Mikroanalyse zu dem Film „Lena_Eiswürfel“

Asja Kranaster
EU­Projekt Naturbild
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
12/2010
Mikroanalyse zu dem Film „Lena_Eiswürfel“
Analyse des Kinderspiels
Das Beispiel Lena
Was tut das Kind? Welche Bewegungen, Aktionen lassen sich unterscheiden? Wie variiert das Kind seine Aktionen? Welche Entwicklung ist in der Aktions­
folge festzustellen? Gibt es Wendungen, Brüche? Lena lässt Eiswürfel in einem Wasserbecher schwimmen und möchte sie somit größer machen. Sie wirft zunächst einzelne Eisstücke langsam in das Wasser, um dann die restlichen Stücke schwungvoll hineinzukippen. Dabei taucht sie ihre Hände in das Wasser und fragt die filmende Erzieherin, ob das Wasser kalt sei. Schwungvoll rührt sie mit einer Hand im Becher um, betastet die Eisstücke, lässt sie durch ihre Finger gleiten, rührt schließlich mit beiden Händen kräftig um, nimmt einen Eiswürfel aus dem Becher, betrachtet ihn und ruft überrascht: „Oh, die werden kleiner.“ Sie ist amüsiert und erzählt auf Nachfragen der Erzieherin, dass sie nicht weiß, warum die Eiswürfel kleiner werden und, dass sie sich das so nicht vorgestellt hat. Daraufhin schüttet sie die Eiswürfel wieder zurück in die Eismaschine, und sucht nach größeren Stücken. Sie holt erneut einen Becher mit frischen Eisstücken zum Experimentiertisch. Mittels einer Spritze füllt sie Wasser von einem kleinen Eimer in den Becher um. Zwischendurch stellt sie fest, dass in dem einen Eimer kaltes und in dem anderen Eimer warmes Wasser ist. Sie benötigt das kalte. Sie will nämlich, dass die Eiswürfel größer werden. Später füllt sie wieder einen Becher mit Eiswürfeln mittels einer Spritze mit Wasser auf. Nach längerer Zeit stellt sie dann fest, dass die Eiswürfel weg sind, und traut ihren Augen und Händen kaum. Sie legt erneut Eisstücke in den vollen Wasserbecher und wirft kleine Korkstücke dazu. Lenas anfängliche Hauptintention ist es, die Eisstücke größer zu machen. Als sie entdeckt, dass die Stücke aber kleiner werden, ist sie entsetzt, überrascht und kann es kaum fassen. Sie scheint aber nicht enttäuscht zu sein, sondern wiederholt amüsiert: „Die sind kleiner geworden.“ Später als sie feststellt, dass ihre Eisstücke im Becher vollständig geschmolzen sind, kann sie es kaum glauben und taucht ihre Fingerspitzen in das Wasser um sich zu vergewissern, dass da wirklich keine Stückchen mehr sind. Sie erklärt: „Die waren die ganze Zeit da drin, und jetzt sind sie ganz klein. Und jetzt sind sie ganz klein. Die waren doppelt aneinander (...)“ Kurze Zeit später zeigt sie der Erzieherin erneut ihren Becher: “Silvie, da ist nur Wasser drin.“ ­ Wo sind die Eiswürfel? ­ „Die sind glaub ich geschmolzen“ ­ Warum sind die geschmolzen? ­ „Weil die im Wasser waren.“
Dass Lena ihre Erfahrungen intensiv erlebt, zeigt sich darin, dass sie auf ihre missglückten Versuche reagiert, sie stellt Hypothesen auf und verwirft sie wieder und ersetzt sie durch neue. Anhand ihrer sprachlichen Äußerungen wird deutlich, dass ihr Spiel geprägt ist von einem dynamischen Auf und Ab, von Erfolgen und Irrtümern.
Auch wenn es zunächst den Eindruck macht, dass sie ungeplant herum experimentiert, lohnt es sich, einen genaueren Blick darauf zu werfen. Sie verfolgt von Beginn bis zum Ende eine Idee. Sie möchte die Eistückchen auf ihr Verhalten mit Wasser prüfen. Sie möchte sie vergrößern. Sie macht sich intensiv Gedanken darüber, wann und warum die Eisstücke kleiner bzw. größer werden.
Lena erzählt, dass sie in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht hat, dass bei dem Bau einer Schneeburg der Schnee „fester wurde“ weil man Wasser darüber geschüttet hat. Mit dieser Ausgangshypothese geht sie in das Spiel. Im Verlauf des Spiels passt sie ihre Hypothesen an ihre Erfahrungen und Experimente an, verwirft ihre Gedanken und denkt um. Man könnte meinen, dass sie mit der Anfangshypothese „Eis wird durch Wasser fester oder dicker.“ beginnt und diese erweitert durch „Eis schmilzt in warmen Wasser.“ → „Eis schmilzt aber auch im kalten Wasser.“ → „Eis schmilzt in viel Wasser.“ Wie agiert das Kind? Welche Empfindungen drückt es aus? Inwieweit ist sein Spiel von Freude, Wachheit und Aufmerk­
samkeit, Neugier und Ausdauer, Mut und Risikobereitschaft getragen? Woran lässt sich auf die Intensität und Qualität des Erlebens schließen? Wie werden die Aktionen sprachlich begleitet?
