Vom Acker auf den Tisch

Stoff | Sonnenhausen
Vom Acker auf den Teller
Würde | Tierhaltung
Die Schweisfurth-Stiftung weckt in einer
breiten Öffentlichkeit das Interesse für
den Wert und die Würde des Landes und
der Menschen, die im ländlichen Raum
leben und arbeiten. Einen besonderen
Platz nimmt aber auch die Würde der Tiere
ein. Auch wenn die landwirtschaftlichen
Nutztiere in gewisser Weise durch und für
den Menschen da sind, so besitzen sie dennoch einen Eigenwert, der losgelöst von
ihrem Nutzen anerkannt werden muss.
Diese „geschöpfliche Würde“ oder „Würde
der Kreatur“ ergibt neben dem Lebenserhaltungsprinzip und dem Wohlbefindensprinzip
eine dritte Säule, auf der eine moderne Tierschutzethik steht. Den Eigenwert und die
darin liegende spezifische Würde des Nutztieres anzunehmen, bildet also eine normative Grundlage, von der her dem schonungslosen Druck wirtschaftlicher Nutzungsinteressen entgegengearbeitet werden kann.
Es muss hinterfragt werden, ob und welche
Maßstäbe herangezogen werden, und welche Maßstäbe überhaupt herangezogen
werden können, wenn über die „Würde der
Kreatur“ gesprochen wird. Das Anlegen
menschlicher Maßstäbe erscheint zunehmend unangemessen, weil sich der Begriff
der Würde nicht quantifizieren lässt – es
kann nicht eine bedeutende Menschenwürde geben und gleichzeitig eine mindere,
weniger bedeutsame Würde des Tieres.
Insofern scheint der Ansatz Albert Schweit-
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zers, allen Lebewesen einen Eigenwert, eine
gewissermaßen universale Würde zuzusprechen, einen Ausweg aus dem Dilemma zu
bieten, sofern nicht konkrete Rechte an
diese Würde gebunden werden. Vielmehr
geht es darum, diesen inhärenten Wert zu
respektieren und anzuerkennen, und nicht
mutwillig zu zerstören.
Der der Stiftungstätigkeit eng verbundene
Ökosoph Henryk Skolimowski spricht in diesem Zusammenhang von der „Suche nach
der richtigen kosmischen Ordnung“. Er meint
damit die Erkenntnisbemühungen um ein
Weltverständnis, in dem Leben all das ist,
was Entropie, Chaos und Strukturlosigkeit
überwindet. Dabei setzt er sich für ein alltagskulturelles Verständnis von Leben ein,
das die Evolution mit Ernsthaftigkeit, mit
größtem Respekt, ja mit Verehrung betrachtet. Aus seinem Modell einer partizipativ und
koevolutionär zu gestaltenden Entwicklung
von Böden, Pflanzen und Tieren folgt eine
„kooperative Ethik“. Der von Skolimowski
erarbeitete Imperativ für das menschliche
Verhalten auf einem mittleren Weg des Mitseins mit allem Lebendigen umfasst fünf
Punkte:
Voraussetzung für die Fortsetzung der
Evolution darstellt;
3) Verhalte dich so, dass du das Ökosystem bewahrst und förderst, was eine
notwendige Voraussetzung für die weitere Entfaltung von Leben und Bewusstsein bedeutet;
4) Verhalte dich so, dass du die Fähigkeiten bewahrst und förderst, welche die
am höchsten entwickelten Formen des
evolvierten Universums sind, nämlich:
Bewusstsein, Kreativität, Mitgefühl,
Spiritualität;
5) Verhalte dich so, dass du menschliches
Leben bewahrst und förderst, welches
das Medium darstellt, in dem die wertvollsten Errungenschaften der Evolution zum Ausdruck kommen.
(Skolimowski, Henryk, Dharma, Ecology and Wisdom in the
Third Millennium 1999:510)
1) Verhalte dich so, dass du die Entfal
tung der Evolution und all ihre Reich
tümer bewahrst und förderst.
