Stadt St.Gallen Schulamt DOPPELPUNKT Lesen und Begegnen Information für Mitarbeitende Schulamt Stadt St.Gallen März 1/2016 EDI TORI A L Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter Haben Sie gewusst, dass Sie problemlos in der Lage sind, den folgenden Text zu lesen? Gmäess Sutiden ist es nälmich nchit witihcg, in wlecehr Rneflogheie die Bstachuebn in eneim Wrot snid. Das Ezniige, was wcthiig ist, ist, dass der estre und der leztte Bstabchue an der ritihcegn Pstoiion snid. Der Rset knan ein ttoaelr Bsinöldn sein, und tedztrorm knan man ihn onhe Pemoblre lseen. Kuzrum: Lesen ist ein wihticger kulureltler Asepkt, so Lesen – Die Verführung zum Selberdenken wicthig, dass es unabingbdar ist, es zu beheschrren. Und denonch gibt es bedauelichrerwesie eine beahtcliche Anazhl an Schuabgälnerginnen und -abgngären, die nicht rihtcig lesen können. Vom Lesen als Phäomnen und vom Lesen als Allagsgtut, aebr acuh von der Bibiotlhek als wunbarderem Lesoert und vileem mehr hadenlt der volieregnde «Doelppupnkt». Viel Sapss! Dr. iur. Marlis Angehrn Leiterin Schulamt Alle haben wir es gespielt, im Kindergarten, in der Schule: das Telefonspiel. Man sitzt im Kreis, und der Erste flüstert dem nächsten ein Wort ins Ohr. Das geht rundherum – und am Ende kommt, Anlass zu allgemeiner Heiterkeit, etwas völlig anderes heraus. Bevor es die Schrift gab, war die Überlieferung der Menschheitsgeschichte ein einziges Telefonspiel – lückenhaft, unzuverlässig, rätselhaft, von den Launen des Geschichtenerzählers abhängig. Erst die Kulturtechnik des Schreibens und Lesens machte es dem Menschen möglich, sich seiner Vergangenheit zu vergewissern. Kein Wunder also, wird die Erfindung der Schrift als einer der wichtigsten Schritte der Menschheitsgeschichte bezeichnet. Erst jetzt konnte Wissen festgehalten und gesichert werden. Wissen bedeutet bekanntlich Macht, und so waren Schreiben und Lesen für sehr lange Zeit Machtinstrumente in den Händen der Priester und Herrscher. Noch heute hat ja, wer mehr liest und sich länger bildet, mehr Chancen in unserer Gesellschaft. 2 Abstraktionsschritte Die Anfänge der neuen Kulturtechnik werden unterschiedlich datiert: Einige Schrift-Gelehrte meinen, sie bereits in Zeichen zu erkennen, die vor 7’000 Jahren in Südosteuropa und in China auf Objekten angebracht wurden. Ihre Bedeutung ist aber nicht klar; es könnte sich auch um Ornamente handeln. Eine klare Funktion hatten hingegen die Kerben und Keile auf Tontafeln im alten Mesopotamien um ca. 2’700 vor Christus: Es waren Listen und Tabellen der landwirtschaftlichen Buchführung. Die Entwicklung der Schrift ist die einer zunehmenden Abstraktion: Piktogramme, also stilisierte Zeichnungen von Gegenständen, waren leichter zu «lesen» als deren Weiterentwicklung zu ersten Keil- und Kurrentschriften. Aus der Wortschrift wurde so die Silben- und schliesslich die Buchstabenschrift – jedes Mal ein grosser Abstraktionsschritt, eine grössere Leseleistung. Auch die Schriftmedien entwickelten sich mit zunehmender Informationsmenge: Papyrus und Pergament liessen sich in grösseren Mengen herstellen. «Leise zu lesen, ohne die Lippen zu bewegen, war schon fast ein Akt des Ungehorsams gegen die Obrigkeit.» Gottlieb F. Höpli, ehem. Chefredaktor des St.Galler Tagblatts Die Reformation als Leseauftrag Der Aufstieg Europas zum führenden Kontinent hat unmittelbar mit der Aneignung der Kulturtechnik des Lesens und Schreibens zu tun. In den Klöstern wurde geschrieben und abgeschrieben. Noch aber war das gemeine Volk vom unmittelbaren Zugang zu diesem Wissen ausgeschlossen. Erst der Buchdruck stiess das Tor zum Wissen für immer mehr Menschen auf. Ein Zufall war es nicht, dass 