Strategie Active Share: Die einzelnen Teile sind mehr wert als das Ganze AUTOREN: CHRISTIAN FRANZEN & GEORGIOS COSTA GEORGIOU 16 17 Ähnlich wie bei technischen Innovationen ist Alpha im Wesentlichen das Ergebnis eines Kombinationsprozesses 1. In diesem werden bereits bekannte Technologien – in diesem Fall also Alpha und Beta – auf bisher nicht bekannte Weise verknüpft. Im Fall von Innovationen wird dieser Kombinationsprozess durch Patente dokumentiert. Tatsächlich werden im Rahmen des Patentrechts nicht die Erfindungen als solche patentiert, sondern die einzelnen Elemente, die ihre Funktion ausmachen. Fondsportfolio die Gewichtsabweichungen der einzelnen Wertpapiere von den Benchmarkbestandteilen ermittelt, addiert und die Summe durch zwei geteilt. Ein Active Share von null Prozent besagt, dass der Fonds die Benchmark exakt nachbildet, bei 100 Prozent enthält er keinen Titel aus der Benchmark. Die Berechnungsformel lautet: Active Share = 12 * ∑|wi,F — wi,B|i∈ F ∪ B So gesehen sind die „einzelnen Teile mehr wert als das Ganze“. Neu kombiniert können sie durchaus weitere Innovationen ermöglichen. Es liegt nahe, diese Analogie auf das aktive Aktienmanagement zu übertragen, speziell auf das Konzept des Active Share. Dabei bezeichnet Index i genau ein mögliches Asset aus Benchmark B oder Fonds F. Wi ist das Gewicht von Asset i, das heißt, ist zum Beispiel Asset i Bestandteil der Benchmark, aber nicht im Fonds investiert, gilt wi,F = 0. Die Wissenschaftler Martijn Cremers und Antti Petajisto stellten 2009 in einer Studie („How Active is Your Fund Manager? A New Measure that Predicts Performance“, 2009) 2 den Active Share als neue Kennzahl zur Messung des Aktivitätsgrads von Fondsmanagern im Verhältnis zu einer Benchmark vor. Dabei werden in einem Der Active Share ist damit ein unkompliziertes Maß für die Abweichung eines Aktienportfolios von der Zusammensetzung seines Benchmarkindexes. Der Active Share wird von Anlegern zunehmend bei der Auswahl von Managern für den aktiven Teil ihrer Aktienallokation herangezogen. Doch unter Fachleuten ist mittlerweile strittig, inwieweit die Kennzahl Active Share im Rahmen der Portfoliosteuerung überhaupt einen Nutzen bzw. einen Aussagewert hat. 1 Vgl. Youn, H., Bettencourt/L. M. A., Strumsky, D./Lobo, J. (2014): Invention as a Combinatorial Process: Evidence from U. S. Patents, aufgerufen am 1. Dezember 2014 unter http://arxiv.org/abs/1406.2938. 2 Vgl. Cremers, M./Petajisto, A. (2009): How Active is Your Fund Manager? A New Measure that Predicts Performance, in: The Review of Financial Studies 22 (9), S. 3329–3365. 18 UPDATE III /2015 STRATEGIE Der Active Share ist damit ein unkompliziertes Maß für die Abweichung eines Aktienportfolios von der Zusammensetzung seines Benchmarkindexes. Mathematisch gesehen entspricht der Active Share genau der Summe seiner Bestandteile, nicht mehr und nicht weniger. Jedoch deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass beim Active Share „das Ganze mehr wert ist als die Summe seiner Teile” – und zwar dahingehend, dass der Active Share nicht nur ein Maß für den Grad der Portfolioaktivität ist, sondern auch ein guter Indikator für das zu erwartende Alpha. Cremers und Petajisto haben vermutlich als Erste dieses Konzept empirisch anhand einer großen Zahl an US-Publikumsfonds untersucht. Sie konnten zeigen, dass die Fonds mit dem höchsten Active Share historisch eine positive Korrelation mit dauerhaft über der Benchmark liegenden Erträgen aufwiesen. Das von ihnen erzielte stetige Alpha war selbst nach Kosten höher als das ak tiver Fonds mit dem geringsten Active Share. Mehrere weitere Studien haben dieses Ergebnis sowohl für US-Fonds als auch für andere Fonds bestätigt. Einiges weist außerdem darauf hin, dass ein höherer Active Share je nach Marktvolatilität und Investmentstil mit einem höheren Abwärtsrisiko, einer breiteren Streuung der Ergebnisse (Dispersion) und einem höheren Tracking Error einhergeht.3 Diese Ergebnisse erscheinen auf den ersten Blick recht überzeugend. Im Großteil der Forschungs- arbeiten wurden mehrere Einflussfaktoren kontrolliert, die zu einer nur scheinbaren Korrelation zwischen Active Share und Alpha hätten führen können. Ein weiterer bedeutender Einflussfaktor ist die Gewichtung nach Marktkapitalisierung. So machen in verschiedenen Indizes für einzelne Schwellenländer die zehn größten Positionen mitunter mehr als die Hälfte des Index aus, beispielsweise beim MSCI China Index. Dies erschwert die Anhebung des Active Share gegenüber weniger „kopflastigen” Indizes. 