Friedrich Schiller: „Rätsel“ / Friedrich Rückert: „Rätsel“ 1.Zu den Texten 2.Zur Intention Friedrich Schiller (1759 – 1805) verfasste neben seinen berühmten Dramen und Balladen gelegentlich auch einige Rätselgedichte. Unser „Rätsel“1 besteht aus drei Strophen, die sich jeweils über Kreuz reimen (abab) und einen vierhebigen jambischen Versfuß mit wechselnden weichen und harten Schlüssen aufweisen, sodass ein feierlich-ruhiger, belehrender Klang entsteht. Wie ergreifend und zum Staunen anregend wird das Phänomen des Regenbogens in der bilderreichen Sprache des Dichters geschildert: Brücken aus Perlen – Aufbau und Schwinden durch den Regen („Strom“, „des Wassers Flut“) und die Sonne, die Schiller nicht erwähnt.2 Rätsel sind ein uralter Bestandteil der Volksdichtung und auch eine beliebte Textsorte in der Kunstdichtung. Sie bereiten den Kindern in der Regel viel Spaß, da durch die Rätsel die Neugierde, der Sprachwitz und die Kreativität in besonderer Weise angesprochen und geweckt werden. Friedrich Rückert (1788 – 1866) kleidet sein „Rätsel“3 in eine sechs Zeilen umfassende Strophe, wobei der 2., 4. und 6. Vers im Endreim gleich ist, der 1., 2. und 5. Vers jeweils frei ist. Der Rhythmus wird bestimmt durch das gleichmäßige jambische Metrum und die allesamt starken Versschlüsse, sodass ein fast strenger, „schulmeisterlicher Ton“ erzeugt wird. Dieses Rätsel gefällt besonders durch seine Kürze („In der Kürze liegt die Würze!“) und dem scheinbaren Widerspruch, der in ihm zum Ausdruck kommt: Welche Frucht schmeckt dem Gaumen, aber dem Ohr nicht, wenn sie sich mit ihm vereint? 1 Friedrich Schiller: Rätsel. Aus: Sämtliche Werke. Bd. 1. München 1962. Zur Biografie: Friedrich Schiller, geb. am 10.11.1759 in Marbach am Neckar, gest. am 9. 5.1805 in Weimar, Sohn eines Feldschers und Offiziers, Zögling der Herzoglichen Militär-Akademie (Karlsschule) des Herzogs Karl Eugen, juristische und medizinische Studien, Regimentsmedicus. Frühe Auflehnung gegen den Geist des Absolutismus, Sturm- und Drang-Dramatiker, nach Jahren der Heimatlosigkeit (Bauerbach, Leipzig, Dresden, Rudolstadt); 1788 unbesoldeter Geschichtsprofessor an der Universität Jena, seit 1794 enger werdendes geistiges Bündnis mit Goethe, 1799 Übersiedlung nach Weimar, dem Mittelpunkt der deutschen Klassik; 1802 Erhebung in den erblichen Adelsstand. Als Dramatiker, Lyriker und Verfasser umfangreicher historischer und kunstphilosophischer Schriften mit Johann Wolfgang Goethe wichigster Repräsentant der klassischen deutschen Dichtung mit weltweiter Wirkung. Werke u. a.: „Die Räuber“ (Dr., 1779/80), „Kabale und Liebe“ (Dr., 1782/83), „Don Carlos“ (Dr., 1798/99), „Wallenstein“ (Dr.-Trilogie, 1798/99), „Das Lied von der Glocke“ (1800), „Maria Stuart“ (Dr., 1800), „Die Jungfrau von Orleans“ (Dr., 1801), „Wilhelm Tell“ (Dr., 1804). 