Benelli TnT R 160

Benelli TnT R 160
- Test aus MOTORRAD 24/2015 Normalerweise ist eine Neuerscheinung oder wenigstens größere Überarbeitung der Anlass
für einen Test. Nicht so bei der Benelli TnT R 160. Hier lautet die Botschaft einfach: Sie ist
wieder da, neu und recht günstig zu haben bei März Motorradhandel.
Frei nach Loriot ist für viele klar: Ein Leben ohne Dreizylinder ist möglich, aber sinnlos.
Meinen jedenfalls etliche Besitzer einer Triumph, MV Agusta oder Yamaha. Früher schworen
auch manche BMW-, BSA- oder Laverda-Fahrer auf dieses Konzept – laufruhiger als Zweiund charakterstärker als Vierzylinder.
Für ein intensives Triple-Erlebnis der besonderen Art sorgt die Benelli TnT R 160. Ansatzlos
direkt schiebt der 158-PS-Drilling an. Mächtig und prachtvoll. Kurz über der 3000er-Marke
knackt der feurige Italo-Triple magische 100 Newtonmeter. Da verzeiht man ihm leicht, dass
er bei 6000 Touren eben wieder auf diesen Wert zurückfällt: Im Sturm der heftigen
Beschleunigung fällt der leichte Drehmomenthänger kaum auf.
Dieses frontlastige Kraftpaket wheelt nicht, es zieht lieber lange schwarze Striche! Hechtet
ansatzlos in drei Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, zwischenspurtet im sechsten
Gang in 7,4 Sekunden von 60 auf 140 km/h. Ein Triple auf Speed. Da gehen gemessene 148
PS Spitzenleistung aus 1131 Kubik völlig in Ordnung. TnT steht für "Tornado naked Tre". Ist
aber eben auch die chemische Abkürzung für den gefürchteten Sprengstoff Trinitrotoluol.
Bereits im Jahr 2010 mutierte der damnals schon fünf Jahre alte Triple der TnT 1130 zum
Topmodell R 160: geänderte Steuerzeiten, etwas höhere Verdichtung und ein neues
Einspritz-Mapping pumpten den Dreizylinder mächtig auf. Zudem fährt die edle R 160
reichlich teure Karbonteile spazieren, etwa Front-Kotflügel, Bugspoiler, diverse Deckelchen,
Kupplungsglocke sowie den hochgelegten Endtopf. Doch im Jahr 2014 nahm Benelli alle
großen Dreizylinder kurzfristig offiziell aus dem Programm. Nun aber ist ein kleines
Restkontingent über den früheren Importeur März Motorradhandel erhältlich.
Wie eh und je faucht und knurrt der Dreizylinder heiser-erotisch aus dem zentralen Auspuff.
Hinzu gesellen sich reichlich mechanische Geräusche, es mahlt und schabt im Triebwerk.
Diese Maschine lebt. Schmackes im Unterarm erfordert die nicht besonders gut dosierbare,
im Leerlauf laut rasselnde Anti-hopping-Trockenkupplung.
Ärgerlich: Bei sommerlicher Superhitze von deutlich über 30 Grad sprang die Testmaschine
mitunter nicht mehr an. Wird die hohe Verdichtung von 13 zu eins dann zu viel? Zumindest
erscheinen Batterie und Starter dann etwas schwächlich. Doch jetzt kommt ja erst einmal der
Winter. Bei jedem Wetter gibt sich die Benelli extrovertiert, mit Scheinwerfer im Insektenlook,
zackig geknickten Krümmern und seitlich montierten Kühlern – Tribut an den weit
vorgerückten Triple. TnT-typisch: der rot lackierte Stahlrohr-Brückenrahmen mit
angeschraubten Aluteilen zur Aufnahme der ebenfalls roten Gitterrohr-Schwinge.