3 Vgl. Morningstar: Active Share: What You Need to Know (Mai 2014) und How Active Are the Biggest Active Foreign Funds?, Juni 2014. Insgesamt dürfte es Konsens sein, dass die Relation zwischen Active Share und Performance nicht linear ist, sondern dass eine Allerdings können im Hintergrund weitere Störvariablen lauern. Dies gilt insbesondere aufgrund des hohen Aggregationsgrads der Daten, der zur Ableitung allgemeiner Aussagen aus jahrzehntelangen Zeitreihen unter Einbeziehung tausender Fonds notwendig ist. Zum Beispiel kann die Höhe des Active Shares erheblich durch die Art der gewählten Benchmark verzerrt werden. So kann sich im Fall des S&P SmallCap 600 und des Russell 2000 bereits aufgrund der unterschiedlichen Zahl der Indexpositionen ein höherer Active Share für Fonds ergeben, die am letztgenannten Index gemessen werden. 19 Reihe weiterer Variablen eine Rolle spielt. Ein gutes Beispiel dafür ist der Tracking Error, der seinerseits eine nicht-lineare Funktion der aktiven Entscheidungen des Portfoliomanagers, der Marktvolatilität und der Korrelation der Aktienrenditen ist. Der Active Share sollte daher seinem Grundgedanken nach bestenfalls zur Überprüfung verwendet werden, ob ein in Frage kommender Aktienmanager tatsächlich einen aktiven Ansatz verfolgt und ob die gewählte Benchmark sinnvoll ist. entsprechend mindestens eines der vier folgenden Elemente genutzt werden. 1 Über-/Untergewichtung: Eine in der Benchmark enthaltene Aktie ist auch im Portfolio vertreten, ihr Anteil ist aber höher bzw. niedriger als im Index. 2 Nullgewichtung: Auf eine im Index vertretene Aktie wird im Portfolio ganz verzichtet. Der gewonnene Spielraum wird für aktive Positionen in anderen Titeln genutzt. Unterdessen haben die Datenauswertungen im Zuge der frühen Untersuchungen zum Active Share einigen Aufschluss darüber gegeben, in welchen Bereichen sich aktives Management besonders lohnt. 3 Substitution von Benchmarkpositionen: Statt einer in der Benchmark enthaltenen Aktie wird ein nicht im Index vertretener Titel mit vergleichbarer fundamentaler Charakteristik gekauft. Die Position weicht also in Bezug auf Aspekte wie Land, Branche, Börsenkapitalisierung, Value-/Growth-Eigenschaften usw. nicht von der Benchmark ab. Aufteilung des Active Share auf vier Segmente Nach Meinung der Autoren nach lohnt sich für Anleger ein stärker mikroanalytisch ausgeprägter Ansatz in Bezug auf den Active Share, bei dem man Portfolioperformance und -risiko im aktivsten Teil des Fondsspektrums betrachtet. Zwar haben frühere Studien einige typische Bereiche mit hohem Active Share identifiziert, beispielsweise die Beimischung von Small Caps in Fonds für Standardaktien. Allerdings sagt dies wenig darüber aus, wie es eigentlich zu dieser Abweichung von der Benchmark oder der Variation der Anlagestrategie gekommen ist. Stellt der damit erzielte Mehrertrag ein beabsichtigtes und wiederholbares Alpha dar? Oder handelt es sich um eine eher nebensächliche, auf Beta beruhende Outperformance? 4 Off-Benchmark-Faktor-Exposure: Es wird eine nicht in der Benchmark enthaltene Aktie gekauft, die in ihren fundamentalen Eigenschaften von den Titeln im Index abweicht. Somit beinhaltet die Position ein aktives Engagement in Faktoren außerhalb der Benchmark. Diese Elemente sind in früheren Studien weitgehend übergangen worden. Man erhält sie, indem man die Bestände eines Portfolios gemäß den obigen Kriterien in vier entsprechende Segmente aufteilt. Dabei ist es wichtig, die Unterscheidung zwischen der bloßen Substitution einer Benchmarkposition und echtem Off-Benchmark-Exposure unter Vorbehalt zu treffen. Denn nicht immer lassen sich alle Faktoren außerhalb der Benchmark berücksichtigen. Auf der Einzeltitelebene sind einige (z. B. die Branchenzugehörigkeit) leichter zu erkennen als andere (z. B. das Momentum einer Aktie). Des Weiteren lassen sich mit dem vorgeschlagenen Vorgehen nicht alle aktiven Faktorwetten im Portfolio abdecken, seien sie absichtlich eingegangen worden oder nicht. Sie können sich auch aus der Kombination mehrerer Titel aus allen vier Segmenten ergeben 4. Um dies verlässlich beantworten zu können, sollte der Active Share in Zusammenhang mit der jeweiligen Fondscharakteristik und dem zugrunde liegenden Investmentprozess gesehen werden. Dies gilt umso mehr, als sich die aktivsten Fonds hinsichtlich ihrer Konzeption