Technik im Detail STEILDACH Kein alter Hut In der Denkmalpflege sind alte Handwerkstechniken vor allem auf dem Steildach immer noch gefragt. Unser Beitrag zeigt, wie sich anspruchsvolle Details im Biberdach sicher ausführen lassen. Text: Horst Pavel | Fotos: Braas D achdecken in der Denkmalpflege gehört zu den Königsdisziplinen im Handwerk. War es früher üblich, beispielsweise im Ziegeldach Kehlen und Firste aufwendig zu vermörteln und Dachziegel zu verstreichen, so sind diese Techniken weitestgehend aus dem Arbeitsalltag des Dachdeckers verschwunden. Nicht ohne Grund: Durch eine Vermörtelung werden kleinteilige Dachbaustoffe auf einem Dachstuhl aus Holz zu einem steifen Band verbunden. Bei Bewegungen in der Tragkonstruktion können feine Haarrisse entstehen, die in Verbindung mit Wasser und Frost zu erheblichen Schäden mit Abplatzungen führen können. Moderne Lösungen sehen anders aus: Dachziegel brauchen nicht mehr verstrichen werden; sie haben mehrfach verfalzte Überdeckungsbereiche, die das Eindringen von Feuchtigkeit verhindern. Firste müssen nicht mehr vermörtelt werden, da es mit Trockenfirsten frostbeständige und sichere Lösungen gibt, die auch noch dazu beitragen, dass eine Hinterlüftungsebene unterhalb der Dachdeckung mit der Außenluft verbunden werden kann. Und dennoch werden in der Denkmalpflege immer wieder Ausführungen gefordert, die den Denkmalwert eines Gebäudes und seines Dachs unterstreichen und ein Bild aus vergangenen Zeiten in die Zukunft vermitteln. Dabei kommt es aber auch auf die Ausführungsqualität an und somit auf den Preis, der für die Arbeit bezahlt werden muss. Dabei ist einerseits das Handwerk gefordert, andererseits muss die Industrie aber 48 ▴▴Ausführungsvariante für die Denkmalpflege: Traditioneller Mörtelfirst und vermörtelte Dachfläche auf die Ansprüche reagieren können, die sich aus dem Bereich der Denkmalpflege ergeben können. Das beginnt beispielsweise mit der Nachlieferung nicht mehr gängiger Ziegelmodelle, der Neuproduktion von „denkmalgerechten“ Dachbaustoffen bis zur Ausführungsunterstützung durch Schulungen und Betreuung auf der Baustelle durch die Anwendungstechnik. Eingebundene Kehle im Biberdach Veränderungen haben sich vor allem bei Biberdächern ergeben. Die sogenannte Einfachdeckung mit Spließen ist dabei aus der Praxis so gut wie verschwunden – sie war nach dem Regelwerk des ZVDH allerdings auch nur für Gebäude mit untergeordneter Nutzung zugelassen. Bei dieser Ausführung übernimmt ein Spließ, in der Regel aus Holz dachbau magazin 9 | 2015 gefertigt und im Drittelverband unter die Längsfuge gelegt, die wasserableitende Funktion. Bei der Doppeldeckung liegt hingegen jeder Biber auf einer Traglatte. Dabei überdecken sich die Biber so, dass die dritte Deckschicht die erste Schicht um die entsprechend der Dachneigung geforderte Höhenüberdeckung überdeckt. Bei einer Kronendeckung liegen jeweils zwei Biber auf einer Traglatte als Lager- und Deckschicht auf. Sie bilden untereinander einen regelmäßigen Halbverband. Diese Deckart ist bei eingebundenen Kehlen besonders herausfordernd, da der Viertelverband nicht unterschritten werden darf. Im Biberdach wirken eingebundene Kehlen besonders ästhetisch und sind bis zur Kehlsparrenneigungsgrenze auch regensicher. Solche Kehlen können als gleich- www.dachbaumagazin.de ▴▴Regensicherheit garantiert: Einspitzer und die Unterlaufschicht der böhmischen Kehle ermöglichen den sicheren Ablauf des Wassers ▴▴ Denkmalpflege im Detail: Fertiggestellte drei Biber breite Kehle nach der böhmischen Art. Den Anfang macht hier stets der Wasserbiber hüftige und ungleichhüftige Kehlen in die Biberschwanzdeckung eingebunden werden. Dies kann sowohl in der Doppeldeckung wie in der Kronendeckung erfolgen. Beispiel: Böhmische Kehle Die sogenannte böhmische Kehle kann beispielsweise