KOLLEKTIVANLAGEN Pensionskassen: Wo sind die versteckten Kosten der zweiten Säule? Die berufliche Vorsorge liefert immer mehr Diskussionsthemen: sinkende Umwandlungssätze, steigende Lebenserwartung, Überschussauszahlungen, unterschiedliche Verzinsung der Guthaben oder nicht ausreichende Vorsorgeguthaben. Die effektiven Kosten sind für die Versicherten oft schwer einzuschätzen. Arbeitgeber stehen bei der Wahl einer neuen Pensionskasse vor zahlreichen Fragen. Ein vergleichender Blick auf die Versicherungsmodelle Sammelstiftung und Vollversicherer zeigt, wo sich Kosten verbergen. Das Auf und Ab an der Börse, die Eurokrise und die Überalterung der Gesellschaft – all diese Entwicklungen verunsichern Arbeitnehmer. Was geschieht mit ihren Beiträgen? Pensionskassen wie Arbeitgeber werden immer öfter mit präzisen Fragen zu Kosten und Leistungen konfrontiert. Die wegen der zunehmenden Lebenserwartung der Bevölkerung versicherungs- Dr. Peter Beriger ist Geschäftsleiter der ökologisch-ethischen Pensionskasse Nest in Zürich mathematisch zu hohen Mindestumwandlungssätze müssen weiter gesenkt werden. Dadurch entsteht die Situation, dass die angestrebten Vorsorgeguthaben oft nicht ausreichen. Versicherte sollen deshalb erfahren, wohin ihre Beiträge fliessen und wo sich zusätzliche Kosten verbergen. Zwei Versicherungsmodelle im Vergleich Der Schweizer Pensionskassenmarkt unterscheidet zwischen den Modellen Vollversicherung und unabhängige Sammelstiftung. Sie unterscheiden sich vor allem in der Art, wie Risiken gedeckt werden und darin, wie das Vorsorgekapital verwaltet wird. –– Lebensversicherer arbeiten nach dem Modell Vollversicherung: Sie decken sämtliche Risiken wie Tod, Invalidität, Langlebigkeit und das Anlagerisiko selbst. Da sie nie eine Unterdeckung aufweisen dürfen, müssen sie eine eher defensive Anlagepolitik verfolgen. Das führt für die Versicherten oft zu tieferen Anlagerenditen und Umwandlungssätzen. Sie müssen jedoch nicht mit einer Unterdeckung oder Sanierungsbeiträgen rechnen. Die Versicherungsgesellschaften können fremdes Risikokapital einsetzen, das bei positiver Wirtschaftsentwicklung die Gewinne erhöht. Bei negativer Entwicklung wirkt es sich aber belastend für die Versicherungsfirma aus. –– Unabhängige Sammelstiftungen wie die PKG, die Stiftung Abendrot oder die ökologisch-ethische Pensionskasse Nest verwalten das Vorsorgekapital selbst. Die Risiken Tod und Invalidität sichern sie ganz oder teilweise über Rückversicherungsverträge ab. Deckungslücken auf der Anlageseite müssen von den angeschlossenen Betrieben und den Versicherten getragen werden. Die Anlagepolitik ist durch die Risikofähigkeit begrenzt. Da vorübergehend auch eine Unterdeckung zulässig ist, kann eine aktivere Anlagestrategie verfolgt werden. Daraus resultieren langfristig oft höhere Vermögenserträge. Diese wiederum ermöglichen die Bildung von Wertschwankungsreserven für Anlagerisiken. Das führt mittel- und langfristig zu eher höheren Umwandlungssätzen und Verzinsungen und also zu höheren Renten. Diese werden durch die Beitragshöhe, durch die Verzinsung der Altersguthaben während des Arbeitslebens und durch den Umwandlungssatz beeinflusst. Die unterschiedlichen Modelle bringen auf dem Papier also unterschiedliche Leistungen und Kostenfaktoren mit sich: Bei Vollversicherern müssen Versicherte tendenziell tiefere Umwandlungssätze in Kauf nehmen. Sammelstiftungen