Für einen starken Euro

Position
Für einen starken Euro
Stand: September 2015
www.vbw-bayern.de
Position – Für einen starken Euro
vbw – September 2015
Vorwort
X
Vorwort
Bayerns Wirtschaft profitiert von einem starken Euro und einer stabilen Währungsunion
Die Europäische Währungsunion ist eine Gemeinschaft von 19 Staaten, in denen 336
Millionen Menschen leben. Die Wirtschaftsleistung der Eurozone beträgt zehn Billionen
Euro, das sind über 17 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts.
Die europäische Schuldenkrise der letzten Jahre hat die Währungsunion belastet. Sie
hat gezeigt, dass eine überbordende Staatsverschuldung und eine mangelnde internationale Wettbewerbsfähigkeit einzelner Staaten nicht nur für diese Länder ein Problem
darstellen, sondern die gesamte Währungsunion in Gefahr bringen kann. Für einen
dauerhaft stabilen Euro müssen die Mitgliedsstaaten eine solide Haushaltspolitik verfolgen und durch wachstums- und beschäftigungsfördernde Reformen ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern.
Vor allem die Entwicklungen in und mit Griechenland haben die Eurozone vor eine Zerreißprobe gestellt. Es wurde deutlich, dass institutionelle Änderungen in der Währungsunion notwendig sind, die eine Stabilitätspolitik aller Mitgliedsstaaten sicherstellen. Ziel
muss es sein, künftig Krisen möglichst von vorneherein zu vermeiden. Daneben sind
aber auch klare und transparente Regelungen von Nöten, die für einen geordneten
Ablauf künftiger Krisenfälle sorgen.
Die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. steht zum Euro und zur Währungsunion. Als exportorientierte Volkswirtschaft profitiert der Freistaat in besonderer
Weise von der gemeinsamen europäischen Währung. Der Euro ist die konsequente
Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarkts. Und er ist auch ein politisches
Symbol für ein friedliches, in Freiheit vereintes Europa.
Ein starker Euro und eine stabile europäische Wirtschafts- und Währungsunion sorgt
auch in Bayern für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand.
Bertram Brossardt
18. September 2015
Position – Für einen starken Euro
vbw – September 2015
Inhalt
X
Inhalt
1
Die Europäische Währungsunion .............................................................. 1
2
Die Bedeutung der Eurozone für Bayern .................................................. 3
3
Die europäische Schuldenkrise ................................................................. 5
4
Die Position der vbw ................................................................................... 7
4.1
Der Euro schafft Wachstum in Bayern .......................................................... 7
4.2
Ein starker Euro braucht Preisstabilität ......................................................... 8
4.3
Ein starker Euro braucht gesunde Staatsfinanzen......................................... 8
4.4
Ein starker Euro braucht wettbewerbsfähige Volkswirtschaften..................... 9
4.5
4.5.1
4.5.2
4.5.3
4.5.4
4.5.5
Ein starker Euro braucht einen verlässlichen institutionellen Rahmen. .......... 9
Einheitliche und sanktionsfähige Vorgaben für die Finanzpolitik ................. 10
ESM als dauerhafte an Auflagen und Kontrollen gebundene Institution ...... 10
Insolvenzordnung von Staaten .................................................................... 10
Weitergehende Banken- und Finanzmarktregulierung ................................ 11
Ausscheiden einzelner Staaten aus der EWU ............................................. 11
Anhang ....................................................................................................................... 13
Ansprechpartner / Impressum ..................................................................................... 15
Position – Für einen starken Euro
vbw – September 2015
1
Die Europäische Währungsunion
1
Die Europäische Währungsunion
Ein Wirtschaftsraum mit 336 Millionen Menschen
Zum 01. Januar 1999 wurde die gemeinsame europäische Währung, der Euro, als
Buchgeld eingeführt. Am 01. Januar 2002 folgte die Bargeldeinführung. Damit wurde
die Europäische Währungsunion (EWU) vollendet, die mit der Herstellung des freien
Kapitalverkehrs zwischen den EG-Staaten am 01. Juli 1990 begonnen hatte.
