2015 Vilnius - Fachbereich Mathematik

Erasmus+-Aufenthalt an der Vilniaus Gedimino Technikos universitetas (VGTU) in
Litauen 2014/2015
Während eines Gespräches mit Herrn Triebsch fiel die Entscheidung mein Erasmusjahr an der
Vilniaus Gedimino Technikos universitetas (VGTU) in Litauen zu verbringenDie
organisatorische Vorbereitung bestand aus Telefonaten, dem Sammeln von Dokumenten, dem
Übersetzen meiner Leistungsübersicht und dem abschicken meiner Dokumente. Das
Einschreiben an der Universität, welches online erfolgt, funktionierte zunächst nicht. Durch
einem Anruf im International Relations Office an der VGTU erfuhr ich, dass das System in
ebendiesem Jahr eingeführt worden ist und ich einen anderen Browser verwenden müsse.
Der Bafögantrag für das Studium im Ausland halbjährlich beantragt werden. Ich merkte das erst
als das Geld ausblieb. Außerdem wird eine Kopie des Studentenausweises verlangt, doch man
erhält als Erasmusstudierender keinen an der VGTU, da alles über die International student card
(ISIC) geregelt ist. Aber man kann im International Relations Office ein schriftliche Bestätigung
bekommen, dass man keinen Ausweis bekommt. Die ISIC-Karte kann man in Deutschland
beantragen oder auch sich sehr einfach in Litauen anfertigen lassen. (Ich habe meinen Ausweis
vor Ort in einem Reisebüro machen lassen). Sollte man planen nach Russland oder Weißrussland
zu reisen, sollte man sich auch um einen Reisepass kümmern.
Neben der Organisation bestand mein Vorbereitung aus dem Lernen der litauischen Sprache.
Internetseiten zum Lernen von Litauisch, die ich empfehle sind folgende:
• Hermes: Ein A1-Kurs organisiert in sieben Lektionen mit jeweils sieben Einheiten mit
vertonten Texten, verschiedenen Aufgaben und Grammatikteilen.
(http://www.helesi.gr/dwn/hermes2/)
• lithuanian out loud: Ein reichhaltiger Podcast mit über 200 Folgen.
(http://lithuanian.libsyn.com/)
• memrise.com: Eine Hompepage zum Vokabeln lernen, auf der einige von Usern erstellte Kurse
sich befinden. Etliche von diesen auch vertont. Ich würde den „Say Labas“-Kurs zum
gleichnamigen Podcast empfehlen.
(alle sind kostenlos und Lehrsprache ist Englisch).
Jeder Erasmusstudierender an der VGTU erhält einen Mentor, in der Regel ein Studierender, der
für Fragen und Probleme, vor oder während des Aufenthaltes, ein offenes Ohr hat.
Ich flog, da ich von meinen Eltern aus startete, von Bremen nach Vilnius mit ryanair. Auf dem
Rückweg flog ich nach Frankfurt-Hahn, ein kleiner Flughafen im Hunsrück, von dem aus Busse
nach Ludwigshafen oder Saarbrücken fahren.
Das Herbstsemester startet immer am 1. September und die Einführungsverunstaltungen finden in
der Woche davor statt.
Ich war aufgrund einer Halswirbelverletzung nicht in der Lage pünktlich zu fliegen und verpasste
die erste Vorlesungswoche. Dadurch fehlte mir ein wenig die Orientierung, aber mit der Hilfe
meiner Mentorin hatte ich keine Schwierigkeiten mich in Vilnius zurecht zu finden. Die
Sprechzeiten des Koordinator des Fachbereiches fundamental science sind leider nicht online
einsehbar aber an dessen Tür befindet sich ein Aushang. Er half mir bei der Zusammenstellung
meines Stundenplan, da sich viele der im Learning Agreement befindlichen Fächer überschnitten.