2) Verhalte dich so, dass du Leben be
wahrst und förderst, was notwendige
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Würde | Tierhaltung
Mein Anliegen
Unseren bäuerlichen Nutztieren die Würde
zurückgeben
Dem Töten der Tiere die Würde zurückgeben
Den Menschen im Umgang damit die Würde
zurückgeben
Das Schlachten aus seiner stumpfen Gleichgültigkeit am Fließband befreien, in die es
mit dem ersten industriellen Töten in den
Mega-Schlachthöfen von Chicago vor hundert Jahren geraten ist. Mit der (fast) ausschließlichen Ausrichtung auf Effizienz und
Hygiene, sind wir vom rechten Weg abgekommen. Die Würde der Tiere und die
Würde der Menschen gingen verloren.
Die industrielle Missachtung des Lebens hat
sich unaufhaltsam bis heute fortgesetzt.
Die Um-Wandlung von bäuerlichen Nutztieren in Fleisch wieder zu einem Vorgang
machen, in dem das Töten Teil eines größeren Ganzen ist: Töten, um zu leben!
Die Rückkehr zu einer umfassenden Handwerkskunst mit menschlichem Maß.
Dabei Lebens-Mittel von höchster Geschmacks- und Gesundheitsqualität entstehen lassen.
(KLS, 2. Dezember 2007)
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Würde | Tierhaltung
Die Schweisfurth-Stiftung setzt sich
für die Umsetzung der sogenannten Fünf
Freiheiten ein:
1. Freiheit von Hunger, Durst und Fehlernährung
2. Freiheit von Unbehagen
3. Freiheit von Angst und Leiden
4. Freiheit von Schmerz, Verletzung und
Krankheit
5. Freiheit zum Ausleben normalen Verhaltens (Brambell Committee)
Artgemäße, ethisch vertretbare Zucht muss
die Würde und den Respekt vor dem Mitgeschöpf Tier deutlich werden lassen. Eine
verantwortungsbewusste, zukunftsorientierte
und ethische Zucht beinhaltet:
– Fokussierung auf Gesundheit und Langlebigkeit, nicht auf einseitige Leistung.
– Verzicht auf Embryonentransfer und Gentechnik.
– Weitgehend natürliche Fortpflanzungsmethoden.
– Tiergerechte Haltung der Zuchttiere.
– Die Nutzung regional angepasster Rassen.
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Würde | Tierhaltung
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Würde | Tierhaltung
Verantwortungsbewusstes Handeln gegenüber dem Tier sollte sich an
ethischen Grundprinzipien orientieren: Verantwortung, Vorsorge, Gerechtigkeit,
Vielfalt. Der Gedanke der Verantwortung findet sich sogar im Deutschen Tierschutzgesetzt. Dort heißt es in Paragraph 1:
Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier
als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf
einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
In der Praxis wird dieses Gesetz tagtäglich millionenfach gebrochen – ohne Konsequenzen. Die Praktiken der industriellen Nutztierhaltung missachten sämtliche
Aspekte der Tiergesundheit, arttypischen Verhaltens und des Wohlbefindens von
Tieren. Bis diese Missstände nicht beseitigt sind, ist es sehr ambitioniert, von einer
Achtung der Würde des Tieres zu sprechen.
Aber es geht auch anders, wie viele Beispiele aus der Freilandhaltung zeigen.
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Würde | Auszeichnung
Um auf positive Beispiele hinzuweisen, hat die Schweisfurth-Stiftung zusammen mit dem BUND, der Verbraucherzentrale Bundesverband und dem Deutschen Tierschutzbund 2003 den ProTier Förderpreis ins Leben gerufen. Dieser
Preis wurde bislang viermal vergeben:
2003
Familie Manfred & Bettina Schmid, Westhausen
Familie Rolf & Ingrid Duensing-Knop, Rodewald
Familie Heinrich Till, Mayer’sches Gut, Schluchsee
Michael Bothstede – Teichwirtschaft Grambek, Grambek
2005
Naturland- und Archehof Büning, Laer
Familie Wasensteiner, Lenggries
Archehof Familie Pößel, Schernberg
Rudolf Bühler, Wolpertshausen
Dr. Günter Postler, Glonn
Freiland Puten Fahrenzhausen GmbH
2007
Firma Feneberg Lebensmittel GmbH
Betriebsgemeinschaft Bauckhof GbR mit dem Hof in Klein Süstedt
Hofgut Hofgeismar der Baunataler Diakonie Kassel e.V.
