— 140 — Über Erasmus Kern Im 48. Band dieses Jahrbuches (1948) wurde versucht, den bis dahin unbekannt gebliebenen Bildhauer Erasmus K e r n , den Meister des Eschner Altares (1650), in die Kunstgeschichte einzuführen. Wenn sich dabei auch ein recht ausgedehntes Oeuvre ermitteln Hess, das K e r n als den f ü h r e n d e n Bildschnitzer seiner Zeit in Feldkirch .'dokumentiert, so blieb idoch die Ausbeute an biographischen Daten gering. Inzwischen ist nun aber ein A k t e n s t ü c k zutage gekommen, das uns wenigstens einen Schluss erlaubt, wo der Meister seine k ü n s t l e r i s c h e Ausbildung genossen haben d ü r f t e . Bei dem Handel vor dem Stadtgericht Waldsee (im w ü r t t e m - bergischen Donaukreis), in dem «las fragliche Schreiben eine Rolle spielt,*) haben'wir es mit einem jener vielen Prozesse zu tun, durch die sich « a r r i v i e r t e » Meister einer B e e i n t r ä c h t i g u n g durch neu emporgekommene Rivalen mit dem Instrument der Zunftbestimmungen zu entledigen suchten. Die Zürn warfen den B r ü d e r n Jakob und Melchior Bendel vor, sie seien keine « e h r l i c h e n , redlichen M e i s t e r » , da sie nicht, was Handwerks Brauch sei, vier Jahre lang bei einem « e h r l i c h e n , redlichen M e i s t e r » gelernt h ä t t e n . Nachdem sich der Prozess beinahe acht Jahre hingezogen hatte, legte das Stadtgericht Waldsee den K l ä g e r n die Verpflichtung auf, von zwei anderen unparteiischen redlichen Meistern « s c h r i f t l i c h e S c h e i n e » beizubringen, « f ü r wen sie die beiden Bendel oder andere hielten, die dergestalt also gelernt h a b e n » . Darnach « s o l l e dann geschehen, was recht sei und der Streit endlich zu einem f ä l l i g e n Ende kommen». Die Zürn wandten sich daraufhin an unseren Erasmus Kern sowie an den Uberlinger Bildhauer Kaspar Prielmayer, dessen Aussagen auch noch der ebenfalls in Ü b e r l i n g e n a n s ä s s i g e Bildhauer Maximilian M ü l l e r beitrat. Trotzdem beide Erklärungen Sohluss kamen, dass die Bendel nicht o r d n u n g s g e m ä s s zu dem ausgebildet seien, konnten sich diese, was hier vorausgenommen sei, letzten Endes doch des Sieges r ü h m e n , da Erzherzog Leopold'die s c h ü t z e n d e Hand ü b e r sie hielt. E r v e r f ü g t e am 26. Dezember 1627, es sei sein « g n ä d i g s t e r Befehl, Wille und Meinung, dass ermelter Bendel — nur Jakob hatte seinen Entscheid angerufen — in ruhiger Ü b u n g seines Handwerks gelassen w e r d e » , da er «in der Kunst anderen Meistern nicht allein glich, sondern wohl f i i r t r e f f e » . Erasmus K e r n , der uns hier interessiert, hatte in seinem Schreiben an die Zunft der Schmiede in Waldsec vom 23. M a i 1625 erklärt, dass am gleichen Tag der « e h r e n h a f t e und kunstreiche Meister Michael Z ü r n , Bildhauer von Waldsee, zu ihm gekommen sei und ihn von dem Streit seines Vaters und seiner (Michaels) f ü n f B r ü d e r mit den Bendel unterrichtet habe. A u f Z ü r n s Wunsch bekunde er nun, es sei « H a n d w e r k s Brauch, dass jeder Bildhauer vier Jahre lang hei einem ehrlichen, redlichen Meister lernen muss . . . und er muss auch von ehrlichen, redlichen Leuten ehelich