können Deckungslücken und Sanierungsbeiträge nicht ausschliessen, bieten am Ende aber oft höhere Renten. Darüber hinaus gibt es noch weitere, meist weniger gut sichtbare Kostenfaktoren. Dabei lohnt sich ein Blick auf die Gemeinkosten. Sammelstiftung oder Vollversicherer? Der Vergleich in Kürze Unabhängige Sammelstiftungen sind oft transparenter, gewähren tendenziell höhere Umwandlungsätze und bieten ein besseres Preis-Leistungsverhältnis für die Versicherten. Die nicht vorhersehbaren Kosten sind Sanierungsbeiträge, die von den angeschlossenen Betrieben und den Versicherten im Falle einer Finanzkrise (bei einer Unterdeckung) eingefordert werden müssen. Vollversicherer garantieren die jederzeitige volle Deckung. Dies bedingt hohe Rückstellungskosten. Dazu kommen hohe Gemeinkosten für Spitzensaläre, Boni und Dividenden. Versicherungsgesellschaften sind bezüglich dieser Kosten nicht immer transparent. Das Resultat der hohen Kosten sind tiefere Umwandlungssätze und tiefere Renten. 2015 | Sonderbeilage zur AWP Soziale Sicherheit 17 KOLLEKTIVANLAGEN Sammelstiftungen: Geldflüsse transparent Unabhängige Sammelstiftungen müssen alle Geldflüsse im Geschäftsbericht ausweisen. Die Transparenz ist oft höher als bei Vollversicherern. Die Versicherten profitieren von tieferen Gemeinkosten, da keine hohen Saläre, Boni und Dividenden ausbezahlt werden. Eine tiefere Kostenstruktur und somit ein besseres Preis-Leistungsverhältnis sind die Folge. Bei Finanzkrisen besteht allerdings die Gefahr der Unterdeckung. Dann müssen von den angeschlossenen Betrieben und den Versicherten Sanierungsbeiträge eingefordert werden. Vollversicherer: hohe Gemeinkosten Versicherungsgesellschaften garantieren die jederzeitige Deckung der Pensionsansprüche und bieten Rückzahlungen via Überschussmodelle. Bezüglich dem Preis für die Vollversicherung respektive den Kosten für die Versicherten mangelt es aber an Transparenz. Versteckte Geldflüsse und überhöhte Reserven sind möglich. Hohe Gemeinkosten durch Spitzensaläre und Boni verteuern die Kosten für die Versicherten. Das Resultat sind tiefere Renten aufgrund tieferer Umwandlungssätze und hoher Rückstellungskosten für die garantierte Volldeckung. Dazu kommt die Auszahlung von Dividenden an die Aktionäre – ein institutioneller Nachteil, der die Kosten für die Versicherten weiter erhöht. Fazit: Sammelstiftungen oft günstiger als Vollversicherer Insgesamt sind unabhängige Sammelstiftungen in vielen Fällen kostengünstiger als Vollversicherer und bieten den Versicherten ein besseres Preis-Leistungsverhältnis. Im Falle einer Finanzkrise müssen von den angeschlossenen Betrieben und den Versicherten Sanierungsbeiträge eingefordert 18 Sonderbeilage zur AWP Soziale Sicherheit | 2015 Über Nest Nest ist die führende ökologischethische Pensionskasse der Schweiz. Die Sammelstiftung mit Sitz in Zürich und Genf legt die Vorsorgegelder von 18 775 Versicherten aus 2979 Betrieben nach strengen ökologischen und sozialen Kriterien an. 1983 gegründet, verfügt Nest über 30 Jahre Erfahrung mit ökologischethischen Kapitalanlagen und mit Inrate über eine spezialisierte RatingAgentur. Nest verwaltet Vorsorgekapital im Wert von über 1,9 Milliarden Franken werden. Die Versicherungsgesellschaften garantieren jederzeit volle Deckung, bieten aber aufgrund höherer Gemeinkosten tiefere Umwandlungssätze an.
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