die goldene schale

THOMAS KLAGIAN
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„Es gibt in dieser Einöde einen Ort, der zwischen Ruinen
noch Spuren einer alten Bebauung aufweist; die Erde
dort ist fruchtbar und für den Ackerbau geeignet,
ringsumher sind hohe Berge; es gibt dort eine weite
unbesiedelte Gegend und nahe dem Ort eine große
Ebene; dieser Ort verweigert denjenigen, die dort ihren
Lebensunterhalt suchen, den Lohn für ihre Mühe
nicht. Und nachdem er [Priester Willimar] die Lage
dieses Ortes in vielerlei Hinsicht gelobt hatte, nannte
er dessen Namen: Bregenz.“
DIE GOLDENE
SCHALE
SPAZIEREN IN BREGENZ
Walahfrid Strabo, um 840
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TERRA SIGILLATA
Gefäß 1. Jahrhundert nach Christus
12 cm hoch, 24,5 cm im Durchmesser
BREGENZ 2014
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43
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B
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A
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1–5
NICHT ALLES, WAS GLÄNZT, IST ROT
Sehr wohl aber Terra Sigillata. So nennt man die glänzend rote und weit verbreitete
römische Töpferware, die von ihren Herstellern mit einem Manufaktursiegel versehen
worden ist. Die Bezeichnung Terra Sigillata bedeutet so viel wie „gesiegelte Erde“ und
wurde erst im 18. Jahrhundert auf die gesamte Keramikgattung übertragen. Ein genuin
römischer Name ist nicht überliefert. Die massenhaft hergestellten Gefäße waren zumeist glatt oder – aufwändiger in der Herstellung – reliefverziert. Um den Glanzeffekt
zu erreichen, wurden die Gefäße in lederhartem Zustand – also wenn der Ton nicht
mehr so weich ist, dass er verformt werden kann – in fein geschlämmten Ton getaucht
und bei Temperaturen von rund 950 Grad Celsius oxidierend gebrannt. Die Bregenzer
Sigillaten kommen nicht gerade aus aller Herren Länder, aber fast. Die wichtigsten
Herstellungsorte sind vertreten, ein Beleg für die wichtige Stellung von Bregenz im
Netz der römischen Fernhandelswege. Die Bregenzer Gefäße stammen aus Italien
(Arezzo), aus Südfrankreich (Montans, La Graufesenque und Banassac), aus Mittelfrankreich (Lezoux), aus dem Elsaß (Heiligenberg, Ittenweiler), aus Oberdeutschland
(Rheinzabern bei Karlsruhe), aus Süddeutschland (Kempten, römische Provinz
Raetien) und die spätantiken aus den Argonnen. Unsere Terra Sigillata, die der Kenner
dem Typ Dragendorff 37 zuordnet, gehört dem 1. Jahrhundert nach Christus an und ist
ein besonders schönes, weil reich verziertes Stück.
BRIGANTIUM
RÖMER-VILLA, STEINBÜHEL
10
A
TERRA SIGILLATA
Im Jahr 15 vor Christus haben die Römer den Alpenraum erobert.
Im ersten nachchristlichen Jahrhundert entstand das kaiserzeitliche Bregenz, das sich schließlich auf einer Fläche von 22 Hektar
zwischen Ölrainstraße und Riedergasse auf dem Ölrain ausgebreitet hat. Ein Gutteil des römischen Bregenz ist im 19. Jahrhundert
ausgegraben und archäologisch erfasst worden. Zu sehen ist davon
so gut wie nichts mehr. Eine Ausnahme bildet die etwas abseits
dem See zu gelegene Villa am Steinbühel, deren Grundriss sich
durch die rekonstruierten Mauerzüge vor Ort nachvollziehen lässt.
Steinbühel, 1902
12
Gefäß, 1. Jh. n. Chr.
