Markus Fleck - Im Visier der Anwaelte.docx

agcs.momentum – Ausgabe Juni 2015
Im Visier der Anwälte.
Börsennotierte Unternehmen in Deutschland erhalten einen großen Teil ihres Kapitals von
institutionellen, auch ausländischen, Investoren – und unterliegen dadurch einer strengen
Kontrolle. Immer häufiger sehen sie sich mit Prospekthaftungsansprüchen von Seiten ihrer
Geldgeber konfrontiert. Markus Fleck schildert die aktuelle Situation wie auch die rechtlichen
Rahmenbedingungen und zeigt Wege auf, wie sich Unternehmen absichern können.
1.
Einleitung
Unternehmensfinanzierung ist in Deutschland traditionell eine Sache der Banken, sie ist
weniger stark auf den Kapitalmarkt ausgerichtet.1 Veränderungen im regulatorischen Umfeld
der Banken, erhöhte Risikozuschläge bei der Kreditvergabe seit Beginn der Weltfinanzkrise
sowie die Neuausrichtung des Geschäftsmodells einzelner Banken lassen jedoch auch in
Deutschland eine zunehmende Bedeutung des Kapitalmarkts für die Unternehmensfinanzierung erkennen.2 Der deutsche Kapitalmarkt gewinnt nicht nur für einheimische Unternehmen an Bedeutung, auch für ausländische Investoren wird er zunehmend interessant.
Die steigende Bedeutung des Kapitalmarktes für die Finanzierung deutscher Unternehmen
und die erhöhte Aktivität ausländischer institutioneller Investoren am deutschen Kapitalmarkt
geben Anlass, die mit der Beschaffung von Eigen- oder Fremdkapital am deutschen Kapitalmarkt verbundenen haftungsrechtlichen Risiken einmal näher zu betrachten.
2.
Rahmenbedingungen für die Beschaffung von Eigen- bzw. Fremdkapital
Die Rahmenbedingungen für die Beschaffung von Eigen- oder Fremdkapital verändern sich
ständig. Dies gilt zunächst für die rechtlichen Rahmenbedingungen.
2.1
Rechtliche Rahmenbedingungen
Der Gesetzgeber hat sich zum Ziel gesetzt, die regulatorischen Anforderungen für die
An-bieter von Kapitalmarkt-Produkten zu verschärfen, um das Vertrauen der Anleger in den
Finanzmarkt zu stärken. In der Einleitung des Entwurfs eines Kleinanlegerschutzgesetzes
wird die gesetzgeberische Zielsetzung wie folgt beschrieben:
1
Die Kapitalmarktfähigkeit von Familienunternehmen, Stiftung Familienunternehmen und PricewaterhouseCoopers, München
2011, S. 46; Unternehmensbefragung, KfW Bankengruppe, Frankfurt am Main 2014, S. 31.
2
Die Kapitalmarktfähigkeit von Familienunternehmen, Stiftung Familienunternehmen und PricewaterhouseCoopers, München
2011, S. 47.
1
„In jüngster Zeit haben Anleger durch Investitionen in Vermögensanlagen erhebliche Vermögenseinbußen erlitten, indem sie in Produkte investierten, die nur
einer eingeschränkten Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterlagen. Die eingetretenen Vermögensschäden beruhten
auch auf der fehlerhaften Annahme der Anleger, hohe Renditen könnten ohne
Risiko erreicht werden. Als Folge dieser irrigen Annahme wurde nicht nur das
Vertrauen der betroffenen Privatanleger, sondern auch das Vertrauen nicht
unmittelbar betroffener Anleger in den Finanzmarkt getroffen.“3
Diese Zielsetzung verfolgt die Gesetzgebung nicht nur bei der Regulierung des früher
„grauen“ Kapitalmarktes, sondern auch bei der Regulierung des Marktes für Unternehmensfinanzierungen. Maßgeblich sind insoweit das Wertpapierprospektgesetz und das
Vermögensanlagegesetz. Beide Gesetze normieren für ihren jeweiligen Anwendungsbereich
eine Prospektpflicht und eine Prospekthaftung für den Anbieter von Wertpapieren bzw.
Vermögensanlagen. Die letzte grundlegende Neuordnung der gesetzlichen Börsenprospekthaftung geht zurück auf das am 01.06.2012 in Kraft getretene Gesetz zur Novellierung des
Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagerechts. Diese Gesetzesnovelle führte zur
Ablösung des Verkaufsprospektgesetzes durch das Vermögensanlagegesetz (VermAnlG)
und zur Neuregelung der Prospekthaftung im Wertpapierprospektgesetz (WpPG).4
2.1.1 Börsenprospektpflicht und -haftung nach dem Wertpapierprospektgesetz
Wertpapiere, die in Deutschland an einer Börse gehandelt werden sollen, bedürfen der
Börsenzulassung.5
Über die Börsenzulassung entscheidet die Geschäftsführung der Börse. Zulassungsvoraussetzung ist unter anderem ein nach den Vorschriften des Wertpapierprospektgesetzes durch
die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebilligter Verkaufsprospekt.
