Nehmen Sie an unserer UMFRAGE teil: hundemagazin.ch Foto: fotolia.de War es ein Giftköder? Nicht alle Geschichten haben ein Happy End, doch diejenige der Parson-Russell-Terrier-Hündin Maila schon: Sie hatte etwas Giftiges gefressen – und überlebte. Dieses Glück teilen leider nicht alle Hunde. Immer wieder sterben Tiere an Vergiftungen oder tragen gesundheitliche Schäden davon. Ob es sich dabei um einen absichtlich ausgelegten Giftköder handelt, ist jeweils sehr schwer zu beweisen. Doch viel häufiger lauert die Gefahr im eigenen Heim. Rechts Julia Dosot und ihre Parson-Russell-TerrierHündin Maila. Dosot zeigt auf die Stelle, wo es passiert ist. 12 Foto: Andrea Mona «Maila ist eine richtige Wasserratte», erzählt Julia Dosot lächelnd, während wir im Bonstettenpark in Thun/ Gwatt (BE) entlang des Thunersees spazieren und den warmen Sommertag geniessen. Maila, die anderthalbjährige Parson-Russell-Terrier-Hündin, planscht während unseres Gesprächs genüsslich im kühlen Nass. Die 22-jährige Besitzerin ist dankbar, dass es Maila wieder gut geht und erzählt von diesem leidvollen Tag im Juni, als ihre Hündin eine Vergiftung erlitten hatte: «Es war ein sehr schöner und warmer Tag, so wie heute. Ich nutzte die Mittagspause, um ans Wasser zu gehen. Als Maila aus dem See herausgekommen ist, habe ich sie für einen kurzen Augenblick aus den Augen verloren. Plötzlich kam sie aus einem Gebüsch heraus zu mir gerannt. Ich vermutete, dass sie etwas gefressen haben könnte. Nach etwa fünf Mi- © Schweizer Hunde Magazin 7/15 nuten musste Maila erbrechen. Im Erbrochenen war rohes Hackfleisch zu sehen. Mein Verdacht bestätigte sich – Maila hatte kurz zuvor tatsächlich etwas gefressen». Die Symptome erkannt Dann sei alles sehr schnell gegangen, erinnert sich die junge Hundehalterin. Die Hündin habe stark gehechelt, wieder erbrochen und an Gleichgewichtsstörungen gelitten. Julia Dosot, die gelernte Tiermedizinische Praxisassistentin, erkannte die Symptome und ging sofort zum Tierarzt. Dort wurde die TerrierHündin notfallmässig behandelt. Maila hatte grosses Glück im Unglück. Dank schnellem Handeln konnte RATGEBER brochene mit zum Tierarzt zu nehmen. «Ich funktionierte bloss noch», sagt die Hundehalterin und ist im Nachhinein einfach nur froh, dass Maila überlebt hat. Gift oftmals nicht nachweisbar Dass das Gift oftmals und aus ganz verschiedenen Gründen nicht eindeutig nachgewiesen werden kann, weiss auch Rechtsanwältin Christine Künzli von der Stiftung für das Tier im Recht (TIR). Wie viele Hunde effektiv an den Folgen eines absichtlich ausgelegten Giftköders in der Schweiz pro Jahr sterben, sei sehr schwer abschätzbar. Künzli: «Wir gehen aber von einer hohen Dunkelziffer aus». Dass es die «echten Fälle» gebe, sei leider eine Tatsache, so die Rechtsanwältin. Dies bestätigt auf Anfrage auch die Kantonspolizei Bern. Laut ihrer Statistik wurden in den vergangenen sieben Jahren im Kanton Bern gesamthaft acht Giftköder ausgelegt. In fünf dieser Fälle blieb es beim Versuch, das heisst die Tierhalter haben den Giftköder entweder bemerkt, bevor das Tier ihn fressen konnte oder das Tier hat überlebt. In den anderen drei Fällen sind die Hunde gestorben. Schlimmes verhindert werden und nach einigen Wochen spezieller Fütterung und Medikamentengabe ist die quirlige Hündin nun wieder fit. «Sie ist ein robuster Hund, ein Terrier eben», lächelt die Besitzerin. Für Julia Dosot ist klar, das alles war kein Zufall. Sie vermutet, dass ihre Hündin Opfer eines Giftköders geworden war: «Die Symptome sind damals so schnell und heftig aufgetreten, dass man von einer ziemlich giftigen Substanz ausgehen muss – und dann noch das Hackfleisch…». Doch beweisen lässt sich das Ganze nicht oder besser gesagt, nicht mehr. In der Hektik und grossen Sorge um ihren Hund hatte die junge Besitzerin nämlich nicht daran gedacht, das Er- Wie wird bestraft? Im Artikel 26 des schweizerischen Tierschutzgesetzes (TSchG) ist Folgendes nachzulesen: Wer eine vorsätzliche Tierquälerei begeht, wird zu einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder zu einer nach sogenannten Tagessätzen berechneten Geldstrafe verurteilt. Christine Künzli bedauert, dass in der Schweiz in Fällen von vorsätzlicher Tierquälerei die Täter im Allgemeinen zu milde bestraft würden. «Meistens werden nur bedingte Geldstrafen oder Bussen ausgesprochen». Dazu kommt, dass die Urheber der Giftköder oft nicht zu finden sind. > Links Maila geht es glücklicherweise wieder gut. Foto: Andrea Mona Es gibt sie, die absichtlich gelegten Giftköder, doch sind die Vergiftungen, die aus Versehen passieren, deutlich häufiger. Foto: fotolia.de CHECKLISTE Was ist zu tun wenn der Hund etwas Giftiges gefressen hat? • Sofort zum Tierarzt (nicht abwarten, was passiert!). • Falls möglich eine Probe mitbringen (Giftköder, leere Verpackungen, Erbrochenes, angefressene Pflanze usw.). Giftköder nicht mit blossen Händen anfassen, beispielsweise in ein Kotsäckchen einpacken. • Meldung an Polizei, falls es sich um einen Giftköder handeln könnte. © Schweizer Hunde Magazin 7/15 13 gewählt werden. Die Fachpersonen im Informationszentrum verfügen über eine umfangreiche Dokumentation zu Chemikalien, Medikamenten, giftigen Pflanzen und Tieren, Lebensmitteln sowie anderen Produkten. Im Jahresbericht 2013 des Tox Info Suisse ist nachzulesen, dass die Zahl der Anfragen, die Vergiftungen bei Tieren betreffen, in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Es sind aktuell rund 1600 Anfragen pro Jahr, 60 Prozent davon stammen von Hundehaltern. Immer wieder wird, im guten Glauben, an Hunde Medikamente, die für Menschen bestimmt sind verabreicht. Auch das kann beim Vierbeiner Vergiftungen hervorrufen. Foto: fotolia.de Mehr «andere» Vergiftungen Viele Falschmeldungen in Facebook Um ein Vielfaches häufiger erleiden Hunde gesundheitliche Schäden oder sterben sogar, weil sie unabsichtlich vergiftet werden. Dabei kommen die Tiere nicht selten in ihrem Zuhause mit etwas Giftigem in Kontakt, etwa wenn ihre Besitzer Medikamente herumliegen lassen oder Haushaltschemikalien und Schädlingsbekämpfungsmittel nicht sicher aufbewahrt werden. Auch das Beknabbern von bestimmten Pflanzen kann ins Auge gehen. Dabei führen Vergiftungen durch Medikamente die Liste an, denn Hundehalter geben ihren Tieren – selbstverständlich in guter Absicht – auch mal ein Arzneimittel, das für Menschen bestimmt ist. Doch viele dieser Medikamente sind für Hunde schädlich. Dasselbe gilt für Nahrungsmittel. Was dem Menschen guttut, bekommt dem Hund je nachdem gar nicht (siehe S. 15), wobei es stets auf die Menge ankommt, die gefressen wurde oder – anders gesagt – auf die Grösse des Hundes. Was bei einem Berner Sennenhund ein vorübergehendes Unwohlsein auslöst, kann unter Umständen für einen Chihuahua tödlich sein. Ein Besuch in der Interlakner Tierklinik bei Dr. med. vet. Bernhard Staehelin bestätigt die Zahlen der Polizei, nämlich, dass Giftköder im Vergleich mit allen anderen Vergiftungen sehr selten Ursache für eine Behandlung in der Praxis sind. Laut dem Tierarzt würden aber oftmals Meldungen über angebliche Vergiftungsaktionen und ausgelegte Giftköder verbreitet, die gar nicht stimmen, so etwa auch in Facebook. Das führe natürlich zu grosser Verunsicherung unter den Hundehaltern. Staehelin rät deshalb in Sachen Vergiftungen mit der Kommunikation nach aussen jeweils sorgfältig umzugehen. Finde man unterwegs hingegen etwas Verdächtiges, sollte man nicht zögern, umgehend die Polizei zu benachrichtigen. Gratisnummer 145 gibt Auskunft In dieser Hinsicht leistet das Tox Info Suisse wertvolle Dienste. Es ist die offizielle Infostelle der Schweiz für alle Fragen rund um Vergiftungen. Hat der Hund etwas gefressen oder ist mit irgendeinem Mittel in Kontakt gekommen, gibt ein 24-Stunden-Notfalldienst über die Gratisnummer 145 Auskunft. Für andere, nicht dringende Fragen kann die Nummer 044 251 66 66 NOTFALLNUMMER Tox Info Suisse 24-Stunden-Notfallnummer 145 Auskunft: Tel. 044 251 66 66 14 © Schweizer Hunde Magazin 7/15 Präparierte