Die EWU bestand zum Zeitpunkt der Buchgeldeinführung aus den elf Staaten Belgien,
Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich,
Portugal und Spanien. Bis zur Bargeldeinführung drei Jahre später wurde noch Griechenland in die EWU aufgenommen. In den Folgejahren traten Slowenien, Zypern,
Malta, die Slowakei, Estland, Lettland und Litauen der Eurozone bei.
Monaco, San Marino, die Vatikanstadt und Andorra haben formelle Abkommen mit der
EU geschlossen, die es ihnen erlauben, eigene Euromünzen zu prägen. Daneben benutzen Montenegro und der Kosovo den Euro als Währung. Bulgarien, Bosnien-Herzegowina sowie einige afrikanische Staaten haben ihre Währungen fest an den Euro gebunden. Innerhalb enger Bandbreiten hat Dänemark seine Währung an den Euro gekoppelt.
Der Euro ist heute die weltweit zweitwichtigste Reservewährung. Ein knappes Viertel
der weltweiten Devisenreserven wird derzeit in Euro gehalten. Damit hat sich der Anteil
seit Beginn der Währungsunion 1999 um fast sieben Prozentpunkte erhöht.
Die Eurozone mit dem Gebietsstand seit 01.01.2015 („Euro-19“) umfasst einen Wirtschaftsraum mit 336,1 Millionen Einwohnern. Das sind gut sechs Prozent mehr Menschen, als in den USA leben. Das in der Eurozone erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt
summierte sich im Jahr 2014 auf 10,1 Billionen Euro, das sind über 17 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: Das US-amerikanische BIP betrug 2014 13,1
Billionen Euro, das chinesische BIP belief sich auf 7,8 Billionen Euro.
Die Eurostaaten exportierten im Jahr 2014 Waren im Wert von fast zwei Billionen Euro
in den Rest der Welt. Die Importe summierten sich auf knapp 1,8 Billionen Euro. Das
sind jeweils rund 14 Prozent des Welthandels. Der Handel innerhalb der Eurozone ist
dabei nicht berücksichtigt. Dieser ist mehr als doppelt so groß als der Außenhandel mit
den Nicht-Euro-Staaten.
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Die Bedeutung der Eurozone für Bayern
Die Bedeutung der Eurozone für Bayern
Die Eurozone ist ein wichtiger Partner der bayerischen Wirtschaft.
Die Eurozone ist von hoher Relevanz für den bayerischen Außenhandel. Im Jahr 2014
exportierten bayerische Unternehmen Waren im Wert von 56,7 Milliarden Euro in die
Staaten der Eurozone, das waren 33,6 Prozent aller bayerischen Ausfuhren. Vier der
zehn größten Exportmärkte Bayerns sind Euro-Staaten. Die Importe Bayerns aus den
Mitgliedsstaaten der Europäischen Währungsunion summierten sich auf 58,2 Milliarden
Euro, das waren 38,7 Prozent aller Importe des Freistaats.
Abbildung 1
Struktur des bayerischen Außenhandels 2014
Übrige
Welt
2,7%
Übrige
Welt
4,7%
AUT
7,7%
Übriges Asien
10,6%
FRA
6,8%
Übriges Asien
11,7%
ITA
6,1%
China
9,7%
BEL
2,9%
Übriges Amerika
3,4%
Exporte
AUT
10,0%
NL
3,4%
ITA
7,0%
China
8,0%
NL
5,3%
Übriges Amerika 1,3%
USA
6,3%
Importe
BEL
2,4%
Übrige Eurozone
6,7%
USA
11,7%
Übrige Eurozone
9,9%
Übriges Europa
9,9%
Übriges Europa
8,5%
Übrige EU
19,9%
FRA
4,2%
Übrige EU
21,1%
Quelle: eigene Berechnungen auf Basis von Daten des Bayerischen Landesamts für Statistik.