12 cm, Ø 24,5 cm
Vorarlberg Museum
Deuringschlössle, an der Halde der Oberstadt wächst noch Wein, 1875
INS STAMMBUCH GESCHRIEBEN
Der Name Deuring hat in Bregenz einen besonderen Klang. In der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts waren die Deuring auf der Fluh zuhause und auf dem Blattach,
einer Flur oberhalb der heutigen Schedlerstraße. Im Jahr 1512 wurde einer von ihnen,
Gallus Deuring, Bürger von Bregenz. Er wurde zum Turmwächter bestellt und versah
seinen Dienst auf dem Schelmenturm, dem mächtigen Bergfried der Burg in der
Oberstadt, die Mitte des 19. Jahrhunderts abgerissen wurde. Als Schiffsleute und
Holzhändler reüssierten die Deuring. Nur drei Generationen nach der Einbürgerung
zählten sie zu den reichsten und mächtigsten Bregenzern. Gallus Deuring erhielt
1605 ein Wappen, 1621 wurde er geadelt. Im ausgehenden 17. Jahrhundert ragten die
Deuring aus dem kleinen Kreis der städtischen Elite hervor.
DEURINGSCHLÖSSLE
OBERSTADT
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Auf dem Titelblatt des Stammbuches ist das deuringsche Wappen zu sehen. Das Schild ist quadriert.
Im ersten und vierten blauen Feld ist ein goldener Löwe, der im ersten in der linken und im vierten
in der rechten Pranke einen Ring hält: einen Tür-Ring. Und Türing schrieben sich die Deuring in den
Urkunden des 15. Jahrhunderts. Im zweiten und dritten silbernen Feld ein roter, mit drei silbernen
Kugeln belegter Pfahl. Über dem Schild zwei gekrönte Helme. Auf dem rechten der goldene Löwe, in
der linken Pranke ein Szepter haltend, auf dem linken ein silberner Adlerflügel mit dem beschriebenen
Pfahl. Nota bene: Bei der Wappenbeschreibung geht man von der Fiktion aus, dass der Wappeninhaber
sein Schild in Händen halte und selber beschreibe. Deshalb ist heraldisch rechts für den Betrachter
links und umgekehrt. Das Wappen ist mit zwei Spruchbändern versehen, das obere trägt die Devise
„Deo Duce Fortuna Comite“ (Unter Gottes Führung, das Glück als Begleiter), das untere den Namen
„Gallus Diethelmus à Deuring etc.“
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STAMMBUCH
Gall Diethelm von Deuring, 17. Jh.
Samt, Papier und Pergament, 14 x 10 x 3,5 cm
Stadtarchiv Bregenz
Das deuringsche Stammbuch umfasst mit dem Titelblatt 74 beschriebene Blätter.
Dazu kommen noch sechs sehr schöne Miniaturen.
Johann Albert – nun – von Deuring ließ das nach seiner Familie benannte Schlössle
zwischen etwa 1660 und 1689 errichten. Zuvor stand dort ein dreigeschoßiges Herrenhaus im Schutz der Stadtmauer und eines kleinen Rundturms. Johann Albert ließ
den Zwischenraum zur Stadtmauer entgegen der Stadtverordnung überbauen und
den erhöhten Rundturm ins neue Gebäude integrieren. Ein barockes Schmuckkästchen entstand, das 1912 gar dem großen Egon Schiele als Sujet gedient hat, und vielen
anderen vor und nach ihm. Johann Albert war es auch, der sich einen im Zickzack
verlaufenden Weg vom Schlössle ins Thalbachtobel anlegen ließ, das Albertusloch.
Der Zugang ist noch vorhanden. Die Meißnerstiege ist sozusagen die begradigte
Nachfolgerin des Albertuslochs.
Gall Diethelm von Deuring war in den 1690er-Jahren zweimal Stadtammann von
Bregenz, wirklicher kaiserlicher Truchsess, Regimentsrat in Innsbruck und Vize-Statthalter der Grafschaft Nellenburg, mit drei Worten: eine wichtige Persönlichkeit. Seine
Gegner behaupteten, die deuringsche Partei erstrebe die Alleinherrschaft in der Stadt,
was sie ihm sicher gerne ins Stammbuch geschrieben hätten.
Haben sie aber nicht, wie wir überprüfen können. Gall Diethelms Stammbuch hat sich nämlich im Bregenzer Stadtarchiv erhalten. Eine andere Bezeichnung für Stammbuch
ist Freundschaftsbuch („liber amicorum“), woraus sich der
Sinn besser erschließt. Freunde, Verwandte und Bekannte
Deuringschlössle, 1905
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„Franciscus Christophorus Comes à Wolkenstain“
als Ritter in voller Turnierrüstung hoch zu Ross.
wurden gebeten, sich im Stammbuch verewigen, zumindest mit Namen und Datum.