als drei Biber breite Kehle in der Einteilung 2 : 4 mit einer eingespitzten sowie einer unterlaufenden Schicht ausgeführt werden. Deck- und Lagerschichten werden dabei auf der Baustelle fachgerecht eingespitzt und die entstehende Fuge mit dem Wasserbiber in der Kehlachse abgedeckt. Darauf werden zwei Kehlbiber als Basis für die Kehlgebinde verlegt, die an der Kehlmittellinie ausgerichtet werden. Durch Ausspitzer können die zusätzlichen Ziegelreihen so eingefügt werden, dass sich die Ziegelreihen der Kehle mit den Ziegelreihen der Dachflächen treffen. Die Gebinde der Kehle werden im Wechsel mit denen der Dachfläche eingebunden, sodass die folgenden Kehlgebinde das Dachflächengebinde unterlaufen. Die eingebundenen Kehlgebinde und die Dachflächengebinde werden dabei so verlegt, dass sie an den Segmentlinien aufeinandertreffen und die Ziegelreihen von beiden Seiten gleichmäßig aufeinander zulaufen. Die Kehlunterläufe werden entsprechend geschrotet, während die Fugen der Ausspitzer mit Dachdeckermörtel verstrichen werden können. Um zu verhindern, dass die Deckschichtbiber sperren und so das Erscheinungsbild der Kehle gestört wird, ist es sinnvoll, das Traufgebinde im kehlnahen Bereich mit einem Schlag Dachdeckermörtel zu unterfüttern. Dies ist in der sächsischen Region durchaus üblich. So wird auch der Vorteil einer Kehle in der „Böhmischen Art“ unterstützt, mit möglichst organischer Wirkung die ein- und auslaufenden Biberschwanzziegel einzubinden. Gauben im Biberdach Zu den häufigsten Bauaufgaben, die in der Praxis vom Dachdecker traditionelle Handwerkstechniken erfordern, gehört die Erstellung von geschweiften, durchgedeckten Gauben in einem Biberschwanzdach. Das Verständnis von Dachneigungen, Kehlgefälle, der Erstellung von Unterkonstruktionen sowie der gezielte Einsatz von Anläufern erleichtern die Arbeit. In einem Biberdach werden die Gauben in die Dachdeckung eingebunden, beispielsweise als Fledermausgaube oder als Hechtgaube. einzuhalten. Um ein Sperren der Deckung im Übergang zu verhindern, soll sich die Hechtgaube nach oben verjüngen. Mit aufgesetzten Keilen kann im Knickbereich auf der Traglattung eine bessere Ausrundung der Kehle erfolgen. Im Kehlbereich wird die Traufschicht der Gaube als Kronenschicht eingebunden. Dabei muss der Dachdecker beachten, dass beim Ansatz der Traufschicht der erste Biber genau Fuge auf Fuge über dem letzten Biber der Deckschicht der Hauptdachfläche liegt. Mit speziellen Formziegeln aus dem Herstellerprogramm können rechte und linke Anläufer an den Beispiel: Hechtgaube Eine Hechtgaube ist eine Kombination aus Fledermausgaube und Schleppgaube, die sich durch einen leicht überhöhten Scheitel auszeichnet. Die Übergänge von den Wangen zu den ebenen Flächen dieser Gaube sind stark geknickt. Da die Biberreihen der Hauptdachfläche über die Kehle und Gaubenscheitelfläche durchlaufen, ergibt sich auch deren unterschiedliche Aufteilung. Auch ist von der Gaubenkehle bis zum Grat, zur Hauptkehle oder zum Giebel ein Abstand von mindestens 120 cm dachbau magazin 9 | 2015 ▴▴Neu und alt: Dieser Klosterbiber wurde nach der originalen Vorlage gefertigt 49 Technik im Detail Der schnellste Weg zum sturmsicheren Dach. ▴▴Gut integriert: Diese Hechtgaube auf einer alten Kaserne wurde sorgsam in die Kronendeckung des Biberdachs eingebunden Kehlen als Unterläufer gedeckt werden. So wird der Beginn des Schwungs innerhalb der Hechtgaube im Bereich der Kehlschiftung nahezu sperrungsfrei ausgeführt. Über den Grat am Gaubenanfall können Querwölber eingesetzt werden, um das traditionelle Sperren am Übergang zu reduzieren. Zusätzlich müssen hier auch die Biberschwanzziegel angeschrotet werden, um die Übergänge weicher zu gestalten. Scannen. Windsog berechnen. Sturmklammern einsetzen. www.zinco.de www.fos.de Vermörtelungen Im Fachbuch „Der vollkommene Dachdecker“ von Carl Ludwig Matthaey wurde bereits 1833 die Herstellung von Kalkmörtel beschrieben, der dort mit Kälber- oder Rehhaaren vermischt wird. Auf einen Kubikfuß Mörtel wurde ein Pfund Haare beigemischt. Die Fachregel des Deutschen Dachdeckerhandwerks empfiehlt heute, einen Kalkzementmörtel aus zwei Teilen Kalk, einem Teil Zement »Der Mörtel muss am Firstziegel mit einer Tropfkante abgezogen werden.