75 Jahre nach Johannes Gutenberg der Reformator und Bibelübersetzer Luther den Grundsatz statuierte: «Sola scriptura». Allein die Schrift also solle für alle Christenmenschen massgebend sein – nicht nur für die Kleriker und den Adel! Lesen hiess damals aber grundsätzlich vor allem: das immer gleiche Buch Neue Bücherburg der Stadtbibliothek St.Katharinen lesen – die Bibel, und zwar laut. Leise zu lesen, ohne die Lippen zu bewegen, war schon fast ein Akt des Ungehorsams gegen die Obrigkeit. Erst das Aufkommen des städtischen Bürgertums öffnete den Damm weiter. Ganz allmählich entzog sich die Wissensaneignung dem Kanon der religiösen «Leitkultur». Neue Medien wie Zeitungen und Zeitschriften durchlöcherten seit dem 17. Jahrhundert die Gebote und Verbote der politischen und religiösen Obrigkeit, auch wenn diese mit der Zensur unbotmässige Information noch lange unterband. Erst die Aufklärung stellte das Ziel des individuellen Urteilens in den Mittelpunkt. Der Philosoph Immanuel Kant definierte es 1784 so: «Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.» Lesen – Ein Akt der Emanzipation Jetzt war das Lesen endgültig zur Angelegenheit des Einzelnen geworden. Und wir sind definitiv in der alphabetisierten Gegenwart angekommen, in der Nichtlesenkönnen einen gefährlichen Makel darstellt. Wer gedruckte Informationen nicht versteht und befolgt, gefährdet womöglich sein Leben – handle es sich um Verkehrsvorschriften, um Warnhinweise oder um einen Medikamentenbeipackzettel. Noch immer ist für mich das Buch der Inbegriff des Lesens. Wenn ich in seine Welt eintauche, bin ich auf die radikalst mögliche Art allein, im Gespräch mit dem Autor und seinem Text. Ich kann in dieser Situation der Vereinzelung gar nicht anders, als mir selbst eine Meinung zu bilden. Deshalb ist der ungehinderte Zugang zu Gedrucktem und zum Internet in Diktaturen noch immer unerwünscht. Zwar sagen uns Medienexperten seit einiger Zeit das Ende des GutenbergZeitalters voraus. Aber die Datenwolken, die nach ihrer Überzeugung an die Stelle der Bibliotheken treten sollen, enthalten doch immer nur Geschriebenes, das gelesen werden soll. Der Abschied vom Trägermedium Papier ist also noch kein ausreichender Beleg für die Prognose des Kommunikationstheoretikers Vilém Flusser von 1992: «Nur noch Historiker und andere Spezialisten werden in Zukunft lesen und schreiben lernen müssen.» Das wäre nicht einfach ein Verlust. Das wäre ein Rückschritt in der Emanzipation des Menschen. Gottlieb F. Höpli, ehemaliger Chefredaktor des St.Galler Tagblatts Von Bücherburgen, Game-Events und Kaffeeklatsch Seit einem Jahr ist die Stadtbiblio thek St.Gallen an zwei Standorten zu Hause: In der kolossalen Hauptpost ist die Erwachsenenbibliothek und im schmucken Katharinen die Kinder- und Jugendbibliothek untergebracht. Dort laden Bücherburg und Sofalounge zum Verweilen ein, lauschen Kinder und Eltern Geschichten, finden Lehrpersonen Unterrichtsmaterialien oder drehen Schulklassen Filme. Die grosse Schwesterbibliothek beim Bahnhof bietet – zusammen mit der Kantonsbibliothek – rund 100’000 Medien an: Bücher, Filme, Hörbücher. Und über allem weht ein feiner Kuchenduft vom Café St Gall, Treffpunkt und Leseort in einem. Freihandbibliothek wird Stadt bibliothek Auf das Jahr 2015 hin wurde aus der St.Galler Freihandbibliothek die Stadtbibliothek St.Gallen. Mit dem Namenswechsel und der Integration in die Stadtverwaltung begann für das Bibliotheksteam ein intensives Jahr. Ende Januar wurden im Katharinen die Erwachsenenmedien in Kisten gepackt und am neuen Standort, der Bibliothek Hauptpost, neu einsortiert. Stadtbibliothek in der Hauptpost Zusammenwachsen in der Bibliothek