stärker voneinander unterscheiden dürften als weniger aktive. Darüber hinaus genügt es nicht, sich auf die Verteilung der Korrelationen der Portfoliokennzahlen innerhalb der betrachteten Fondsgesamtheit zu konzentrieren, indem man eine Momentaufnahme ihrer Positionen zugrunde legt (normalerweise zum Quartalsende). Um eine korrekte Beziehung zwischen aktiver Portfoliokonstruktion und Alpha herstellen zu können, müssen auch die Entwicklung des Active Share innerhalb der Portfolios sowie die Veränderung sonstiger Kennzahlen im Zeitablauf analysiert werden. Die vorgeschlagene Aufteilung des Alphas und des Tracking Errors eines Portfolios auf die vier genannten Segmente (siehe Grafik 1 ) stellt dabei eine praktikablere Annäherung an die Erwartungen des Fondsmanagers, die Breite des Portfolios und die Anlagegrenzen dar. Nach eigener Erfahrung aus regelmäßigen Portfolioanalysen empfiehlt es sich, den Active Share in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen. Um den Active Share eines Aktienportfolios zu erhöhen, das sich an einem voll investierten Aktienindex misst, muss dem- 4 Selbst die Kasseposition, die konzeptionell in das Segment „Off-Benchmark-Exposure“ gehört, kann in bestimmten Marktsituationen als eine Faktorwette wirken. 20 UPDATE III /2015 STRATEGIE 21 01 ZUSAMMENSETZUNG VON ALPHA (KUMULATIV) & TRACKING ERROR* Basispunkte 800 600 400 200 0 – 200 – 400 – 600 Q4/2011 Q1/2012 Q2/2012 Q3/2012 Q4/2012 Q1/2013 Q2/2013 Q3/2013 Über-/Untergewichtung Alpha Substitution von Benchmarkpositionen Alpha** Über-/Untergewichtung Tracking Error Substitution von Benchmarkpositionen Tracking Error Nullgewichtung Alpha Off-Benchmark-Faktor-Exposure Alpha** Nullgewichtung Tracking Error Off-Benchmark-Faktor-Exposure Tracking Error * Beispiel dargestellt mittels eines Aktienportfolios, das gegenüber dem EURO STOXX 50 Index gemessen wird. ** Enthält Cash-Positionen. Quelle: Allianz Global Investors 22 Q4/2013 Q1/2014 Q2/2014 Q3/2014 UPDATE III /2015 STRATEGIE Wenn man begreift, wie die einzelnen Elemente zur Umsetzung einer Anlageidee verwendet werden, wird einem auch klar, ob sich diese Idee bezahlt macht. Zusammenfassung Christian Franzen ist Global Head of Performance & Portfolio Risk bei Allianz Global Investors. Vor dieser Aufgabe war er mehrere Jahre als Consultant Relations Manager bei Allianz Global Investors tätig. Er startete seine Laufbahn 1994 bei der Raiffeisenbank, worauf verschiedene Tätigkeiten im Portfolio Management und Risikomanagement bei der Commerzbank AG und der Crédit Suisse Asset Management K AG folgten. Christian Franzen absolvierte unter anderem ein Studium an der Frankfurt School of Finance & Management und ist Certified European Financial Analyst (CEFA) sowie Certified International Investment Analyst (CIIA). Bei der Bewertung unterschiedlicher aktiver Aktienfondsmanager ist die Diskussion über die Prognosegüte des Active Share unserer Ansicht nach nicht zielführend. Die Betrachtung aggregierter Werte zum Active Share ist zwar ein Anfang, kratzt aber nur an der Oberfläche. Anleger gewinnen besser verwertbare Erkenntnisse über die Portfolios, wenn sie den Active Share in seine Bestandteile zerlegen. Wenn man begreift, wie die einzelnen Elemente zur Umsetzung einer Anlageidee verwendet werden, wird einem auch klar, ob sich diese Idee bezahlt macht. Nur dann können wir begründeterweise darauf vertrauen, dass das aktive Management durch einen Informationsvorteil gestützt wird. Mit dem hier vorgestellten Ansatz wird der Active Share in ein praktikableres Konzept umgewandelt. Dieses lässt sich auch in den Bereichen Anleihen, Multi Asset und Alternatives anwenden – wo die relevanten Elemente unter Umständen nicht additiv sind. Georgios Costa Georgiou arbeitet als Director im Performance & Portfolio Risk Team. Bevor er bei Allianz Global Investors eintrat, war er als Head of Investment Risk bei Invesco und davor als Director Global Markets bei der Bank of America Merrill Lynch beschäftigt. Darüber hinaus hat er verschiedene Positionen bei der Deutschen Bank, bei UBS und bei der UK Financial Services Authority bekleidet. Georgios Costa Georgiou begann seine Laufbahn als Ökonom bei der Europäischen Zentralbank, nachdem er an der Georgetown University und der University of Oxford seinen Abschluss erworben hatte. Ein weiterer Grund, weshalb die einzelnen Teile mehr wert sind als das Ganze. 23
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