Fachgrundsatz der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. Berufspflichten des Aktuars bei der Tarifgestaltung in der Schadenversicherung Hinweis Köln, 19.01.2016 Blatt 2 Präambel Die DAV hat entsprechend des Verfahrens zur Feststellung von Fachgrundsätzen den vorliegenden Fachgrundsatz1 festgestellt. Fachgrundsätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie aktuarielle Fachfragen behandeln, von grundsätzlicher und praxisrelevanter Bedeutung für Aktuare sind, berufsständisch durch ein Feststellungsverfahren legitimiert sind, das allen Aktuaren eine Beteiligung an der Feststellung ermöglicht, und ihre ordnungsgemäße Verwendung seitens der Mitglieder durch ein Disziplinarverfahren berufsständisch abgesichert ist. Dieser Fachgrundsatz ist ein Hinweis. Hinweise sind Fachgrundsätze, die bei aktuariellen Erwägungen zu berücksichtigen sind, über deren Verwendung aber im Einzelfall im Rahmen der Standesregeln frei entschieden werden kann und die nur aus Grundlagenwissen zu konkreten Einzelfragen bestehen. Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich dieser Ausarbeitung betrifft die Aktuare der Schadenversicherung. Sie gilt nicht für Lebens- bzw. Krankenversicherung jeglicher Art. Die Ausarbeitung betrifft auch nicht die Schaden- und Unfallversicherung, wenn und soweit rechtliche oder aktuarielle Vorgaben aus der Lebens- oder Krankenversicherung bei dem jeweiligen Produkt zu beachten sind. Dies gilt insbesondere für die Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung (UBR) und die HUK-Renten. Inhalt des Hinweises Die Arbeitsgruppe Tarifierungsmethodik des Ausschusses Schadenversicherung hat zu dem Thema „Verantwortung und versicherungsmathematische Grundsätze des Aktuars in der Tarifgestaltung von Schadenversicherungsgeschäft“ die vorliegende Ausarbeitung erstellt. 1 Der Vorstand dankt der AG „Tarifierungsmethodik“ ausdrücklich für die geleistete Arbeit. Blatt 3 Ziel dieses Hinweises ist es, die konkrete Bedeutung der Standesregeln für den Aktuar ("SrA") bei der Tarifkalkulation in der Schadenversicherung zu erläutern. Damit soll für den praktisch arbeitenden Aktuar eine klare Grenze definiert werden, bis zu der er Verantwortung übernehmen muss. Gleichzeitig soll klargestellt werden, mit welchen Arbeitsschritten er der Verantwortung gerecht werden kann. Jenseits dieser Grenze ergibt sich aus den Standesregeln keine Verantwortung des Aktuars. Gleichzeitig sollen klare Definitionen Diskussionen um Begrifflichkeiten vermeiden helfen. Verabschiedung Dieser Hinweis ist durch den Vorstand der DAV am 19.01.2016 verabschiedet worden und stimmt mit dem gleichnamigen Hinweis vom 25.06.2007 überein, der im Rahmen des turnusgemäßen Revisionsverfahrens auf inhaltliche Richtigkeit und fachliche Aktualität überprüft wurde. Blatt 4 Inhalt I. Situation des Aktuars bei der Kalkulation und der Tarifierung in der Schadenversicherung .............................................................. 5 II. Neukalkulation ............................................................................ 6 1. Risikomodell ................................................................................... 6 2. Tarifmodell ..................................................................................... 9 3. Tarifbuch ..................................................................................... 