Hauptpost Mit den Erwachsenenmedien zog auch die Hälfte des Stadtbibliothekteams in die Hauptpost. Gleichzeitig zügelte die Kantonsbibliothek Vadiana einen Teil ihrer Bestände in die neue Bibliothek. So können nun Medien der Stadt- sowie der Kantonsbibliothek am gleichen Ort zu denselben Bedingungen ausgeliehen werden. Eröffnet wurde die Bibliothek Hauptpost am 28. Februar 2015: eine neue Bibliothek an einem neuen Standort mit einem neuen Team. Besonders erfreulich war, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Team der Kantonsbibliothek und dem Team der Stadtbibliothek von Anfang an funktionierte – gab es doch davor nur kurz Gelegenheit, sich gegenseitig kennenzulernen und die neuen Abläufe durchzuspielen. Treffpunkt beim Bahnhof Vor dem Umzug bekamen wir den Eindruck, dass viele unserer Kunden den Auszug der Erwachsenenbibliothek aus den gemütlichen Räumen im Katharinen bedauerten. Schnee von gestern! Für viele ist der Standort nahe dem Bahnhof und den Buslinien ideal. Das Café St Gall ist zum beliebten Treffpunkt geworden – auch für spontane Begegnungen, wie sie sich in der Bibliothek immer wieder ergeben. Die Zeitschriftenlounge mit einem grosszügigen Angebot an Zeitungen und Zeitschriften lädt auch stille Besucher zum Verweilen ein. Zur Attraktivität der Bibliothek tragen auch die Veranstaltungen bei. So lädt die Stadtbibliothek während der Wintermonate zu einem Matinéezyklus ein, und in Zusammenarbeit mit der interkulturellen Bibliothek werden regelmässig fremd- oder zweisprachige Lesungen durchgeführt. Abgerundet wird das grosszügige Angebot durch die Digitale Bibliothek Ostschweiz (dibiost) und E-Medien St.Gallen. Dank dem Velokurier St.Gallen bleiben die beiden Standorte der Stadtbibliothek in Verbindung. Bei Wind und Wetter transportieren die Pedaleure die blauen Kisten zwischen der Hauptpost und Katharinen. Dieser Service erlaubt unseren Kunden, die Medien der Stadtbibliothek an beiden Orten zurückzugeben oder an den anderen Standort zu bestellen. Gamen und Erzählen in der Stadtbibliothek Katharinen Während die Bibliothek Hauptpost den Betrieb aufnahm, wurden die ehemaligen Klosterräume Katharinen bei laufendem Betrieb zu einer modernen Kinder- und Jugendbibliothek umgebaut. Dabei stand die Aufenthaltsqualität für die verschiedenen Altersgruppen im Vordergrund. Die Bücherburg lädt die Kleinen zum Spielen und Entdecken ein und die Sofalounge am anderen Ende der Bibliothek die Jugendlichen zum Chillen. Oft verabreden sich Kinder und Jugendliche in der Bibliothek zum Gamen, und es wird nicht selten beobachtet, wie sie danach mit einem Buch herausspazieren. Katharinen ist weit mehr als eine Bibliothek, in der Bücher ausgeliehen werden. Jede Woche finden Erzählstunden statt, in denen Geschichten in Mundart und neun weiteren Sprachen erzählt werden. Mit den Buchstart-Veranstaltungen werden junge Eltern dafür sensibilisiert, wie 4 S chrägstrich Worte sind Lebensbegleiter Das Erzählzimmer der Stadtbibliothek St.Katharinen sie spielerisch den Spracherwerb ihrer Kinder fördern können. Die interkulturelle Bibliothek mit über 15 Sprachen spiegelt zudem die sprachliche Vielfalt in der Stadt St.Gallen wider. Auch ein Ort für Schulen Die Stadtbibliothek engagiert sich für eine Zusammenarbeit mit Lehrpersonen und ihren Schulklassen. Mit stufengerechten Klassenführungen fördert sie die Medien- und Informationskompetenz der Schülerinnen und Schüler. Bei den Jüngeren geschieht dies spielerisch mit einer Bibliotheksralley oder einer Schatzsuche mit dem iPad. Jugendliche lernen, Informationsquellen im Katalog zu suchen und Bücher zu rezensieren. Für Lehrpersonen steht eine Auswahl an Unterrichtsmaterialien