Eine solche Prospektpflicht besteht in der Regel auch dann, wenn Wertpapiere öffentlich
angeboten werden.6
Die Haftung für einen fehlerhaften Börsenzulassungsprospekt findet sich jetzt in § 21 WpPG:
Der Erwerber eines an der Börse gehandelten Wertpapiers kann von denjenigen, die für den
Prospekt die Verantwortung übernommen haben und von denjenigen, von denen der Erlass
des Prospekts ausgeht, die Übernahme des Wertpapiers gegen Erstattung des Erwerbspreises verlangen. Dies gilt auch für nicht zum Börsenhandel zugelassene Wertpapiere, die
öffentlich angeboten wurden, §§ 21, 22 WpPG. Da bei der inhaltlichen Gestaltung der
Prospekthaftung die frühere gesetzliche Regelung im abgelösten § 44 BörsG annähernd
3
Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Kleinanlegerschutzgesetzes“, Deutscher Bundestag, Drucksache 18/3994
vom 11.02.2015, S.1.
4
Dr. Dieter Leuering, Die Neuordnung der gesetzlichen Prospekthaftung, NJW 2012, S. 1906.
5
§ 32 Abs. 1 BörsG.
6
§ 3 Abs. 1 WpPG.
2
wortgleich übernommen wurde, bleibt die Rechtsprechung vor der Gesetzesänderung
einschlägig.
Weitergehende Änderungen hat jedoch das Verjährungsrecht erfahren. Nach der alten
Gesetzeslage verjährten Prospekthaftungsansprüche gemäß § 46 BörsG ein Jahr, nachdem
der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben im Prospekt Kenntnis
erlangt hat, spätestens jedoch nach drei Jahren ab der Veröffentlichung des Prospekts. Nach
der Gesetzesänderung gelten jetzt die allgemeinen Regeln des BGB: Damit verjähren
Prospekthaftungsansprüche innerhalb von drei Jahren ab Ende desjenigen Jahres, in
welchem der Erwerber Kenntnis von Fehlern im Prospekt sowie Kenntnis über die Person
des Schuldners erlangt, spätestens jedoch nach zehn Jahren.7
Auch das Verhältnis der Prospekthaftung zur deliktsrechtlichen Haftung wurde neu geregelt.
Nach der früheren Gesetzeslage ließ die börsengesetzliche Prospekthaftung weitergehende
Ansprüche auf der Grundlage des bürgerlichen Rechts, die wegen vorsätzlicher oder grob
fahrlässiger deliktischer Handlungen geltend gemacht werden konnten, unberührt.8 Diese
Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ist mit der Gesetzesänderung entfallen.9
2.1.2 Die Prospektpflicht und -haftung nach dem Vermögensanlagegesetz
Wer im Inland Vermögensanlagen öffentlich anbietet, ist gemäß § 6 VermAnlG verpflichtet,
einen Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, der vorab durch die BaFin gebilligt werden muss.
Die Haftung für einen fehlerhaften Verkaufsprospekt nach dem VermAnlG ist entsprechend
der Börsenprospekthaftung ausgestaltet, §§ 20 - 22 VermAnlG. Für die Ansprüche nach dem
Vermögensanlagegesetz gelten zudem die allgemeinen Verjährungsregeln. Auch das
Verhältnis zur vertraglichen oder zur deliktischen Haftung wurde in § 20 Abs. 5 VermAnlG
entsprechend der Bestimmungen im WpPG geregelt.
2.2
Sonstige Rahmenbedingungen
Auch die sonstigen Rahmenbedingungen, die das Risiko eines Emittenten von Wertpapieren
und Vermögensanlagen beeinflussen, wandeln sich.
2.2.1 Sich schnell verändernde Marktbedingungen für emittierende Unternehmen
Die BaFin veröffentlicht in ihren Jahresberichten, wie vielen Börsenprospekten sie in einem
Kalenderjahr die Billigung erteilt hat.10
7
§§ 195, 199 BGB.
§ 47 II BörsG a.F.
9
§ 25 II WpPG.