Gewohnt habe ich im Studentenwohnheim in Sauletekis 39a. Die Miete lag bei ca. 110 Euro. In
dem Wohnheim sind ausschließlich internationale Studierende untergebracht. Einige
Wohnheimplätze für internationale Studierende sind auch in einem Stockwerk in einem anderen
Gebäude im Wohngebiet untergebracht. Ansonsten habe viele Studierende im
wohnheimsähnlichen Teil des Corner hostels in der Innenstadt gelebt oder sich Wohnungen
gesucht.
Im Eingangsbereich des Studentenwohnheimes befindet sich eine Rezeption, in die Briefe und
Rechnungen abzuholen sind und auch Schlüssel beim Verlassen des Gebäudes abgegeben werden
können.
Alle Zimmer sind Doppelzimmer und mit zwei Betten, zwei Stühlen und zwei Schreibtischen und
ein bis zwei Schränken ausgestattet. Außerdem gehört zu jedem Zimmer ein Badezimmer. In der
Regel teilt man sich eine Küche mit einem weiteren Zimmer Die Qualität der Räume sind sehr
unterschiedlich. In meinem ersten Halbjahr lebte ich in einem Eckraum mit starken
Schimmelpilzbefall aber zum zweiten Halbjahr konnten meine Mitbewohnerin und ich
gemeinsam in ein deutlich besseres Zimmer umziehen. Einmal in der Woche wird der Boden in
den Zimmern von einer Putzfrau gereinigt. Neben den Türhütern und den Putzfrauen arbeitet
auch noch ein sehr netter Hausmeister im Haus. Kaum einer der Mitarbeiter spricht Englisch
sondern Russisch und/oder Polnisch und natürlich Litauisch. Jeden Mittwoch besteht die
Möglichkeit seine Bettwäsche und das Handtuch zu wechseln. Eine Waschmaschine ist nicht im
Haus vorhanden, sodass entweder die Waschmaschinen in einem der benachbarten
Studentenwohnheime genutzt wird, sofern man jemanden kennt der einen einlässt, oder per Hand
gewaschen wird. Während meines gesamten Aufenthaltes wurden Renovierungsarbeiten im und
am Haus durchgeführt. Im zweiten Semester wurde zum Beispiel eine Isolierung an der
Hauswand angebracht. Ein Supermarkt („Iki“) befindet sich in der Nähe der nächsten
Bushaltestelle Senoji plytine. Zur Innenstadt sind es ca. 30 bis 40 Minuten Fahrtzeit mit dem
Trolleybus.
Das Wohnheim ist nur wenige Gehminuten durch ein angrenzendes Waldstück von dem
Hauptcampus der Universität entfernt. Der Campus besteht aus mehreren Gebäuden, die
untereinander durch Brücken verbunden sind. An den ersten Tagen hatte ich etwas
Schwierigkeiten aber man findet sich schnell zurecht. Andere Universitätsgebäude sind in der
Stadt verteilt, die meisten in der Innenstadt oder in unmittelbarer Nähe der Innenstadt. Nur das
Gebäude der Luftfahrtfakultät befindet sich am am anderen Ende der Stadt in der Nähe des
Flughafen.
Die meisten meiner Kurse hatte ich in sehr kleinen Klassenstärken (sieben bis zehn Lernende)
und auch in meinen größeren Vorlesungen waren weniger als 30 Studierende. Alle Übungen und
Laboratorien wurden auch durch die Professoren betreut. Alle Professoren haben meist
wöchentlich stattfindende Consultation-Termine, die man bei Fragen oder Schwierigkeiten
wahrnehmen kann. Alle Termine sind einsehbar bei den Stundenplänen im Medeine-System.
(Medeine ist das System in dem Stundenpläne und Noten verwaltet werden.)
