Einsatz im Ebola-Gebiet

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Mittwoch, 4. November 2015
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Kreis Altenkirchen
Siegener Zeitung
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Buchausstellung mit
„Foto-Spaziergang“
sz Niederfischbach. Wie in jedem
Jahr drei Wochen vor dem 1. Advent
führt die Katholische Öffentliche Bücherei (KÖB) Niederfischbach ihre
große Buchausstellung durch. Von Freitag bis Sonntag, 6. bis 8. November,
wird im großen Saal des Pfarrzentrums
am „Siegerländer Dom“ eine umfangreiche Auswahl an Titeln präsentiert, vornehmlich Neuerscheinungen dieses
Jahres. Die Titel werden laut Pressemitteilung zum einen vom Borromäusverein (Bonn) zur Verfügung gestellt, zum
anderen präsentiert die KÖB auch einen großen Teil ihrer Neuerwerbungen.
Die Auswahl reicht vom Steifdeckelbilderbuch über erzählende Literatur
bis zu Sachbüchern und Nachschlagewerken. Hinzu kommen zahlreiche Kalender. Die Besucher können dabei ungezwungen stöbern und auswählen.
Wenn geeignete Titel als Geschenk
oder zum Eigenbesitz gefunden werden,
können diese bestellt werden. Da der
Erlös der Ausstellung zu 100 Prozent in
den Erwerb neuer Bücher für den Leihverkehr fließt, profitieren alle Leser der
Bücherei von dieser Aktion.
In diesem Jahr stellt Dirk Rosenthal
eine Auswahl seiner Fotos aus, die zu
einem „Spaziergang durch das alte Niederfischbach“ einladen. Zur Eröffnung
der Buchausstellung am Freitag lädt das
Büchereiteam zu einem Fachvortrag
ein. Joachim Brenner von der Kreisverwaltung Altenkirchen referiert über
„Vorsorgende Verfügungen – für jedes
Alter wichtig“ um 18.30 Uhr in der Bücherei. An diesem Abend wird auch das
neue Leihringpaket vorgestellt.
Die Ausstellung ist geöffnet am Freitag von 18.30 Uhr bis 21 Uhr, am Samstag von 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr sowie
am Sonntag von 10.30 Uhr bis 12 Uhr
sowie von 14 bis 18 Uhr. Am Sonntag ab
14 Uhr bieten die Messdiener Kaffee
und Kuchen an. Der Erlös wird für deren Jugendarbeit verwendet.
Müller-Jahncke seit
50 Jahren in der FDP
sz Kirchen. Der FDP-Ortsverband
gratulierte jetzt Prof. Dr. Wolf-Dieter
Müller-Jahncke zur 50-jährigen Mitgliedschaft in der Partei. Müller-Jahncke trat mit 21 Jahren, am 13. Oktober
1965, in die FDP ein. Sein damaliges, bis
heute geltendes Motto: „Es muss ja auch
noch Vernünftige in Deutschland geben.“ In heimischer Runde gratulierten
der Kreisvorsitzende Dr. Axel Bittersohl
und Ortsvorsitzender Heinz-Robert
Stettner, verbunden mit Dank und Gruß
des Landesvorsitzenden Dr. Volker
Wissing und des Bundesvorsitzenden
Christian Lindner, in Form von Urkunde und Medaille.
Prof. Dr. Wolf-Dieter Müller-Jahncke
(l.) nahm die Glückwünsche von HeinzRobert Stettner entgegen.
Foto: FDP
Spielzeugbasar
der Kita Herdorf
sz Herdorf. Zum 12. Spielzeugbasar
lädt die kommunale Kindertagesstätte
am Samstag, 14. November, von 14 bis
15.30 Uhr ein. Verkauft wird Kinderspielzeug aller Art sowie Kinderzubehör (z. B. Autositze, Karnevalskostüme
und Kinderwagen). 10 Prozent vom
Verkaufserlös kommen der Kita zugute.
Wer etwas verkaufen will, kann heute
und morgen, jeweils von 8 bis 9 Uhr und
von 11.30 Uhr bis 12.30 Uhr, eine Liste
im Foyer der Kindertagesstätte kaufen.
Fragen beantworten Ulrike Meißner,
Tel. (0 27 44) 93 16 44, und Ramona Ermert, Tel. (0 27 44) 93 07 84.