und Lehrmitteln im Erdgeschoss zur Verfügung, bereitgestellt von der Pädagogischen Hochschule St.Gallen. Zudem können sich Schüler mit den rund 20 Themenboxen selbstständig in ein Thema vertiefen. Do it yourself im Medienlabor Erst vor Kurzem wurde ein Medienlabor eröffnet: ein Raum mit Kameras, Aufnahmegeräten und iPads, der Schulklassen und Bibliotheksbesucher zum Experimentieren einlädt. Schulen können sich für Workshops anmelden oder Geräte für eigene (Film-)Projekte ausleihen, und sie erhalten Tipps für deren Anwendung. Dieses neue Angebot zeigt, wie Bibliotheken auf neue Entwicklungen reagieren. Mitarbeitende in Bibliotheken sind Informationsspezialisten, die Schüler und Erwachsene dabei unterstützen, sich in der heutigen Informationsgesellschaft zurechtzufinden. Die Stadtbibliothek ist im Schulamt gut angekommen. Sie kann in der Stadtverwaltung viel Fachwissen abholen und auf wertvolle Unterstützung zählen. Christa Oberholzer, Leitung Stadtbibliothek und Katrin Braun, Verantwortliche Öffentlichkeitsarbeit Stadtbibliothek Stadtbibliothek Katharinen → www.bibliothek.stadt.sg.ch Bibliothek Hauptpost → www.bibliosg.ch Ach ja, bevor es vergessen geht: Carlo Schusterfleck lässt herzliche Grüsse ausrichten. Habe den schrulligen Nachtportier des Gasteiner Hofs in Bad Gastein wieder einmal besucht, die Anreise war ganz einfach. Hermann Burger, Werke in acht Bänden, dritter Band: «Die Wasserfallfinsternis von Badgastein». Auch Oskar Matzerath bin ich jüngst öfters begegnet. Ich habe den Gnomen, der an seinem dritten Geburtstag das Wachstum einstellt und fortan trommelnd das Weltgeschehen kommentiert, wieder einmal durch sein Danzig begleitet. Vom Fauteuil aus, auf den Knien «Die Blechtrommel» von Günter Grass. Und gerade erst habe ich die Bekanntschaft mit Georg Franz Müller gemacht, einem Elsässer, der im 17. Jahrhundert 13 Jahre als Soldat der Niederländischen Ostindien-Kompanie in Indonesien lebte. Sein Reisebuch befindet sich in der Stiftsbibliothek St.Gallen, die die hochspannenden Schilderungen in einem prächtigen Büchlein aufgearbeitet hat. Drei Beispiele, wie wir über das Lesen der Welt begegnen. Zwar tauchen wir lesend vordergründig aus ihr ab – aber nur, um ihr erst recht zu begegnen. Über andere Menschen und Epochen, ferne Gegenden und fremde Lebensrealitäten. Christian Mägerle, der vor zwei Jahren verstorbene St.Galler Lehrer und Lyriker, hat es so beschrieben: «Spät klopft / ein Wort / ans Tor / Im Lichtkreis / der Lampe / bereite ich ihm / Quartier». Schöner kann man es nicht sagen. Schöner kann man nicht ausdrücken, dass Worte nicht nur Hilfsmittel der Verständigung sind, sondern Lebensbegleiter. Einladungen zu Begegnungen. Beda Hanimann ist Redaktor beim «St.Galler Tagblatt» 5 Die Freude an Büchern wecken Annina Spirig von der Stadtbibliothek Katharinen sprach mit Marianne Jacob über ihre Arbeit als Leiterin der offenen Schulhausbibliothek Rotmonten. Annina Spirig: Was bedeutet «offene Schulhausbibliothek»? Marianne Jakob: Die Schulbibliothek Rotmonten ist öffentlich und steht allen Kindern vom Kindergarten bis zur 6. Klasse aus dem Schulquartier Rotmonten und Umgebung zur Verfügung. Du bist seit der Gründung im Jahr 2001 mit dabei. Erinnerst du dich an die Anfangszeit? Früher kam regelmässig das «Buchmobil» auf unseren Pausenplatz gefahren. Diese Bibliothek auf Rädern musste jedoch ausgemustert werden, da sie nicht mehr fahrtüchtig war. Danach war die Bibliothek in verschiedensten Schulzimmern unter- Bibliothek Rotmonten gebracht – meist in Büchergestellen auf Rädern. Unterdessen dürfen wir unser Bibliotheksangebot in einem eigenen Raum präsentieren, was eine enorme