Active Share: Die einzelnen Teile sind mehr wert als das Ganze

Strategie
Active Share: Die einzelnen Teile
sind mehr wert als das Ganze
AUTOREN: CHRISTIAN FRANZEN & GEORGIOS COSTA GEORGIOU
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Ähnlich wie bei technischen Innovationen ist Alpha im Wesentlichen
das Ergebnis eines Kombinationsprozesses 1. In diesem werden
bereits bekannte Technologien – in diesem Fall also Alpha und
Beta – auf bisher nicht bekannte Weise verknüpft. Im Fall von
Innovationen wird dieser Kombinationsprozess durch Patente
dokumentiert. Tatsächlich werden im Rahmen des Patentrechts
nicht die Erfindungen als solche patentiert, sondern die einzelnen
Elemente, die ihre Funktion ausmachen.
Fondsportfolio die Gewichtsabweichungen der einzelnen Wertpapiere von den Benchmarkbestandteilen ermittelt, addiert und
die Summe durch zwei geteilt. Ein Active Share von null Prozent
besagt, dass der Fonds die Benchmark exakt nachbildet, bei
100 Prozent enthält er keinen Titel aus der Benchmark.
Die Berechnungsformel lautet:
Active Share = 12 * ∑|wi,F — wi,B|i∈ F ∪ B
So gesehen sind die „einzelnen Teile mehr wert als das Ganze“.
Neu kombiniert können sie durchaus weitere Innovationen ermöglichen. Es liegt nahe, diese Analogie auf das aktive Aktienmanagement zu übertragen, speziell auf das Konzept des Active Share.
Dabei bezeichnet Index i genau ein mögliches Asset aus Benchmark
B oder Fonds F. Wi ist das Gewicht von Asset i, das heißt, ist zum
Beispiel Asset i Bestandteil der Benchmark, aber nicht im Fonds
investiert, gilt wi,F = 0.
Die Wissenschaftler Martijn Cremers und Antti Petajisto stellten
2009 in einer Studie („How Active is Your Fund Manager? A New
Measure that Predicts Performance“, 2009) 2 den Active Share als
neue Kennzahl zur Messung des Aktivitätsgrads von Fondsmanagern im Verhältnis zu einer Benchmark vor. Dabei werden in einem
Der Active Share ist damit ein unkompliziertes Maß für die Abweichung eines Aktienportfolios von der Zusammensetzung seines
Benchmarkindexes.
Der Active Share wird von Anlegern zunehmend bei der Auswahl
von Managern für den aktiven Teil ihrer Aktienallokation herangezogen. Doch unter Fachleuten ist mittlerweile strittig, inwieweit
die Kennzahl Active Share im Rahmen der Portfoliosteuerung
überhaupt einen Nutzen bzw. einen Aussagewert hat.
1 Vgl. Youn, H., Bettencourt/L. M. A., Strumsky, D./Lobo, J. (2014): Invention as a Combinatorial Process: Evidence from U. S. Patents, aufgerufen am 1. Dezember 2014 unter
http://arxiv.org/abs/1406.2938.
2 Vgl. Cremers, M./Petajisto, A. (2009): How Active is Your Fund Manager? A New Measure
that Predicts Performance, in: The Review of Financial Studies 22 (9), S. 3329–3365.
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STRATEGIE
Der Active Share ist damit ein unkompliziertes
Maß für die Abweichung eines Aktienportfolios
von der Zusammensetzung seines Benchmarkindexes.
Mathematisch gesehen entspricht der Active Share genau der
Summe seiner Bestandteile, nicht mehr und nicht weniger.
Jedoch deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass beim
Active Share „das Ganze mehr wert ist als die Summe seiner
Teile” – und zwar dahingehend, dass der Active Share nicht nur
ein Maß für den Grad der Portfolioaktivität ist, sondern auch
ein guter Indikator für das zu erwartende Alpha. Cremers und
Petajisto haben vermutlich als Erste dieses Konzept empirisch
anhand einer großen Zahl an US-Publikumsfonds untersucht.