FAMILIEN-CHRONIK
Hermann B r e n n e r , 82 Jahre, Elkenroth, Im Elbbachtal 2. – Das Sterbeamt ist heute um 14.30 Uhr in der Pfarrkirche St. Elisabeth in Elkenroth; anschließend ist die Beisetzung auf dem
örtlichen Friedhof.
Simone Ross wagte auch einen Abstecher in den Slum von Freetown. Es lässt sich erahnen, was hier ein Ebola-Ausbruch bewirkt.
Fotos: privat
Einsatz im Ebola-Gebiet
FREETOWN / WEITEFELD
Kinderkrankenschwester Simone Ross arbeitete sechs Monate in einer Isolierstation in Sierra Leone
Schutzanzug, Maske
und Handschuhe wurden
stets sofort verbrannt.
dach � Simone Ross hatte schon viel
erlebt. Die Krankenschwester arbeitete elf
Jahre lang im Kinderkrankenhaus der
Uniklinik Bonn, die vergangenen fünf
Jahre auf der Intensivstation. Doch das,
was den Arbeitsalltag der 32-Jährigen von
April bis September bestimmt hat, ist mit
ihrer bisherigen Tätigkeit in keiner Weise
zu vergleichen: Simone Ross, aufgewachsen in Weitefeld, engagierte sich in einer
Ebola-Isolierstation in Sierra Leone.
Nach ihrer Ausbildung war sie der ehemaligen Bundeshauptstadt treu geblieben.
Doch Ende 2014 war Schluss, Simone Ross
brach ihre Zelte in Bonn ab. „Es war Zeit,
einen neuen Schritt zu wagen.“ Auch wenn
sie wusste, dass sie auf dem Arbeitsmarkt
derzeit beste Chancen haben würde: Sie
gab damit eine Festanstellung auf.
Mit ihrem medizinischen Hintergrund
wollte sie sich nun in der humanitären
Hilfe einbringen, das Ausland war sowieso
stets interessant für Simone Ross. Nach
dem Fach-Abi war sie für ein Jahr als Aupair in die USA gegangen; außerdem hatte
sie sich vor einigen Jahren einer Initiative
eines Kinder-Herzchirurgen ihrer Klinik
angeschlossen und zehn Tage lang im
Nordirak Dienst getan. Beide Erfahrungen
kamen ihr bei der Bewerbung zupass: Mit
der Organisation Cap Anamur wurde sie
sich schnell einig – auch wenn zunächst
überhaupt nicht klar war, wohin die Reise
gehen sollte.
In Freetown, der Hauptstadt von Sierra
Leone, unterstützt Cap Anamur ein Kinderkrankenhaus mit Material und Medikamenten, mit Schulungen und auch Personal. Es ist das einzige im ganzen Land, so
Simone Ross. Da lag es nah, eine bestens
ausgebildete
Kinderkrankenschwester
dort einzusetzen. Zumal der westafrikanische Staat einer derjenigen war, die die
Ebola-Epidemie im vergangenen Jahr mit
voller Wucht getroffen hatte.
Simone Ross gehörte in Freetown zur
Ebola Holding Unit. In dieser Abteilung
wurden sämtliche Kinder und Jugendliche
isoliert, die Ebola-Symptome zeigten, berichtet die Weitefelderin. Hier hielt sich
das Team an das Screening der Weltgesundheitsorganisation WHO: Kommen bei
einem Patienten zu Fieber drei weitere
Symptome hinzu – etwa Bauchschmerzen,
Durchfall oder Atembeschwerden – wurde
isoliert. Sämtliche Verdachtsfälle mussten
bis zum Eintreffen des Testergebnisses
ausharren.
Der Vorteil: Zeitweise war ein holländisches Labor-Team auf dem Gelände der
Kinderklinik. In zwei Chargen am Tag
wurden die Blutproben untersucht. An-
Cap Anamur
Cap Anamur/Deutsche Notärzte e.V.
ist eine Hilfsorganisation mit Sitz in
Köln. 1979 wurde sie unter anderem
von Heinrich Böll und Rupert Neudeck, der bis vor einigen Jahren deren Aushängeschild war, gegründet.