10
Jahresberichte der BaFin 2006 – 2013, veröffentlicht auf der Internetseite der BaFin:
http://www.bafin.de/DE/DatenDokumente/Dokumentlisten/ListeJahresberichte
8
3
Produkt
2006
2007
2008
2009
2010
Aktien (IPO/SPO)
178
155
97
88
66
Derivative Produkte
429
387
251
148
Schuldverschreibungen
173
112
215
Registrierungsformulare
33
41
40
Nachträge
Gesamt
2011
2012
2013
69
75
75
166
140
150
223
197
219
214
187
168
28
32
31
28
33
456 1.127 2.078 2.016
1.620
2.585
2.603
2.725
1.269 1.822 2.681 2.477
2.102
3.039
3.043
3.224
Laut BaFin ist die Zahl der ausgesprochenen Billigungen im Zeitraum von 2006 bis 2013 von
1.269 auf 3.224 angestiegen. Dieser Anstieg überrascht zunächst, wenn man berücksichtigt,
dass im gleichen Zeitraum die Zahl der Börsengänge und Kapitalerhöhungen von 178 auf 75
und die Zahl Neuemissionen von Wertpapieren insgesamt von 813 auf zuletzt 364
zurückgegangen ist.
3000
2500
Aktien (IPO/SPO)
2000
1500
Neuemissionen
Gesamt
1000
Nachträge
500
0
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
Zu erklären ist der starke Anstieg der Billigungen mit den Nachträgen zu bereits gebilligten
Prospekten. Gemäß § 16 Abs. 1 WpPG ist der Emittent eines Wertpapiers verpflichtet, neue
Umstände, die die Beurteilung des Wertpapiers beeinflussen könnten, in der Form eines
durch die BaFin zu billigenden Nachtrages zu einem Prospekt bekannt zu geben. Ändern
sich also zum Beispiel für ein Unternehmen, das im Bereich alternativer Energien tätig ist,
während der während der Dauer des öffentlichen Angebotes des Wertpapiers durch die
Verringerung staatlicher Förderungsmaßnahmen die Wachstums- und Gewinnaussichten,
dann ist dieser Umstand nachtragspflichtig.
Die Zahl der durch die BaFin gebilligten Prospektnachträge ist zwischen 2006 und 2013 von
456 auf 2.725 angestiegen.11
11
Jahresberichte der BaFin 2006 – 2013, veröffentlicht auf der Internetseite der BaFin:
http://www.bafin.de/DE/DatenDokumente/Dokumentlisten/ListeJahresberichte.
4
Nach Einschätzung der BaFin hat die Zunahme der zur Billigung eingereichten Nachträge in
erster Linie mit der gegenwärtigen Wirtschaftslage zu tun, in der sich in den jeweiligen
Märkten der Emittenten immer häufiger und immer schneller neue Umstände ergeben, die
für das emittierende Unternehmen und damit auch für die Beurteilung der emittierten
Wertpapiere von wesentlicher Bedeutung sind.12
2.2.2 Steigende Zahl ausländischer institutioneller Investoren
Der unternehmerische Erfolg deutscher Aktiengesellschaften bleibt ausländischen Investoren
nicht verborgen. Folgerichtig befanden sich im September 2014 mit 57,1% mehr als die
Hälfte der Marktkapitalisierung deutscher Aktiengesellschaften in ausländischem Besitz. Bei
den Investoren aus dem Ausland handelt es sich nach Einschätzung der Deutschen Bundesbank fast ausschließlich um institutionelle Inverstoren. Den restlichen, auf inländische
Investoren entfallenden Anteil an der Marktkapitalisierung deutscher Aktiengesellschaften
teilen sich institutionelle Investoren (29,4%) und Privatpersonen (11,8 %).13
Eigentümerstruktur börsennotierter Aktiengesellschaften in % nach
Marktkapitalisierung14
Eigentümer
200
200
200
200
201
201
201
201
201
6
7
8
9
0
1
2
3
4
Gesamtmarktkapitalisierung zum 31.07.2014: EUR 1.200.000.000.000; 1%= EUR
12.000.000.000
Inländer
46,
41,
48,
45,
44,
45,
44,
42,
42,
§
Private Haushalte
4
2
4
4
9
8
6
8
9
§
Institutionelle
11,
10,
10,
12,
12,
13,
12,
11,
11,
Investoren
2
0
3
6
8
1
2
4
8
32,
29,
36,
31,
30,
31,
30,
29,
29,
7
4
1
1
6
1
3
6
4
54,
53,
51,
54,
55,
54,
55,
57,
57,
5
6
6
6
1
2
4
2
1
Ausländer
Diese Veränderung der Eigentümerstruktur ist für Emittenten von Wertpapieren von besonderer Bedeutung. Anders als Privatpersonen überwachen institutionelle Investoren, die
12
13
14
11. Jahresbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, S.216, Bonn und Frankfurt am Main im Mai 2012.
Monatsbericht der Deutschen Bundesbank September 2014, Frankfurt am Main 2014, S. 23.