Meistens waren diese Bücher klein und handlich, damit sie leichter auf Reisen mitgenommen werden konnten. Das deuringsche Stammbuch umfasst mit dem Titelblatt
74 beschriebene Blätter, davon 55 aus Pergament, alle mit einem oder zwei Wappen
versehen. Dazu kommen noch sechs sehr schöne Miniaturen. Die Darstellungen zeugen von der hohen Kunstfertigkeit der Maler. In der Regel waren das nicht die Eintragenden selbst, sondern von ihnen bezahlte Künstler, die so genannten „Briefmaler“.
Bei einem Blatt hat Deuring vermerkt: „propria manu huc pinxit“, also: „eigenhändig
hat er das gemalt“. Es zeigt „Franciscus Christophorus Comes à Wolkenstain“ als Ritter
in voller Turnierrüstung hoch zu Ross, der in der rechten Hand eine Fahne mit dem
wolkensteinischen Wappen hält. Datiert mit: Burg Rodenegg, 22. August 1665. Die
Eintragungen, die aus den Jahren 1659 bis 1678 stammen, sind in Ingolstadt, Landsberg, Innsbruck, Turin, Siena, Rom, Wien, Hall in Tirol und Bregenz geschrieben worden. 52 Blätter hat Deuring auf der Rückseite mit lateinischen Notizen versehen, die
Herkunft und Stellung der Eingetragenen betreffen.
Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, findet
das deuringsche Wappen noch heute an zwei
Hausfassaden, am Kraulandhaus in der Maurachgasse und am Pircherhaus am Leutbühel.
Kraulandhaus
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SKANDAL IN BREGENZ
Der Dekorationsmaler Peter Steurer, gelernter
Maler und Tapezierer, hatte von 1889 bis zu
seinem Tod 1914 ein eigenes Geschäft in der
Kornmarktstraße. Steurer sah in sich selbst
offenbar mehr als einen bloßen Anstreicher,
er sah sich als Künstler. Eine breite Palette von
Dienstleistungen offerierte er per Inserat:
Dekorationsarbeiten für Kirchen und Kapellen, Sgraffito, Fresken, Fassaden, Schilder,
Maserierungen, Aufstreicher-Arbeiten, ganze
Bauten prompt und billig. Ein Maler für jede
Lebenslage, ein Farben-Tausendsassa. Man
würde meinen, seiner Arbeit auf Schritt und
Tritt zu begegnen, was aber nicht der Fall ist
und bei näherer Betrachtung auch nicht verwunderlich. Peter Steurer wird vor allem für
private Auftraggeber tätig gewesen sein, und
nirgendwo ist vermerkt, wer dies oder jenes
Haus gestrichen hat. Umso verständlicher ist es, dass Peter Steurer empört reagierte,
als sein für alle Augen sichtbares Werk, die Fassadenmalerei am Haus des Juweliers
Engelbert Köb in der Rathausstraße, in einem Artikel der Vorarlberger Landeszeitung
1892 einem anderen Maler zugeschrieben wurde.