Die Ursprünge liegen in der Rettung
vietnamesischer Boat People – mit
der zum Hospitalschiff umgebauten
„Cap Anamur“. Heute leistet der Verein weltweit humanitäre Hilfe, stets
in Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren. Für die Einsätze im Ausland
sucht Cap Anamur regelmäßig medizinisches Personal sowie Handwerker/Techniker. Weitere Informationen unter www.cap-anamur.org
im Internet.
Diese Aufnahme ist in der Pekin-Paddy-Station für Straßenkinder in Freetown gemacht
worden. Simone Ross hat hier einen behinderten Jungen im Arm, der von seinem „Onkel“
in der Isolierstation des Kinderkrankenhauses ausgesetzt worden ist.
Wie im Hollywood-Film „Outbreak“: Simone Ross auf ihrem täglichen Gang in die Isolierstation des Kinderkrankenhauses. Die Schutzanzüge, Handschuhe und Masken wurden
nach einmaligem Tragen verbrannt.
sonsten dauerte es zwei bis drei Tage bis
zum Testergebnis.
Gab es Entwarnung aus dem Labor,
konnten die Kinder entweder wieder nach
Hause oder zur weiteren Behandlung in
die eigentliche Klinik. Für manch kleinen
Patienten war dies allerdings schon zu
spät. Simone Ross erzählt von einem
15-jährigen Jungen. Zum ersten Mal in ihrem Leben sah sie, wie jemand unter
Wundstarrkrampf litt. „Ich war mir ziemlich sicher, dass es kein Ebola ist.“ Nur:
Gewissheit gab es zunächst nicht. Zwar
schaffte der Junge es nach dem Bluttest
noch bis ins Krankenhaus, starb aber zwei
Tage später. „Das war ein Erlebnis, das
man nicht so schnell vergisst.“
Zu Beginn ihres Aufenthalts nahm das
Team 50 bis 60 Kinder pro Woche auf, in
den Sommermonaten waren es 100 bis 110:
In der Regenzeit stieg die Zahl der Malaria-Fälle. Das Problem für Ärzte und
Krankenschwestern: „Die Anfangssymptomatik von Ebola und Malaria lässt sich
nicht unterscheiden.“
Die Erfahrung aus der Bonner Uniklinik
nutzte Simone Ross nur bedingt. Denn:
„Wir hatten ja nichts“, sagt sie zur Ausstattung – keine Spritzenpumpen, keine Sauerstoffanschlüsse, keine Überwachungsmonitore. Das einzige Gerät: ein Infrarotthermometer. Die große Herausforderung
sei es gewesen, das theoretische Wissen
mit den reellen Voraussetzungen überein
zu bringen: „Damit musste ich am Anfang
erst einmal umgehen lernen.“ Immerhin:
Die Versorgung mit den wichtigsten Medikamenten war demnach im Großen und
Ganzen in Ordnung.
Und auch die eigene Sicherheit habe
stets Priorität gehabt. Das sah ungefähr so
aus wie in dem Hollywood-Streifen „Outbreak“: Jedes Mal, wenn Simone Ross oder
eine ihrer Kolleginnen die Isolationsstation betraten, streiften sie einen Kunststoffeinteiler, drei Paar Gummihandschuhe, eine Mund-Nasen-Maske, eine
Schürze und ein Plexiglas-Visier über –
bei 30 Grad im Schatten. Unter diesen Bedingungen sei maximal eine Stunde pro
Schicht zu leisten gewesen.
Die komplette Montur wurde, nachdem
sie nach einer speziellen Prozedur wieder
ausgezogen worden war, sofort verbrannt.
Zur Prozedur gehörte auch, mit einer bestimmten Chemikalie besprüht zu werden
und auch, zwei Minuten lang in einem
Desinfektionsbecken zu stehen. „Die
längsten zwei Minuten“, berichtet Simone
Ross: „Das Herz pocht und der Schweiß
läuft überall runter.“ Angst hatte sie offenbar kaum: „Wenn man sich streng an die
Abläufe hält, ist die Ansteckungsgefahr
recht gering.“
Die Isolationsstation ist vor einem Jahr
gebaut worden: eine Holzkonstruktion mit
Plastikplanen als Wände. Für die Körperhygiene bekam jeder Patient drei Eimer.
Der Betrieb eines eigenen Sanitärbereichs
sei so gut wie unmöglich gewesen. Überhaupt muss die Ausstattung sehr spartanisch gewesen sein. Es gab lediglich ein
Bett und einen Infusionsständer pro Patient.
