Boris Schucht - GreenTec Awards

Boris Schucht
Das Grüne Wirtschaftsinterview
Boris Schucht ist seit 2010 Vorsitzender der Geschäftsführung bei 50Hertz. Vorher war er als kaufmännischer Vorstand der WEMAG AG in Schwerin tätig und fünf Jahre lang Geschäftsführer der Vattenfall Europe
Venture GmbH in Berlin und stellvertretender Bereichsleiter Unternehmensentwicklung bei der Vattenfall
Europe AG. Seit mehreren Jahren unterstützt er als Jurymitglied und Laudator die GreenTec Awards. 2015
stand er gemeinsam mit Désirée Nosbusch auf der Bühne. Seine Meinung zum Thema Energiewende, erneubare Energien und den GreenTec Awards hat er uns in einem Interview verraten.
Interview: Gina Skierlo, Fotos: Jan Pauls, 50Hertz, Marko Greitschus
Name Boris Schucht
Alter 47
Wohnort Potsdam
Beruf Vorsitzender der
Geschäftsführung (CEO) 50Hertz
Berufung Veränderungen initiieren
und vorantreiben
50Hertz ist maßgeblich am Umstieg auf erneuerbare Energien
beteiligt. Wann werden wir in
Deutschland zu 100 Prozent
Strom aus erneuerbaren Energien beziehen? Wann das genau
sein wird, kann ich Ihnen nicht sagen.
Wenn ich mir aber die Dynamik der
letzten Jahre ansehe und all das, was
bei der Integration der Erneuerbaren
noch vor wenigen Jahren undenkbar
war, bin ich überzeugt, dass wir auch
in Zukunft sehr schnell innovative Lösungen entwickeln werden, um sehr
hohe Anteile erneuerbarer Energien
ins elektrische System zu bekommen. Unbedingt 100 Prozent zu erreichen, ist auch nicht das primäre
Ziel – dies wird sicher noch länger
dauern. Wichtig ist, Schritt für Schritt
zu lernen, wie wir jedes Jahr mehr
und mehr erneuerbare Energien ins
System integriert bekommen.
„ Die GreenTec Awards bringen einige Bausteine
für die Energiewende hervor und bieten ihnen
eine Bühne, auf der sie sich dann hoffentlich
schneller entfalten können. Die Energiewende
braucht Innovationen – das ist der Schlüssel für
die Gestaltung der Zukunft.
„
Denken Sie, dass dezentrale
Energieerzeugung allein, beispielsweise durch Solarmodule
auf Hausdächern, die Zukunft
der Stromversorgung darstellt?
Sie sind ein wesentlicher Baustein
der Energiewende. Wir müssen aber
die Energiewende als gesellschaftlich
größtes Projekt seit der Wiedervereinigung sehen, bei dem viele Bausteine benötigt werden. Da geht es nicht
nur um Solarpaneele, sondern auch
speziell in Deutschland um Windkraft an Land und auf See. Da geht
es auch um sicher verfügbare Kraftwerke, um die notwendige Netzinfrastruktur und eine bessere Nutzung
der europäischen Ressourcen.
Welche Rolle kommt Ihnen als
Netzbetreiber für das Gelingen
der Energiewende zu? Wir ermöglichen diesen gesellschaftlich
gewollten Wandel und schaffen die
Voraussetzung dafür, dass die Energiewende sicher, nachhaltig und bezahlbar gestaltet werden kann.
Speziell die neuen Nord-Süd-Verbindungen sind so wichtig, weil die
Windkraftregionen im Norden mit
den südlicheren Verbrauchszentren
vernetzt werden.
Besteht die Möglichkeit, beim
Stromnetz-Ausbau auf Erdkabel
auszuweichen, um Anwohnern
entgegen zu kommen? Erdkabel
bieten in einigen sensiblen Regionen
sehr wohl eine Alternative zur Freileitung. Wir suchen jetzt aktiv nach den
Regionen, in denen Kabel sinnvoll
eingesetzt werden können. Aber sie
sind kein Allheilmittel, denn auch sie
sind mit starken ökologischen Eingriffen in den Boden verbunden und
noch nicht so zuverlässig wie Freileitungen.
„ Deutschland ist in puncto Energiewende definitiv ein
Vorreiter; viele Augen sind da weltweit auf uns gerichtet.
Es gibt aber auch andere Regionen auf der Welt, die
beeindruckende Entwicklungen vorweisen können. Es geht
also nicht darum, die deutsche Energiewende als Blaupause
für die Welt zu verstehen, sondern sie im internationalen
Austausch mit unterschiedlichen Ansätzen gemeinsam
weiterzuentwickeln.
“
Wie wichtig ist der Ausbau der
Stromnetze tatsächlich? Der aktuell laufende gesellschaftliche Dialog
zeigt, dass jetzt in der Gesellschaft
angekommen ist, wie wichtig die
Netzentwicklung als Grundvoraussetzung für die Energiewende ist.
Welche Herausforderungen bringt
der Ausbau der Windenergie auf
hoher See für 50Hertz mit sich?