Ökohof Kuhhorst der Mosaik-Werkstätten für Behinderte GmbH, Havelland
2009
Der Schulbauernhof Ummeln
Vermarktungsinitiative „Genuss vom Pfrunger-Burgweiler Ried“
Gutshof Warstein
Ökomarkt e.V., Hamburg
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Würde | Auszeichnung
Mit Tagungen, Vortragsveranstaltungen,
Messeevents und ihrem Projekt Tierschutz auf dem Teller, bearbeitet die
Schweisfurth-Stiftung in verschiedenen
Partnerschaften mit anderen Organisationen
ihr Grundanliegen, das vom Boden bis
auf den Teller zum Wohl aller Lebe-wesen
beitragen.
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Vom Acker auf den Teller
Nähe
Seit ihrer Gründung wird die Arbeit der
Schweisfurth-Stiftung durch das Leitbild
einer Ökologie der kurzen Wege geprägt.
Unsere Lebensmittel müssen weitestgehend
aus ökologischer Erzeugung stammen.
Ökologische Qualität von Lebensmitteln
bedeutet nachhaltige Herstellung durch den
Erhalt und Schutz unserer natürlichen
Lebensgrundlagen und der Vielfalt der Tierund Pflanzenarten. Durch ökologische
Landwirtschaft werden artgerechte Lebensbedingungen für alle Tiere und Pflanzen
gewährleistet. Eine ökologische Land- und
Lebensmittelwirtschaft übernimmt die Verantwortung gegenüber der Natur – dem
Menschen, den Pflanzen, den Tieren und
deren Vielfalt, dem Wasser, der Luft und
dem Boden.
Das Prinzip der Ökologie der kurzen Wege
ermöglicht es uns, diese Ziele zu erreichen.
Nach diesem Prinzip stammt die Mehrzahl
der Lebensmittel aus einer Region. Sie werden in dieser Region angebaut, verarbeitet
und verkauft. Frische und Geschmack sind
garantiert. Die Ökologie der kurzen Wege
umfasst ein Denken und Handeln, das dem
natürlichen Kreislauf gerecht wird, vom Futtermittelanbau bis hin zur Nutzung biologischer Abfälle.
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Nähe | Handwerk
Der Grundgedanke der Zukunftsfähigkeit
leitet die Erzeugung, Verarbeitung und
Vermarktung unserer Lebensmittel. Eine
zukunftsfähige Agrar- und Ernährungskultur
verwirklicht:
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Nachhaltigkeit
das Prinzip Verantwortung
effizientes Wirtschaften
Gesundheit
Marktfähigkeit und
Multifunktionalität
Sie verknüpft Regionalisierung und Globalisierung intelligent miteinander und bedient
sich der technologischen Möglichkeiten der
Moderne. Es geht um eine Renaissance der
Qualität durch eine Ökologie der kurzen
Wege.
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Nähe | Handwerk
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Nähe | Handwerk
Wir wollen Lebensmittel mit hoher Qualität. Sie müssen naturbelassen sein und
ihr Geschmack ein Genuss. Lebensmittel
aus ökologischer Erzeugung tragen natürlich zur Verringerung der Gesundheitskosten
bei.
Renaissance der Qualität durch eine Ökologie der kurzen Wege ist wirtschaftlich: Kurze
Wege sind wenig kostenintensiv. Sie lassen
insbesondere keine Kosten als Folge von
umwelt-, tier- und pflanzenschädlichem Verhalten entstehen, die die Gesellschaft als
Gesamtheit tragen muss.
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Nähe | Handwerk
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Nähe | Handwerk
Vision: Schlachtfesthaus
Für ein Essen von Lebensmitteln tierischen Ursprungs mit gutem Gewissen
wird es zunehmend wichtig, neue Wege des
Schlachtens und Verarbeitens im Sinne des
Leitbilds einer Ökologie der kurzen Wege zu
entwickeln. Es gehört zu den Visionen der
Schweisfurth-Stiftung, dass in Zukunft eine
komplementäre Struktur von „Dorf-SchlachtFest-Häusern“ aufgebaut wird, die eine lokale
Antwort auf die Schlacht-höfe der Industrie
darstellt. Hierfür hat der Stifter Karl Ludwig
Schweisfurth ein Konzept entwickelt.