Monatsbericht der Deutschen Bundesbank September 2014, Frankfurt am Main 2014, S. 24.
5
zwischenzeitlich 86,50% der Marktkapitalisierung deutscher Aktiengesellschaften besitzen15,
das unternehmerische Handeln der Unternehmen, an denen sie Beteiligungen erworben
haben, sehr genau. Institutionelle Anleger aus den Vereinigten Staaten von Amerika haben
dabei die Möglichkeit, auf Dienstleistungsangebote von Drittunternehmen zurückzugreifen.
Eine wichtige Rolle spielen zunächst sogenannte „Proxy Berater“ (Stimmrechtsberater) wie
das Unternehmen Institutional Shareholder Services, Inc.. Es unterstützt institutionelle
Investoren dabei, die mit der Unternehmensbeteiligung verbundenen Aktionärsstimmrechte
im Sinne der Corporate Governance-Vorstellungen der Investoren auszuüben.16 Diese
Tätigkeit übt das Unternehmen bereits für mehr als 1600 institutionelle Anleger im Hinblick
auf mehr als 39.000 Unternehmen in mehr als 115 unterschiedlichen Märkten aus.17
Das Service Angebot von Institutional Shareholder Services, Inc. geht nach eigenen
Angaben jedoch noch deutlich weiter. Auf der Webseite des Unternehmens werden zum
Beispiel Securities class action services beworben. Diese Serviceleistungen beinhalten im
Paket folgende Leistungen:18
Anders als die Beschreibung der Serviceleistungen es vermuten lässt, ist das Serviceleistungsangebot dabei nicht auf die USA beschränkt. Explizit wirbt das Unternehmen damit,
auch Verfahren in Deutschland führen zu können. Seinen Kunden bietet das Unternehmen
auch Webinarschulungen an, zum Beispiel zum Thema “International Filing: Participate in
Opt-in Litigation in Australia, Germany and the United Kingdom.”19
Die Dienstleitung kann entweder zum jährlichen Festpreis oder aber auch auf Erfolgshonorarbasis eingekauft werden.20 Damit haben die institutionellen Anleger die Möglichkeit,
15
Monatsbericht der Deutschen Bundesbank September 2014, Frankfurt am Main 2014, S. 23.
Die Geheime Macht im DAX, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 26.04.2015, S. 31.
http://www.issgovernance.com/about/about-iss/ am 30.04.2015.
18
http://www.issgovernance.com/governance-solutions/securities-class-action-services/
19
http://www.issgovernance.com/governance-solutions/securities-class-action-services/ am 30.04.2015.
20
http://www.issgovernance.com/governance-solutions/securities-class-action-services/ am 30.04.2015.
16
17
6
das wirtschaftliche Risiko der Überwachung der eigenen Portfoliogesellschaften und der
Anspruchsverfolgung komplett auszulagern.
Ein vergleichbares Geschäftsmodel betreiben am deutschen Markt verstärkt auftretende
amerikanische Rechtsanwaltskanzleien. Sie vertreten institutionelle Anleger, wenn es im
Zusammenhang mit Beteiligungen an deutschen Aktiengesellschaften darum geht, Schadenersatzansprüche durchzusetzen. Eine u.a. in Frankfurt ansässige, internationale Kanzlei
etwa vertritt weltweit führende Investment- und Asset-Manager, Mutual Fund Gesellschaften
und andere institutionelle Anleger, die insgesamt ein Anlegevermögen von mehr als 3
Billionen US$ verwalten. Laut eigenen Angaben erwirtschaftete sie für ihre Mandanten
bereits mehr als eine Milliarde US$ Entschädigungsforderungen bei Rechtsstreitigkeiten in
Kanada, Deutschland, den Vereinigten Staaten, Großbritannien und den Niederlanden.
Neben der anwaltlichen Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen bietet besagte Kanzlei
das aktive Portfoliomonitoring, die Ermittlung der Anspruchskonstellationen sowie Aktivitäten
auf Erfolgshonorarbasis an. 21
3.