Selbstverständlich hat die Kinderkrankenschwester viele Fotos während ihres
Aufenthalts in Freetown gemacht – nur
nicht vom Inneren der Isolierstation. Und
dafür hat sie eine logische Erklärung: „Ich
konnte keine Bilder von drinnen machen.
Hätte ich meine Kamera mit reingenommen, hätte ich sie anschließend verbrennen müssen.“
Von April bis Ende September, berichtet Simone Ross, gab es drei Ebolafälle in
dieser Isolationsstation. Ein vierjähriges
Mädchen hat den Kampf gegen das Ebolavirus gewonnen. Für zwei Kleinkinder
kam jede Hilfe zu spät: Zwei Mädchen
(acht und 18 Monate) kamen ums Leben.
Immerhin, das jüngere der beiden Kinder
sei bislang der letzte bekannte Ebola-Fall
in Freetown gewesen.
Ein behinderter Junge wurde derweil in
der Isolationsstation ausgesetzt. Der
Mann, der ihn brachte, vermutlich sein
Vater, gab an, sein Onkel zu sein. Er behauptete, sein Neffe habe Ebola-Symptome gezeigt – und machte sich prompt aus
dem Staub. Der Junge kam schließlich in
einem Heim für Straßenkinder unter.
„Eine ganz arme Socke“, so Simone Ross.
An einen Fall erinnert sie sich besonders: an einen unterernährten Säugling.
„Er konnte schon gar nicht mehr richtig atmen.“ Seine Mutter habe erzählt, dass er
auf eine Bluttranfusion warte. Und Blut, so
Ross, sei in Sierra Leone ein noch weitaus
kostbareres Gut als in Deutschland. Selbst
Krankenschwestern hätten in der Regel
schlechte Karten, wenn sie in die Blutbank
kommen. Doch in diesem Fall schickte Simone Ross eine Kollegin mit allem Nachdruck dorthin: Die Schwester von Cap
Anamur verlange nach Blut. Und siehe da:
Eine Konserve wurde ausgehändigt, der
Säugling wurde gerettet und kam auf die
Intensivstation. „Dafür lohnt es, sich den
Strapazen auszusetzen.“
In Freetown selbst sei Ebola stets präsent gewesen. „Die Leute leben einfach damit.“ An jeder Straßenecke hingen Plakate
mit Verhaltenshinweise oder motivierenden Slogans. Es gab Ausgangssperren,
Sportverbote und Hygienemaßnahmen
unter Militärpräsenz. Im Laufe ihres Aufenthaltes seien die Maßnahmen allerdings
gelockert worden.
Für sich selbst zieht Simone Ross eine
überaus positive Bilanz: „Ich bin froh, den
Schritt gemacht zu haben.“ Man bekomme
einen anderen Blick auf die Welt. „Auch
wenn man weiß, wie priviligiert wir hier
leben: Wenn man sieht, wie die Leute dort
zurechtkommen müssen, wird man noch
dankbarer.“
Ob es ihr letzter humanitärer Einsatz
gewesen sein wird? „Nee“, sagt Simone
Ross und lächelt. Den deutschen Klinikalltag kann sie sich im Moment nicht vorstellen. Wenn sie in ihrem Elternhaus in Weitefeld wieder genügend Kraft getankt hat,
will sie wieder für Cap Anamur irgendwo
in der Welt helfen. „Dann aber vielleicht
abseits von Ebola.“
Achim Dörner
Sierra Leone
Sierra Leone liegt an der afrikanischen Westküste, ist etwa so groß wie
Irland und hat rund 5,6 Millionen
Einwohner, die Hauptstadt Freetown
rund eine Million. Im weltweiten
Vergleich des Bruttoinlandprodukts
rangiert Sierra Leone mit 729 USDollar pro Kopf auf dem 165. Platz.
Das Land lag im Zentrum der Ebolafieber-Epidemie des vergangenen
Jahres. Der Notstand wurde ausgerufen, teilweise wurden Ausgangssperren verhängt. Laut WHO wurden mit
14 061 knapp die Hälfte aller bislang
bekannt gewordenen Ebola-Fälle in
Sierra Leone verortet, 3955 dieser
Patienten sind gestorben. Die letzten
Infektionen wurden Mitte September
gemeldet. Nach 42 Tagen ohne
neuen Ebola-Fall geht die WHO vom
Ende der Epidemie aus.