Theorie der Komödie Diplomarbeit Conny-Rebecca Pohl Deutsches Zentrum für Schauspiel und Film Studiengang Schauspiel Leitung: Arved Birnbaum Köln, Dezember 2012 _______________________________________________________________ INHALTSVERZEICHNIS 1 Einleitung......................................................................1 2 Das Drama mit erheiterndem Handlungsbedarf................2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 Geschichtliche Enstehung der antiken Komödie.............................................4 Die griechische Komödie................................................................................4 Römische Komödie.........................................................................................5 Mittelalterliche Komödie..................................................................................6 Tragikomödie..................................................................................................7 Die verschiedenen Formtypen (Komödie).......................................................9 3 Die Komödien der Neuzeit.............................................11 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 Komödie im 17. Jahrhundert, Mittelalter........................................................11 Englische Komödie aus dem 17. Jahrhundert...............................................12 Komödie im 18. Jahrhundert.........................................................................13 Komödie im 19. Jahrhundert.........................................................................16 Komödie im 20. Jahrhundert.........................................................................17 4 Tragödie und Komödie im Gegensatz.............................20 4.1 4.2 4.3 4.4 Beziehung von Poetik und Sprache..............................................................20 Stilmittel........................................................................................................25 Gottscheds und Lessing...............................................................................26 Dürrenmatt und Brecht..................................................................................31 5 Timing und Rhythmus...................................................39 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 Schauspielerische Mittel der Komödie..........................................................39 Dramaturgische Mittel der Komödie..............................................................39 Gemeinsamkeiten der Komödie in Theater und Film....................................42 Der Kern des Dramatischen: Szenisches Spiel.............................................48 Abgrenzung Tragodie ̈ – Komodie ̈ ..................................................................49 Begriffliches Feld..........................................................................................51 6 Schlusswort.................................................................54 7 Quellenverzeichnis.......................................................55 _______________________________________________________________ 1 Einleitung Die Theorie der Komödie liegt nicht gerade an der Tagesordnung der Literaturwissenschaft, dennoch beschäftigten sich nicht nur der Grieche Aristophanes (ca. 445-385 v.Chr.), einer der berühmtesten Komödienautoren seiner Zeit mit der Thematik Komik, auch Sigmund Freud, Helmuth Plessner, Wolfgang Iser, Robert Gernhardt, Wilhelm Genazino, Klaus Cäsar Zehrer, Max Goldt und Odo Marquard sind hier die von einigen genannten, bekannte Philosophen, Germanisten und deutsche Schriftsteller, die sich mit dem interdisziplinären Thema der Komiktheorie wissenschaftlich auseinandersetzten und es bis heute versuchen. An das Phänomen Komik kann sowohl literaturkulturwissenschaftlich als auch soziologisch oder auch durch medizinisch gestellte Fragen, herangetreten werden, selbst die Linguistik hat großes Interesse an dem Lachen, dem Humor, der Komik im großen ganzen, was bei diesen verschiedenen Diskursfeldern durchaus eine besondere Beachtung verdient, denn was wäre die Komödie für eine Theorie ohne eine Analyse, ohne Handlung- und Spannungsfelder sowie einer ethnologischen Tätigkeit? „Sinnlosigkeit?“ „Schwachsinn?