« Volker Benkert, Geschäftsführer (rechts) und Fachberater Stefan Burk, Dipl.- Ing. (FH) Anfangs eher skeptisch, bin ich mittlerweile ein echter Fan ... ... dieser Stelzlager für Gehbeläge auf dem Dach. Denn in Verbindung mit dem Zubehörprogramm lassen sich auch heikle Details problemlos realisieren. An unserer Baustelle hier in Oberasbach waren das z.B. die Überbrückung großer Dämmkeile im Randbereich und Türaustritte, bei denen der Belag bis dicht zur Aufkantung herangeführt werden sollte“. Volker Benkert, Benkert Dachbegrünung GmbH Co.KG 50 dachbau magazin 9 | 2015 und acht Teilen Sand herzustellen. Durch einen erhöhten Kalkanteil oder durch Zusatzstoffe lässt sich der Mörtel auf der Baustelle besser verarbeiten. In der Denkmalpflege wird häufig auch der Einsatz von sogenanntem Luftkalkmörtel gefordert. First und Grate: Vor dem Vermörteln sollte der Firstziegel gewässert werden – vor allem bei hoher Lufttemperatur. Konische Firstziegel werden in Mörtelleisten aufgesetzt, die zu beiden Dachseiten auf den firstseitigen Ziegeln aufgetragen werden. Da ein vollsatter Auftrag unzulässig ist, muss der Mörtel am Firstziegel zu einer Tropfkante abgezogen werden. Im lederharten Zustand soll der Verstrich kräftig nachgerieben werden, um entstandene Schwundrisse durch das Härten zu schließen. Am schmalen, unterliegenden Teil des konischen Firsts wird ebenfalls ein Mörtelschlag aufgetragen und der nächste Firstziegel aufgesetzt. Der heraustretende Mörtel wird sofort glatt mit der Kelle abgezogen. Die offenen Firstenden werden mit dem Mörtel verstrichen und www.dachbaumagazin.de ▴▴Zur Dichtung der Stoßfuge wird jeder Ziegel an einer Kante mit einem Mörtelstrich versehen ▴▴Eine verfugte Fläche im Kronengebinde: Die Untersicht zeigt Längs- und Querschläge ▴▴Ortgang und First: Die Vermörtelung muss hier mit einer Tropfkante abgezogen werden so geschlossen. Eine zusätzliche Windsogsicherung lässt sich hier mit korrosionsgeschütztem Bindedraht herstellen. In gleicher Weise sollte auch die Vermörtelung der Grate erfolgen: Hier empfiehlt sich jedoch die zusätzliche Lagesicherung der Ziegel durch Nägel oder Schrauben. Ortgänge: Bei der Vermörtelung des Ortgangs kann die Unterplattung im Mörtelbett ausgeführt werden. Hierzu werden Streifen von Schieferplatten auf die Traglattung genagelt und die Ortgangbiber im Wechsel mit halben und ganzen Ortgangbibern in ein Mörtelbett gelegt und verstrichen. So entsteht ein windsicherer Ortgang nach den Vorgaben der Denkmalpflege. Fugen- und Querschläge: Als Forderung der Denkmalpflege kommt auch die Biberschwanzdeckung mit Fugen- und Querschlag zur Anwendung. Hierbei wird der Dachdeckermörtel zur Dichtung der Lagerfuge als Querschlag auf jeder Ziegelreihe in geringem Abstand von der oberen Kante als 1,5 bis 2 cm breiter Streifen aufgetragen und in die darauffolgende Ziegelreihe eingedrückt. Dabei muss der Dachdecker darauf achten, dass keine klaffende Fuge entsteht, die ein Abheben der Ziegel durch Windsog begünstigen würde. Zur Dichtung der Stoßfuge wird dann jeder Ziegel an einer Kante mit einem Mörtelstrich versehen und fest gegen seinen Nachbarziegel geschoben. Diese Arbeiten dürfen nur bei trockenem Wetter ausgeführt werden, weil der frische Mörtel sonst schnell durch den Regen ausgewaschen werden kann. dachbau magazin 9 | 2015 ■ 51
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