Museumspädagogische Programme im Volkskundemuseum Wolle und Schafschur I NHALT Das Schaf Die Schafschur Das Kardieren Das Spinnen Das Färben Das Stricken Das Weben Die Lodenherstellung Das Filzen Das Stricken H INWEIS: Diese Unterlage können Sie von unserer Website herunterladen: www.volkskundemuseum.it/de/wolle-und-schafschur.asp Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde Ostermontag–31 . Oktober Herzog-Diet-Str. 24 | 39031 Dietenheim/Bruneck Dienstag bis Samstag: 1 0–1 7 Uhr Tel. (+39) 0474 552 087 | Fax (+39) 0474 551 764 Sonn- und Feiertage: 1 4–1 8 Uhr E-Mail [email protected] 1) Das Schaf Die Schafhaltung kann im Alpenraum seit mehr als 6.000 Jahren nachgewiesen werden. Die Schafe lieferten nicht nur Milch und Fleisch, sondern auch die Wolle. Gemeinsam mit dem Leinen deckte die Wolle fast den gesamten Bedarf an textilen Fasern ab. Flachs und Wolle wurden auf den Bauernhöfen zu Stoffen für den Eigenbedarf weiterverarbeitet. Das Fett vom Schaf, Unschlitt genannt, wurde zur Herstellung von Seifen und Kerzen verwendet. Das Tiroler Bergschaf gehört, zusammen mit dem Villnösser Schaf, zu den wichtigsten Südtiroler Schafrassen. Das Schnalstal, das Passeiertal, der Vinschgau und das Ahrntal waren seit jeher von der Schafhaltung besonders stark geprägt. Den Sommer verbrachten die Schafe meist auf der Alm, im Winter wurden sie in einem eigenen Schafstall oder in einem Verschlag im Viehstall untergebracht. 2) Die Schafschur Vor der Schur badete man die Schafe. Dazu wurde ein Holzzuber mit warmem Wasser gefüllt und etwas Aschenlauge dazu gegeben. Diese diente als Reinigungsmittel und ersetzte früher die Seife. Die Aschenlauge erhielt man, indem man Asche in Wasser kochte und dieses dann filterte. Jedes einzelne Schaf wurde in den Zuber gesteckt und dort gewaschen. Die Schafe ließen sich nicht immer widerstandslos baden, deshalb mussten sie von mehreren starken Händen festgehalten werden. Bei gutem Wetter war ein gebadetes Schaf auch schnell wieder trocken. Normalerweise wurde ein Schaf zweimal im Jahr geschoren, im Frühjahr und im Herbst. Meist geschah dies kurz vor dem Almauftrieb, um den Tag des Heiligen Georg (23. April), und kurz nach dem Almabtrieb, um den Tag des Heiligen Michael (29. September), herum. Der Rückenbereich wurde meist bei stehender Position des Tieres geschoren. Zum Scheren der Bauchseite wurde das Tier auf eine Schafbank, einen sogenannten „Scherbock“, manchmal auch auf einen Tisch oder ein Tuch gelegt, seine Vorder- und Hinterbeine wurden entweder festgehalten oder mit dafür vorgesehenen Klemmen gefesselt. Während man heute hauptsächlich elektrische Scheren verwendet, die einem Haarschneidegerät oder Rasierer ähneln, wurde das Schaf Jahrhunderte lang mit der Schafschere geschoren. Diese bestand aus zwei Klingen, welche durch einen federnden Bügel verbunden waren. Der Scherer musste natürlich aufpassen und durfte das Schaf nicht © Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde Der „Scherbock“ Die Schur mit der elektrischen Schafschere 2 verletzen. Er achtete auch darauf, dass die Wolle in einem zusammenhängenden Stück geschoren wurde. Dieses nennt man Vlies. An den Seiten und an den Schultern befindet sich die beste Wolle. Nach der Schur wurde die herabgefallene Wolle aufgesammelt und bewahrte sie in einem Wollekorb auf. Ein Tiroler Bergschaf gab bei zweimaliger Schur ungefähr 2 kg Wolle ab. Durch das Waschen verlor diese etwas an Gewicht. Der Wollekorb 3) Das Kardieren Die frisch geschorene Wolle eignete sich noch nicht zum Spinnen, sondern musste zunächst gezupft werden. Diese Arbeit erledigten oft Kinder und alte Menschen. Stroh- und Pflanzenreste wurden händisch aus der geschorenen Wolle entfernt. Danach musste sie gekämmt bzw. gekrempelt werden, um letzte Unreinheiten zu entfernen, Knoten zu lösen und die Wollfasern in eine Richtung zu kämmen. Dazu verwendete man Handkardätschen. Eine Handkardätsche bestand aus Holzbrettchen, die mit zahlreichen Drahtstiften besetzt waren und paarweise verwendet wurden. Gekämmt wurde, indem die Wolle zwischen die Holzplatten gelegt und die Brettchen in entgegengesetzter Richtung bewegt wurden. Eine andere Form der Handkardätsche war die Krempelbank. Dabei war eines der mit Eisenstiften versehenen Brettchen auf einer Bank befestigt, das andere war beweglich. Im Laufe der Zeit entwickelten