Am Anfang meines Aufenthaltes stellte ich fest, dass die angebotenen
Mathematikveranstaltungen nicht für Mathematiker ausgelegt sind sondern für Informatiker und
Ingenieure. Dadurch enthielten meine Veranstaltungen einen großen Rechenanteil. Außerdem
ähnelte der Unterricht für mich mehr dem schulischen Mathematikerwerb, da die Strukturierung
in Definitionen, Sätzen und Beweisen nicht verwendet wurde. Neben mathematischen
Vorlesungen besuchte ich im ersten Semester noch Chemie und Object orientated programming
(in C++) und im zweiten Semester Physik I und Algorithm and Datastructure (in C). In
angewandter Mathematik und und Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik wurde in den
Laboratorien mit Matlab gearbeitet.
Im zweiten Semester fragte ich den Koordinator der Erasmus-studierenden in meiner Fakultät, ob
ich nicht einen Kurs, der auf Litauische angeboten wird, auf Englisch selbstständig erarbeiten
könnte. Er gab mir die Namen aller Englisch sprechenden Professoren der beiden
Mathematikfachbereich (insgesamt acht) und sagte mir, ich könnte die Stundenpläne der
Professoren nach Veranstaltung durchsuchen. Ich fand den Kurs Numerische Methoden und
erhielt von der Professorin die Zusage, dass ich die Klausur auf Englisch schreiben könne. Sollte
man russisch sprechen können, wäre der Kreis der möglichen Ansprechpartner vermutlich größer,
da der überwiegende Teil der Dozenten selber auf Russisch studiert hat. Die Unterrichtssprache
meiner anderen Kurse war Englisch. Die meisten Dozenten, die Kurse auf Englisch geben,
können auch Englisch sprechen.
Alle Prüfungen, die ich hatte, waren schriftlich. Vom Schreiben der Klausur bis zum Eintrag in
der Notenübersicht verging meistens nicht mehr als ein Tag. Die Prüfungszeit sind jeweils vier
Wochen nach dem Ende der Vorlesungszeit. Es besteht auch üblicherweise die Möglichkeit die
Klausuren vorzuziehen und bereits im Semester zu schreiben. Dafür braucht man dann ein
Schreiben vom Dekanat, dass man die Prüfung vorzeitig ablegen will. Es ist, gemäß einer
Anordnung der Universitätsleitung, in allen Kursen vorgesehen, dass bereits während des
Semesters Leistungen erbracht werden. So habe ich in fast allen Fächern in der Mitte des
Semesters „mid-term“ geschrieben und auch für Hausaufgaben und Anwesenheit Punkte
bekommen. Eine typische Zusammensetzung der Note waren 10% Hausaufgaben und
Anwesenheit, 40% mid term und 50 % end of term. Mögliche Noten sind die ganzen Zahlen von
einschließlich 1 bis 10, wobei man ab 5 Punkten besteht.
Es besteht die Möglichkeit an der VGTU litauisch Kurse zu belegen (A1 und A2). Die
Lerngeschwindigkeit ist langsam und so sind die Kurse nur für einen Einblick in die litauische
Sprache geeignet.
An der Universität besteht die Möglichkeit Volleyball, Fußball, Tennis und natürlich Basketball
zu spielen. (Basketball ist der Nationalsport in Litauen). Ich selber habe Ultimate frisbee in einer
offene Spielgruppe gespielt. Diese Gruppe ist über die Facebookgruppe „Ultimate frisbee
Vilnius“ organisiert und trifft sich in der Regel zwei Mal die Woche.
Die VGTU hat eine aktive ESN Gruppe, die unter anderem cultural evenings, Wochenendfahrten
und soziale Projekte organisiert. Im Herbstsemester habe ich bei Multilingua Lithuania
mitgemacht und einmal die Woche Deutschunterricht für interessierte Studenten gegeben. Im
Frühlingssemester war ich bei „Erasmus fairy tale“ dabei. Wir haben ein Märchen (Rotkäppchen)
auf Litauisch einstudiert und dann im Krankenhaus aufgeführt.
Von der ESN Gruppe abgesehen, gibt es kaum studentische Aktivitäten an der Universität
außerhalb des Unterrichts.
Donnerstagsabends habe ich am Taizee-Gebet in der Šv. Jono bažnyčia teilgenommen.
