mit ihrer Schulklasse vorbeikommen,
regen die anderen Kinder sie zum
Lesen an.
Welches sind deine Aufgaben als
Schulbibliothekarin?
Auswahl, Einkauf, Aufarbeiten und
Ausrüsten der Medien, Geldbeschaffung
für Projekte wie die neue Ausleihtheke
sowie Organisation von Anlässen zur
Leseförderung (wie zum Beispiel die
Schweizer Erzählnacht). Ideen hätte ich
noch viele, besonders im Bereich der
Leseförderung. Dazu fehlen aber die personellen und finanziellen Ressourcen.
Herzlichen Dank für das
Interview.
Text und Interview:
Annina Spirig, Mitarbeiterin Stadtbibliothek
kklick – «Literatur aus erster Hand»
Jedes Jahr im Mai lassen sich mehr als
30’000 Kinder und Jugendliche in der
Ostschweiz von «Literatur aus erster
Hand» begeistern, wenn Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Comiczeichner
und Illustratorinnen unterwegs sind, um
in Schulklassen zu lesen und von der
Entstehung ihrer Bücher und über ihre
Arbeit zu berichten. Was vor 54 Jahren
in der Stadt St.Gallen begonnen hat, ist
heute eine der grössten Leseförderungsaktionen in der Ostschweiz.
Veranstaltet wird «Literatur aus erster
Hand» – vormals Ostschweizer Autorenlesungen genannt – von der Kantonsbibliothek Vadiana. In Zusammenarbeit mit
der interkantonalen Kulturvermittlungsplattform kklick, schreibt die Kantonsbibliothek jedes Jahr im November auf
der Website www.kklick.ch «Literatur
aus erster Hand» aus. Rund 250 Schulen
und Bibliotheken buchen jährlich gegen
700 Lesungen, vom Kindergarten bis zur
Mittelschule.
Eine Lesung kostet für die Schule
350 Franken. Damit werden das Honorar sowie die Reise- und Hotelkosten
gedeckt. Zusätzlich unterstützen die
beteiligten Kantone «Literatur aus erster Hand» mit einem Beitrag, damit
der Preis für die Lesung tief gehalten
werden kann.
Das Programm von «Literatur aus
erster Hand» wird von der Fachgruppe
Autorenlesungen kuratiert. Dabei achtet
die Fachgruppe darauf, dass immer wieder neue Gäste eingeladen werden. Seit
vier Jahren finden sich auch Schreib- und
Zeichnungs-Werkstätten im Programm.
Sie sollen den Zugang zur Literatur auf
eine andere Weise ermöglichen.
Interessierte an «Literatur aus erster
Hand» tragen sich am besten in den
Newsletter-verteiler unter www.kklick.
ch ein und werden so informiert, wenn
die Anmeldung für die Lesungen wieder
ausgeschrieben wird: www.kklick.ch/
service/newsletter/
6
Häufiger als gedacht: Erwachsene mit ungenügenden
Lese- und Schreibkenntnissen
Hoite? Heute? Häute? Wie schreibt man
dieses Wort richtig? Das ist zu schwierig.
Das verstehe ich nicht. Ich verstecke
mich lieber. Ich bin zu dumm. Das soll ein
anderer machen. Kann ich nicht lesen –
habe meine Brille vergessen. Mache ich
später. Das macht mich krank. Misstrauen. Schweissausbrüche ...
Diese Reaktionen beziehen sich auf
die Lese- und Schreibschwäche bei
Erwachsenen (Illettrismus), die trotz
obligatorischer Schulzeit vorkommen
kann und oft durch ungünstige Sozialkomponenten geprägt wird. Leider
spricht kaum jemand darüber – sie ist
ein Tabu. 50’000 Ostschweizer oder 16
Prozent aller Erwerbstätigen zwischen
16 und 65 Jahren mogeln sich in ihrer
Muttersprache Deutsch durch den Alltag: Arbeitsrapporte und Ärzteformulare
ausfüllen, E-Mails beantworten und
Anleitungen lesen – ein Graus. Die Betroffenen leiden, werden stigmatisiert,
ihre beruflichen und gesellschaftlichen
Ziele und Chancen werden dadurch
eingeschränkt, und ihr Selbstvertrauen
ist nur gering.