Die Eurozone ist auch ein bedeutender Investitionsstandort für bayerische Unternehmen. Im Jahr 2012 machte der Bestand an bayerischen Direktinvestitionen in den
Staaten der Eurozone fast die Hälfte aller Direktinvestitionen im Ausland aus. Umgekehrt investieren auch zahlreiche Unternehmen aus den Euro-Staaten im Freistaat. Der
Anteil von Direktinvestitionen aus Staaten der Eurozone an allen ausländischen Direktinvestitionen in Bayern lag sogar bei mehr als 60 Prozent.
Die Bedeutung Europas und der Eurozone für die bayerische Wirtschaft belegt auch
unsere Studie Industrienetzwerke Europa. Mehr als 34 Prozent der bayerischen Industrieunternehmen haben wichtige Kunden, fast jeder vierte Betrieb hat wichtige Lieferanten in Westeuropa. Bedeutende Kooperationspartner in Westeuropa haben mehr als
acht Prozent der Industrieunternehmen Bayerns.
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Die europäische Schuldenkrise
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Die europäische Schuldenkrise
Eine hohe Staatsverschuldung und unterlassene Reformen waren der Kern der Krise
Im Jahr 2010 wurde die europäische Schuldenkrise virulent. Der Kern der Problematik
lag in einer übermäßigen Verschuldung vieler Euro-Staaten. Bereits seit Mitte der
2000er-Jahre hatten viele Euro-Staaten gegen die Vorgaben des Stabilitäts- und
Wachstumspakts – Haushaltsdefizit von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und Schuldenstand von maximal 60 Prozent des BIP – verstoßen. Parallel
dazu verschlechterte sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit vieler Länder wegen
unterlassener Strukturreformen. In der Folge wurden in diesen Ländern Leistungsbilanzdefizite angehäuft, was mit einer steigenden Auslandsverschuldung einherging.
Durch die Finanzkrise gerieten zahlreiche Finanzinstitute in Schwierigkeiten, ein Teufelskreis begann: Die staatlichen Rettungsmaßnahmen für die Banken ließen die öffentlichen Schulden weiter ansteigen. In der Folge gerieten die Staatsanleihen der betreffenden Länder auf den Kapitalmärkten unter Druck. Die verlangten Renditen stiegen kräftig an, was die Finanzierung der Staatshaushalte verteuerte und zum Teil unmöglich machte. Die Banken, die in großem Umfang Staatsanleihen hielten, mussten
auch auf diese Titel Abschreibungen vornehmen, wodurch sich ihre Eigenkapital- und
Liquiditätsprobleme verschärften und weitere staatliche Hilfe notwendig wurde.
Daraus entwickelte sich schließlich eine Konjunkturkrise, die die Schuldenproblematik
noch verschärfte. Die allgemeine Unsicherheit sowie die zur Haushaltskonsolidierung
notwendigen Sparprogramme bremsten die Wirtschaft. Die Rezession führte wiederum
zu einem Rückgang der Steuer- und Abgabeneinnahmen sowie einem Anstieg der Sozialausgaben. Auch Banken- und Konjunkturkrise verschärften sich gegenseitig. Die
Rezession führte zu Insolvenzen und Arbeitslosigkeit und in als Folge zu Kreditausfällen. Umgekehrt führte der notwendige Abbau von Fremdkapital bei den Banken zu einer geringeren Kreditvergabe. Das bremste die Investitionstätigkeit der Unternehmen.
In besonders große Schwierigkeiten kamen Irland, Griechenland, Spanien, Portugal,
Zypern und Italien. Mit Ausnahme Italiens begaben sich diese Länder unter den sog.
Euro-Rettungsschirm. Sie bekamen Hilfen seitens der EU und der Eurostaaten, die an
Vorgaben zu Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen gebunden waren.
Die Krise ist noch nicht überwunden, vor allem was Griechenland betrifft. Insgesamt
hat sich die Lage in der Eurozone aber etwas entspannt. Irland, Spanien und Portugal
konnten den Rettungsschirm Ende 2013 bzw. Anfang 2014 wieder verlassen. Die Rezession ist überwunden. Nicht nur in der Eurozone insgesamt, auch in Irland, Spanien
und Portugal stieg das BIP im Jahr 2014 wieder an. Italien und Zypern konnten im ersten Quartal 2015 wieder ein Wachstum verzeichnen. Selbst in Griechenland wuchs die
Wirtschaft im Jahr 2014 leicht, danach rutschte das Land allerdings wieder in die Rezession.