Der Journalist Franz Alt schreibt:
„Lebensmittelskandale wie aktuell um das Dioxin zeigen, dass das System Tiere-Fleisch
aus den Fugen gerät und neue Lösungen
nötig sind. Karl Ludwig Schweisfurth, Metzgermeister und Unternehmer, plädiert für
einen Fort-Schritt: Weg vom alten System,
hin zu einer wertschätzenden und handwerklichen Fleischerzeugung. Mehr als 10 Jahre
lang hat der inzwischen 80-jährige Öko-Pionier und Gründer der Herrmannsdorfer Landwerkstätten – unter dem Postulat der wirtschaftlichen Machbarkeit und mit Unterstützung des Agrarwissenschaftlers Dr. Günter
Postler – experimentiert, entworfen, verworfen und optimiert.
Die "Symbiotische Landwirtschaft" ist sein für
kleinbäuerliche Strukturen erprobter Lösungsvorschlag, der altes Wissen mit neuen Denk-
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Nähe | Handwerk
ansätzen verbindet.
Verschiedene Tierarten leben hier in Symbiose zusammen mit Boden und Pflanzen
und profitieren gegenseitig voneinander.
Neben dieser Form der Weidehaltung entwickelte Schweisfurth gemeinsam mit dem erfahrenen Herrmannsdorfer Metzgermeister
Jürgen Körber und dem Architekten Rudolf
Finsterwalder das Konzept für eine MiniWarmfleischmetzgerei mit Verkaufsraum. Hier
werden Tiere sorgsam und würdevoll getötet
und schlachtwarm verarbeitet. Das sogenannte "Schlacht-Fest-Haus" befindet sich
dort, wo die Tiere leben. Es knüpft an die altbewährte ländliche Kultur des Schlachtfestes
an und belebt sie auf zeitgemäße Art.
Die Symbiotische Landwirtschaft ist in Form
von "Leuchtturmprojekten" in ganz Europa
bereits erfolgreich realisiert. Neben seiner
praktischen Arbeit als Bio-Bauer und Metzger
hat Schweisfurth seine Erfahrungen anschaulich in seinem Buch "Tierisch gut – Vom
Essen und Gegessen werden" beschrieben
sowie im Bildband ‚Schlachten – Ehrfurcht
vor dem Leben’. Den Tieren die Würde zurückgeben" festgehalten. Darüber hinaus
zeigt er in dem in Kooperation mit dem bekannten Filmemacher Bertram Verhaag produzierten Video ‚Ehrfurcht vor dem Leben –
lasst uns über das Töten reden’ exemplarisch, wie solch ein wertschätzender Umgang in der Praxis umgesetzt werden kann“.
(Franz Alt, Sonnenseite.com, 21. Februar 2011)
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Nähe | Handwerk
Ökologische Lebensmittelerzeugung,
-verarbeitung und -vermarktung ist
marktfähig: Sie entspricht dem Wunsch
der Verbraucher nach Sicherheit, Transparenz und Vertrauen. Damit haben Lebensmittel, die im Sinne der Ökologie der kurzen
Wege hergestellt und verarbeitet wurden,
ein attraktives Profil. Eine starke regionale
Lebensmittelwirtschaft stellt eine hohe Kundenbindung her.
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Nähe | Handwerk
Ökologische Lebensmittelerzeugung,
-verarbeitung und -vermarktung sind
multifunktional: sie leisten gleichzeitig positive Beiträge zu mehreren anderen, gesellschaftlich wichtigen Handlungsfeldern:
beispielsweise zur Einsparung von Energie
und Transportkosten, zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Regionalentwicklung und
zur Förderung der Innovation.
(Leitbild, 2002: 13-15)
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Nähe | 10 Thesen der Agrar Kultur
Die ökologischen Aspekte der Agrar-Kultur
Die ökonomischen Aspekte der Agrar-Kultur
Die kulturellen Aspekte der Agrar-Kultur
Der ganzheitliche Aspekt der Agrar-Kultur
Prof. Dr. Hartmut Vogtmann
Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Dr. Konrad Schily
Karl Ludwig Schweisfurth
1. Die bisherige Agrarpolitik hat durch den Zwang zur Billig-Preis-Produktion eine Agrarpolitik gefördert, bei der die Ökologie der Ökonomie
untergeordnet wird.
4. Die heute dominierende Form der Landwirtschaft fügt der Natur
irreparable Schäden zu: Ausrottung und Zurückdrängung von Tier- und
Pflanzenarten;
Urwaldzerstörung für Futtermittel, die nach Europa exportiert werden;
Gefährdung der Böden und der Gewässer einschließlich des Grundwassers; Beitrag zu Luftverschmutzung und Treibhauseffekt.