10 4. Zusammenfassung ........................................................................ 12 III. Nachkalkulation ........................................................................12 1. Nachkalkulation für interne Zwecke (Controlling) .............................. 12 2. Nachkalkulation für eine Beitraganpassungsklausel ........................... 12 IV. Anhang: Grafiken .......................................................................14 1. Neukalkulation .............................................................................. 14 2. Aktuarieller Control Cycle Tarifierung / Beitragsanpassung ................. 15 Arbeitsstand: 30.05.2007 Blatt 5 I. Situation des Aktuars bei der Kalkulation und der Tarifierung in der Schadenversicherung Der in der Schadenversicherung (einschließlich Unfallversicherung) bei einem Erst- oder Rückversicherer praktisch tätige Aktuar bewegt sich mit seiner Kernaufgabe, Tarife vor dem Hintergrund ihrer „Auskömmlichkeit“ zu entwickeln und zu beurteilen, in seinem Unternehmen regelmäßig in einem Spannungsfeld zwischen verschiedenen Polen, die durch Begriffe wie realitätsnahe Bewertung, Auskömmlichkeit der Tarife, Angemessenheit für Aktionäre und Fairness gegenüber den Kunden beschrieben werden. Gleichzeitig hat er die standesrechtlichen Forderungen nach Fachkunde und Sorgfalt sowie Unabhängigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Gewissenhaftigkeit (Art. 1 Nr. 1, Art. 2 und Art. 3 der Standesregeln) einerseits und arbeitsvertraglichen Verpflichtungen andererseits zu erfüllen. Außerdem ist sein Umfeld regelmäßig durch unbestimmte Rechtsbegriffe wie "anerkannte versicherungsmathematische Grundsätze" geprägt. Im Folgenden stellen wir die Pflichten und Grenzen der Verantwortung des Aktuars im Kalkulationsprozess (Aktuarieller Control-Cycle) dar. Diesen trennen wir definitorisch in die Teile Risikomodell (bestmögliche Schätzung der einzelvertraglichen Schadenerwartung) Tarifmodell (Vorschlag des Aktuars für den Tarif) und Tarifbuch (tatsächlich vom Unternehmen eingesetzter Tarif). Das Tarifbuch wird in den folgenden Jahren Gegenstand der Nachkalkulation. Risikomodell und Tarifmodell werden regelmäßig anhand neuerer Daten und anderer Erkenntnisse (z.B. aus der Reservierung) an der Realität getestet und aktualisiert, um Grundlagen für neue Tarifgenerationen zu schaffen. Neben der Verpflichtung, in den genannten Gebieten Verantwortung zu übernehmen, resultiert für den Aktuar die Pflicht, die Grenzen seiner Verantwortung und die Konsequenzen von abweichendem Handeln zu dokumentieren. Blatt 6 II. Neukalkulation 1. Risikomodell Grundlage der Tarifkalkulation ist eine möglichst genaue und realistische Prognose des zukünftigen Schadenaufkommens für die zu versichernden Einzelrisiken2. Zu diesem Zweck erstellt der Aktuar ein Risikomodell. Das Risikomodell ist ein mathematisch-statistisches Modell zur Beschreibung der Schadenstruktur und zur Abschätzung des zukünftigen Schadenaufkommens der relevanten Einzelrisiken, wie auch für die zwischen den Einzelrisiken bestehenden stochastischen Abhängigkeiten. Modellspezifikation, -anpassung und -diagnose des Risikomodells liegen in der Verantwortung des Aktuars. Dabei finden anerkannte mathematischstatistische Prinzipien und Verfahren Anwendung3. Der Aktuar stellt aufgrund seiner Verpflichtung zu fachkundigem, redlichen und sorgfältigen Handeln (Art. 1 Nr. 2 SrA) die sachgerechte und