Sie konnten zeigen, dass die Fonds mit dem höchsten Active
Share historisch eine positive Korrelation mit dauerhaft über
der Benchmark liegenden Erträgen aufwiesen. Das von ihnen
erzielte stetige Alpha war selbst nach Kosten höher als das
ak tiver Fonds mit dem geringsten Active Share. Mehrere weitere
Studien haben dieses Ergebnis sowohl für US-Fonds als auch
für andere Fonds bestätigt. Einiges weist außerdem darauf hin,
dass ein höherer Active Share je nach Marktvolatilität und
Investmentstil mit einem höheren Abwärtsrisiko, einer breiteren
Streuung der Ergebnisse (Dispersion) und einem höheren
Tracking Error einhergeht.3 Diese Ergebnisse erscheinen auf den
ersten Blick recht überzeugend. Im Großteil der Forschungs-
arbeiten wurden mehrere Einflussfaktoren kontrolliert, die zu
einer nur scheinbaren Korrelation zwischen Active Share und
Alpha hätten führen können.
Ein weiterer bedeutender Einflussfaktor ist die Gewichtung nach
Marktkapitalisierung. So machen in verschiedenen Indizes für einzelne Schwellenländer die zehn größten Positionen mitunter mehr
als die Hälfte des Index aus, beispielsweise beim MSCI China Index.
Dies erschwert die Anhebung des Active Share gegenüber weniger
„kopflastigen” Indizes.
3 Vgl. Morningstar: Active Share: What You Need to Know (Mai 2014) und How Active Are
the Biggest Active Foreign Funds?, Juni 2014.
Insgesamt dürfte es Konsens sein, dass die Relation zwischen
Active Share und Performance nicht linear ist, sondern dass eine
Allerdings können im Hintergrund weitere Störvariablen lauern.
Dies gilt insbesondere aufgrund des hohen Aggregationsgrads der
Daten, der zur Ableitung allgemeiner Aussagen aus jahrzehntelangen Zeitreihen unter Einbeziehung tausender Fonds notwendig ist.
Zum Beispiel kann die Höhe des Active Shares erheblich durch die
Art der gewählten Benchmark verzerrt werden. So kann sich im
Fall des S&P SmallCap 600 und des Russell 2000 bereits aufgrund
der unterschiedlichen Zahl der Indexpositionen ein höherer Active
Share für Fonds ergeben, die am letztgenannten Index gemessen
werden.
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Reihe weiterer Variablen eine Rolle spielt. Ein gutes Beispiel dafür
ist der Tracking Error, der seinerseits eine nicht-lineare Funktion
der aktiven Entscheidungen des Portfoliomanagers, der Marktvolatilität und der Korrelation der Aktienrenditen ist. Der Active
Share sollte daher seinem Grundgedanken nach bestenfalls zur
Überprüfung verwendet werden, ob ein in Frage kommender
Aktienmanager tatsächlich einen aktiven Ansatz verfolgt und ob
die gewählte Benchmark sinnvoll ist.
entsprechend mindestens eines der vier folgenden Elemente
genutzt werden.
1 Über-/Untergewichtung: Eine in der Benchmark enthaltene
Aktie ist auch im Portfolio vertreten, ihr Anteil ist aber höher
bzw. niedriger als im Index.
2 Nullgewichtung: Auf eine im Index vertretene Aktie wird im
Portfolio ganz verzichtet. Der gewonnene Spielraum wird für
aktive Positionen in anderen Titeln genutzt.
Unterdessen haben die Datenauswertungen im Zuge der frühen
Untersuchungen zum Active Share einigen Aufschluss darüber
gegeben, in welchen Bereichen sich aktives Management besonders lohnt.