7. In der Technik richtet sich der Geist des Menschen darauf, dass nach
einmalig erfolgter geistiger Arbeit das Produkt vervielfacht wird. Demgegenüber ist in der Kunst die geistige Arbeit dese Menschen auf ein
einmaliges Ereignis oder Produkt gerichtet.
10. Die Entwicklung der Landwirtschaft – von der „agricultura“ zur
industriellen Land-Wirtschaft – macht immer deutlicher, welches
Bewusstsein unsere Gesellschaft verloren und welche Fähigkeiten sie
verlernt hat.
Landwirtschaft mit Zukunft kann es nur geben, wenn diese Schäden vermieden werden.
Zwischen diesen beiden Arten steht die Landwirtschaft. Sie wurde jedoch in
den letzten Jahrzehnten mehr und mehr auf die industriell-technische Seite
gedrängt.Agrar-Kultur bedeutet die Förderung und Entwicklung des künstlerischen Potenzials in der Landwirtschaft.
Agrar-Kultur. Das bedeutet, den Eigenwert der Natur zu erkennen und im
Umgang mit ihr anzuerkennen. Agrar-Kultur ist der sorgsame Umgang mit
allem Leben, mit Boden, Wasser, Pflanzen, Tieren, Menschen und schließlich mit sich selbst – Tag für Tag.
5. Der ländliche Raum dient den Ballungsräumen als unverzichtbarer
ökologischer Ausgleich. Die Städte bezahlen nichts für diese lebenswichtige Funktion. Bislang sind die Ballungsräume die Hauptgewinner
der Wirtschaftsentwicklung.
8. Die städtische Kultur ist im Großen und Ganzen auf Konsum ausgerichtet. Die Stadt verwaltet und genießt, sie wird ernährt und man lässt sich
unterhalten. Die Kultur der Stadt auf das Land zu exportieren bedeutet,
das Land zur „Provinz“ zu machen.
Hier liegt ein Ansatzpunkt für die ökonomische Gesundung des ländlichen
Raums: Die Stadt sollte für (gutes) Wasser, Luftregeneration und Artenvielfalt
bezahlen. Die Natur schonende und regenerierende Landwirtschaft mit Zukunft muss sich auch wirtschaftlich lohnen.
Agrar-Kultur entsteht aus Menschen, die dem Land und der Erde verbunden
sind. So wie sie sich aus den Früchten und Erträgen der Natur ihre Lebensgrundlage schaffen, so schaffen sie sich auch ihre eigene, von ihnen selbst
geprägte Kultur.
6. Mit Lebensmittelproduktion allein ist auf längere Sicht das bäuerliche
Einkommen nicht zu garantieren oder zu stabilisieren.
9. Der heute herrschende Materialismus / Positivismus akzeptiert aus seiner Logik heraus nicht die geistige Seite von Natur und Mensch. Er treibt
sowohl an den natürlichen wie auch an den geistigen Ressourcen von
Natur und Mensch Raubbau.
Für eine Landwirtschaft mit Zukunft ist eine ökologisch orientierte Agrarpolitik erforderlich.
2. Die gegenwärtige Agrarwissenschaft hat zu lange eine Forschung
betrieben, die einseitig am kapital- und chemieintensiven Wachstumsmodell orientiert ist.
Für eine Landwirtschaft mit Zukunft ist eine ökologisch orientierte Agrarforschung erforderlich.
3. Die gegenwärtige Agrarpraxis ist eine staatlich subventionierte Unvernunft, weil sie ökologisches Fehlverhalten honoriert. Die mit ihr
verbundenen Kosten für die Reparatur ökologischer Schäden bleiben
unberücksichtigt.
Für eine Landwirtschaft mit Zukunft ist es erforderlich, die ökologischen
Leistungen der Landwirtschaft zu honorieren, wobei die Förderung des ökologischen Landbaus eine hervorragende Stellung einnimmt.
Die umweltschonende Landwirtschaft mit Zukunft in Europa wird durch vielfältige Einkommenskombinationen gekennzeichnet sein. Hier liegt eine
Chance für Agrar-Kultur.