korrekte Anwendung der gewählten Verfahren sicher und beachtet dabei insbesondere die den Verfahren zugrunde liegenden Voraussetzungen. Modellspezifikation Im Risikomodell grenzt der Aktuar das Schadenaufkommen u.a. nach seiner zeitlichen Dimension und nach den sich realisierenden Gefahren ab und bezieht es auf ein sachgerechtes Volumenmaß. Die Modellierung des Schadenaufkommens erfolgt stochastisch, d.h. je nach Sachlage durch eine oder mehrere Zufallsvariablen. Zur differenzierten Beschreibung des Schadenaufkommens unterteilt der Aktuar das Kollektiv nach Risikomerkmalen. Er stellt dabei sicher, dass im Risikomodell nur Merkmale Berücksichtigung finden, die das Schadenaufkommen tatsächlich differenzieren. Dies ist unter anderem bei Merkmalen der Fall, deren Einfluss auf das Schadenaufkommen statistisch signifikant und valide belegt ist. Die ausgewählten Risikomerkmale gehen mit derjenigen Spreizung in das Risikomodell ein, die ihrem Einfluss auf das Schadenaufkommen entspricht. Einzelrisiko im Sinne dieses Hinweises ist idR das einem Versicherungsvertrag zugrundeliegende Risiko. Insbesondere bei Rückversicherungsverträgen kann es sich dabei um das gesamte Kollektiv eines Erstversicherers handeln. 2 Ein Methodenpapier mit einer Aufzählung von anerkannten mathematisch-statistischen Herangehensweisen Prinzipien und Verfahren steht auf dem Arbeitsplan der Arbeitsgruppe Tarifierung 3 Blatt 7 Bei der Spezifikation des Risikomodells berücksichtigt der Aktuar auch eventuelle Abhängigkeiten zwischen den Einzelrisiken, um Aussagen über die Verteilung des Schadenaufkommens im gesamten Kollektiv zu ermöglichen. Dies bildet die Basis für die Kalkulation geeigneter Sicherheitszuschläge. Die Prognose des zukünftigen Schadenaufkommens erfolgt im Risikomodell anhand einer geschätzten Wahrscheinlichkeitsverteilung oder anhand daraus abgeleiteter Größen, wie z.B. dem Erwartungswert, höheren Momente oder Quantilen. Die vom Aktuar getroffenen Aussagen können dabei die Form von Punkt- oder Intervallschätzungen haben, sollten aber stets den Erwartungswert angeben. Modellanpassung Die Anpassung des Risikomodells erfolgt unter Verwendung sachgerechter statistischer Methoden auf der Basis von unternehmenseigenen, marktübergreifenden und anderen Daten. Die zugrunde gelegten Daten sollen dabei hinreichend aktuell, verlässlich und frei von wesentlichen Messfehlern sein und stichhaltige Aussagen zulassen. Der Aktuar soll sich vor diesem Hintergrund mit den verfügbaren Daten auseinandersetzen, ihre Qualität für den beabsichtigten Zweck bewerten und seine Einschätzungen dokumentieren. Insbesondere sollten Erkenntnisse, die im Rahmen des Reservierungsprozesses gewonnen wurden, als Hinweise für Änderungen genutzt werden. Risikomerkmale, für die keine aussagekräftigen Statistiken vorliegen, kann der Aktuar auf Basis der wenigen zur Verfügung stehenden Erkenntnisse und unter Zugrundelegung angemessener Annahmen im Risikomodell berücksichtigen. Er soll die zu diesem Zweck getroffenen Annahmen und die damit verbundenen Irrtumsrisiken dokumentieren und kommunizieren. Nach dem Gebot zum redlichen und sorgfältigen Handeln (Art. 1 Nr. 2 SrA) soll der Aktuar bei der Konzeption des Risikomodells grundsätzlich alle ihm verfügbaren relevanten Informationen heranziehen (versicherungsmathematischer Grundsatz der "Vollständigkeit der Information"). Grenzen sind jedoch durch die Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit gegeben, d.h. der Aufwand der Informationssichtung und -beschaffung soll in einem vertretbaren Verhältnis zum möglichen Erkenntnisgewinn stehen. Modelldiagnose Der Aktuar soll das angepasste Risikomodell im Hinblick auf die Anpassungsgüte an die Daten der Vergangenheit und die Prognosegüte für die Zukunft Blatt 8 bewerten. Aufgrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse nimmt er ggf. Korrekturen bei der Modellspezifikation vor. Der Aktuar soll sein Unternehmen auf das mit der zukunftsorientierten Anwendung des Risikomodells verbundene Prognoserisiko (Risiko der Abweichung des Prognosewerts vom Zukunftswert) hinweisen. In seine Überlegungen soll er dabei folgende Komponenten des Prognoserisikos einbeziehen: Prozessrisiko Die Realisierungen des zukünftigen Schadenaufkommens unterliegen im gegebenen Modell zufälligen Abweichungen vom Erwartungswert. Schätzrisiko Die geschätzten Modellparameter weichen aufgrund der Zufälligkeit der zur Anpassung verwendeten Stichprobe von den tatsächlichen Modellparametern ab. Änderungsrisiko Die Modellparameter unterliegen im zukünftigen Zeitverlauf unvorhergesehenen Änderungen. Modellrisiko Das Modell ist möglicherweise falsch spezifiziert Prozess- und Schätzrisiko sollen dabei anhand der Ergebnisse der Modellanpassung quantifiziert werden, während Änderungs- und Modellrisiken durch Sensitivitätsanalysen unter Verwendung alternativer Modelle abzuschätzen sind. Verantwortung des Aktuars im Risikomodell Die Verantwortung des Aktuars erstreckt sich gemäß Art. 3 Nr. 1 SrA auf alle Aspekte, welche die Qualität des Risikomodells betreffen. Insbesondere sind dies: die sach- und fachgerechte Spezifikation, Anpassung und Diagnose des Risikomodells nach mathematisch-statistischen Grundsätzen, die sachgerechte Auswahl von Risikomerkmalen und ihrer zugehörigen Spreizung, die Prüfung und Bewertung der verwendeten Daten hinsichtlich ihrer Relevanz und Aussagekraft, die Einschätzung des Prognoserisikos, die Dokumentation der durchgeführten Untersuchungen, insbesondere der getroffenen Annahmen und Blatt 9 die Kommunikation der mit den getroffenen Aussagen verbundenen Einschränkungen und Risiken. Stehen dem Aktuar nach seiner Einschätzung keine ausreichenden Ressourcen in personeller, zeitlicher oder sachlicher Hinsicht zur Verfügung, um diesen Grundsätzen und Art. 3 Nr. 2 SrA gerecht zu werden, soll er dieses dokumentieren und bei der Darstellung seiner Resultate auf die eingeschränkte Aussagekraft seiner Ergebnisse hinweisen. 2. Tarifmodell Im zweiten Teilschritt des Kalkulationsprozesses sollen die zum Risikomodell korrespondierenden Prämien ermittelt werden. Dazu erstellt der Aktuar basierend auf den Berechnungen des Risikomodells ein Tarifmodell. Dieses Tarifmodell ist gleichermaßen der Vorschlag des Aktuars für die konkrete Gestaltung des Tarifbuchs und gleichzeitig Maßstab für die Risikobewertung alternativer Tarifbücher. Bestimmung der Prämie Die zu ermittelnde Prämie ergibt sich aus den im Risikomodell bestimmten Erwartungswertschätzungen des Einzelschadenaufkommens zuzüglich Gewinn- und Sicherheits- bzw. Kapitalkostenzuschlägen sowie Regulierungs-, Verwaltungs- und Vertriebskostenzuschlägen. Die Gewinn- und Sicherheits- bzw. Kapitalkostenzuschläge sollen sowohl das Schätz- als auch das Prozessrisiko berücksichtigen, die mithilfe der unter dem Risikomodell