Interview "Farbe ändern ist oft gar nicht notwendig"

15.10.2015
Neues Merck­Logo: "Farbe ändern ist oft gar nicht notwendig"
14.10.2015
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Neues Merck­Logo
"Farbe ändern ist oft gar nicht notwendig"
von Elias Huber
Der Darmstädter Pharmariese Merck stellte am Mittwoch sein neues Logo vor.
Marketingforscher Franz­Rudolf Esch erklärt im Interview, worauf es beim Firmenzeichen
ankommt.
Das neue Merck­Logo.
WirtschaftsWoche: Professor Esch, der Pharmariese Merck hat jetzt ein quietschbuntes M als
Logo. Eine gute Idee?
Franz­Rudolf Esch: Zumindest ist es besser als vorher. Das neue Logo ist aufmerksamkeitsstark und
in dieser Form ungewöhnlich. Von der Anmutung wirkt es durchaus kreativ und kann dadurch den
Innovationsanspruch von Merck unterstützen, vor allem, weil es durch Verwendung verschiedener
Farben fast die Anmutung einer DNA hat. Das "M" verweist zudem auf den Anfangsbuchstaben von
Merck, ist somit eine Wiederholung und Hervorhebung. Die Schrift des Markennamens wirkt deutlich
menschlicher als die vorher, fast allerdings auch etwas kindlich, zumindest spielerisch.
Zur Person
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Franz­Rudolf Esch
Franz­Rudolf Esch ist Professor für Markenmanagement an der EBS Universität in Wiesbaden. Er
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15.10.2015
Neues Merck­Logo: "Farbe ändern ist oft gar nicht notwendig"
ist Direktor des Instituts für Marken­ und Kommunikationsforschung und Gründer von ESCH. The
Brand Consultants Saarlouis. Seine Publikationen wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet,
unter anderem dem Wissenschaftspreis des Deutschen Marketing­Verbandes und dem Best
Textbook Award.
In Ihrem Marketing­Lehrbuch kritisieren Sie das alte Merck­Logo. Was gefällt Ihnen daran
nicht?
Wir wissen aus der Forschung, dass konkrete Logos immer besser wirken als abstrakte. Bei der
Lufthansa sehen Sie zum Beispiel den Kranich vor sich, bei Apple den Apfel, bei Lacoste das
Krokodil. Wenn ich jetzt aber Bayern LB sage...
...dann fällt mir nichts ein.
Ja, weil das Logo abstrakt ist. Das gilt auch für das Merck­Logo. In meinem Buch beschreibe ich die
philosophischen Überlegungen, die Merck auf seiner Webseite zum Logo anstellt. Beispielsweise
schreibt man: "Der Merck­Code stellt einen stetigen Strom von Innovationen und Ideen dar." Man
interpretiert sehr viel in seine bunten, rot­orangen Streifen. Das ist oft ein Problem bei abstrakten
Logos: Unternehmen überladen ihre Zeichen, wodurch keiner den Sinn versteht.
Man kann sich also zu wenig darunter vorstellen?
Ja, das war der erste Kritikpunkt. Man muss das Logo zwangsläufig intensiv aufladen, damit man
überhaupt etwas damit verbindet. Wenn ich zudem sehe, was man intern reininterpretiert, halte ich
das für etwas übertrieben. Kommunikation muss schnell und unmissverständlich sein.
Was macht denn ein gutes Firmenlogo generell aus?
Verhaltenswirksame Logos müssen schnell erkennbar, prägnant und aufmerksamkeitsstark sein. Der
Lufthansa­Kranich erregt sicherlich Aufmerksamkeit. Außerdem sollte ein Logo differenziert sein, das
heißt, sich von anderen Logos unterscheiden. Beliebte Logos bei Bauunternehmen sind
beispielsweise skizzierte Häuser oder Häuserteile. Wenn es um Netzwerke geht, sieht man oft
irgendwelche Linien oder Planeten. Solche Logos sind leicht austauschbar, da viele Unternehmen sie
verwenden.
Schnell erkennbar und differenzierbar sind also die
Anforderungen?
Professor Franz­Rudolf Esch:
"Don't touch the logo."
Nicht nur, wir kennen aus der experimentellen Forschung drei
weitere Kriterien. Ein Logo muss Inhalte vermitteln, also das
Image einer Marke rüberbringen. Bei konkreten Logos ist das
einfacher: Bei Timberland assoziieren Sie den Baum, bei Meister
Proper den Saubermann, bei Kuschelweich ­ wo der Name
Programm ist ­ den Bär. Wichtig ist auch, dass Logos gefallen.
Da gibt es eine klare Ordnung: Konkrete Logos gefallen immer
mehr als abstrakte, natürliche mehr als künstlich wirkende.
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Neues Merck­Logo: "Farbe ändern ist oft gar nicht notwendig"
Menschen lieben zudem die Symmetrie, darum empfinden sie symmetrische Logos angenehmer als
asymmetrische. Ein Logo sollte außerdem Gedächtniswirkung erzielen. Da gilt es zwei Dinge zu
beachten.
