MenschenZoos Sonderausstellung zur "Schaustellung des Wilden

URL: http://www.uni-jena.de/Mitteilungen/PM151015_MenschenZoos.pdf
MenschenZoos
Sonderausstellung zur "Schaustellung des Wilden" ab 20. Oktober /
Vernissage am 19.10., 16 Uhr gibt Einblicke in Herkunftsforschung einer
Herero-Kopfhaut
Ein Zoo dient der Haltung und Präsentation von Tieren, die normalerweise nicht in der Nähe leben.
Zoos leben also auch von der Lust des Menschen am Fremden, Unbekannten. Diese Neugier auf
das Fremde konnten früher vor allem die Herrscher ausleben, doch je einfacher das Reisen wurde,
umso mehr Menschen brachen in die Ferne auf und brachten von dort etwas mit. Es waren jedoch
nicht nur exotische Pflanzen und unbekannte Tiere, die mit nach Hause gebracht wurden. Auch
Menschen wurden aus ihrer Heimat verschleppt und dem gaffenden Publikum vorgeführt Menschen als Schauobjekte, die oft als "Freaks" oder "Wilde" in Szene gesetzt wurden.
Mit solchen "MenschenZoos" und der Erfindung des "Wilden" in Europa beschäftigt sich vom 20.
Oktober bis 12. Dezember 2015 die gleichnamige Sonderausstellung in der
Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Wanderausstellung, die erstmals in Deutschland zu sehen
ist, präsentiert auf 22 eindringlich bebilderten Tafeln "Die Schaustellung des Wilden". Die Schau ist
täglich von 7-22 Uhr im 1. Obergeschoss des Universitätshauptgebäudes (Fürstengraben 1) zu
besichtigen, der Eintritt ist frei. Die Öffentlichkeit ist auch zur Vernissage herzlich eingeladen, die
am Montag (19.10.) um 16 Uhr im Senatssaal stattfindet.
Intensive Auseinandersetzung mit der Herkunft von Sammlungsobjekten
Bei dieser Eröffnung wird auch exemplarisch dargelegt, wie intensiv sich die Universität Jena mit
diesem Thema und ihrer Vergangenheit auseinandersetzt. Am Beispiel der "Kopfhaut eines
Herero", die sich in der Lehrsammlung des Zoologischen Instituts befand, wird zum einen
dargelegt, wie auch in der Wissenschaft Rassismus und Vorurteile gefördert oder sogar geschaffen
wurden. Zum anderen wird gezeigt, wie schwer manchmal eindeutige Nachweise der Herkunft
solcher Sammlungsstücke zu erbringen sind. Die Universität Jena hat in diesem Fall einen
externen Wissenschaftler mit der Untersuchung beauftragt. Sein Ergebnis belegt mit hoher
Wahrscheinlichkeit, wer die Kopfhaut wann und aus welchem Gebiet nach Jena gebracht hat.
Auch wenn der eigentliche Träger unbekannt bleibt, so ist geplant, dass die Kopfhaut "in Bälde
offiziell nach Namibia zurückgeführt werden wird", wie Prof. Dr. Martin S. Fischer betont. Der
Direktor des Instituts hatte die Untersuchung initiiert und wird das Ergebnis vorstellen.
"Wilde" ohne Würde
So wie Karl May - ohne selber je dort gewesen zu sein - mit seinen Büchern ein Bild des "Wilden
Westens" ausbreitete, so prägten die verschleppten Männer, Frauen und Kinder das Bild ihrer
Heimat. Zunächst v. a. ab dem 16. Jahrhundert an den Höfen der Herrscher präsentiert, wurden ab
MenschenZoos
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dem 19. Jahrhundert zunehmend die Verschleppten wie Tiere auf dem "Markt" vorgeführt: im
Zirkus, im Theater oder Kabarett, auf Jahrmärkten, in Paraden, Zoos, Dorfnachbauten oder auf
(Welt-)Ausstellungen. Diese Zurschaustellungen - die es in Europa, Amerika und Japan bis Mitte
des 20. Jahrhunderts gab - nahmen den Menschen ihre Individualität und ihre Würde. Der Begriff
"MenschenZoo" will diese Aspekte problematisieren.
Doch nicht nur angeglotzt und als wild oder abnormal abgestempelt wurden die fremden
Individuen. Anthropologen nutzten diese Völkerschauen, um die ausgestellten Personen zu
untersuchen, ihre Gliedmaßen und Schädel zu vermessen, sie zu kategorisieren und daraus
Rassekriterien abzuleiten. Schlimmer noch wurde die Überzeugung vermittelt, dass es eine
Hierarchie der Rassen gebe. Berühmte Beispiele für solche Stigmatisierungen sind die sogenannte
"Venus Hottentotten" Saartjie Baartman und der "Elefantenmensch" John Merrick, deren
Schicksale bereits verfilmt und dadurch bekannt wurden und die auch in der Ausstellung
thematisiert werden.
Vorurteile ganzer Generationen geprägt
Die MenschenZoos prägten die Vorstellungen ganzer Generationen. Ressentiments und Vorurteile,
die die Menschen durch die Völkerschauen und die Propagierung des Rassismus aufnahmen,
wurden generationenübergreifend weitergereicht. Die Ausstellung verfolgt daher auch das Ziel der
Universität, Ursprünge von Rassismus aufzuzeigen und zu erklären, dass "man nicht als Rassist
geboren wird, man wird zu einem gemacht", wie es Lilian Thuram formulierte. Der frühere
französische Fußballweltmeister und seine Anti-Rassismus-Stiftung unterstützen die Ausstellung,
die zuerst in Frankreich gezeigt wurde.
Wissenschaftlich konzipiert wurde diese internationale Exposition von der Forschergruppe ACHAC
unter der Leitung von Pascal Blanchard, welche unterstützt wurde von dem früheren französischen
Fußballnationalspieler Lilian Thuram und dessen Stiftung gegen Rassismus. Die spezifisch
deutsche Fassung der Ausstellung wurde vom Ehepaar Kohlhepp Azzi kuratiert, das den
Hamburger Verlag "Les Éditions du crieur public" leitet und sich zum Ziel gesetzt hat, "über die
vergessene Geschichte der MenschenZoos aufzuklären und dabei ein möglichst breites Publikum
anzusprechen". Die Ausstellung basiert auf dem Buch "Menschenzoos", welches mehr als 40
Beiträge einer internationalen Forschergruppe enthält. Dass die Schau in Jena gezeigt werden
kann, ist Prof. Dr. Martin S. Fischer sowie der Gesellschaft der Freunde und Förderer der
Universität Jena sowie "Lottomitteln" zu verdanken.
Kontakt:
Prof. Dr. Martin S. Fischer
Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie der Universität Jena
Erbertstr. 1, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 949140
E-Mail: [email protected]
Meldung vom: 15.10.2015 13:25 Uhr
Sonderausstellung zur "Schaustellung des Wilden" ab 20. Oktober /Vernissage am 19.10., 16 Uhr gibt Einblicke in Herkunftsforschung einerHerero-Kopfhaut
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