Wir haben in den letzten Jahren bei
unseren Offshore-Anbindungen eine
ganze Menge lernen müssen; das
war echtes technisches Neuland.
Sowohl Bodenbeschaffenheiten als
auch die Herausforderungen bei
rauem Wetter auf der See oder Munitionsbergungen sind zusätzliche Facetten, die diese Projekte zu echten
Herausforderungen machen.
Denken Sie, dass es aufgrund der
teilweise stark schwankenden
Ökostrom-Produktion künftig vermehrt zu Netzzusammenbrüchen
und folglich Stromausfällen kommen könnte? Das Netz ist in der
Tat heute schon sehr stark beansprucht, und wir müssen in unserer
Steuerungsstelle immer wieder sehr
angespannte Situationen in Echtzeit
meistern. Aber es liegt an uns Netzbetreibern und an den anderen Partnern
im elektrischen System, auch für die
nächsten Etappen gemeinsam Werkzeug, Prozesse und Technologien
zu entwickeln, um unsere sehr hohen
Versorgungssicherheitsstandards zu
halten.
ten Planeten überlassen, indem wir
achtsamer mit ihm umgehen.
Sehen Sie Deutschland als weltweiten Vorreiter in Sachen Energiewende, trotz stets neuer Herausforderungen? Deutschland ist
definitiv ein Vorreiter; viele Augen sind
da weltweit auf uns gerichtet. Es gibt
aber auch andere Regionen auf der
Welt, die beeindruckende Entwicklungen vorweisen können. Es geht
also nicht darum, die deutsche Energiewende als Blaupause für die Welt
zu verstehen, sondern sie im internationalen Austausch mit unterschiedlichen Ansätzen gemeinsam weiterzuentwickeln.
Weshalb unterstützt 50Hertz die
GreenTec Awards als Sponsor?
Weil die GreenTec Awards einige dieser Bausteine für die Energiewende
hervorbringen können und ihnen eine
Bühne bieten, auf der sie sich dann
„ Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele kreative
Ideen in den Jurysitzungen der GreenTec Awards
besprochen werden. Ich finde es extrem bereichernd,
nicht nur mit Experten, sondern mit Personen aus so
vielen gesellschaftlichen Perspektiven diese Ideen zu
beleuchten und zu bewerten.
“
Welche Rolle spielt Klimaschutz
in Ihrem Unternehmen? All das,
was wir als Netzbetreiber in unserem
Kerngeschäft machen, um die Energiewende zu ermöglichen, machen
wir ja auch für den Klimaschutz. Wir
haben aber auch inhouse Programme, um im Ressourcenumgang schonender zu werden und unterstützen
Projekte wie die GreenTec Awards,
die sich aktiv für den Klimaschutz
einsetzen.
Welche Rolle spielt Klimaschutz
für Sie persönlich? Als Vater von
drei Kindern liegt es mir sehr am Herzen, dass wir ihnen einen lebenswer-
hoffentlich schneller entfalten können. Die Energiewende braucht Innovationen – das ist der Schlüssel für
die Gestaltung der Zukunft.
Was nehmen Sie aus den jährlichen Jurysitzungen der GreenTec
Awards für sich persönlich oder
Ihr Unternehmen mit? Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele kreative Ideen in diesen Sitzungen besprochen werden. Ich finde es extrem
bereichernd, nicht nur mit Experten,
sondern mit Personen aus so vielen
gesellschaftlichen Perspektiven diese
Ideen zu beleuchten und zu bewerten.
Wünschen Sie sich für die GreenTec Awards der kommenden Jahre mehr Projekte, die Lösungsansätze für die Herausforderungen
der Energiewende bieten? Als
Netzbetreiber im Herzen der Energiewende wünsche ich mir natürlich
innovative Projekte, die uns neue Lösungswege aufzeigen. Ganz persönlich finde ich es aber auch sehr spannend, in andere Sektoren und andere
Ecken der Gesellschaft blicken zu
können, um zu entdecken, was dort
für eine nachhaltige Zukunft entsteht.
Welches bei den GreenTec
Awards eingereichte Projekt ist
Ihnen besonders in Erinnerung
geblieben? Etwas, das nichts mit
der Energiewende zu tun hat: das
sind diese Katamarane, die den
Ozean von Plastikmüll reinigen. One
Earth – One Ocean.
Was würden Sie gern erfinden,
wenn Ihnen alle Möglichkeiten
offen stünden? Den Elektrospeicher, der meinem kleinen E-Auto 500
Kilometer und mehr Reichweite beschert.
Welches Fleckchen Erde müssen
Sie unbedingt noch sehen? So alt
fühle ich mich noch gar nicht. Daher
gibt es noch mehrere Sehnsuchtsreisen, wie zum Beispiel die Natur in
Alaska oder die Wildnis in Afrika, die
auf meiner Wunschliste stehen.
Worauf können Sie im Alltag absolut nicht verzichten? Meine Frau
und ein gutes Glas Wein.
Noch ein letztes Wort? Den GreenTec Awards weiterhin viel Erfolg!
Gabriele Wiechatzek (links), Boris Schucht und Christiane Wolff bei den GreenTec Awards 2015