ermittelten Verteilung des Schadenaufkommens quantifiziert werden können. Sofern Vorgaben des Unternehmens zur Risikopolitik und zu Ertragszielen die Auskömmlichkeit des Tarifs nicht in Frage stellen, können diese ebenfalls im Tarifmodell berücksichtigt werden. Die Merkmalsstruktur bleibt jedoch unverändert. Der Aktuar soll in jedem Fall die Ansätze bewerten und sein Unternehmen ggf. auf das Risiko einer Fehltarifierung hinweisen. Alle Berechnungen sollen dokumentiert werden. Die Zuschläge für die im Unternehmen anfallenden Kosten, ggf. auch die der Rückversicherung, sollen ausreichend und angemessen sein. Der Aktuar soll dabei die voraussichtlichen zukünftigen Veränderungen sowohl der Kosten als auch der Anzahl der versicherten Risiken mit einbeziehen. Blatt 10 Verantwortung des Aktuars Die Verantwortung des Aktuars umfasst: die korrekte Umsetzung der externen Vorgaben zu Gewinn- und Sicherheits- bzw. Kapitalkostenzuschlägen, die ausreichende und angemessene Berücksichtigung externen Vorgaben zu den übrigen Kosten, die Dokumentation der Vorgehensweise bei der Erstellung des Tarifmodells. Kommunikation der Konsequenzen aus der Anwendung des Tarifs. Das Tarifmodell dient dem Aktuar als Benchmark oder Sollobjekt für die Bewertung von weiteren Modifikationen. 3. Tarifbuch Das Tarifbuch ist die der Tarifierung zugrunde liegende Modifikation des Tarifmodells, das nach der Erhebung der Tarifmerkmale eines Risikos die Berechnung des zugehörigen Tarifbeitrags ermöglicht. Wahl und Gestaltung von Tarifmerkmalen Im Tarifbuch werden die aus dem Risikomodell resultierenden Merkmale des Tarifmodells und deren Ausprägungen nicht in jedem Fall unverändert übernommen, etwa um gesetzlichen Anforderungen zum Gleichbehandlungsgrundsatz gerecht zu werden. Dies umfasst insbesondere die Modifikation der Merkmale bezüglich ihrer Merkmalsausprägungen und –spreizungen wie auch die Verwendung weiterer Tarifmerkmale. Häufig werden Merkmalsspreizungen abgeschwächt, auch um befürchtete Wanderungsbewegungen und Selektionseffekte abzumildern. Solange die Ausprägungen nicht umgekehrt werden, ist der versicherungsmathematische Grundsatz der "Organik" eingehalten. Ebenso können durch Weglassen bestimmter Merkmalsausprägungen Bewegungen und Selektionsprozesse verhindert werden. Generell besteht kein Zwang zur Differenzierung, auch ein Einheitstarif ist daher möglich; je nach Marktsituation soll der Aktuar in diesem Fall den Selektionswirkungen erhöhte Aufmerksamkeit schenken. Weichen Tarifmodell und Tarifbuch in der Merkmalsstruktur voneinander ab, so soll die Abweichung auf Kollektivbasis unter Berücksichtigung der geänderten Kollektivzusammensetzung erfolgsneutral sein. Der Durchschnittsbei- Blatt 11 trag bei gegebener Bestandsverteilung soll unverändert bleiben. Die Gründe für eine Abweichung zwischen Tarifmodell und Tarifbuch sollen dokumentiert werden. Ferner soll der Aktuar mögliche Konsequenzen aus diesen Abweichungen kommunizieren, um den ihm anvertrauten Interessen gerecht zu werden (Art.1 Nr. 3 SrA). Weitere Maßnahmen Im Tarifbuch werden neben der modifizierten Tarifstruktur weitere, über das Tarifmodell hinausgehende Vorgaben an den Tarif berücksichtigt, die oftmals aktuariell nicht begründbar sind. Dies umfasst aktuariell nicht begründbare Zusatzrabatte oder negative Gewinnvorgaben, mit denen neben marktorientierten Elementen auch andere Vorgaben zum Tarif ausgeglichen