Auszüge aus dem Festvortrag des Ehrendoktors der Theologischen Fakultät am 16 November 2015 Kernpunkte Ökologischer Theologie: Menschwerdung, Evolution und Gemeinschaft Denis Edwards, Australian Catholic University Inkarnation Als Reaktion auf die fast ausschliessliche Betonung der Erlösung des Menschen in den Kirchen während der letzten Jahrhunderte, konzentrierten sich einige frühe Versuche zur Ökologischen Theologie und Spiritualität fast ausschliesslich auf die Schöpfungstheologie. In einigen Formulierungen solch einer Spiritualität, zumindest auf der populären Ebene, blieb recht wenig oder gar kein Patz mehr für Jesus Christus, für die Inkarnation oder für die Erlösung. In diesem Zusammenhang haben Theologen hart daran gearbeitet, eine Ökologische Theologie zu entwerfen, welche die tiefe Verbindung zwischen Gottes Schöpfungsakt und dem Heilshandeln Gottes in Jesus Christus herausstellt. Die Vorstellung von der „tiefen Inkarnation” heisst in der Menschwerdung tritt Gott in Christus in das biologische Leben ein, um in einer zutiefst neuen Art und Weise mit der sich entwickelnden Schöpfung zu sein. In meiner eigenen Arbeit musste ich zu Athanasius zurückgehen. Dort fand ich eine profunde Inkarnationstheologie, nach der das Wort in welchem alle Dinge geschaffen sind, auch das Wort der Menschwerdung ist, das Wort am Kreuz. Die Inkarnationstheologie des Athanasius kann ein zeitgenössisches Verständnis dafür begründen, dass das Umfassen des Fleisches durch die Weisheit/das Wort (Sophia/Logos) nicht nur die Menschheit Jesu und nicht nur die gesamte menschliche Gemeinschaft einbezieht, sondern auch die ganze natürlich Welt in ihrer Evolution und in ihrem Stöhnen. In der körperlichen Mensch(lic)h(k)eit Jesu wird Gott vereinigt mit allem, was bei der Evolution durch natürliche Selektion herausgekommen ist. Der Leib Jesu existiert nur in gegenseitiger Abhängigkeit mit allen anderen Organismen und allen Systeme, die das Leben auf der Erde erhalten. In einer vollständigen Inkarnationstheologie wird Gott als ein Gott verstanden, der für immer Materie und Fleisch geworden ist. Die Inkarnation und ihr Höhepunkt in der Auferstehung und Himmelfahrt des gekreuzigten Jesus bedeuten, dass das Wort Gottes für immer Materie ist, für immer Fleisch, für immer ein Geschöpf, für immer Teil eines Universums von Geschöpfen. Aber das Wort ist ein Teil von all dem, das jetzt von der Wurzel her verklärt wurde. Als der Erstgeborene der neuen Schöpfung stellt der auferstandene Christus den Anfang der vergöttlichenden Umwandlung des gesamten Universums der Geschöpfe in Gott dar. Inkarnation bedeutet, dass das gesamte Universum dazu gebracht wird, an der Freiheit des Schöpfers teilzuhaben in je unterschiedlicher Art und Weise gemäss jeder Kreatur. Gott bindet das geschaffene Universum irreversibel am eigenen göttlichen Sein zurück. Evolution Eine zweite Priorität in der Arbeit ökologischer Theologen in den letzten Jahren ist der Versuch, verantwortungsbewusst mit der Evolution in den Naturwissenschaften umzugehen. Das Leben auf der Erde kann ökologisch nicht verstanden werden, außer man versteht es unter den Bedingungen der Evolution. Im Bemühen eine christliche Theologie der natürlichen Welt im Licht der Evolution zu entwickeln, finde ich es hilfreich, den Geist als die Energie der Liebe zu denken, die im Prozess des Hervorgehens des Universums und der Evolution des Lebens auf der Erde am Werk ist. Der Schöpfergeist kann als immanent in allem angesehen werden, das in unserem Universum existiert. Er befähigt die Geschöpfe zum Dasein und dazu miteinander zu interagieren sowie sich gemäss den Naturgesetzen und den in den Naturwissenschaften diskutierten Prozessen zu etwas Neuem zu entwickeln. Für den biblischen Glauben ist der Geist die lebendig machende und Energie spendende Kraft Gottes, zuinnerst gegenwärtig in allen Dingen. Dieser Geist ist die göttliche Liebesenergie und im ganzen Universum am Werk, um seine evolutionäre Entfaltung zu ermöglichen. Bei dem Vorschlag, dass das Wort Gottes als Attraktor gesehen werden kann, übernehme ich ein Bild des Wissenschaftsphilosophen und Erzbischofs von Lublin, Josef Zycinski. Er schlägt