2 Die Kinder sollten im Internet googeln, um den neuen Erkenntnisstand zu erfahren: Regenbogen – Brechung und Reflexion der Sonnenstrahlen – Spektralfarben usw. 3 Friedrich Rückert: Rätsel. Aus: Der Ewige Brunnen, hrsg. von Ludwig Reimers. München 1958. Zur Biografie: Friedrich Rückert, geb. am 16.5.1788 in Schweinfurt, gest. am 31.1.1866 in Neuseß bei Coburg, Professor für orientalische Sprachen in Erlangen und Berlin, bedeutender Verfasser von Kindergedichten. Werke u. a.: „Gedichte für Haus und Schule“ (1897 posthum), „Deutsche Gedichte“, 2 Bde. (1814, 1817), „Gesammelte Gedichte“ 6 Bde. (1834 –1838). 128 Die Kinder sollen –– die beiden Rätsel lösen und ihre Verfasser kennenlernen, –– die dichterische Gestaltung (Aufbau, Reime, Metrum) feststellen, –– Spaß an der Lektüre von Rätseln haben und in der Klasse eine „Rätsel-Stunde“ halten. 3.Zur Realisierung Einstimmung: Die Kinder sitzen im Sitzkreis beisammen und stellen sich gegenseitig Rätsel. Es empfiehlt sich, eine entsprechend vorbereitende Hausaufgabe gestellt zu haben, damit sich möglichst viele Kinder beteiligen können. Überleitung: „Ich gebe euch ein Textblatt mit zwei Rätseln, die von bekannten Dichtern verfasst sind!“ Begegnung mit den Rätseln: Vortrag des ersten Rätsels, spontane Aussprache, stilles Nachlesen, Begründen des Lösungswortes (durch eigene Zeichnung); Vortrag des zweiten Rätsels, spontane Aussprache, usw. Reflexion: Nachdem die Rätsel gelöst worden sind, wird analysiert, was an beiden Rätseln so interessant ist. Der hinführende Arbeitsauftrag könnte lauten: „Vergleicht die beiden Gedichte und sucht Unterschiede!“ Danach berichten und begründen die Kinder, welches Rätsel ihnen besser gefällt, und tragen dieses vor. 4.Zur Weiterführung –– Hausaufgabe: Die Kinder suchen weitere Rätsel und tragen sie in der Schule vor (siehe Textblatt), –– Lektüreempfehlung: Leselöwen Rätselgeschichten. Bindlach: Loewe 1985; Paul Maar: JAguar und NEINguar. Hamburg: Oetinger 2007 (Kap. „Rätsel raten“), –– Drucken (und Illustrieren) eines Lieblingsrätsels in der Schulwerkstatt für ein gemeinsames „Rätsel-Gedichte-Buch“. Oswald Watzke / Harald Watzke: Gedichte für die 5. und 6. Klasse © Auer Verlag GmbH Donauwörth ± 06468 Rätsel Zeichne hier das Lösungswort! Von Perlen baut sich eine Brücke Hoch über einen grauen See, Sie baut sich auf im Augenblicke, Und schwindelnd steigt sie in die Höh. Der höchsten Schiffe höchste Masten Ziehn unter ihrem Bogen hin, Sie selber trug noch keine Lasten Und scheint, wie du ihr nahst, zu fliehn. Sie wird erst mit dem Strom, und schwindet, Sowie des Wassers Flut versiegt. So sprich, wo sich die Brücke findet, Und wer sie künstlich hat gefügt? Friedrich Schiller Rätsel Zeichne hier das Lösungswort! Es ist der Name einer Frucht, die zwar dem Gaumen wohlbehagt; doch wo sie sich dem Ohr vereint, da wird darüber nur geklagt; und wer sich die gefallen lässt, der ist das, was der Name sagt. Friedrich Rückert O. Watzke (Hrsg.): Gedichte 5./6. Klasse © Auer Verlag GmbH, Donauwörth Schreibe hier ein weiteres Rätsel-Gedicht auf! Zeichne dazu! Oswald Watzke / Harald Watzke: Gedichte für die 5. und 6. Klasse © Auer Verlag GmbH Donauwörth ± 06468 129
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