Abschieds-Fahrt im Nebel - "LÜBECK" via JABIETZ.de

Abschieds-Fahrt im Nebel
Frischzellenkur
für die Fregatte
„Lübeck“: Bis August
2016 kommt das
Patenschiff der
Hansestadt in die
Werft. Hier wird es
rundum erneuert.
Von Marieke Stender
Wilhelmshaven. Dicht und grau
liegt an diesem Morgen der Nebel
über dem Marinearsenal in Wilhelmshaven. Die Luft ist feucht, der
Blick begrenzt. Inmitten dieses undurchsichtigen Schleiers aus Wassertröpfchen taucht urplötzlich die
Silhouette der Fregatte „Lübeck”
auf. Groß und grau schmiegt sich
das Kriegsschiff an die Kaikante.
An Bord der „Lübeck” steht Kapitän Matthias Schmitt an der Reling
und lässt den Blick über den Hafen
streifen. Trotz des trüben Wetters
sieht er positiv in diesen Tag.
Für ihn, seine Fregatte und die
170 Mann Besatzung an Bord steht
heute noch eine große Fahrt bevor.
Es ist keine weite, für die „alte Dame Lübeck“ dafür aber eine um so
wichtigere. Denn die Fregatte
kommt in die Werft. Sozusagen eine Frischzellenkur für das rund 30
Jahre alte Marineschiff.
Eigentlich war seine Zeit längst
abgelaufen; 2017 sollte die „Lübeck“ ausgemustert werden. Ihre
aktiveZeitalsKampfschiffwäredamit beendet gewesen. Im vergangenen Jahr ließ das Bundesverteidigungsministerium aber überraschend verlauten, dass die Dienstzeit der „Lübeck“ bis 2021 verlängert wird. Die Begründung ist simpel: Es fehlen einsatzfähige Schiffe, die Wachablösung wird nicht
fristgerecht fertig.
In einer „Großen Werft“ wird der
graue Stahlriese nun für insgesamt
zehn bis 15 Millionen Euro Kosten
instand gesetzt. Rund sieben Monate wird die Generalüberholung
dauern. Dabei werden nicht nur rostige Stellen und Muschelbewuchs
entfernt sowie neue Farbe von außen aufgetragen. Auch im Inneren
muss das Schiff komplett entkernt,
gestrichen und anschließend wieder eingerichtet werden. Ein Job,
bei dem die gesamte Besatzung mit
anpackt.
Während um kurz nach fünf Uhr
am Morgen außerhalb der Stahlwände der Fregatte die Nebelschwaden noch versuchen, sich in
der Dunkelheit des gerade beginnenden Tages zu verstecken,
herrscht im Inneren bereits emsiges Treiben. Es werden Matratzen,
Kartons, Sessel und alles, was nicht
niet- und nagelfest ist, durch die engen Gänge geschleppt. Jäh wird
die Betriebsamkeit von einer marki-
Ein letzter, trüber Blick: Fregatten-Kapitän Matthias Schmitt (40) versucht trotz dichten Nebels noch einmal die Aussicht von Bord zu genießen.
Die Fregatte „Lübeck“: Als Dienstälteste ihrer Klasse trotzdem ganz vorne mit dabei
Am 19. März 1990 wurde das Patenschiff der Hansestadt Lübeck, die
gleichnamige Fregatte, als letzte von
insgesamt acht Fregatten der Bremen-Klasse in den Dienst der Marine
gestellt. Zusammen mit der Fregatte
„Brandenburg“ ist die „Lübeck“ heute
eines der beiden letzten Mehrzweckkampfschiffe dieser Klasse. Mit ihren
30 Knoten gehört sie zu den schnellsten Schiffen der Marineflotte. Das
1987 erbaute Schiff ist 130,5 Meter
lang, 14,6 Meter breit und wiegt rund
3800 Tonnen. An Bord leben und arbeiten im Normalfall rund 210 Männer
und Frauen.
Zum Eindocken in die Jadewerft war
noch eine 170-köpfige Besatzung an
Bord, die restliche Mannschaft wurde
an andere Schiffe und Einsätze „verliehen“. Während die Fregatte „Lübeck“
Drei Jahre dauert normalerweise die
Betriebsperiode eines Marineschiffes.