Qualitätssteigerung bedeutet. Im Gegensatz zum Anfang, als wir die Ausleihe noch mit den berühmten Steckkärtchen organisiert haben, dürfen wir nun mit einem relativ einfachen, aber effektiven Bibliothekssystem arbeiten. Welche Unterstützung wünschst du dir von der Stadtbibliothek? Die Unterstützung, die wir seit dem Anfang erhalten, hilft uns sehr. Dazu gehört die Organisation von Treffen mit den Verantwortlichen der anderen Schulbibliotheken der Stadt St.Gallen. Wertvoll ist zudem die Vorstellung von Neuheiten und die Beratung bei der Medienauswahl. Welches sind die Aufgaben einer Schulbibliothek? Das Kind lernt über die Schulbibliothek das Ordnungssystem kennen. Bei den Kindern die Freude an Büchern zu wecken und sie das Lesen als etwas Lustvolles erleben zu lassen, sind bestimmt unsere wichtigsten Aufgaben. Und was wünschst du dir für eure Schulhausbibliothek? Ich wünsche mir, dass auch Kinder, die kaum oder wenig lesen, den Weg in unsere Bibliothek finden und wir bei ihnen die Leselust wecken können. Geeignet sind dafür beispielsweise «Gregs Tagebücher», die berühmten Comic-Romane von Jeff Kinney. Diese Kinder kommen (leider) nicht von sich aus in unsere Bibliothek. Wenn sie aber mit ihrer Schulklasse vorbeikommen, regen die anderen Kinder sie zum Lesen an. Welches sind deine Aufgaben als Schulbibliothekarin? Auswahl, Einkauf, Aufarbeiten und Ausrüsten der Medien, Geldbeschaffung für Projekte wie die neue Ausleihtheke sowie Organisation von Anlässen zur Leseförderung (wie zum Beispiel die Schweizer Erzählnacht). Ideen hätte ich noch viele, besonders im Bereich der Leseförderung. Dazu fehlen aber die personellen und finanziellen Ressourcen. Herzlichen Dank für das Interview. Text und Interview: Annina Spirig, Mitarbeiterin Stadtbibliothek kklick – «Literatur aus erster Hand» Jedes Jahr im Mai lassen sich mehr als 30’000 Kinder und Jugendliche in der Ostschweiz von «Literatur aus erster Hand» begeistern, wenn Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Comiczeichner und Illustratorinnen unterwegs sind, um in Schulklassen zu lesen und von der Entstehung ihrer Bücher und über ihre Arbeit zu berichten. Was vor 54 Jahren in der Stadt St.Gallen begonnen hat, ist heute eine der grössten Leseförderungsaktionen in der Ostschweiz. Veranstaltet wird «Literatur aus erster Hand» – vormals Ostschweizer Autorenlesungen genannt – von der Kantonsbibliothek Vadiana. In Zusammenarbeit mit der interkantonalen Kulturvermittlungsplattform kklick, schreibt die Kantonsbibliothek jedes Jahr im November auf der Website www.kklick.ch «Literatur aus erster Hand» aus. Rund 250 Schulen und Bibliotheken buchen jährlich gegen 700 Lesungen, vom Kindergarten bis zur Mittelschule. Eine Lesung kostet für die Schule 350 Franken. Damit werden das Honorar sowie die Reise- und Hotelkosten gedeckt. Zusätzlich unterstützen die beteiligten Kantone «Literatur aus erster Hand» mit einem Beitrag, damit der Preis für die Lesung tief gehalten werden kann. Das Programm von «Literatur aus erster Hand» wird von der Fachgruppe Autorenlesungen kuratiert. Dabei achtet die Fachgruppe darauf, dass immer wieder neue Gäste eingeladen werden. Seit vier Jahren finden sich auch Schreib- und Zeichnungs-Werkstätten im Programm. Sie sollen den Zugang zur Literatur auf eine andere Weise ermöglichen. Interessierte an «Literatur aus erster Hand» tragen sich am besten in den Newsletter-verteiler unter www.kklick. ch ein und werden so informiert, wenn die Anmeldung für die Lesungen wieder ausgeschrieben wird: www.kklick.ch/ service/newsletter/ 6 Häufiger als gedacht: Erwachsene mit ungenügenden Lese- und Schreibkenntnissen Hoite? Heute? Häute? Wie schreibt man dieses