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Position – Für einen starken Euro
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Die europäische Schuldenkrise
Die Arbeitslosigkeit geht in den meisten Ländern langsam, aber kontinuierlich zurück.
Allerdings ist die Erwerbslosigkeit weiterhin auf sehr hohem Niveau. In Italien und Zypern war bis Mitte 2015 noch keine Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt festzustellen.
Abbildung 2
Bruttoinlandsprodukt und Arbeitslosigkeit in der Eurozone
Bruttoinlandsprodukt; preis- und saisonbereinigt, Index: 2010 = 100
harmonisierte und saisonbereinigte Arbeitslosenquote
Euro
Euro
115
IRL
GRE
ESP
ITA
POR
CYP
110
IRL
GRE
ESP
ITA
POR
CYP
30,0
25,0
105
20,0
100
15,0
95
10,0
90
5,0
85
80
0,0
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Quelle: Eurostat
Die wirtschaftlichen Erfolge sind das Ergebnis der Reformen in den Krisenstaaten, die
teils mehr und teils weniger weit fortgeschritten sind. Mit Ausnahme Zyperns konnten
die Länder ihre Defizitquoten zurückführen. Dies reichte jedoch – mit Ausnahme Irlands – noch nicht, um die Schuldenstandsquoten zu reduzieren. Diese liegen weiter
erheblich über der Zielgrenze von 60 Prozent des BIP.
Abbildung 3
Finanzierungssaldo und Schuldenstand der öffentlichen Haushalte
Finanzierungssaldo, in Prozent des BIP
Schuldenstand, in Prozent des BIP
Euro
IRL
GRE
ESP
ITA
POR
CYP
10
Euro
IRL
GRE
ESP
2011
2012
ITA
POR
CYP
200
5
180
0
160
-5
140
120
-10
100
-15
80
-20
60
-25
40
-30
20
-35
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
0
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2013
2014
Quelle: Eurostat
Die betroffenen Staaten konnten auch ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit verbessern.
So sind die Lohnstückkosten in Irland, Portugal und Spanien und zuletzt auch in Griechenland gesunken, in Italien konnte der Anstieg zumindest deutlich gebremst werden.
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Die Position der vbw
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Die Position der vbw
Für einen starken Euro, der für Wachstum und Beschäftigung in Bayern sorgt.
Die bayerische Wirtschaft bekennt sich klar zum Euro und zur Europäischen Währungsunion. Die gemeinsame Währung symbolisiert nicht nur das ideelle Projekt eines
friedlichen, vereinten und politisch handlungsstarken Europas. Der Euro hat auch klare
ökonomische Vorteile. Er bringt gerade einer exportorientierten Volkswirtschaft wie
Deutschland bzw. Bayern große Vorteile, von denen Unternehmen und Arbeitnehmer
gleichermaßen profitieren. Deshalb sprechen wir uns für einen starken Euro und eine
stabile Wirtschafts- und Währungsunion aus. Voraussetzung hierfür sind ein stabiles
Preisniveau, eine solide Haushaltspolitik und wettbewerbsfähige Wirtschaftsstrukturen
in den Mitgliedsstaaten sowie institutionelle Rahmenbedingungen, die eine Stabilitätspolitik sicherstellen.
4.1
Der Euro schafft Wachstum in Bayern
Der Euro als starke, für einen großen Wirtschaftsraum geltende gemeinsame Währung
sorgt für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand.