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Jede Form der Agrar-Kultur muss sich an die geistige, innere Seite der
Natur und des Menschen anschließen, denn Kultur bringt die ideelle Gestalt
der Natur und des Menschen zum Ausdruck. Agrar-Kultur zielt auf die Gestaltung der neuen, künftigen Einheit von Individuum und Gesellschaft mit
der uns umgebenden sinnlich-irdischen Lebenswirklichkeit.
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Nähe | Agrar-Kultur-Preis
Der Stollhof – Agrar-Kultur-Preisträger 1989
Artgerechte Tierhaltung? Eine schöne Idee, aber sie rechnet sich nicht? Falsch!
Sebastian und Ingrid Köglspergers 98-Hektar-Bioland-Hof in Deining südlich von
München beweist, dass Milchwirtschaft auch dann „tiergemäß“ sein kann, wenn
mangelnde Trittfestigkeit der Wiesen eine Weidewirtschaft unmöglich macht. In
einem lichten Stall haben die 50 Milchkühe freien Zugang zur Lagerstätte, überdachten Auslauf und Zugang zu Hofkoppel und Futterstall. Stressfreie Kühe, die
ein Herdenleben führen können, sind gesünder. Der Posten „Tierarztkosten“, in
konventionellen Ställen gefürchtet, ist bei den Köglspergers eine unbedeutende
Größe. Die Jury prämiert den Beweis, dass sich in puncto Rinderhaltung das Richtige auch rechnet.
alle Fotos Agrar-Kultur-Preis © Kurt Schubert, Prien
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Nähe | Agrar-Kultur-Preis
Der Dottenfelder Hof – Agrar-Kultur-Preisträger 1989
Haben wir nicht gerade gelernt, dass „small beautiful!“ ist? Der Dottenfelder Hof
beweist, dass auch ein 150-Hektar-Gut (130 Hektar Pacht) ein wohlproportioniertes, organisches Ganzes sein kann. Eine Betreibergemeinschaft von 7 Familien
und 60 ständigen Mitarbeitern bebauen in zwölffeldriger Fruchtfolge die Ländereien in der Niddaaue bei Bad Vilbel (Nordrand Frankfurt), versorgen 125 Kühe,
Rinder und Kälber, betreiben die hofeigene Käserei, die Backstube, den Bioladen.
Preiswürdig aber ist insbesondere die Einheit von praktischer Landwirtschaft,
Forschung und Ausbildung. Das Institut für biologisch-dynamische Forschung
betreibt auf dem Hof eine Außenstelle; eine Landbauschule bietet qualifizierenden
Unterricht für künftige Praktiker, die nach den Grundsätzen Rudolf Steiners, des
Begründers der anthroposophischen Landwirtschaft, arbeiten wollen. Eine hofeigene „Jugendherberge“ bietet Schülern die Möglichkeit, Landwirtschaft zu erleben.
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Nähe | Agrar-Kultur-Preis
Hof Eichwerder – Agrar-Kulturpreisträger 1989
Gibt es mehr als nur eine gedanklich-sprachliche Verbindung zwischen gesunder
Kost und gesunden sozialen Verhältnissen? Ja! Der 46-Hektar-Betrieb des Ehepaars Wedig und Gunvor von Bonin bei Schashagen (nördlich von Lübeck) beliefert nicht nur die Abholergemeinschaft „Landwege“ mit gesunder Kost in
DEMETER-Qualität, er bietet auch ausgrenzten und gehandicapten Menschen
vollwertige Arbeitsstellen. „Vollwertigkeit erleben statt Verwahrungs-Therapie“ – so
das Motto der erfolgreichen Experimentierer. Eine „Schule auf dem Bauernhof“ –
eine Art Abenteuerspielplatz mit Öko-Bezug – und das Bemühen der von Bonins,
vom Aussterben bedrohte Haustierrassen wie Anglersattelschwein und Gotlandschaf eine Chance zu geben, bewogen die Jury dazu, den Hof Eichwerder zu prämieren.
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Vom Acker auf den Teller
Ohne Qualität gibt es keinen Genuss.