Wort richtig? Das ist zu schwierig. Das verstehe ich nicht. Ich verstecke mich lieber. Ich bin zu dumm. Das soll ein anderer machen. Kann ich nicht lesen – habe meine Brille vergessen. Mache ich später. Das macht mich krank. Misstrauen. Schweissausbrüche ... Diese Reaktionen beziehen sich auf die Lese- und Schreibschwäche bei Erwachsenen (Illettrismus), die trotz obligatorischer Schulzeit vorkommen kann und oft durch ungünstige Sozialkomponenten geprägt wird. Leider spricht kaum jemand darüber – sie ist ein Tabu. 50’000 Ostschweizer oder 16 Prozent aller Erwerbstätigen zwischen 16 und 65 Jahren mogeln sich in ihrer Muttersprache Deutsch durch den Alltag: Arbeitsrapporte und Ärzteformulare ausfüllen, E-Mails beantworten und Anleitungen lesen – ein Graus. Die Betroffenen leiden, werden stigmatisiert, ihre beruflichen und gesellschaftlichen Ziele und Chancen werden dadurch eingeschränkt, und ihr Selbstvertrauen ist nur gering. Darunter leidet auch die Arbeitswelt – unter anderem mit rund 1,2 Mia. Franken Folgekosten. Bei jährlich 5’000 Schulabgängern ist zudem das sprachliche Rüstzeug ungenügend, was Berufsabschlüsse erschwert oder verunmöglicht – laut Travail.Suisse haben rund 600’000 Erwerbstätige keinen Abschluss. Zudem sind für Illettristen Aus- und Weiterbildungen, Stellenwechsel sowie Aufstiegschancen stark erschwert. Ihr Risiko der Arbeitslosigkeit verdoppelt sich. All dies müsste nicht sein, denn es gibt Auswege. Die Betroffenen sind sich ihrer Situation meist bewusst, aber schämen sich. Es lohnt sich, wenn Dritte (Familie, Freunde, Vorgesetzte …) einen Betroffenen unter vier Augen wertschät- zend und verständnisvoll auf sein Defizit ansprechen und zum Handeln ermutigen. Meist gelingt mit wohlwollender Unterstützung ein Kursbesuch. In Kleingruppen holen die Teilnehmer Basiswissen nach oder frischen es auf, helfen und ermutigen sich gegenseitig und profitieren voneinander. Sie lernen mit ihrer Schwäche umzugehen und erleben individuelle Fortschritte. Die Teilnehmer werden selbstsicherer, und ihr Alltag wird beflügelt. Die Stadtbibliothek unterstützt seit Jahren mit ihrem vielseitigen Angebot, ihrer spezifischen, leicht zu lesenden Literatur sowie mit Filmmaterial diesen Prozess zusätzlich. Dem Tabuthema Illettrismus kann man entgegenwirken. Seien Sie hellhörig und mutig und sprechen Sie mögliche Betroffene an. An vielen Orten gibt es subventionierte Jahres- und Firmenkurse, so zum Beispiel am Berufs- und Weiterbildungszentrum Toggenburg, Wattwil (www.bwzt.ch). Brigitte Locher-Kormann, Sekundarlehrerin, Erwachsenenbildnerin und Kursleiterin für Lesen und Schreiben am BWZT T ER M I N E Fussball-Schüeleri 2016 Mittelstufe Mittwoch, 27. April 2016 Ganzer Tag Ort: Sportanlage Gründenmoos Veranstalter: SFV Purzelbaum-Tagung Vortrag mit Renate Zimmer und Workshops zum Thema Bewegung und Ernährung Samstag, 19. November 2016, 09:00 bis 16:00 Uhr Ort: Universität SG, Bibliotheksgebäude Veranstalter: Purzelbaum Schweiz (RADIX) und Schulärztlicher Dienst Stadt St.Gallen IMPRESSUM Herausgeber:Schulamt der Stadt St.Gallen, Postfach, Neugasse 25, 9004 St.Gallen Koordination: Andreas Horlacher, SAM Redaktion: Geschäftsleitung SAM Kontakt: Haben Sie etwas gelesen, das Sie kommentieren möchten? Sprechen Sie Ihre Vorgesetzte / Ihren Vorgesetzten an oder wenden Sie sich direkt an die Redaktion. Ihre Rückmeldungen via e-Mail ([email protected]) freuen uns. Layout: Atelier Heina, St.Gallen Fotos: Schulamt St.Gallen oder durch Interviewpartner zur Verfügung gestellt Druck: NiedermannDruck AG, St.Gallen Gedruckt auf FSCzertifiziertem, chlorfrei gebleichtem Papier
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