Ja?
Einerseits muss man sich leicht an ein Logo erinnern können. Das geht umso besser, je konkreter
und aussagekräftiger ein Logo ist. Anderseits braucht ein Logo Zugriffswirkung. Idealerweise sollte
ein Logo vor Ihrem inneren Auge erscheinen, wenn Sie den Namen einer Marke hören. Und
umgekehrt: Sehen Sie das Logo, sollte Ihnen der Name der Marke in den Sinn kommen.
Vorsicht beim Logo­Wechsel
Sie beraten Unternehmen bei Markenmanagement­Fragen. Wann raten Sie zum Logo­
Wechsel?
Grundsätzlich sollte man beim gesamten Corporate Design vorsichtig sein, also der Farb­ und
Formgestaltung eines Unternehmens. Können Kunden das Logo trotz Jahren im Markt weder
zuordnen noch beschreiben, sollte man über einen Wechsel nachdenken. Oder bei einer Fusion oder
einer großen internen Veränderung, die man nach außen kommunizieren möchte. Generell dauert es
Jahre, ein Logo aufzuladen. Man sollte sich darum genau überlegen, ob man sein Investment
aufgeben möchte.
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Gerade für Manager und Außendienstler, die berufsbedingt viel unterwegs sind, rechnet sich ein
Dienstwagen schon rein ökonomisch. Doch der Firmenwagen lohnt sich nicht immer. mehr ...
Was ist mit einer Logo­Änderung, zum Beispiel in Schrift oder Farbe?
Sehr viele Unternehmen entwickeln ihre Logos weiter, um dem Zeitgeist Rechnung zu tragen.
Schwäbisch Hall hat seinen Fuchs verändert, Kinder Schokolade das Bild des Jungen auf der
Verpackung. Über längere Zeiträume sind solche kleinen Änderungen sinnvoll. Denken Sie an die
Shell­Muschel: Früher war das eine richtige Muschel, über die Jahre wurde sie stilisiert und
vereinfacht. Man passt sich dem Zeitgeist an ohne seine Wurzeln zu verlieren.
Ferrero wechselte das Bild der Kinder Schokolade nur unter
größten Protesten aus. Bei SAP verhinderte 2014 die
Belegschaft, dass das blaue Logo orange gefärbt wird. Ist
es richtig, das Logo gegen Widerstände zu verändern?
Das alte Merck­Logo auf einem
Konzerngebäude in Darmstadt.
Quelle: dpa
Die Farbe zu ändern ist oft gar nicht notwendig. Ich glaube nicht,
dass McDonalds als umweltbewussteres Unternehmen gilt, weil
das Logo nun grün ist. Bei der SAP gab es auch keinen Grund,
das Logo zu ändern. Änderungen um jeden Preis sind nicht
sinnvoll, da man investiertes Kapital in die Köpfe der Kunden
vernichtet.
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Neues Merck­Logo: "Farbe ändern ist oft gar nicht notwendig"
Ein Logo­Wechsel ist teuer. Wann lohnt sich die Änderung?
Die Unternehmensfusion ist der häufigste Anlass, bei dem es sich lohnt. Die Commerzbank
übernahm beispielsweise das Dresdner Bank­Logo, behielt aber Eigenfarbe und ­name. Eine andere
Rechtfertigung könnte ein großer interner Umbruch sein. Hat man ein Logo aber erstmal aufgebaut,
ist meine Empfehlung sanftes Weiterentwickeln. In anderen Worten: Don't touch the logo.
Und leichte Änderungen, beispielsweise in der Farbe?
Auch hier gilt, dass man sehr aufpassen muss. Nehmen Sie zum Beispiel Coca Cola: Die Marke
wurde immer mit der Farbe Rot verknüpft. Je mehr Produkte in anderen Farben eingeführt wurden ­
zum Beispiel Coca Cola Light, Zero oder Life ­, desto mehr ging dieser Zugriff verloren. Wichtig ist die
Frage: Was ist überhaupt noch veränderbar, weil es keine Wirkung erzielt, und was sind Konstanten,
bei denen man sehr vorsichtig sein muss?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Logo und dem Erfolg eines Unternehmens?
Man kann nicht feststellen, ob Produkte mit guten Logos auch häufiger verkauft werden. Dazu wirken
zu viele andere Faktoren mit, beispielsweise die Werbung oder die Zahl der Verkaufsstellen. In
Experimenten können wir aber nachweisen, dass gute Logos auch besser verstanden, gelernt und
wiedererkannt werden.
Haben Sie ein Lieblingslogo?
Ich halte die Logos von Jack Wolfskin und Lufthansa für sehr gelungen. In beiden Fällen verweist das
Logo auf den Namen des Unternehmens. Name und Logo geben zudem bereits einen Einblick, wofür
das Unternehmen steht.
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