Qualität verstehen wir umfassend:
- als ökologische Qualität, die die Auswirkungen von Lebensmittelherstellung und
Genuss für die natürliche Mitwelt bestimmt,
- die Gesundheitsqualität, die mit der
Lebensmittelsicherheit zusammenhängt
und den Gesundheitswert eines Lebensmittels bestimmt,
- die Prozessqualität, die durch die Art und
Weise, die Intensität oder Natürlichkeit der
Verarbeitungsprozesse bestimmt wird. Art
und Verarbeitung von Lebensmitteln
höchster Qualität ist zeitaufwendig, Reifzeit
ist genauso nötig, wie ein erhöhter Zeiteinsatz an Arbeit und menschlicher Zuwendung zum Erzeugnis.
- die Geschmacksqualität, die durch die
organolyptischen Eigenschaften bestimmt
wird,
- die kulturelle Qualität, die die ästhetischen
und ernährungskulturellen Eigenschaften
(die Geschichte) eines Lebensmittels
bestimmt.
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Genuß
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Genuß
Mit der Slow Food-Bewegung teilen wir die Überzeugung, dass Genuss und Gastfreundschaft untrennbar zueinander gehören. Es braucht eine neue
gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Gemeinsam essen“! Die vielfältige Entwicklung der Außer-Haus-Verpflegung bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte zu einer Gestaltung des Miteinander-Mahl-Haltens, das die kulturgeschichtlich überkommenenen Impulse würdigt und den Lebensumständen im 21. Jahrhundert gleichermaßen gerecht wird.
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Was ist Leben? Biophysikalisch gesehen
heißt Leben gegen Entropie anzukämpfen. Erwin Schrödinger, der Begründer
der Quantentheorie, spricht von einem
Kunstgriff, nämlich dem ständigen „Aufsaugen“ von Ordnung aus der Umwelt, um
die Ordnungen des Lebens aufrecht zu erhalten. Letztlich ist es das Sonnenlicht, das
Ordnung schafft. Menschen essen also die
Ordnung des Lichts, oder „Kohärenz“. Worin
besteht das „Aufsaugen von Ordnung“? Die
Nahrung ist es, die ähnlich wie ein Geigenbogen beim Streichen der Saite den Organismus in einen geordneten Zustand energetischer Anregung versetzt. Im Falle der
höheren Tiere und des Menschen sind es
mehr oder weniger komplexe, hoch organisierte organische Verbindungen, die Wärme
(und damit Entropie) aus dem Organismus
abführen und in ihm Ordnung schaffen; die
Verbindungen werden umgebaut, teilweise
in das Ordnungsgefüge des Organismus integriert oder in einem Zustand geringerer
Ordnung wieder ausgeschieden.“
(Marco Bischof, Biophotonen, das Licht in unseren Zellen,
Frankfurt 1995. S. 180)
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Innovationspreis
Der Innovationspreis Bio-Lebensmittelverarbeitung
Um einem ganzheitlichen Verständnis von Lebensmittelqualität in der Verarbeitungswirtschaft mehr Nachdruck zu verleihen, hat die Schweisfurth-Stiftung, zusammen mit anderen Partnern, 2003, 2005 und 2007 den Wettbewerb um den
Innovationspreis Bio-Lebensmittelwirtschaft durchgeführt. Ausgezeichnet wurden:
2003:
Neumarkter Lammsbräu, Neumarkt
Teutoburger Ölmühle GmbH & CO. KG, Ibbenbüren
Chiemgauer Naturfleisch GmbH, Trostberg
apetito AG, Rheine
HAMEICO Fruchthandel GmbH, Siegen
Kurhessische Fleischwaren GmbH, Fulda
Ulrich Walter GmbH – Lebensbaum, Diepholz
Riedenburger Brauhaus - Michael Krieger KG, Riedenburg
2005:
Bucheckchen Bio Konditorei, Dresden
Boller Fruchtsäfte und Getränkeland Stolz OHG, Bad Boll
Life Food GmbH Taifun – Tofuprodukte, Freiburg
Upländer Bauernmolkerei, Willingen-Usseln
Härdtner Spezialitäten GmbH, Neckarsulm
Gläserne Meierei GmbH, Upahl
2007:
Ökodorf Brodowin Meierei GmbH und Co. Betriebs KG, Brodowin
Riedenburger Brauhaus Michael Krieger KG, Riedenburg
Märkisches Landbrot GmbH, Berlin
Bohlsener Mühle, Inh. Volker Krause e.K., Bohlsen
Tofutown.com GmbH, Wiesbaum
Bauerngut Fleisch- und Wurstwaren GmbH, Bückeburg
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