FASSADENMALEREI
RATHAUSSTRASSE 7
18
Peter Steurer, 1892
„Façaden-Malerei. In unserer Samstag-Nummer (1. Oktober) brachten wir die Mittheilung, daß die in Ausführung begriffene Malerei an der Façade des dem Herrn Juwelier Köb in der Rathausstraße gehörigen
Hauses durch den Dekorationsmaler Herrn Fuhrmann aus München zur Ausführung gelangt. […] Nun
theilt uns der hiesige Dekorationsmaler, Herr Peter Steurer, mit, daß er und Niemand sonst die FaçadeMalereien an dem Hause des Juweliers Köb nicht nur allein entworfen und gezeichnet hat, sondern auch
mit der Ausführung derselben von dem Besitzer des genannten Hauses betraut wurde.“
Vorarlberger Landeszeitung, 3. Oktober 1892
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VON DER KEMENATE INS EIGENE RATHAUS
Nach der Stadtgründung um 1250 tagten Stadtammann und Rat nicht in einem eigenen Rathaus, sondern in einer Kemenate, einer beheizbaren Stube in der Grafenburg
in der Oberstadt. Erst 1457 überließ Herzog Sigmund von Österreich den Bregenzern
ein eigenes Gebäude, das sie als Rathaus nutzen durften. Er bedang sich freilich aus,
bei Bedarf Herberge zu nehmen, und behielt sich das Recht vor, das Gebäude gegen
Rückerstattung der Investitionen wieder in sein Eigentum zu übernehmen – was er
1481 tatsächlich getan hat. Die Bregenzer mussten wieder mit der Kemenate in der
Burg Vorlieb nehmen. Im Jahr 1511 schließlich baute sich die Bregenzer Bürgerschaft
ihr eigenes Rathaus gegenüber der Burg, ein Gebäude von stattlichem Umfang. Es
enthielt die kleine und große Ratsstube, einen Saal, das sogenannte Bürgerstüble als
Zivilarrest für Bürger und zwei Gewölbe für Archiv und Registratur. Dieses Rathaus
wurde 1812 abgerissen. Der stattliche Fachwerkbau, der genau genommen fälschlich
als „Altes Rathaus" bezeichnet wird, wurde erst in den Jahren 1661/62 als Anbau und
Ratsdienerwohnung errichtet. Um der Verlagerung des wirtschaftlichen Lebens in die
untere Stadt Rechnung zu tragen, wurden 1720 Teile der Stadtverwaltung in das 1686
errichtete städtische Lagerhaus verlegt. Seit etwa 1810/11 war die gesamte Stadtverwaltung in diesem Gebäude, dem heutigen Rathaus, untergebracht. Das Rathaus war
ursprünglich ein schmuckloser Bau, der 1898 anlässlich des 50-jährigen Thronjubiläums Kaiser Franz Josephs seine historistische Fassade erhielt.
MOSAIKMEDAILLONS
RATHAUS
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Die Mosaikmedaillons in den Lünetten der Segmentgiebelfenster zeigen die Portraits von fünf für
Bregenz bedeutsamen Herrscherpersönlichkeiten. Die Mosaiken stammen von Josef Boss. Von links
nach rechts: Bregenz wird 15 v.Chr. unter dem römischen Kaiser Augustus der Pax Romana eingegliedert.
Dafür steht das Bild des Kaisers Augustus. // Im Jahr 1270 zerstört die Teilung unter den montfortischen
Brüdern die Einheit des Landes, es entstehen die Grafschaften Tettnang, Feldkirch und Bregenz. Die Stadt
Bregenz wird Hauptort eines Gebietes zwischen Leiblach und Hohenems. Dafür steht das Bildnis des
Grafen Ulrich I. // Im Jahr 1861 wird Bregenz als Sitz des Vorarlberger Landtages Hauptort des Landes
und quasi Landeshauptstadt. Dafür steht das Bildnis von Kaiser Franz Joseph I. // Im Jahr 1750 wird
Bregenz Mittelpunkt der österreichischen Verwaltung in Vorarlberg. Dafür steht das Bildnis der gewichtigen Landesmutter Maria Theresia. // Im Jahr 1451 geht die erste Hälfte von Stadt und Grafschaft
Bregenz an das Haus Österreich. Dafür steht das Bildnis Herzog Sigmunds, der den Kauf getätigt hat.
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Josef Boss, 1898
DER HEIMAT TREU
Seit Ende September 1407 belagerten die Appenzeller und ihre Verbündeten die
Stadt Bregenz. Die Einnahme des Maurach war gelungen, die Stadt (die Oberstadt)
selbst hielt stand. Die Sage weiß: „Guta, ein altes Weiblein, belauschte in einem
Rankweiler Wirtshaus die Anführer der Appenzeller und hörte von deren Plan,
Bregenz im Handstreich zu nehmen. Als sich die Anführer zum Schlaf niederlegen
wollten, entdeckten sie die betagte Frau. Erst nachdem Guta geschworen hatte,
keiner Menschenseele zu berichten, was sie gehört hatte, ließen die Appenzeller sie
laufen. Noch in derselben, grimmig kalten Nacht ritt Guta nach Bregenz. Gott sei Dank
fand sie sofort einen Pferdeabstellplatz. Sie ließ sich in die Ratsstube führen und
erzählte alles – dem Ofen. So hielt sie ihren Schwur und rettete Bregenz. Als Belohnung verlangte Guta freie Kost und Logie bis an ihr Lebensende und dass der Nachtwächter die neunte Abendstunde zwischen Martini (11. November) und Lichtmess
(2. Februar) mit dem Ruf: ,Ehret die Guta!’ anzeige. Aus der armen Guta wurde so die
Ehreguta.“
EHREGUTA
ALTER LANDTAGSSAAL, BAHNHOFSTRASSE
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ECKPLASTIK EHREGUTA, ENTWURF
In der älteren Landesgeschichtsschreibung wurde der Appenzellerkrieg zu einem weltgeschichtlichen
Ereignis von einzigartiger Tragweite verklärt. Der Bund ob dem See habe einen Volksstaat begründet
und die Französische Revolution vorweggenommen. Bedrückte Bürger und Bauern hätten sich gegen
das furchtbare Regime der Habsburger verzweifelt zur Wehr gesetzt. Diese Ansicht ist längst als Geschichtsklitterung entlarvt. Die Bregenzer Bürger hatten mit den freiheitsliebenden Appenzellern
nichts am Hut, sie hielten tapfer zu ihrem Stadtherrn Graf Wilhelm VII. und wurden nach dem Krieg mit
Steuerfreiheit und anderen Privilegien belohnt.