3 Substitution von Benchmarkpositionen: Statt einer in der
Benchmark enthaltenen Aktie wird ein nicht im Index vertretener Titel mit vergleichbarer fundamentaler Charakteristik
gekauft. Die Position weicht also in Bezug auf Aspekte wie Land,
Branche, Börsenkapitalisierung, Value-/Growth-Eigenschaften
usw. nicht von der Benchmark ab.
Aufteilung des Active Share auf vier Segmente
Nach Meinung der Autoren nach lohnt sich für Anleger ein stärker
mikroanalytisch ausgeprägter Ansatz in Bezug auf den Active
Share, bei dem man Portfolioperformance und -risiko im aktivsten
Teil des Fondsspektrums betrachtet. Zwar haben frühere Studien
einige typische Bereiche mit hohem Active Share identifiziert, beispielsweise die Beimischung von Small Caps in Fonds für Standardaktien. Allerdings sagt dies wenig darüber aus, wie es eigentlich zu dieser Abweichung von der Benchmark oder der Variation
der Anlagestrategie gekommen ist. Stellt der damit erzielte Mehrertrag ein beabsichtigtes und wiederholbares Alpha dar? Oder
handelt es sich um eine eher nebensächliche, auf Beta beruhende
Outperformance?
4 Off-Benchmark-Faktor-Exposure: Es wird eine nicht in der
Benchmark enthaltene Aktie gekauft, die in ihren fundamentalen Eigenschaften von den Titeln im Index abweicht. Somit
beinhaltet die Position ein aktives Engagement in Faktoren
außerhalb der Benchmark.
Diese Elemente sind in früheren Studien weitgehend übergangen
worden. Man erhält sie, indem man die Bestände eines Portfolios
gemäß den obigen Kriterien in vier entsprechende Segmente aufteilt. Dabei ist es wichtig, die Unterscheidung zwischen der bloßen
Substitution einer Benchmarkposition und echtem Off-Benchmark-Exposure unter Vorbehalt zu treffen. Denn nicht immer lassen sich alle Faktoren außerhalb der Benchmark berücksichtigen.
Auf der Einzeltitelebene sind einige (z. B. die Branchenzugehörigkeit) leichter zu erkennen als andere (z. B. das Momentum einer
Aktie). Des Weiteren lassen sich mit dem vorgeschlagenen Vorgehen nicht alle aktiven Faktorwetten im Portfolio abdecken, seien
sie absichtlich eingegangen worden oder nicht. Sie können sich
auch aus der Kombination mehrerer Titel aus allen vier Segmenten
ergeben 4.
Um dies verlässlich beantworten zu können, sollte der Active Share
in Zusammenhang mit der jeweiligen Fondscharakteristik und dem
zugrunde liegenden Investmentprozess gesehen werden. Dies gilt
umso mehr, als sich die aktivsten Fonds hinsichtlich ihrer Konzeption stärker voneinander unterscheiden dürften als weniger aktive.
Darüber hinaus genügt es nicht, sich auf die Verteilung der Korrelationen der Portfoliokennzahlen innerhalb der betrachteten Fondsgesamtheit zu konzentrieren, indem man eine Momentaufnahme
ihrer Positionen zugrunde legt (normalerweise zum Quartalsende).
Um eine korrekte Beziehung zwischen aktiver Portfoliokonstruktion
und Alpha herstellen zu können, müssen auch die Entwicklung des
Active Share innerhalb der Portfolios sowie die Veränderung sonstiger Kennzahlen im Zeitablauf analysiert werden.
Die vorgeschlagene Aufteilung des Alphas und des Tracking Errors
eines Portfolios auf die vier genannten Segmente (siehe Grafik 1 )
stellt dabei eine praktikablere Annäherung an die Erwartungen des
Fondsmanagers, die Breite des Portfolios und die Anlagegrenzen dar.
Nach eigener Erfahrung aus regelmäßigen Portfolioanalysen empfiehlt es sich, den Active Share in seine einzelnen Bestandteile zu
zerlegen. Um den Active Share eines Aktienportfolios zu erhöhen,
das sich an einem voll investierten Aktienindex misst, muss dem-
4 Selbst die Kasseposition, die konzeptionell in das Segment „Off-Benchmark-Exposure“
gehört, kann in bestimmten Marktsituationen als eine Faktorwette wirken.