sich auch Wollemühlen. Die sich dort befindlichen Kardatschen wurden mit Wasserkraft angetrieben. Das Kämmen wurde dadurch nicht mehr von Hand, sondern maschinell erledigt. Eine solche Krempelmaschine hatte keine Brettchen mehr, sondern bestand aus Walzen, welche mit Drahtbürsten ausgestattet waren. Nach dem Kardieren erhielt man flauschige Wollewickel, die sich leicht zusammenrollen und alsdann auf den Spinnrocken aufstecken ließen. © Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde Die Krempelbank Foto: HMG Die Wollekardatsche Foto: HMG 3 4) Das Spinnen Schon seit dem 1 6. Jahrhundert kennt man das Tretspinnrad. Die gekämmte Wolle wurde auf den Rocken, das ist ein zylindrischer Holzstab, aufgewickelt. Die Spinnerin zog die richtige Menge an Wollfasern heraus und betätigte das Fußpedal, um die Spulenachse in Drehung zu versetzen. Aufgrund dieser Drehung wurden die Textilfasern zu einem Faden gedreht und gleichzeitig auf die Spule gewickelt. Die langfaserige Wolle eignete sich besonders gut zum Spinnen und war deshalb auch die beliebteste. Die Wolle des Tiroler Bergschafs ist mittlerer Faserlänge. Man brauchte etwa 1 30 Das Tretspinnrad Stunden, um die Wolle eines einzigen Bergschafs zu verspinnen. Das Spinnen von Wolle war wesentlich beliebter als das Spinnen von Flachs, weil die groben Flachsfasern die Hände der Spinnerin aufrauten. Das Wollfett hingegen schonte die Hände. Deshalb zogen es die Bäuerin und ihre Töchter meist vor, die Wolle zu spinnen, während das Flachsspinnen den Dienstmägden überlassen wurde. Das Spinnen war eine gesellige Angelegenheit, weil man dieser Tätigkeit vorwiegend in den Wintermonaten in der warmen Stube nachging. Dabei versammelten sich sämtliche Frauen des Hauses, mitunter auch jene aus der Nachbarschaft, in der Bauernstube und führten diese Arbeit in Gesellschaft aus. Während dieser Spinnrunden erzählte man sich häufig Geschichten oder sang Lieder. Nach dem Spinnen musste der dünne Wollfaden noch verzwirnt werden. Dabei wurden mehrere Spulen auf eine Drillierbank gesteckt und zur gewünschten Stärke zusammengedreht. So entstand ein dickeres Garn, das zum Stricken oder Weben verwendet werden konnte. Das gesponnene Wollgarn wurde dann auf die Haspel gewickelt, ein hölzernes Gerät mit vier bis sechs sternförmig angeordneten, beweglichen Armen. Am Ende eines jeden Arms befand sich ein Querholz. Rund um diese Querhölzer konnte das Garn gespannt und aufgewickelt werden. Dadurch erhielt man gleichmäßige Garnstränge bzw. -strähnen, die sich gut waschen und färben ließen. Die Haspel © Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde 4 5) Das Färben Als Farbstoffe dienten Naturprodukte wie Pflanzen, Baumrinden, Blätter, Flechten und Schalen, aber auch Steine. Die Färberdistel und die Stockrose färbten rot, der Färberwaid wurde zum Blaufärben eingesetzt, bis er vom aus Asien eingeführten Indigo nach und nach ersetzt wurde. In großen Kesseln wurde die Farbe angesetzt und die Garnstränge oder auch das fertige Tuch hineingegeben. Damit die Farbe auch in die Fasern eindringen konnte, musste das Färbegut allerdings mit einem Beizmittel versehen werden. Als Beize dienten Essig oder aber Ammoniak in Form von Urin. Nach dem Färben wurden die Strähnen ausgewaschen und auf Zäune, Balkone oder ähnliche Holzgerüste zum Trocknen gehängt. 6) Das Weben Die Vorbereitung des Webstuhls erforderte nicht nur viel Zeit und helfende Hände, sondern auch viel Geduld und Geschick. Zunächst musste der Weber den Zettel oder die Kette, d.h. die Summe der längs laufenden, parallelen Fäden vorbereiten. Auf einem Spulgatter wurden 20 Kettspulen, die sich frei drehen konnten, angeordnet. Der Faden einer jeden Spule wurde durch ein Brett mit Metallösen gezogen, damit die einzelnen Fäden auseinander gehalten werden konnten. Danach wurde das Fadenbündel in der gewünschten Länge und Anzahl auf der Zettelhaspel aufgespannt. War der Zettel fertig, wurde er abgenommen, ein Zettelzopf gebildet und dieser auf dem Webstuhl eingespannt. Beim Weben wurden die längs laufenden Fäden (Zettel) mit einem quer laufenden Faden im rechten Winkel überkreuzt. Der Querfaden bzw. Schuss oder Schussfaden befand sich auf einer Spule und wurde mit Hilfe des Weberschiffchens von rechts nach links und wieder zurück bewegt. Der Weber trat ein Pedal, damit jeder zweite Kettfaden gehoben und