werden können. Aufgrund seiner dienstvertraglichen Weisungsgebundenheit ist der Aktuar einerseits verpflichtet, diese Vorgaben umzusetzen. Andererseits ist er wegen seiner berufsrechtlichen Verpflichtung zur Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit nach Art. 2 und 3 der Standesregeln gleichzeitig verpflichtet, seinen Arbeitgeber auf mögliche negative Konsequenzen hinzuweisen und diese, soweit möglich, auch zu bewerten. Wird das Tarifmodell ergänzt durch für den Aktuar nicht änderbare Vorgaben, die er nicht in einer der beiden vorherigen Stufen berücksichtigen kann, unterliegen diese Ergänzungen nicht seiner Verantwortung. Er soll jedoch sein Unternehmen auf die Konsequenzen dieser Ergänzungen hinweisen und soweit möglich, diese auch bewerten; damit genügt er den Anforderungen an Unabhängigkeit (Art. 2 Nr. 2) und Gewissenhaftigkeit (Art. 3 Nr. 2). Die Verantwortung des Aktuars erstreckt sich im Tarifbuch auf: die Dokumentation der Abweichungen vom Tarifmodell, zumindest qualitative Hinweise auf möglichen Konsequenzen aus der Anwendung des Tarifs Generell soll der Aktuar im Rahmen seiner Möglichkeiten darauf hinwirken, dass im Tarifbuch für die erwartete Bestandszusammensetzung eine den Schadenerwartungswert und die erforderliche Sicherheit abdeckende Auskömmlichkeit gewährleistet wird ("Ausgleich im Kollektiv"). Eine Glättung über das versicherte Kollektiv hinweg kommt nur dann in Betracht, wenn sie durch den Ausgleich im Kollektiv oder durch andere Diversifikationseffekte begründet ist. Eine Glättung über die Tariflaufzeit hinweg soll im Hinblick auf das Risiko einer möglichen Untertarifierung einzelner Jahre untersucht werden. Blatt 12 Ist der Aktuar in die Entwicklung des Tarifbuchs nicht eingebunden, so fehlen ihm die nach Art.3 Nr. 3 SrA notwendigen Kenntnisse, die Konsequenzen zu beurteilen. Um den ihm anvertrauten Interessen des Unternehmens nach Art. 1 Nr. 3 SrA gerecht zu werden, soll er auf diesen Umstand hinweisen. Entsprechendes gilt, wenn ihm keine ausreichende Zeit zur Verfügung steht. 4. Zusammenfassung Die Ausgestaltung des Risikomodells steht in der alleinigen Verantwortung des Aktuars. Im Tarifmodell setzt der Aktuar dagegen auch Vorgaben zu Gewinn- und Sicherheitszuschlägen sowie Kosten um, die von außen an ihn gestellt werden. Der Aktuar soll dabei sicherstellen, dass diese Vorgaben fachgerecht in den Tarif eingearbeitet werden. Das Tarifmodell ist Maßstab für die Tarifierung und schafft Transparenz in der Zusammenarbeit im Unternehmen. Die konkrete Ausgestaltung des Tarifbuches liegt außerhalb der Verantwortung des Aktuars. Der Aktuar soll jedoch der Geschäftsleitung die Konsequenzen aus der Anwendung des Tarifs aufzeigen. In diesem Zusammenhang soll er auch darauf hinweisen, dass die Verantwortung für Konsequenzen aus der Abweichung des Tarifbuches vom Tarifmodell bei den entsprechenden Entscheidungsträgern liegt. III. Nachkalkulation 1. Nachkalkulation für interne Zwecke (Controlling) In der Nachkalkulation sollen grundsätzlich alle Annahmen des Risikomodells und des Tarifmodells überprüft werden. Insbesondere werden vorhandene Bestände auf das Verhältnis von Prämieneinahmen zu Aufwendungen untersucht. Das aktualisierte Tarifmodell ist der Maßstab für die Bewertung des Tarifbuchs. Wenn sich aus der Nachkalkulation Erkenntnisse ergeben, die eine Änderung des im Neugeschäft verwendeten Tarifs erforderlich erscheinen lassen, ist der Aktuar sowohl aus seiner dienstvertraglichen Treueverpflichtung als auch aus seiner standesrechtlichen Verpflichtung zur eigenverantwortlichen Tätigkeit aufgefordert, das Unternehmen darauf hinzuweisen und auf eine Änderung hinzuarbeiten. 