Das straffe, hart abgestimmte Sachs-Federbein reicht kurze Impulse trocken weiter. Auf
schlechten Streckenabschnitten empfiehlt es sich, die Dämpfung ganz zu öffnen. Kommoder
wirkt die Upside-down-Gabel von Marzocchi. Sie wird von knackig dosierbaren Monoblocks
ganz schön gestaucht. Via Radialpumpe beißen die Brembos in Wave-Scheiben, der
Michelin Pilot Power wimmert um Gnade. Solche gibt es aber kaum, denn ABS fehlt leider
bei allen Benellis. Das hat Konsequenzen nicht nur auf rutschigen Straßen oder beim
Wiederverkauf: Die neu bei März erhältlichen Maschinen müssen spätestens 2016
zugelassen werden. Zudem würden sie die ab 2017 verpflichtende Euro-4-Norm wohl kaum
schaffen. Trotzdem sind die 12990 Euro fürs nagelneue Naked Bike ein Wort, immerhin 1800
Euro unterm früheren Listenpreis.
Das Fahrgefühl ist einzigartig. Rassig statt massig: Leicht lenkt die 225 Kilogramm leichte
Italienerin ein, Radstand und Nachlauf sind kurz. Wie am Schnürchen zirkelt die R 160 um
Kurven, zieht stoisch ihre Bahn – ebenen Asphalt und keinen Griff zur Bremse
vorausgesetzt. Immens ist die Schräglagenfreiheit, prima die Rückmeldung. Der Fahrer sitzt
bestens in die TnT integriert, mit guter Vorderradkontrolle über den breiten Lenker sowie
moderatem Kniewinkel. Allerdings fordert die harte Sitzbank auf Tour Nehmerqualitäten.
Naja, bei sieben Litern Benzinverbrauch steht spätestens nach 230 Kilometern ein
Tankstopp an.
Übrigens spart die kleine Schwester TnT 899 noch mal drei Mille ein, ist mit ihren 120 PS
schon für 9990 Euro zu haben. Erst recht ist das bequeme Cross-Over-Modell TreK 1130 mit
Verkleidung und 125 PS für 10990 Euro im Ausverkauf eine Überlegung wert. Alle diese
Benellis sind faszinierende, hochemotionale Motorräder mit Ecken und Kanten, eben echte
Dreizylinder.
Technische Daten und Messwerte Benelli TnT R 160
Motor
Wassergekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene
Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung,
Einspritzung, 3 x Ø 53 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 550 W, Batterie 12 V/12
Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung (Anti-Hopping),
Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 2,250.
Bohrung x Hub: 88,0 x 62,0 mm
Hubraum: 1131 cm³
Verdichtungsverhältnis: 13,0:1
Nennleistung: 116,0 kW (158 PS) bei 10200/min
Max. Drehmoment: 120 Nm bei 8500/min
Fahrwerk
Brückenrahmen aus Stahl und Aluminium, Upside-down-Gabel, Ø 50 mm, verstellbare
Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Gitterrohrschwinge aus Stahl,
Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und
Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel,
Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm, Zweikolben-Festsattel.
Alu-Gussräder, 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen: 120/70 ZR 17; 190/50 ZR 17
Bereifung im Test: Michelin Pilot Power
Maße und Gewichte
Radstand 1419 mm, Lenkkopfwinkel 65,5 Grad, Nachlauf 99 mm, Federweg v/h 120/115
mm, Sitzhöhe 810 mm, Gewicht vollgetankt 225 kg, Zuladung 175 kg, Tankinhalt/Reserve
16,0/5,0 Liter.
Garantie und Preis
Garantie: zwei Jahre
Serviceintervalle: alle 10000 km
Farben: Rot
Preis: 12.990 Euro
Messwerte
Höchstgeschwindigkeit:260 km/h
Beschleunigung
0–100 km/h: 3,0 sek
0–140 km/h: 4,9 sek
0–200 km/h: 9,6 sek
Durchzug
60–100 km/h: 3,8 sek
100–140 km/h: 3,6 sek
140–180 km/h: 4,9 sek
Tachometerabweichung
Effektiv (Anzeige 50/100): 45/93 km/h
Verbrauch Landstraße: 7,0 l/100 km
Theoretische Reichweite: 229 km
Copyright: MOTORRAD, Motor
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