Die gemeinsame europäische Währung ist die konsequente Weiterentwicklung des
Binnenmarkts. Der Euro fördert den internationalen Handel, der eine entscheidende
Quelle für Wachstum und Wohlstand ist. Der Wegfall von Wechselkursschwankungen
reduziert das Risiko im Außenhandel erheblich, Kosten für Kurssicherungsgeschäfte
entfallen. Dies gilt nicht nur für den Handel mit den Euro-Staaten. Schätzungen gehen
davon aus, dass mittlerweile die Hälfte des deutschen Außenhandels in Euro abgerechnet wird.
Die feste Wechselkursrelation reduziert die Unsicherheit für Unternehmen und fördert
somit deren Investitionsbereitschaft auch über Ländergrenzen hinweg. Außerdem sorgt
eine gemeinsame Währung für Transparenz und fördert so den Wettbewerb. Dies führt
letztendlich zu niedrigeren Preisen und einer höheren Kaufkraft der Konsumenten.
Wegen seiner Größe ist der Euro weniger anfällig für Devisenspekulationen, sodass
auch Kursschwankungen gegenüber anderen Währungen gedämpft werden. Seit seiner Einführung im Jahr 1999 bewegte sich der Euro z. B. gegenüber dem US-Dollar in
einer Spanne von etwa +/-25 Prozent. Die D-Mark schwankte gegenüber der US-Währung in den fünfzehn Jahren zuvor in einer doppelt so großen Bandbreite.
Der Euro ist nicht nur im Außenverhältnis, sondern auch intern eine stabile Währung.
Seit 1999 lag die durchschnittliche jährliche Inflationsrate in Deutschland bei 1,5 Prozent. In den letzten fünfzehn Jahren vor der Euro-Einführung stiegen die Verbraucherpreise im Schnitt um 2,2 Prozent.
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Die Position der vbw
Position – Für einen starken Euro
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Die Prognos AG hat folgendes Szenario gerechnet: Wenn Deutschland heute aus der
EWU ausscheiden und die D-Mark wieder einführen würde, fiele das BIP-Wachstum
bis 2025 um jährlich 0,5 Prozentpunkte niedriger aus. Aufsummiert gingen fast 1,2 Billionen Euro an Wirtschaftsleistung – das entspricht der Hälfte des deutschen BIP von
2012 – und 200.000 Arbeitsplätze verloren.
4.2
Ein starker Euro braucht Preisstabilität
Die Europäische Zentralbank muss für Preisstabilität im Euroraum sorgen.
Die Stärke einer Währung bemisst sich an ihrem internen Wert, also am Niveau der
Preisstabilität. Verantwortlich hierfür ist die Europäische Zentralbank (EZB). Laut EGVertrag ist deren Hauptziel die Sicherung der Preisstabilität in der Europäischen Währungsunion. Die EZB hat dieses Ziel konkretisiert als jährliches Wachstum des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) von unter, aber nahe zwei Prozent. Bislang
wurde dieses Ziel weitgehend erreicht, im Schnitt lag der Anstieg des HVPI bei knapp
zwei Prozent pro Jahr.
Im Zuge der europäischen Schuldenkrise hat die EZB den Ankauf ausfallgefährdeter
Staatsanleihen (OMT-Programm) zugesagt. Einen solchen Ankauf von Staatsanleihen
auf dem Primärmarkt lehnen wir ab. Auch Anleihekäufe auf dem Sekundärmarkt in großem Umfang sind kritisch zu bewerten. Doch in außergewöhnlichen Situationen sind
außergewöhnliche Maßnahmen zu rechtfertigen. Ohne Zweifel hat die EZB durch die
Ankündigung des OMT-Programms zur Beruhigung der Finanzmärkte beigetragen.
Die Anleihekäufe dürfen aber nicht dazu führen, dass die Länder in ihren Reformanstrengungen nachlassen. Daher ist es richtig, dass das OMT-Programm auf Staaten
beschränkt ist, die unter dem Rettungsschirm ESM stehen und somit ein Reformprogramm umsetzen müssen.
Entscheidend, ist dass die EZB stets die Geldwertstabilität im Auge behält und spätestens dann zu ihrem stabilitätsorientierten geldpolitischen Kurs zurückkehrt, wenn die
Preisstabilität in der Eurozone in Gefahr gerät.