Wurststücke gefunden Der Tierarzt berichtet von einem Fall, der vor ein paar Jahren in Interlaken passiert ist. Hundebesitzer hätten in ihrem Garten eine Cervelat mit Meta-Tabletten gefunden und in einer zweiten Cervelat sei eine Rasierklinge versteckt gewesen. Zum Glück hätten die Leute die Köder gefunden, bevor diese von ihren Hunden entdeckt wurden, so Staehelin. Würste mit Rasierklingen zu spicken scheint leider kein Einzelfall zu sein. Laut einer Pressemitteilung der Thurgauer Zeitung wurden im Ortsgebiet Allensbach (DE), einer Gemeinde am Bodensee, im vergangenen Mai dieses Jahres ebenfalls Wurststücke mit Teilen einer Rasierklinge gefunden. Ein Vierbeiner hatte sogar davon gefressen. Laut der Zeitung habe dieser aber keinen Schaden davongetragen. Im Ernstfall ist rasches Handeln gefragt Leider haben nicht alle Hunde so grosses Glück wie diejenigen in den erwähnten Beispielen. Auch wenn Vierbeiner Vergiftungen überleben, tragen sie nicht Foto: fotolia.de RATGEBER Infusion musste der Hund über sich ergehen lassen. «Ein paar Tage darauf war der Rüde schon wieder auf der Jagd mit dabei», schmunzelt der Tierarzt. Dies ereignete sich vor gut zwanzig Jahren. Heute werden Meta-Tabletten fast nicht mehr gebraucht. Wie schütze ich meinen Hund? MÖGLICHE SYMPTOME EINER VERGIFTUNG • • • • • • • • • • Unruhe unsicherer Gang Krämpfe Muskelzittern Erbrechen und Durchfall blasses Zahnfleisch Lähmungen Apathie Bewusstlosigkeit Atembeschwerden selten gesundheitliche Schäden davon. Wie schwer die Folgen einer Vergiftung sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Je giftiger die Substanz, desto gefährlicher. Und: Die Menge macht das Gift! Grösse, Alter sowie der allgemeine Gesundheitszustand des Vierbeiners sind ebenfalls massgebend. Tritt der Ernstfall ein, ist rasches Handeln gefragt: Die verstrichene Zeit zwischen Aufnahme des Giftes und der Behandlung kann über Leben und Tod entscheiden. Was macht der Tierarzt? Der Tierarzt versucht, das Gift möglichst schnell aus dem Tier «auszuschwemmen». In der Fachsprache reden die Ärzte von einer Dekontamination (Entgiftung). Die Behandlung richtet sich unter anderem danach, ob das Gift bekannt ist und wie lange die Aufnahme der Substanz her ist. Magen- und Darmentleerung sowie Kreislaufstabilisation gehören zu den Erstmassnahmen bei Vergiftungen. «Manchmal geschehen auch kleine Wunder», sagt Staehelin und erzählt von einem Springer Spaniel. «Das war vielleicht ein zäher Kerl!» Der Vierbeiner hatte eine Meta-Vergiftung und war infolgedessen in einem kritischen Zustand. Vollnarkose und vier Tage Der Rat hierfür ist spärlich. Bestimmt lohnt es sich, seinem Vierbeiner beizubringen, unterwegs nichts vom Boden zu fressen beziehungsweise seine «Beute» auf ein spezielles Signal hin auszugeben. Und trotzdem: Auch ein noch so gut erzogener Hund kann einmal etwas fressen, was er nicht sollte. Tatsache ist, dass hinter solchen Greueltaten in den meisten Fällen sogenannte Hundehasser stecken. Die Gründe, weshalb Leute Hunde nicht mögen, sind vielfältig und würden den Rahmen dieses Artikels sprengen. Sprechen wir jedoch von Prävention in Sachen Giftködern, geht es letztendlich auch darum, unser eigenes Tun zu überdenken, um nicht noch mehr Hass zu schüren. Wenn wir Hundehalter uns bemühen, unseren Mitmenschen und unserer Umwelt mit Respekt und Rücksicht zu begegnen und uns an Regeln halten, leisten wir nicht bloss einen wertvollen Beitrag zum Wohle der Allgemeinheit, sondern können vielleicht auch etwas dazu tun, unsere Hunde vor solch traurigen Schicksalen zu schützen. Text: Andrea Mona GEFÄHRLICHE LEBENSMITTEL Achtung: Die Menge macht das Gift! • Schokolade (je dunkler die Schokolade, desto gefährlicher) • Macadamia-Nüsse • Trauben oder Traubentrester (Pressrückstand der Trauben, der auch zur Herstellung von käuflichem Dünger verwendet wird) • Rosinen • Küchenzwiebeln • Avocado • Bittermandeln Diese Liste ist nicht abschliessend. Fotos: fotolia.de © Schweizer Hunde Magazin 7/15 15
© Copyright 2024 ExpyDoc