Darunter leidet auch die Arbeitswelt – unter anderem mit rund 1,2
Mia. Franken Folgekosten. Bei jährlich
5’000 Schulabgängern ist zudem das
sprachliche Rüstzeug ungenügend,
was Berufsabschlüsse erschwert oder
verunmöglicht – laut Travail.Suisse haben rund 600’000 Erwerbstätige keinen
Abschluss. Zudem sind für Illettristen
Aus- und Weiterbildungen, Stellenwechsel sowie Aufstiegschancen stark
erschwert. Ihr Risiko der Arbeitslosigkeit
verdoppelt sich.
All dies müsste nicht sein, denn es
gibt Auswege. Die Betroffenen sind
sich ihrer Situation meist bewusst, aber
schämen sich. Es lohnt sich, wenn Dritte
(Familie, Freunde, Vorgesetzte …) einen
Betroffenen unter vier Augen wertschät-
zend und verständnisvoll auf sein Defizit
ansprechen und zum Handeln ermutigen. Meist gelingt mit wohlwollender
Unterstützung ein Kursbesuch.
In Kleingruppen holen die Teilnehmer
Basiswissen nach oder frischen es auf,
helfen und ermutigen sich gegenseitig
und profitieren voneinander. Sie lernen
mit ihrer Schwäche umzugehen und
erleben individuelle Fortschritte. Die
Teilnehmer werden selbstsicherer, und
ihr Alltag wird beflügelt.
Die Stadtbibliothek unterstützt seit
Jahren mit ihrem vielseitigen Angebot,
ihrer spezifischen, leicht zu lesenden
Literatur sowie mit Filmmaterial diesen
Prozess zusätzlich.
Dem Tabuthema Illettrismus kann
man entgegenwirken. Seien Sie hellhörig und mutig und sprechen Sie mögliche Betroffene an. An vielen Orten gibt
es subventionierte Jahres- und Firmenkurse, so zum Beispiel am Berufs- und
Weiterbildungszentrum Toggenburg,
Wattwil (www.bwzt.ch).
Brigitte Locher-Kormann,
Sekundarlehrerin, Erwachsenenbildnerin und
Kursleiterin für Lesen und
Schreiben am BWZT
T ER M I N E
Fussball-Schüeleri 2016
Mittelstufe
Mittwoch, 27. April 2016
Ganzer Tag
Ort: Sportanlage Gründenmoos
Veranstalter: SFV
Purzelbaum-Tagung
Vortrag mit Renate Zimmer und
Workshops zum Thema Bewegung und Ernährung
Samstag, 19. November 2016, 09:00 bis 16:00 Uhr
Ort: Universität SG, Bibliotheksgebäude
Veranstalter: Purzelbaum Schweiz (RADIX) und Schulärztlicher Dienst Stadt St.Gallen
IMPRESSUM
Herausgeber:Schulamt der Stadt St.Gallen, Postfach, Neugasse 25, 9004 St.Gallen
Koordination: Andreas Horlacher, SAM
Redaktion: Geschäftsleitung SAM
Kontakt:
Haben Sie etwas gelesen, das Sie kommentieren möchten? Sprechen Sie Ihre Vorgesetzte / Ihren
Vorgesetzten an oder wenden Sie sich direkt an die Redaktion.
Ihre Rückmeldungen via e-Mail ([email protected]) freuen uns.
Layout:
Atelier Heina, St.Gallen
Fotos:
Schulamt St.Gallen oder durch Interviewpartner zur Verfügung gestellt
Druck:
NiedermannDruck AG, St.Gallen
Gedruckt auf
FSCzertifiziertem,
chlorfrei
gebleichtem
Papier