“ oder einfach nur der Nonsens? Nein, es ist kein Unsinn! Um eine umfassende und einheitliche Theorie der Komödie darzustellen, dürfen das Drama mit erheitertem Handlungsablauf, der Rückgriff auf die Antike und somit die attische, die römische Komödie sowie das (Lachen, Weinen nach Aristoteles) Werk Lessings und Gottscheds, die verschiedenen Formtypen genauso wenig fehlen wie die Komödie des 18., 19. und 20. Jh. mit Herrn Dürrenmatt und Brecht. Eine zudem berechtigte Aufmerksamkeit erhält die Funktion des Timings, des Rhythmus und des Schauspielerischen, dramaturgische Mittel der Komödie auf der Bühne (Theater) und vor der Kamera (Film) sowie die klar erkennbaren Unterschiede zwischen Tragödie und Komödie. Die genutzte Sprache und ihre verschiedenen Stilmittel dürfen bei einer ganzheitlichen wissenschaftlichen Theorie der Komödie nicht fehlen. _______________________________________________________________ 1 2 Das Drama mit erheiterndem Handlungsbedarf Die Griechen waren die ersten, die sich Gedanken zum Drama machten. Aristophanes: zwischen 450 v. Chr. und 444 v. Chr. in Athen; † um 380 v. Chr. ebenda) war ein griechischer Komödiendichter. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der griechischen Komödie, insbesondere der Alten Komödie und des griechischen Theaters überhaupt. Seine Komödien, v. a. Lysistrata, werden immer wieder gespielt. Aristophanes zielte mit seinem Werk stets auch auf zeitgenössische Personen und Ereignisse ab, oft durch drastische Darstellungen und satirische Schärfe. Dabei persiflierte er teilweise Stilmittel anderer Dichter, z.B. von Euripides, und äußerte sich kritisch und spöttisch gegenüber Leuten wie Sokrates, den Sophisten und Kleon. Seine Darstellung von Kleon in Die Babylonier 426 v. Chr. brachte ihm eine Klage wegen Beleidigung des Volkes ein, die jedoch ohne Folgen blieb. Zwei Jahre später unternahm Kleon - ebenfalls erfolglos - den Versuch, Aristophanes’ athenische Bürgerschaft anzufechten. Dessen Vater sollte angeblich kein gebürtiger Athener gewesen sein, sondern als Einwanderer aus Rhodos oder Ägypten das Bürgerrecht erst zu einem späteren Zeitpunkt bekommen haben. Für seine Komödien erhielt Aristophanes bei den Lenäen und Dionysien oftmals hohe Auszeichnungen, drei erste und drei zweite Plätze und wenigstens einmal der dritte Platz sind überliefert. Seine Komödie Die Frösche (405 v. Chr.) durfte er bei den Lenäen 404 v. Chr. ein zweites Mal aufführen. Im Altertum sah man in Aristophanes einen der drei großen Dichter der Alten Komödie. Nach Aristophanes’ Tod machte Platon diesen zu einer Figur in seinem Dialog Das Gastmahl (Symposium). Aristophanes’ Werke haben aber nicht nur unter den Zeitgenossen, sondern auch bei der Nachwelt in Rom und Alexandria Beifall geerntet. Auch haben sie erkennbare Spuren in der Politsatire der europäischen, insbesondere der englischen Literatur hinterlassen. Goethe, der eine bearbeitete Fassung von Die Vögel veröffentlichte, nennt Aristophanes im Prolog einen „ungezogenen _______________________________________________________________ 2 Liebling der Grazien“. Heine stellt ihn in Deutschland. Ein Wintermärchen als einen großen Dramatiker dar, der (wie Heine selbst) wegen seiner kritischen Haltung im Deutschland des 19. Jahrhunderts sicher verfolgt worden wäre. Picasso illustrierte 1934 Szenen aus Lysistrata für eine US-amerikanische Auflage. Peter Hacks löste mit seiner Bearbeitung von Der Frieden (1962) eine Welle von Antike-Bearbeitungen in der DDR aus. Schließlich wurde ein 1960 entdeckter Asteroid dem Lustspieldichter zu Ehren 2934 Aristophanes getauft. Aus Die Vögel stammen die Redewendungen Wolkenkuckucksheim und Eulen nach Athen tragen, Ciceros „Ubi bene, ibi patria“ hat seinen Ursprung im Werk Der Reichtum. Das Adjektiv „aristophanisch“ kennzeichnet heute eine Äußerung als geistvoll, witzig bzw. beißend spöttisch. Aristoteles (384-322 v. Chr.) formulierte es in seinem Werk „Über die Dichtkunst“ folgendermaßen, welche jedoch lückenhaft überliefert worden ist: “Das „Wichtigste davon der Aufbau der Handlung [ist]. Denn die Tragödie ist nicht Nachahmung von Menschen, sondern von Handlungen und Lebensweisen, von Glück und Unglück.