vor, die Analogie des göttlichen Planers durch eine andere zu ersetzen, die von der Rolle eines Attraktors in dynamischen Systemen übernommen ist. Dann kann Gott als der kosmische Attraktor der Evolution gedacht werden. Zycinski weist auf die Verwendung des Konzepts vom Attraktor in der Mathematik und in der Physik nicht linearer Systeme hin, wo das System zu einem besonderen Zustand hingezogen wird. Es scheint als zöge dieser Zustand das System zu sich selbst: „Der wesentliche Faktor in diesem Prozess ist die Dynamik, durch welche das System räumlich zu einem physischen Zustand gezogen wird. In einer Dreifaltigkeitstheologie kann man sich das ewige Wort Gottes als den göttlichen Attraktor im Evolutionsprozess des Universums und seiner individuellen Daseinsformen vorstellen. Das Fleisch gewordene Wort, der gekreuzigte und jetzt von den Toten auferweckte Jesus, kann nicht nur als der Attraktor der evolutionären Entwicklung sondern auch der endgültigen Verwandlung und Erfüllung der gesamten Schöpfung gedacht werden. Diese Anziehungskraft des Wortes ist natürlich keine Art von physischer Kraft, die empirisch entdeckt werden könnte, sondern sie ist der göttliche Akt, den wir Gottes ständigen Schöpfungsakt nennen, die creatio continua, und Gottes Heilshandeln an einer Welt von Geschöpfen. Einer der Vorteile der Analogie des Attraktors ist ihr nicht anthropomorpher Charakter. Sie weist auf die Erfüllung und Verwandlung der kosmischen Welt hin, weit über das Menschliche hinaus. Die tiefgründigste Theologie von Jesus als dem göttlichen Attraktor ist vielleicht in dem Bild von Jesus zu finden, der erhöht wird und alle an sich zieht, als der Gekreuzigte und Auferweckte: Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen (Joh. 12,32). Jesu Kreuz steht im Zentrum, wenn die Theologie sucht, wie sie mit den Kosten der Evolution fertig werden kann. Die Kosten der Evolution sind in den Prozess eingebaut; sie sind der Verlust, der Schmerz, das Gefressen Werden durch Raubtiere, Tod und Aussterben der meisten Arten, die jemals auf Erden lebten während der 3,7 Milliarden Jahre der Geschichte des Lebens. Warum erschafft Gott in einer Weise, die für so viele Kreaturen so verheerend kostspielig ist? Meines Erachtens gibt es keine adäquate intellektuelle Antwort auf diese Frage. Aber eine evolutionäre Theologie von Gott muss dieses Thema ansprechen so gut sie kann. Sie muss in der Lage sein, von dem Gott unendlichen Mittleids zu sprechen, der sich in Jesus und in seinem Kreuz offenbart hat, als dem Gott der Evolutionsgeschichte seiner Geschöpfe. Sie muss in der Lage sein zu verkünden, dass Gott das Seufzen der Schöpfung hört, die Welt der Geschöpfe in der Fleischwerdung und im Kreuz umfängt und die Erlösung und Erfüllung der Schöpfung im auferweckten Christus verheisst. Ich möchte drei Gedankenhänge einer Theologie der natürlichen Welt aufzeigen, die sich durch Laudato Si ziehen: Nicht-menschliche Geschöpfe haben Wert in sich selbst; sie offenbaren den Schöpfer; sie bilden mit uns eine sublime und erhabene Verbundenheit in Gott. Die erhabene, sublime Verbundenheit der Schöpfung Immer wieder wird uns in Laudato Si gesagt, dass alles verbunden ist. Für das Fortdauern unserer Existenz sind wir nicht nur vom Klima abhängig, von der Atmosphäre, den Meeren, den Flüssen und dem Land, sondern auch von den Pflanzen, den Tieren, den Vögeln, den Bienen, den Insekten, den Würmern, und den Millionen von Mikroben die in jedem unserer Körper am Werk sind. Franziskus gründet diese Verbundenheit in einer tief theologischen Weise, indem er aufzeigt, dass wir, wenn wir die Natur als Gottes Schöpfung denken, sie als eine Wirklichkeit wahrnehmen können, „die durch die Liebe erleuchtet wird, die uns zu einer allumfassenden Gemeinschaft zusammenruft“ (Nr. 76). „Das gibt Anlass zu der Überzeugung, dass sämtliche Geschöpfe des Universums, da sie von ein und demselben Vater erschaffen wurden, durch unsichtbare Bande verbunden sind und wir alle miteinander eine Art universale Familie bilden, eine sublime Gemeinschaft, die uns zu einem heiligen, liebevollen und demütigen Respekt bewegt“ (Nr. 89).
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