Außerdem war ich Teil der „International Church of Vilnius“. Das ist eine Konfessions
übergreifende, englischsprachige Gemeinde. Neben den Gottesdiensten, die Sonntags morgen um
9.30 Uhr stattfindenden, und monatliche Treffen für „students and young professionals“ bin ich
im ersten Semester zur „mid week bible studies“ und im zweiten Semester zur „ladies bible
studies“ gegangen.
Informationen zu Ereignissen in der Stadt findet man auf der Homepage http://www.vilniustourism.lt/. Es gibt einen englischsprachigen Version der Seite, aber nicht alle Events werden dort
eingetragen. Es finden verschiedenste Konzerte, Ausstellungen, Sportereignisse und
Feierlichkeiten statt.
In Vilnius fährt man Trolleybus und Bus. Diese fahren tagsüber sehr regelmäßig nur zwischen
Mitternacht und 5 Uhr muss man auf Taxis zurückgreifen. Das für Studierende ermäßigte 30Tage-Ticket kostet ca. 6 Euro. Beim ersten Mal muss man eine Vilnius-Karte kaufen, auf der
man dann immer wieder das Geld aufladen kann. Diese Karten kann man an den Kiosken, die
sich an vielen der Haltestellen befinden, kaufen und auch aufladen. Aktiviert wird die Karte in
dem sie an das entsprechende Gerät im Bus gehalten wird. Auch kann man dort überprüfen, wie
lange das Ticket noch gültig ist. Jedes Mal, wenn man ein neues Ticket nutzt, muss es aktiviert
werden. Nur Aufladen der Karte ist nicht ausreichend (einige Studierende vergaßen es nach dem
ersten Monat und mussten dann Strafe zahlen). Es ist auch möglich Tickets für Einzelfahrten
beim Fahrer zu kaufen. Für größere Gepäckstücke muss auch ein Ticket gekauft werden.
Litauen hat eine große Bierkultur. Viele der Kneipen schließen aber bereits gegen 23 oder 24
Uhr, sodass das Nachleben durch Diskotheken dominiert wird. Der Konsum von Alkohol an
öffentlichen Plätzen ist verboten, ebenso wie Trunkenheit. Außerdem wird nach 22 Uhr kein
Alkohol im Supermarkt verkauft.
Essen gehen ist in Vilnius relativ günstig. Man zahlt in der Regel für eine Mahlzeit (mit Getränk)
zwischen drei bis zehn Euro, wobei es natürlich auch teurere Restaurants gibt.
In Vilnius gibt es ein paar Parks. Am beliebtesten ist wohl Vinigio Parkas, der sich östlich der
Innenstadt befindet.
Öffentliche Schwimmbäder hingegen gibt es keine, wenn man das Spaßbad Vichy vandens
parkas nicht mitrechnet. Viele der Fitnessstudios haben eigene Schwimmbecken.
Das Warmwasser wird in Vilnius zentral produziert und so kann man im Winter den Verlauf der
Rohre verfolgen, da dort der Schnee schmilzt. Einmal im Jahr wird für drei Tage das
Warmwasser im ganzen Stadtteil abgestellt. Wir wurden nicht darüber informiert und so waren
wir sehr überrascht als wir im Oktober plötzlich kein warmes Wasser hatten. Auch die Heizung
wird zentral geregelt. Das heißt, wie warm die Heizung ist, kann man nicht selber entscheiden.
Es war interessant ein anderes Land und dessen Traditionen, Mythologie und Bildungssystem
kennenzulernen. An der VGTU haben mir insbesondere meine Physikpraktika viel Spaß gemacht.
Am meisten hat mich meine Lerngeschwindigkeit der litauischen Sprache frustriert. Ich würde
empfehlen mit Litauern in eine WG zu ziehen, wenn man am Spracherwerb interessiert ist.
Durch das Lernen, Studieren, Ausprobieren und Reisen verging die Zeit in Litauen wie im Fluge
und ich werde sicherlich wieder nach Vilnius reisen.