der andere Teil der Fäden gesenkt wurde, wodurch das sogenannte Webfach entstand, eine Art Tunnel oder Durchgang, durch den er das Schiffchen durchgleiten ließ. Danach betätigte er den Webkamm, den er voroder rückwärts bewegte und so den Schussfaden zum bereits gefertigten Gewebe drückte, damit eine gleichmäßige Stoffbahn entstand. Das fertige Gewebe musste vom Weber nach und nach auf den Tuch- oder Zeugbaum aufgewickelt werden. Die Zettelhaspel Der Webstuhl Das Webschiffchen © Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde 5 7) Die Lodenherstellung Das Ausgangsmaterial für die Herstellung von Loden ist der gewebte Wollstoff. Walkmühlen oder Walkstampfen erledigten das Walken des Stoffes. Die Wollfäden wurden dabei unter Zugabe von Seifenwasser verfilzt, sodass eine gleichmäßige, feste Oberfläche entstand. Eine Walkmühle ähnelte einem Pochwerk. Wichtige Bestandteile waren das Wasserrad und der Wellbaum, von welchem kleinere Holzarme, sogenannte „Daumen“ oder „Nocken“ abstanden. Drehte sich dieser Wellbaum, schoben die Daumen mehrere Stößel nach oben, welche sich schräg zur Achswelle in einem Rahmengerüst befanden. Die Walkstampfe Die Stößel fielen danach wieder hinunter und stampften dadurch das Wolltuch, das sich in einem darunter befindlichen Holztrog befand. In diesen Holztrog kamen nicht nur der Wollstoff, sondern auch Wasser und Seifenlauge hinein. Der Lodenwalker musste regelmäßig den Verfilzungsgrad überprüfen und gegebenenfalls weitere Walklauge hinzufügen. Das Seifenwasser stellte der Lodenwalker meist selbst her. Dazu stellte er eine Aschenlauge her und fügte dieser dann noch Fett hinzu. Nach dem Walken musste der Loden noch kardiert und gepresst werden. Der Lodenstoff war vor allem für die Winterbekleidung sehr beliebt, weil er wasserundurchlässig war und wärmte. Er wurde in erster Linie von den einfachen Leuten wie Bauern und Hirten verwendet. Aus dem Loden wurden zum Beispiel Hüte, Röcke, Hosen und Strümpfe hergestellt. Der Loden wird heute noch verwendet, hauptsächlich für die Herstellung von Trachten, Mäntel und Jacken. 8) Das Filzen Das Verarbeiten der Wolle durch Filzen war bereits bei den Griechen und Römern bekannt. Im Mittelalter waren es vor allem die Hutmacher, die für ihr Handwerk Filz herstellten. Zu den wichtigsten Eigenschaften des Filzes gehört, dass dieser Nässe, Kälte und Wind abweist. Anders als beim Lodenwalken verwendete man beim Filzen nicht den gewebten Wollstoff, sondern die kardierte Wolle als Ausgangsmaterial. Mehrere Lagen gekämmter Wolle wurden kreuzweise übereinandergelegt. © Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde 6 Diese Wollfasern wurden danach mit Seifenwasser beträufelt, zunächst vorsichtig aneinandergepresst und dann mit kreisenden Bewegungen bearbeitet. Die Wollfasern wurden dadurch lose miteinander verbunden. Durch weiteres Pressen, Rollen oder Kneten verfilzten sich die Fasern immer mehr miteinander, bis ein unauflöslicher, fester Stoff entstand. Unter Einwirkung von Wasser, Seife und Druck verliert die Wolle gut ein Drittel ihrer herkömmlichen Größe, d.h. der Stoff schrumpft sowohl beim Filzen als auch beim Walken. Der Filz diente einst vor allem für die Herstellung von Hüten oder Hauspantoffeln. Heute werden daraus auch Taschen, Dekorationsgegenstände und Bekleidungsstücke gefertigt. 9) Das Stricken Die Tätigkeit des Strickens ist vermutlich jünger als jene des Webens. Seit dem Spätmittelalter erfreuten sich aber vor allem gestrickte Socken und Strümpfe großer Beliebtheit. Für die restlichen Kleidungsstücke zog man Lodenund Leinenstoffe vor. Der „Sarner Jangger“, dessen Name sich vom Sarntal ableitet, ist eine gestrickte Wolljacke und bildet dabei eine der wenigen Ausnahmen. Sämtliche Kleidungsstücke des einfachen Volkes wurden aus Leinen oder Wolle hergestellt: gewebt, gestrickt, gefilzt oder gewalkt. Foto: Archiv Groth-Schmachtenberger © Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde LITERATUR Holzner, Waltraud, Von Schafen, Hirten und warmer Wolle. Bozen, 2002. Sulzenbacher, Gudrun, Altes Handwerk und ländliches Leben. 3. Auflage, Bozen 2011 . Sulzenbacher, Gudrun, Bauern, Schmied, Lodenweber (Didaktische Materialien zum Südtiroler Volkskundemuseum), Wien/Bozen 2001 . © Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde 7
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