Die Eckplastik am alten Landtagssaal zeigt die Ehreguta hoch zu Ross „der Heimat treu“, im Schulterschluss mit einem Landesverteidiger. Dass der wackere Mann Kniehose und Rock trägt und sich auf
eine Büchse stützt, ist ein Anachronismus aus dem Bilderbuch.
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Josef Piffrader, 1923
Gips, 57 cm
Vorarlberg Museum
Altes Landhaus, Bahnhofstraße
1976
ALLERHÖCHSTES ABSTEIGEQUARTIER
Im Jahr 1868 wurden in Österreich Bezirkshauptmannschaften als reine Verwaltungsbehörden eingerichtet, was nichts weniger bedeutete als – endlich – die
Trennung von Justiz und Verwaltung. Die Bregenzer Bezirkshauptmannschaft
wurde im unansehnlichen, beengten und bereits in die Jahre gekommenen alten
Kreisamtsgebäude an der Ecke Kirchstraße/Römerstraße untergebracht. Unterdessen war der Bregenzer Bezirkshauptmann nicht irgendwer. Er war nicht nur
Chef seiner Behörde, sondern vertrat als Regierungskommissär den Kaiser im
Vorarlberger Landtag. Das hohe Amt lechzte nach würdevoller Unterbringung.
Im Jahr 1905 war es schließlich so weit. Die Bezirkshauptmannschaft erhielt im
Zuge der Umgestaltung des Kornmarktplatzes ein repräsentatives Amtsgebäude
an der Seestraße. Bis 1966 ein drittes Obergeschoß die verkupferte Dachkrone
ersetzte, krönte den Giebel das Staatswappen, flankiert von allegorischen Darstellungen der Staatsgewalt und der Staatswohlfahrt. Seit 2006 befindet sich die
Bezirkshauptmannschaft in einem humorlosen Neubau in der Bahnhofstraße.
Im alten Bezirkshauptmannschaftsgebäude ist heute die Verwaltung des Vorarlberg Museums untergebracht. Erhalten geblieben sind die lediglich die Fassade
und das Stiegenhaus.
GEWALTENTEILUNG
„Im zweiten Stock des neuen Amtsgebäudes am See war
die vornehme und weiträumige Dienstwohnung des Bezirkshauptmannes untergebracht, die Kaiser Franz Josef
bei seinem letzten Besuch in Vorarlberg anlässlich der
Jahrhundertfeiern der Volkserhebung von 1809 als ,Allerhöchstes Absteigequartier‘ diente. Im Repräsentationssaal
mit Seeblick empfing der Kaiser Abordnungen. Dort und
in zwei Nebenräumen fand auch das festliche Diner statt.
Noch heute überliefert eine Marmortafel im Eingangsbereich des Amtsgebäudes, dass Franz Josef am 30. und
31. August 1909 in diesem Haus das ,Hoflager‘ bezogen
habe.“ Ulrich Nachbaur, 2008
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EHEMALIGE BEZIRKSHAUPTMANNSCHAFT
SEESTRASSE
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STAATSGEWALT UND STAATSWOHLFAHRT
Heinrich Fuß, 1905
überlebensgroße Sandsteinfiguren
Vorarlberg Museum
1906