Der Architekt, der Geld verschenkt „Ich bin ein Karma

18 MENSCHEN/VERANSTALTUNGEN
Der Architekt, der Geld verschenkt
„Ich bin ein Karma-Ökonom“
MEIN MONTAG
VON ERICH KOCINA
Ideen. Für Geld will der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel nie mehr arbeiten.
Wichtiger ist ihm Vertrauen. Auch bei seinem Wiener Projekt |openschoool.
Es war mir eine Lehre,
Sie kennenzulernen
Wie man bei gesellschaftlichen Ereignissen
uninteressanten Gesprächspartnern entkommt.
D
umm, wenn man gerade von der Toilette kommt.
Dann fällt sie nämlich recht lange weg, die Gelegenheit, sich bei einem gesellschaftlichen Anlass eines
unangenehmen Gesprächspartners zu entledigen. Es sei
denn, natürlich, man legt es darauf an, dem Gegenüber
deutlich zu signalisieren, dass man von allen sieben
Milliarden Menschen auf der Welt am allerwenigsten
mit ihm reden möchte. Eine derartige Offenheit ist dem
österreichischen Wesen aber weitgehend fremd, man
sagt niemandem ins Gesicht, was man von ihm hält,
versteckt sich lieber hinter höflichen Floskeln – mon
dieu, ich komme gerade drauf, dass mein Goldfisch seine Medikamente heute noch nicht bekommen hat! Oder
eben die Toilettennummer, die gekonnt überspielt, dass
die Smalltalktube bis zum Letzten ausgequetscht ist und
jetzt nichts Relevantes mehr kommen wird.
Umgekehrt kann eine ernst gemeinte Klopause des
Gegenübers aber auch eine Versicherung der eigenen
Attraktivität – zumindest der kommunikativen – bedeuten. Wenn nämlich die Person nach dem Gang nicht
auffällig nach anderen Einstiegspunkten für einen Gesprächspartner heischt. Sondern zielstrebig zurückkehrt
– und vielleicht sogar noch an den zuvor abgebrochenen Dialog anschließt. Toilettentest bestanden, yeah!
Im umgekehrten Fall kann es aber auch umgekehrt
sein. Dass ein langweiliger Gesprächsabschnittsgefährte
sich auf die Toilette zurückzieht, dann aber wie ein
Hund mit Stöckchen im Maul und treuherzigem Blick
zurückgehechelt kommt. Da kann man sich ja auch
nicht mit „Leben Sie wohl, es war mir eine Lehre, Sie
kennenzulernen“ aus der Affäre ziehen. Also muss man
eine Zeit lang durchhalten. Irgendein Blabla von sich
geben. Ein bisschen Zeit vergehen lassen – ehe man sich
wieder auf die Flucht in die Nasszelle machen kann. Ui,
jetzt muss ich aber schon wirklich dringend . . .
E-Mails an: [email protected]
VERANSTALTUNGEN
Wien
THEATER
Akademietheater: Die Macht der Finsternis, 19.30h, III., T: 514 44 4140
Burgtheater: Die Affäre Rue de Lourcine, 19.30h, I., T: 514 44 4140
MUSIKTHEATER
Staatsoper: Cardillac, 20h, I., Opernring 2, T: 513 1 513
Volksoper: Cosı̀ fan tutte, 19h, IX., Währingerstr. 78, T: 513 1 513
KLASSIK
Konzerthaus: Mozart Saal: Artemis Quartett, 19.30h, III., Lothringerstr. 20,
T: 24 20 02
Musikverein: Großer Saal: Wiener Mozart Orchester, 20.15h, I., Bösendorfer Str. 12, T: 505 81 90
U-MUSIK
Arena: The Full Hit Of Summer Festival Day1 wurde in die große Halle verlegt
(Einlass: 15.30h), 16.30h, III., Baumg. 80, T: 798 85 95
Celeste: The Monday Improvisors Session, 20.30h, V., Hamburgerstr. 18, T:
586 53 14
Jazzland: „Die jährliche Küken-Parade“, 21h, I., Franz-Josefs-Kai 29, T: 533
25 75
Porgy & Bess: Strenge Kammer: Alessandro Vicard & Michael Fischer
’Anima Rossa‘, 19h; big.mdw.band feat. the ipop singers, 21h, I., Riemerg. 11,
T: 512 88 11
rhiz: Electric Ray And The Shockers, 22h, VIII., Lerchenfelder Gürtel,
U-Bahn-Bogen 37-38, T: 409 25 05
Theater am Spittelberg: Federspiel & Ramsch & Rosen & Streichquartett
der Band Neuschnee, 19.30h, VII., Spittelbergg. 10
VORTRÄGE
Alte Schmiede: Dichterloh - 13 poetische Entzündungen 1-2, Marcel Beyer