4.3
Ein starker Euro braucht gesunde Staatsfinanzen
Die Euro-Staaten müssen ihre öffentlichen Haushalte konsolidieren und dauerhaft für
solide Staatsfinanzen sorgen.
Voraussetzung für eine stabile Währungsunion und einen starken Euro sind solide
Staatsfinanzen in den Mitgliedsstaaten. Jedes Euroland ist gefordert, durch eine qualitative Konsolidierungspolitik seine Staatsschulden abzubauen. Das heißt, es muss bei
den konsumtiven Ausgaben angesetzt werden. Eine Kürzung der öffentlichen Investitionen sollte ebenso vermieden werden wie Steuererhöhungen, denn beides wirkt
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wachstumsfeindlich. Lediglich da, wo Steuersysteme lückenhaft sind, müssen sie geschlossen werden.
Um eine dauerhaft solide Finanzpolitik zu gewährleisten müssen die Mitgliedsstaaten
Vorgaben zur Neuverschuldung und zum Schuldenstand konsequent umsetzen. Die
innerhalb der Eurogruppe vereinbarten Schuldenbremsen müssen in den Mitgliedsländern gesetzlich verankert werden.
Auch die hohe private Verschuldung in einigen Staaten muss weiter abgebaut werden,
vor allem ist eine Rekapitalisierung der Banken erforderlich. Die aktuellen Probleme im
Bankensektor einiger Staaten führen dazu, dass die dortigen Unternehmen nicht im
notwendigen Ausmaß mit Krediten versorgt werden.
4.4
Ein starker Euro braucht wettbewerbsfähige Volkswirtschaften
Die Mitglieder der Eurozone müssen durch wachstums- und beschäftigungsfördernde
Reformen die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Standorte zu verbessern.
Alle Euro-Mitgliedsstaaten sind gefordert, strukturelle Reformen durchzuführen, die zu
mehr Liberalisierung und Flexibilität führen – vor allem auf dem Arbeitsmarkt, aber
auch auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten. Notwendig sind zudem eine Begrenzung der Arbeits- und Energiekosten, der Ausbau der Infrastruktur und der Abbau von
Bürokratie und Regulierung. Dies verbessert die internationale Wettbewerbsfähigkeit
und fördert so Wachstum und Beschäftigung.
Ein positives Wirtschaftswachstum erleichtert auch die Haushaltskonsolidierung. Schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme hingegen wären der völlig falsche Weg, weil sie
das Ziel der Haushaltskonsolidierung konterkarieren.
Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die Stärkung der Industrie in Europa. Zu Recht hat die
EU-Kommission das ambitionierte Ziel ausgegeben, den industriellen Wertschöpfungsanteil bis zum Jahr 2020 wieder auf 20 Prozent zu erhöhen. Die Industrie ist der entscheidende Motor für Wachstum und Beschäftigung auch in anderen Branchen. Notwendig sind Rahmenbedingungen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Industrieunternehmen in Europa verbessern.
4.5
Ein starker Euro braucht einen verlässlichen institutionellen Rahmen.
Die Eurozone braucht institutionelle Regelungen, die gewährleisten, dass die Währungsunion zu einer Stabilitätsunion wird.
10
4.5.1
Die Position der vbw
Position – Für einen starken Euro
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Einheitliche und sanktionsfähige Vorgaben für die Finanzpolitik
Ein einheitlicher Währungsraum braucht eine verbindliche, einheitliche Finanzpolitik.
Erforderlich sind strikte Vorgaben für die Mitgliedsländer zu Neuverschuldung und
Schuldenstand, bei deren Nichteinhaltung klare und automatische Sanktionsmechanismen greifen. Die Sanktionen müssen eine disziplinierende Abschreckungswirkung entfalten.
Der Fiskalpakt mit der Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, eine Schuldenbremse im nationalen Recht festzuschreiben, ist ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung.
Nun müssen die Schuldenbremsen auch tatsächlich in den einzelnen Ländern gesetzlich verankert und ein Verfahren gefunden werden, das die Sanktionsmechanismen automatisch und ohne politische Einflussnahme greifen lässt.