2. Nachkalkulation für eine Beitraganpassungsklausel Bei einer Nachkalkulation zur Anpassung der Prämien gemäß einer Beitragsanpassungsklausel soll der Aktuar das Prinzip der Methoden- und Datenstetigkeit einhalten. Dies ergibt sich aus der Verpflichtung zum redlichen Handeln nach Art. 1 Nr. 2 der Standesregeln, was eine willkürliche, ergebnisorientierte Auswahl ausschließt. Blatt 13 Dies bedeutet, dass er im Rahmen des anzupassenden Tarifbuches bleiben soll, und lediglich die genau gleiche Methodik auf neue Daten anwendet. Strukturunterschiede und Niveauabstand zwischen Risikomodell und Tarifbuch bleiben grundsätzlich erhalten. Primäre Zielrichtung ist eine Aktualisierung des Tarifbuchs. Seine Analyse wird der Aktuar in seinem Alleinverantwortungsbereich, dem Risikomodell, beginnen. Das in der Erstkalkulation gewählte Modell wird auf Basis der neueren vorliegenden Daten aktualisiert. Hierauf aufbauend wird das Tarifmodell durch Berechnung der Sicherheitszuschläge, Kostenansätze u.ä. ebenfalls aktualisiert, Gewinnansätze dürfen jedoch nicht - auch nicht auf Umwegen - erhöht werden. Schließlich werden die zum Tarifbuch führenden Modifikationen unverändert aus der Erstkalkulation übernommen. Die Ausgestaltung der Anpassung des Tarifbuches soll im Rahmen des Originals bzw. der Klausel geschehen, insbesondere die Unterteilung in Risikogruppen. Die Struktur zwischen den Risikogruppen soll höchstens in einem Umfang verändert werden, der bei der Originalerstellung des Tarifbuches bei Vorliegen der aktuellen Information nach den Erfordernissen des Risikomodells vernünftigerweise ebenfalls gewählt worden wäre und von der Klausel sanktioniert ist. Er soll grundsätzlich diejenigen Methoden und Parameter verwenden, die der Ursprungskalkulation zugrunde lagen, und lediglich gleichartige aktuelle Daten verwenden. Änderungen sind aus folgenden Gründen zulässig wenn und soweit dem nicht die Anpassungsklausel, gesetzliche Regelungen oder die Rechtsprechung entgegenstehen: Die Änderung führt zu einer höheren Qualität der Ergebnisse: o o o o Neuere Es sind Es sind Es sind Daten passen nicht zum ursprünglich gewählten Modell differenziertere Daten als früher verfügbar statistisch besser gesicherte Daten verfügbar bessere mathematisch-statistische Verfahren verfügbar Die bisherige Wahl ist nicht mehr möglich, weil sie rechtlich unzulässig ist oder die erforderlichen Informationen nicht mehr verfügbar sind oder mit nicht vertretbarem Aufwand verbunden sind. Die Grenzen der Vertretbarkeit ergeben sich, wenn der untersuchte Bestand mit den anfallenden Kosten belastet würde. Ergeben sich Zweifel, ob die vom Unternehmen vorgesehene Umsetzung einer Nachkalkulation rechtlich zulässig ist, soll er sich entsprechenden rechtlichen Rat einholen oder das Unternehmen auf seine Zweifel hinweisen. Aufgrund seiner eigenen Qualifikation kann und soll er regelmäßig in Rechtsfragen keine abschließenden Feststellungen treffen (Art.3 Nr. 3 SrA). Blatt 14 IV. Anhang: Grafiken 1. Neukalkulation Blatt 15 2. Aktuarieller Control Cycle Tarifierung / Beitragsanpassung
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