liest Thomas Kling; Henri Cole, 18h, I., Schönlaterng. 9, T: 512 83 29
Amerlinghaus: Die Seele als Gefängnis des Körpers? Homophobie und
Psychoanalyse im Werk von Theodor W. Adorno, Diskussionsabend, Jour fix
der „grundrisse“, Referent: Georg Klauda, 19h, Stiftgasse 8
Institut f. die Wissenschaften vom Menschen: Ukraine, Russia, and
Europe, Past and Future II (Vortrag v. Timothy Snyder), 18h, IX., Spittelauer
Lände 3, T: 313 58 - 0
Sigmund Freud Museum: Shades of Hate (Filmreihe mit Gespräch „ Film
Noir und Psychoanalyse: Subversive Sexualitäten“: The Big Combo, USA
1955), 19h, IX., Berggasse 19, T: 4313 191596
KINDER
Marionettentheater Schloss Schönbrunn: Die Zauberflöte (ab 7 J.), 19h,
XIII., Hofratstrakt, T: 817 32 47
Planetarium Wien: Star Date - Rendezvous mit den Sternen (ab 8 J.),
10.30h, 12h, II., Oswald-Thomas-Pl. 1, T: 89 174 150 000
VERANSTALTUNGEN
MONTAG, 29. JUNI 2015
Niederösterreich
AUSSTELLUNGEN
Arnulf Rainer Museum: Markus Lüpertz / Arnulf Rainer – Bildende Kunst
(bis 18.10.2015). tgl. 10-17h, Josefsplatz 5, Baden, T: 02252-209196-11
Karikaturmuseum Krems: Mordillo (bis 22.11.2015). Feinhirn (bis
30.12.2015). Das Fenster zur Welt (bis 10.01.2016). Für immer Deix! (bis
09.09.2015), tgl. 10-18h, Steiner Landstr. 3a, T: 02732-90 80 20
Schallaburg: Wikinger (bis 08.11.2015), Mo-Fr 9-17, Sa, So, Ftg 9-18,
02754-6317-0
VON MARKUS MITTERMÜLLER
J
eder, der Geld haben will, bekommt es von mir. Ich verschenke
es ständig, das macht so viel
Spaß.“ Van Bo Le-Mentzel weiß,
dass seine Aussagen irritieren. Vor allem, wenn der Berliner Architekt beginnt, sich selbst zu definieren: „Ich
bin Begründer der Karma-Ökonomie
und Karma-Ökonom. Mir geht es darum, meine Arbeit und meine Kreativität so einzusetzen, dass das Karma gut
wird. Für mich, für mein Umfeld, für
die Leute, mit denen ich arbeite.“
Klingt nach einem – wenn auch sympathischen – Spinner, einem Möchtegern-Weltverbesserer. Doch der gebürtige Laote ist keiner, der es bei schönen
Worten belässt.
Zum ersten Mal auf sich aufmerksam gemacht hat Le-Mentzel mit seinen Hartz-IV-Möbeln. Inspiriert von
einem Tischlerkurs an einer Berliner
Volkshochschule konstruierte der Architekt den 24-Euro-Sessel: ein Möbelstück, das 24 Euro kostet und in
24 Stunden von jedem selbst gebaut
werden kann. Den Bauplan für den Sessel wie auch die restliche Hartz-IV-Kollektion veröffentlicht er gratis im Netz.
Und zeigt damit eine weitere seiner
Grundphilosophien: die freie Verteilung vorhandener Ressourcen wie Wissen und Geld, aber auch Vertrauen. Als
Gastprofessor an der Hochschule für
bildende Künste in Hamburg gibt er jedem seiner Studenten einen Vertrauensvorschuss. Und der hat es in sich.
Der 38-Jährige verteilt schon zu Semesterbeginn nicht nur die Bestnote,
sondern auch sein Professorengehalt.
Warum er das tut? „Um alle Hierarchien, die jemals aufkommen könnten,
im Keim zu ersticken. Weil die wahre
Kreativität, die mag Hierarchien nicht“,
ist der Berliner überzeugt.
Trauma des Flüchtlingseins
Dass er selbst seiner Kreativität freien
Lauf lassen kann, ist für den einstigen
Flüchtling – seine Eltern haben Laos
Richtung Deutschland verlassen – nicht
selbstverständlich. „Wenn du als
Flüchtling irgendwo einwanderst, hat
das ganz viele Auswirkungen. Meine Eltern sind traumatisiert, sie würden es
nur nie zugeben. Das ist ein Knoten,
den kriegst du nie mehr aus deinem Leben raus.“ Mitten in die positiv besetzten Begriffe wie Vertrauen, Gerechtigkeit oder Kreativität schleicht sich immer öfter ein für Le-Mentzels Grundeinstellung überraschend negatives Wort:
Ärger. Ärger darüber, sich als Flüchtling
Van Bo Le-Mentzel arbeitet im Auftrag des MAK an einer Schule der Zukunft.