geboren sein und erzeugt: es darf auch kein M ü l l e r s - oder Baderssohn, Webers- oder Schergensohn die Kunst l e r n e n » . Bendel, der nur eine Lehrzeit von zwei Jahren durchgemacht habe, e r k l ä r t e er daher «dieweilen er seine Lehrjahre nicht erstreckt hat als f ü r einen Fretter und S t ü m p e r , ja f ü r einen unredlichen M e i s t e r » . Das sind starke Worte, aus denen man die entschiedene Parteinahme f ü r die Familie Z ü r n deutlich h e r a u s h ö r t . Dass K e r n mit ihr in p e r s ö n l i c h e r Beziehung stand, wird man daher ohne Bedenken annehmen d ü r f e n . Das Stadtgericht hatte ja nicht selbst die Gutachter bestellt, sondern den K l ä g e r n anheimgegeben, wen sie beizielien wollten. A u c h der Gegenpartei wurde kein Einfluss auf diese Wahl e i n g e r ä u m t . Dass die Z ü r n nur Experten beizogen',deren Stellungnahme sie sicher waren, d ü r f t e sich fast von selbst verstehen. P e r s ö n l i c h e Beziehungen werden'auch bei den anderen Gutachtern deutlich. Sowohl Prielmayer wie M ü l l e r wirkten in Ü b e r l i n g e n , der Stadt, also, f ü r die J ö r g Z ü r n sein ber ü h m t e s t e s Werk, den Hochaltar in der Pfarrkirche (1613 — 1618), geschaffen hat. — Wenn nun Michael Z ü r n , ein Bruder J ö r g s , sich eigens nach Feldkirch aufmachte, um Erasmus Kern zu gewinnen, so wird man dies als Zeichen d a f ü r a u f f a s s e n . d ü r f e n , dass dieser zum Freundeskreis der Zürn g e h ö r t e . Daher ist die Annahme kaum zu — gewagt, der — 142 — 1592 geborene — Erasmus K e r n habe in der Werk- statt des Hans Z ü r n , des Vaters des J ö r g und seiner f ü n f B r ü d e r , zu WakLsee seine Lehrzeit absolviert. Stilitischc Merkmale lassen diese Vermutung als nicht ungereimt erscheinen. Herrn Canonicus F r ö m m e l t verdanke ich iden Hinweis, dass sich in St. Lorenz zu Rottweil eine aus Weilheim stammende Figur der Anna Selbdritt befindet (J. Baum, Kat. N r . 193), die eine auffallende Stilverwandtscha.ft mit 'den Werken des Erasmus K e r n zeigt. Diese Feststellung f ü g t sich gut in die oben g e ä u s s e r t e n Gedankeng ä n g e ein. Bs macht sich n ä m l i c h um 1630 unter den Bildbauern des Bodenseegebietes ein deutlicher Zug nach Bayern und dem bayrischö s t e r r e i c h i s c h e n Grcnzrauni bemerkbar, dem auch mehrere Mitglieder Familie Zürn folgen. Zu diesen g e h ö r t u. ia. auch der Geselle Jakob Z ü r n , der mit M'elchior Bendel 1660 nach Weilheim geht (Layer a. a. 0. S. 184 f.). Mag man nun annehmen, dass ihn K e r n auf dieser Wanderschaft hegleitet und dort die fragliche Figur schuf, oder dass beide, da sie junge W e r k s t a t t g e f ä h r t e n waren, sich der gleichen Formenprache bedienten, die Rottweiler Statue also von H . J . Zürn stammen k ö n n t e , in beiden F ä l l e n w ü r d e n die Beziehungen Kerns zu S ü d s c h w a b e n b e k r ä f t i g t sein. *) Die einschlägigen, im Landesarchiv Innsbruck liegenden Akten wurden edierl und kommentiert von Adolf Layer in «Zürn contra B e n d e l » , Zeitschrift für Kunstwissenschaft Bd. VI (Berlin 1952) S. 181 — 186. Erwin Poeschel
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