4.5.2
ESM als dauerhafte an Auflagen und Kontrollen gebundene Institution
Um zukünftige Krisen zu vermeiden, ist der Europäische Stabilitätsmechanismus
(ESM) als Krisenfonds für Staaten, die in Probleme geraten, ein richtiges Instrument.
Voraussetzung für die Gewährung von Hilfen sind strikte Auflagen für die Haushaltspolitik der hilfebedürftiger Staaten, strenge Kontrollen und durchgreifende Sanktionen bei
Nichteinhaltung.
Die Ausgabe von Euro-Bonds, Euro-Bills oder anderer Instrumente, die zu einer Vergemeinschaftung von Schulden führen, lehnen wir ab. Dies würde das Haftungsprinzip
aushebeln und die falschen Anreize setzen. Durch die gesamtschuldnerische Haftung
hätten die einzelnen Staaten keinen Anlass, solide zu haushalten. Staaten mit solider
Haushaltspolitik werden benachteiligt, weil die Finanzierungskosten für sie im Zuge der
höheren Renditen von z. B. Euro-Bonds steigen würden. Im Gegenzug hätten die überschuldeten Staaten Vorteile, da sie niedrigere Zinsen zahlen müssten als für nationale
Anleihen. Das Prinzip der individuellen Haftung ist ein Kernelement der Marktwirtschaft
und darf auch für Staaten nicht aufgegeben werden.
4.5.3
Insolvenzordnung von Staaten
Wenn der Schuldendienst einzelner Staaten dauerhaft nicht mehr tragfähig ist, so darf
ein Schuldenschnitt nicht ausgeschlossen sein. Um Verlässlichkeit und Berechenbarkeit zu schaffen, ist eine Insolvenzordnung für Staaten notwendig. Auf lange Sicht ist
eine weltweit geltende Insolvenzordnung anzustreben, um Wettbewerbsnachteile europäischer Staatsanleihen auf den Kapitalmärkten zu verhindern.
Eine Insolvenzordnung muss aber so ausgestaltet sein, dass es für Staaten in entsprechenden Problemlagen möglichst unattraktiv ist, sich auf diesem Weg eines Großteils
ihrer Schulden zu entledigen. Denkbar wäre zum Beispiel, dass ein Schuldenschnitt
erst dann möglich ist, wenn sich der Staat für bestimmte Zeit einem ESM-Programm
unterworfen hat.
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Ein glaubhaftes und transparentes Verfahren für staatliche Insolvenzen sorgt dafür,
dass Kapitalgeber künftig in ihrer Anlagestrategie die mögliche Insolvenz eines Staates
einkalkulieren. Dies stärkt den Marktmechanismus und seine disziplinierende Wirkung
auf staatliche Finanzpolitik. Wenn Anleger nicht mehr auf den gegenseitigen Beistand
der Euroländer hoffen dürfen, müssen sie stets das Ausfallrisiko von Staatsanleihen
bewerten, sodass sich realistische Anleiherenditen am Markt bilden. Da eine Verschlechterung der Haushaltslage schon frühzeitig zu höheren Renditeforderungen führen, haben die Staaten einen Anreiz, dauerhaft solide zu haushalten.
4.5.4
Weitergehende Banken- und Finanzmarktregulierung
Die EU-Kommission zielt mit einer Kapitalmarktunion darauf ab, wirtschaftliche Risiken
in der EU wieder über den Kapitalmarkt zu verteilen, um so die fiskalische Risikoabsicherung zurückführen zu können. Das ist auf dem Rückweg zu wirtschaftlicher Normalität in der EU ein richtiger Schritt. Investoren werden jedoch nur dann in wirtschaftlich
schwachen Regionen Risiken übernehmen, wenn kalkulierbare Ertragsperspektiven
gegeben sind. Eine Voraussetzung dafür sind verlässliche rechtsstaatliche Strukturen
und zukunftsweisende wirtschaftspolitische Entscheidungen in der jeweiligen Region.