noch immer nicht anerkannt oder willkommen zu fühlen. Ärger darüber, dass
er als Mensch nur über Leistung definiert wird. „Ich muss zuerst eine Performance machen, mich beweisen. Ich bin
quasi nicht per se gut genug.“
Dass es ihm gelingt, seinen Ärger
in positive Motivation umzusetzen, erklärt sich der Architekt mit dem Einfluss von Vorbildern. „Es gab immer
wieder Menschen, die sind in mein Leben gekommen und haben zu mir gesagt: Du bist ein guter Junge, aus dir
wird was. Immer wieder.“ Auch bei seinem aktuellsten Projekt profitiert LeMentzel von dem Vertrauen, das in ihn
gesetzt wird. Seit Beginn des Jahres
lebt er ausschließlich von jenem Geld,
ZUR PERSON
Van Bo Le-Mentzel wurde 1979 in Laos
geboren und kam 1979 mit seinen Eltern nach
Deutschland. Die Hartz-IV-Möbel des Berliner
Architekten kann jeder selbst nachbauen. Die
Anleitungen dafür sind kostenlos im Netz
verfügbar: hartzivmoebel.blogspot.co.at
In Wien plant Le-Mentzel das Projekt
|openschoool. Im August sind dazu im
Alois-Drasche-Park mehrere Veranstaltungen
geplant: facebook.com/openschoool.org
[ Katharina Roßboth]
das er durch Crowdfunding aufgestellt
hat. 200 Leute haben ihm für das laufende Jahr insgesamt 18.000 Euro geschenkt. „|dScholarship“ nennt LeMentzel diese Aktion, ein „demokratisches Stipendium“, das er als ersten
Schritt zu einem „bedingungsloses
Grundeinkommen“ versteht.
Was er mit dem Geld und seiner Zeit
macht, wussten zum Jahresbeginn weder die Spender noch er selbst. „Diesen
Vertrauensvorschuss, den mir diese 200
Leute geschenkt haben, gebe ich jetzt
systematisch weiter“, so Le-Mentzel.
Auch in Wien. Denn hier baut er im Auftrag des MAK derzeit gemeinsam mit
dem Wiener Grafikstudenten Jakob Listabarth die |openschoool (sic!) auf.
Eine Schule der Zukunft soll es werden,
ein „fliegendes Klassenzimmer“, ein
Nachbarschaftstreff der neuen Art.
„Das, was ihr braucht, soll es sein“,
erklärt Le-Mentzel beim Projektstart im
MAK. Sicher ist nur: Auch hier soll gutes Karma entstehen. „Ich mag Karma
so sehr, weil es so extrem unseriös ist.
Es gibt keine Definition dafür, man
kann es nicht festlegen. Es ist alles und
nichts. Genau solche Freiräume brauchen wir, um zu spielen und auszuprobieren, wer wir sind.“
Hohe Schule und schlampige Verhältnisse
Hofreitschule. Drei Tage lang feierten die Lipizzaner ihr 450-Jahr-Jubiläum auf dem Heldenplatz.
VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH
Wien. Ein wenig nervös waren sie doch,
obwohl sie Auftritte vor großem Publikum ja gewohnt sind. Vielleicht ist
auch für die Hengste der „Spanischen“
ein 450-Jahr-Jubiläum kein Anlass wie
jeder andere. Dreimal zeigten die Pferde und Bereiter an diesem Wochenende auf dem Heldenplatz ihr jeweils
aktuelles Können. „Vorführung, nicht
Show“, betonte Moderator Christian
Plettenberg.
Der Steirer, der im Mürztal den
Reitklub Schloss Graschnitz betreibt
und international als Turniersprecher
fungiert, begleitete die Abende wie gewohnt mit großem Wissen und Verständnis um das Wesen der Pferde und
der klassischen Reiterei. Dass es sich
bei ihm um einen Pferdemenschen
handelt, verdeutlichten die mit ihren
Fohlen aus Piber eingeladenen Stuten,
die sich um ihn scharten. Vor allem
eine sei eine alte Bekannte, gestand
Plettenberg: „Wir haben seit 17 Jahren
ein schlampiges Verhältnis.“
Für Begeisterung unter Pferdekennern sorgten die spanischen Gäste: Die
Gast am Heldenplatz: Elena, die Schwester von
Spaniens König Felipe.
[ APA/EXPA/Michael Gruber ]
Königlich-Andalusische Reitschule aus
Jerez war mit den „Nachfahren der
Vorfahren der Lipizzaner“ eingeladen
und zeigte große Reitkunst gepaart mit
Freude und Temperament. Repräsentiert wurde Spanien von König Felipes
Schwester, Infantin Elena, die die
„Hauptvorführung“ am Freitagabend
und die anschließende 6. Fête Impériale besuchte und dort von Nadja
Swarovski ein kristallenes Pferd überreicht bekam.
Lipizzaner bald Weltkulturerbe?
„Wir stehen zu diesem Kulturerbe“,
versicherte Landwirtschaftsminister
Andrä Rupprechter. Er hoffe, dass die
Lipizzaner bald zum Weltkulturerbe
erhoben werden. Hofreitschul-Geschäftsführerin Elisabeth Gürtler, die
am Dienstag mit Helmuth Lohner ihren Mann verloren hatte, zog sich nach
der Vorführung und noch vor dem Ball
zurück.