Spätestens dann müssen sich die Schiffe einer Werftphase mit Inspektion
und Instandsetzung unterziehen. Da
die Fregatte „Lübeck“ für ihren gesam-
ten Resteinsatz, also bis zum Jahr
2021, instand gesetzt werden soll,
geht sie in eine siebenmonatige Werftphase. Hierbei werden unter anderem
die beiden Dieselmotoren der Fregatte
ersetzt. Obwohl nach drei Jahren eigentlich die nächste größere Werftphase anstehen würde, geht die „Lübeck“
2019 nicht noch einmal in die Werft,
sondern wird nur einer Zwischeninstandsetzung unterzogen.
gen Stimme unterbrochen, die
durch die Lautsprecheranlagen
des Schiffes schallt: „Elektrizität
wird runtergefahren.“ Wenige Sekunden später ist es stockdunkel.
In den engen Gängen herrscht mit
einem Mal gespenstische Stille.
Selbst das ansonsten so beständige
Rauschen der Belüftungsanlage ist
verstummt. Für einige Sekunden
steht auf der „Lübeck“ das Leben
still. Dann ein kurzes Flackern, und
Sekunden später sind Licht und
Lüftung wieder da. Und mit ihnen
auch das hektische Treiben. „Seit
fünf Uhr testet unser Technikerteam das gesamte Schiff durch“, erklärt Decksoffizier Daniel Meier
die Situation. Er sitzt an einem der
letzten übriggebliebenen Tische
der Offiziersmesse und blickt sich
im „Wohnzimmer“ der Offiziere
um. „Wir haben schon vor drei Wochen angefangen, das Schiff auszuräumen, damit heute auch wirklich
alles hier raus ist.“ Sein Blick fällt
auf einen Stapel Kartons in einer
Ecke des Raums, und er fügt ent-
schuldigend hinzu: „Eigentlich
sieht es hier netter aus.“ Doch auch
die rar gesäten privaten – oder besser gesagt nicht auf Einsatz getrimmten Orte an Bord – müssen für
die Phase in der Werft entkernt werden.
Als draußen langsam die Sonne
aufgeht, steht Fregattenkapitän
Matthias Schmitt auf der Brücke
vor einem Teil der Besatzung. „Gutes Eindocken“, wünscht er in die
Runde und beendet damit seine
Manöverbesprechung. Schmitt sel-
ber ist beim Eindocken in die Werft
nur überwachend tätig. Den eigentlichen Prozess übernimmt der 1. Offizier Jens Schaadt. Für ihn ist es
die erste Einfahrt in eine Werft: „Im
Grunde ist das nichts Besonderes.
Die einzige Schwierigkeit ist es,
das Schiff kerzengerade in die
Werft zu manövrieren. Sollten wir
uns verkanten, wird es schwierig“,
sagt Schaadt.
Damit es nicht dazu kommt, wird
er zusätzlich vom Navigationsoffizier Holger von Sturm unterstützt.
Mit ihren 30 Knoten ist das Patenschiff der Hansestadt Lübeck eines
der schnellsten Schiffe in der Marineflotte.
Foto: Ann-Kathrin Fischer/Marine
bis zum August 2016 in der Werft auf
Vordermann gebracht wird, zieht die
restliche Besatzung in die Kasernenanlage Ebkeriege.
Die „Augen und Ohren“ des Schiffes: Beim Eindocken in die Werft gilt
auf der Kommandobrücke volle Konzentration.
Foto: Marieke Stender
Fotos (2): Ulf-Kersten Neelsen
Während der 15-minütigen Überfahrt zur Jadewerft, steht er per
Funk mit den beiden Schleppern,
die die Fregatte bis zur Werft ziehen, in Kontakt. Als die Schleppertrossen an Bord der „Lübeck“ festgemacht werden und sich das
Schiff langsam vom Kai wegbewegt, steht von Sturm entspannt
auf der Brücke. „Das sind erfahrene Leute“, sagt er. „Da kann ich davon ausgehen, dass alles glatt
läuft.“
Nur eine halbe Stunde später bestätigt sich diese Aussage: Die „Lübeck“ hat die Fahrt durch den Nebel überstanden und liegt kerzengerade im Werftbecken. Von Bord
aus beobachtet die Besatzung, wie
sich unter ihr ganz langsam der
Wasserstand senkt. Für sie alle
heißt es nun für mehr als ein halbes
Jahr Abschied von der Fregatte
nehmen. „Das war’s“, ruft einer
der Matrosen noch seinen Kameraden zu, dann verlässt die Besatzung ihr Schiff.
e Ein Video von der Fregatte „Lü-
beck“ gibt es bei ln-online.de/video
Aus der Vogelperspektive: Kerzengerade hat die Fregatte „Lübeck“ im
Werftbecken der Jadewerft in Wilhelmshaven festgemacht.