Wenn diese Basis fehlt und Investitionen nur stattfinden, weil das Risiko durch Sicherungssysteme übernommen wird, werden Probleme nachhaltig verfestigt. Deshalb bleiben Rahmenbedingungen notwendig, die auch in der Eurozone jeden Mitgliedsstaat
veranlassen, die Grundlagen für seine wirtschaftliche Entwicklung laufend eigenverantwortlich zu verbessern. Ein staatlich organisierter automatischer innereuropäischer Risikoausgleich stünde dem entgegen. Es darf ihn nicht geben.
In Reaktion auf die Krise hat die EU die Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte in
wichtigen Punkten weiterentwickelt oder entsprechende Initiativen angestoßen. Diese
Vorhaben müssen so abgeschlossen werden, dass der Finanzmarkt weltweit dauerhaft
und verlässlich die Kapitalversorgung der Unternehmen gewährleistet und so die Basis
für wachstumsbasierte Staatseinnahmen stärkt. Dazu muss die Regulierung grundlegenden ordnungspolitischen Maßstäben folgen und so gestaltet werden, dass sie mit
möglichst geringem bürokratischem Aufwand umgesetzt werden kann.
Die vielfach diskutierte Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur Haushaltskonsolidierung ist grundsätzlich der falsche Weg. Diese Steuer würde etwa die private und
betriebliche Altersvorsorge oder industrielle Absicherungsgeschäfte massiv belasten, in
den betroffenen Ländern zu einem massiven Kapitalabfluss führen und die Finanzmarktstabilität spürbar beeinträchtigen.
4.5.5
Ausscheiden einzelner Staaten aus der EWU
Wenn sich ein Euro-Mitgliedsland dauerhaft unkooperativ zeigt, darf als ultima ratio
auch die Vereinbarung des Ausscheidens dieses Landes aus der EWU nicht ausge-
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Die Position der vbw
Position – Für einen starken Euro
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schlossen sein. Dieser Schritt kommt vor allem unter zwei Voraussetzungen in Betracht: Wenn die Probleme des betroffenen Staates den Außenwert des Euro zu stark
schwächen oder wenn hinreichende Aussichten bestehen, dass das Land mit einer eigenen Währung seine Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig steigern kann, damit sich sein
Leistungsbilanzdefizit spürbar verringert.
Ein solcher Schritt muss allerdings sorgfältig vorbereitet werden, um Ausstrahlungseffekte auf andere Staaten und das In-Gang-Setzen eines Dominoeffekts zu vermeiden.
Das Ausscheiden einzelner Staaten darf nicht als Signal für ein komplettes Auseinanderbrechen des Währungsraums gewertet werden.
Position – Für einen starken Euro
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Anhang
13
Anhang
Weitere Publikationen zum Thema:
– vbw Studie Industrienetzwerke Europa, https://www.vbw-bayern.de/vbw/Aktionsfelder/Europa/Europa-im-Fokus/Industrienetzwerke-Europa.jsp
– vbw Position Industriepolitik für Europa, https://www.vbw-bayern.de/vbw/Aktionsfelder/Europa/Europa-im-Fokus/Industriepolitik-f%C3%BCr-Europa.jsp
– vbw Position Zehn Argumente für die EU, http://cms.baymevbm.de/fs5webedit_541471/preview/541471/media/DE/current/1660110/x.pdf
Position – Für einen starken Euro
vbw – September 2015
Ansprechpartner / Impressum
Ansprechpartner
Volker Leinweber
Volkswirtschaft
Telefon 089-551 78-133
Telefax 089-551 78-294
[email protected]
Dr. Benedikt Rüchardt
Wirtschaftspolitik
Telefon 089-551 78-252
Telefax 089-551 78-249
[email protected]
Impressum
Alle Angaben dieser Publikation beziehen sich grundsätzlich sowohl
auf die weibliche als auch auf die männliche Form. Zur besseren
Lesbarkeit wurde meist auf die zusätzliche Bezeichnung in weiblicher
Form verzichtet.
Herausgeber:
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