Auslöser für Verfahren
Die beschriebenen Entwicklungen machen eines deutlich: Für Unternehmen, die sich Eigenoder Fremdkapital am Kapitalmarkt beschaffen, hat sich das Risiko, mit Börsenprospekthaftungsansprüchen konfrontiert zu werden, deutlich erhöht. Die inhaltliche Richtigkeit von
Wertpapier- oder Vermögensanlageprospekten werden dann in Zweifel gezogen werden,
wenn im Falle einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung bei der Emittentin die Veröffentlichung von Prospekt-Nachträgen oder die Publikation von Ad-hoc-Meldungen nach dem
Wertpapierhandelsgesetz Anlass zu einer Überprüfung des Prospektinhaltes geben. Dabei
werden zunehmend Unternehmen tätig, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der
Entdeckung von Umständen haben, die die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen ermöglichen. Die zwischenzeitlich geltenden langen Verjährungsfristen
verschaffen den potentiellen Anspruchstellern dazu ausreichend Zeit.
4.
Die Versicherung
Die beschriebenen Veränderungen der Rahmenbedingungen am deutschen Kapitalmarkt
führen notwendigerweise dazu, sich im Falle einer anstehenden Wertpapier- oder Kapitalanlageemission mit den insoweit verfügbaren Versicherungslösungen zu befassen. Dabei
greift es zu kurz, sich ausschließlich mit einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für
21
http://www.drrt.com/index.php?/sectional/about/210/ am 30.04.2015.
7
Wertpapieremissionen zu beschäftigen. Anschaulich zeigt dies die nachfolgende Abbildung22,
die den typischen Verlauf einer Wertpapieremission darstellt.
Hier lässt sich erkennen, dass der Versicherungsschutz unter einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Wertpapieremissionen erst dann zustande kommt, wenn die geplante
Wertpapieremission tatsächlich durchgeführt wird. Da dies bis unmittelbar vor der Erstnotiz in
Frage steht, ist zunächst darauf zu achten, diejenigen Risiken abzusichern, die sich aus der
möglichen Absage einer Wertpapieremission ergeben. Hier bietet sich eine entsprechende
Deckungserweiterung zur Konzern-D&O-Police an, durch die auch die Risiken von an der
Vorbereitung der Wertpapieremission beteiligten Konzerngesellschaften abgesichert werden
können.
Ist die Wertpapier- oder Vermögensanlageemission realisiert, bietet eine Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherung für Wertpapieremissionen Versicherungsschutz für Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung der Wertpapieremission. Insoweit ist darauf zu achten, dass nicht nur Pflichtverletzungen im Rahmen der
Roadshow vom Versicherungsschutz umfasst sind, sondern dass sämtliche Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Wertpapieremission versichert
sind. Auch Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Erstellung von ProspektNachträgen sollten vom Versicherungsschutz umfasst sein.
Ein wichtiges Element einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Wertpapieremissionen stellt auch der vorbeugende Rechtsschutz in Kombination mit dem Aktivrechtsschutz dar. Werden unrichtige Angaben in einem Prospekt entdeckt oder von einem Dritten
wahrheitswidrig behauptet, sollten Abwehrkosten bereits vor der Geltendmachung eines
Schadenersatzanspruches versichert sein. Auch der Zugang zu auf sensible Kommunikation
22
AGCS, „Die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Wertpapieremissionen (POSI) – Aktuelle Entwicklungen und neue
Möglichkeiten“; Präsentation anlässlich des Financial Lines Fachforums 2015, Frankfurt am Main am 19.05.2015
8
spezialisierte Krisenkommunikationsberater muss bereits in diesen Situationen zum
Versicherungsschutz gehören.
Nach den Bestimmungen des WpPG und des VermAnlG haften neben der Emittentin auch
die begleitenden Konsortialbanken für unrichtige oder unvollständige Angaben in einem
Prospekt. Regelmäßig vereinbaren die Konsortialbanken mit der Emittentin Haftungsfreistellungsvereinbarungen im Rahmen des der Wertpapieremission zu Grunde liegenden
Underwriting Agreements. Die Einbeziehung der Freistellungsansprüche der Konsortialbanken gehört aus diesem Grunde ebenfalls zu einer Versicherungslösung.
Sofern die Anlegerstruktur bei der Emittentin oder die Form der Transaktion es erfordert,
kann über die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Wertpapieremissionen auch
das Risiko veräußernder und Kontrolle ausübender Aktionäre mit abgesichert werden.
Wird zudem die Laufzeit der Versicherung den einschlägigen Verjährungsbestimmungen
angepasst, so ist für umfassenden Versicherungsschutz gesorgt und die Emittentin kann sich,
trotz des sich dauernd verändernden Marktumfeldes, guten Gewissens an die Börse wagen.
Der Autor:
Markus Fleck ist im Financial Lines Underwriting Team der AGCS Deutschland für die
Produktentwicklung verantwortlich.
9