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01 ZUSAMMENSETZUNG VON ALPHA (KUMULATIV) & TRACKING ERROR*
Basispunkte
800
600
400
200
0
– 200
– 400
– 600
Q4/2011
Q1/2012
Q2/2012
Q3/2012
Q4/2012
Q1/2013
Q2/2013
Q3/2013
Über-/Untergewichtung Alpha
Substitution von Benchmarkpositionen Alpha**
Über-/Untergewichtung Tracking Error
Substitution von Benchmarkpositionen Tracking Error
Nullgewichtung Alpha
Off-Benchmark-Faktor-Exposure Alpha**
Nullgewichtung Tracking Error
Off-Benchmark-Faktor-Exposure Tracking Error
* Beispiel dargestellt mittels eines Aktienportfolios, das gegenüber dem EURO STOXX 50 Index gemessen wird.
** Enthält Cash-Positionen.
Quelle: Allianz Global Investors
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Q4/2013
Q1/2014
Q2/2014
Q3/2014
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STRATEGIE
Wenn man begreift, wie die einzelnen Elemente
zur Umsetzung einer Anlageidee verwendet
werden, wird einem auch klar, ob sich diese Idee
bezahlt macht.
Zusammenfassung
Christian Franzen ist Global Head of Performance & Portfolio Risk bei
Allianz Global Investors. Vor dieser Aufgabe war er mehrere Jahre als
Consultant Relations Manager bei Allianz Global Investors tätig. Er startete
seine Laufbahn 1994 bei der Raiffeisenbank, worauf verschiedene Tätigkeiten im Portfolio Management und Risikomanagement bei der Commerzbank AG und der Crédit Suisse Asset Management K AG folgten.
Christian Franzen absolvierte unter anderem ein Studium an der Frankfurt
School of Finance & Management und ist Certified European Financial
Analyst (CEFA) sowie Certified International Investment Analyst (CIIA).
Bei der Bewertung unterschiedlicher aktiver Aktienfondsmanager
ist die Diskussion über die Prognosegüte des Active Share unserer
Ansicht nach nicht zielführend. Die Betrachtung aggregierter
Werte zum Active Share ist zwar ein Anfang, kratzt aber nur an der
Oberfläche. Anleger gewinnen besser verwertbare Erkenntnisse
über die Portfolios, wenn sie den Active Share in seine Bestandteile
zerlegen.
Wenn man begreift, wie die einzelnen Elemente zur Umsetzung
einer Anlageidee verwendet werden, wird einem auch klar, ob sich
diese Idee bezahlt macht. Nur dann können wir begründeterweise
darauf vertrauen, dass das aktive Management durch einen Informationsvorteil gestützt wird. Mit dem hier vorgestellten Ansatz
wird der Active Share in ein praktikableres Konzept umgewandelt.
Dieses lässt sich auch in den Bereichen Anleihen, Multi Asset und
Alternatives anwenden – wo die relevanten Elemente unter
Umständen nicht additiv sind.
Georgios Costa Georgiou arbeitet als Director im Performance & Portfolio Risk Team. Bevor er bei Allianz Global Investors eintrat, war er als Head
of Investment Risk bei Invesco und davor als Director Global Markets bei
der Bank of America Merrill Lynch beschäftigt. Darüber hinaus hat er verschiedene Positionen bei der Deutschen Bank, bei UBS und bei der UK
Financial Services Authority bekleidet. Georgios Costa Georgiou begann
seine Laufbahn als Ökonom bei der Europäischen Zentralbank, nachdem
er an der Georgetown University und der University of Oxford seinen
Abschluss erworben hatte.
Ein weiterer Grund, weshalb die einzelnen Teile mehr wert sind
als das Ganze.
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