Welche Bedeutungen legt es in seine Aktionen? Liegt den Aktionen eine explizite Über­
legung zugrunde? Gibt es Handlungspausen, Phasen der Überlegung und Orientierung? Kommentiert, begründet das Kind seine Aktionen? Gibt es implizite 1
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Fragen und Hypothesen, auf die man schließen kann? Was probiert das Kind aus? Gibt es ein übergreifendes Handlungsthema? Werden in den Aktionen subjektive Lebensthemen, Erleb­
nisse, auch gerade gemachte Erfahrungen aufgegriffen und fortgesetzt? Welche wichtigen Handlungs­
umstände gibt es? Gibt es äußere Gegebenheiten, Randbedingun­
gen, Einflüsse Erwachsener, die auf das Spiel einwirken? Welche Erfahrungen macht das Kind? Gibt es Widerstände und Schwierigkeiten? Gelingen die Aktionen? Welche Wirkungen, Ergebnisse nimmt das Kind wahr? Wie deutet es diese Ergebnisse? Welche Erfahrungen macht das Kind mit sich selbst, mit anderen?
Wie kommuniziert das Kind seine Aktionen und Erfahr­
ungen? Realisiert das Kind über seine Aktionen Kontakte, Bezie­
hungen zu anderen Kindern? Werden gemeinsame Themen entwickelt? Werden Aktionen mit anderen abgestimmt? Werden Handlungen anderer nachgeahmt? Werden Empfindungen, Erfah­
rungen, Deutungen kommuni­
ziert? Werden eigene Ideen entwickelt und vermittelt? Welche Resonanz finden die Aktionen im sozialen Umfeld?
Was erfahren wir über das Kind? Wie deutet, versteht das Kind dieses Phänomen? Welche Angebote der Reflexion kann das Kind nutzen? Impulse, Anregun­
gen zur Reflexion, Fragen, die man dem Kind stellen kann. Hinweise für weitere Angebote und Herausforderungen.
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Daran kann man erkennen, wie gezielt Lena ihre Versuche plant und reflektiert und es wird deutlich wie genau sie die Materialien beobachtet und wie sie ihre Hypothesen entwickelt.
Die filmende Erzieherin scheint eine wichtige Rolle für Lena zu spielen. Sie antwortet nicht nur auf die Fragen der Erzieherin, sondern weist sie auch immer wieder auf die erstaunlichen Beobachtungen, die sie macht, hin. Zum Beispiel: „Ich habe die ganze Zeit Wasser rein getan, und da waren Eiswürfel drin. Und jetzt sind sie ganz klein.“ und „Silvie, da ist nur Wasser drin.“ Dabei dreht sie ihre Handfläche nach oben, als ob sie sich stark wundert, und schaut noch einmal von oben in den Becher rein um sich zu vergewissern. Die Erzieherin fragt viel nach und regt Lena dazu an sich über ihre beobachteten Phänomene Gedanken zu machen.
Lena macht die Erfahrung, dass sie das Erlebnis mit der Schneeburg, nicht auf die Situation mit den Eiswürfeln im Kindergarten übertragen kann. Man kann sicherlich sagen, dass sie erfährt, dass ihre Hypothesen ganz genau überprüft werden müssen und sie dann zu neuen Erkenntnissen kommen kann. Wahrscheinlich nimmt sie wahr, dass ihre Versuche sie zu neuen Erfahrungen bringen können, sie sich jedoch nicht alles erklären kann.
Lena tauscht ihre Erlebnisse und Erfahrungen mit der filmenden Erzieherin immer wieder aus. Sie lässt sie daran teilhaben, indem sie ihr sagt, was sie beobachtet. Lena beobachtet aber auch was die anderen Kinder neben ihr am Tisch machen. Schaut sich Handgriffe ab oder kommentiert eine Handlung. Lenas Spiel lebt von der sozialen Resonanz, die sie von ihrer Erzieherin und den anderen Kindern bekommt. Sie spielt ihr eigenes Spiel und hat bestimmte Vorstellungen, die sie umsetzen möchte. Allerdings spielt sie nicht im luftleeren Raum, sondern reagiert auf die Kommunikationsversuche ihrer Umgebung.
Man kann vermuten, dass Lena innerlich geleitet wird, von der Frage, warum die Eisstücke im Wasser kleiner werden? Und warum wurde die Schneeburg, die man mit Wasser übergossen hat, fester? In welcher Beziehung steht das nun zu der Wassertemperatur? Dies sind Fragen die sich Lena vielleicht schon innerlich gestellt hat, und die man hätte in einem Gespräch aufwerfen können, oder in weiteren Versuchen ausprobieren könnte. Die Erzieherin hat dies teilweise schon gemacht. Mit Sicherheit wird Lena, die Erfahrungen welche sie in diesem Spiel gemacht hat, als Erlebnis für andere Spiele mitnehmen, und sie wird ihre Erfahrungen mit der Schneeburg wahrscheinlich nicht vergessen, sondern weiterhin erweitern.
Was erfahren wir über das Lena profitiert davon, dass sie mindestens eine bereits gemachte Erfahrung mit Eis und Wasser mitbringt und kann dort direkt anknüpfen. Kinderspiel?
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Außerdem profitiert ihr Spiel davon, dass die anderen Kinder in ihrer direkten Umgebung ähnliche Experimente machen. Sie kann immer wieder rüberschauen, etwas nachahmen und Materialien austauschen. Zusammenfassend ist dieses Spiel ein besonderes Beispiel dafür, dass sich ein Kind selbstgesteuert und intrinsisch motiviert mit naturwissenschaftlichen Themen, wie Temperatur, Schmelzen, Wasser und Eis, auseinandersetzt. Es bedarf keiner besonderen Motivationsphase oder Aufgabenstellung, dass der Entdeckergeist des Kindes Lena geweckt wird. Die Materialien und die Umgebung allein üben auf sie einen auffordernden Charakter aus. Obwohl Lena wahrscheinlich nicht die Materialien als physikalische, chemische oder biologische Naturphänomene versteht, beschäftigt sie sich intensiv damit.
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