“ Der Held ist ein edler Mensch mit bestimmten Fehlern, deren er sich schuldig macht. Diese Schuld ist um so tragischer, als es Menschen von hoher Bewusstheit sind. Diese Bewusstseinslage wird auch im Zuschauer vorausgesetzt, der sich mit dem tragischen Helden in Einklang setzt.” Unter „dramatisch“ versteht man allgemein ein nicht alltägliches Geschehen, z.B. eine Sensation oder etwas Spannendes. Dramatisch ist eine Aktion nur dann, wenn aufgrund einer bestimmten Ansicht, von unterschiedlichen Kräften, ungewöhnlichen Zufällen, etc. eine Auseinandersetzung zwingend ist. Ein Drama ist traditionell für die Aufführung auf einer Bühne konzipiert. Die Handlung wird durch die beteiligten Personen als Schauspiel vorgetragen. Üblich ist ein dramatisches, aufregendes und spannungsgeladenes Ende. Je nach Art des Konflikts kann ein Drama tragisch, komisch oder auch absurd sein. Das Hauptkennzeichen nach Aristoteles ist also die Darstellung der Handlung _______________________________________________________________ 3 durch Dialog. Endet - im Gegensatz zu einem „Menschheitsdrama“ oder einem „Sozialdrama“ - das Drama mit erheiterndem Handlungsablauf erfreulich, spricht man von einer Komödie. Die Unterscheidung ist jedoch selten eindeutig und schwer zu definieren. Zum Drama gehören die Formen der Tragödie, Tragikomödie und Komödie. 2.1 Geschichtliche Enstehung der antiken Komödie Das „Lustspiel“ ist in erster Linie lediglich die Übersetzung vom Griechischen „komoidia“ ins Deutsche. Als ca. 1760 Gotthold Ephraim Lessing Komödie genauer definierte und voneinander abgrenzte, entwickelte sich das Lustspiel. Im Gegensatz zur Komödie wird versucht, durch eine realistische Handlung mit alltäglichen Charakteren den Zuschauer zu überzeugen. Kratinos (520 - 423 v. Chr.) gilt als Begründer der attischen Komödie, mit seinem Humor und Spott legte er den Grundstein für weitere Komödiendichter wie Hermippos (289/277-208/204 v.Chr.) und Eupolis (um 446 - 411 v.Chr.). Aristophanes (um 448-385 v.Chr.), seiner Zeit der wohl berühmteste Dichter, mit seinen Satiren und Karikaturen wie z.B. von Sokrates (469-395 v.Chr.) in seinem Stück „Wolken“ begeisterte er das Publikum und kritisierte zugleich politische Zustände und wissenschaftliche Strömungen. Die am häufigsten genannten Dichter und Vertreter der Alten Komödie sind: Magnes, Kratinos, Telekleides, Eupolis, Aristophanes, Hermippos, Phrynichos, Pherekrates, Ameipsias und Platon. 2.2 Die griechische Komödie Ist ein literarisches Stück eine Posse, in dem meist eine komische Wirkung und mit einem glücklichen Ausgang ausgelegt wird, ist sie neben der Tragödie einer der wichtigsten Gattungen des europäischen Dramas. In der Komödie werden vermeintliche Werte aufgedeckt und menschliche Schwächen durch den Zwist _______________________________________________________________ 4 dargestellt, dessen Ausweg das Lachen hervorruft. Es ist schwer, die Komödie eindeutig zu erläutern. Das Komische selbst hat nur bedingte Gültigkeit, da zu ihr auch die Gattungen Ernstes und Absurdes wie zum Beispiel die Tragikomödie oder Groteske zählen. Die grundlegende Thematik der Komödie liegt darin, Werte durch Lachen zu vermitteln und einen nahen Bezug zum Leben zu bekommen. “Die Komödie entstand wie auch die Tragödie aus dem Dionysoskult, wobei Phallosträger Lieder zu Ehren Dionysos sangen, um einen Vegetationszauber auszuüben. Teilweise aus dieser Tradition ging die dorische Komödie, deren bedeutendster Vertreter Epicharmos von Kos war, hervor. Seit 488 v. Chr. gab es die ersten Aufführungen von Komödien in Athen, die sich zwei Jahre später zu jährlich stattfindenden Dichterwettbewerben ausdehnten, die Lenäen im Januar/Februar und die Dionysien im März/April. Die weitere Entwicklung der Komödie lässt sich grob in alte Komödie und neue Komödie einteilen. 2.3 Römische Komödie Plautus (250-186 v. Chr.) war einer der ideenreichsten antiken lateinischen Komödienautoren. Neueste Forschungen legen nahe, dass er meist auf griechische Vorlagen zurückgriff. Formgewandt brachte er den Typus des listigen kleinen Mannes, der sich gegen die Autorität mit Mutterwitz durchsetzte und dadurch ein Vorbild für viele Figuren wurde. Seine Stücke waren nicht nur bei den einfachen Menschen beliebt, sondern er selbst orientierte sich immer an dem Erfolg seiner Stücke und daran, die Menschen zu begeistern. Titus Maccius Plautus hatte mit seiner Erstaufführung etwa 206 v. Chr. mit dem possenhaften Titel Miles Glorius, lateinisch für „der prahlerische Soldat“ oder griechisch „Großmaul“, einen Charakter geschaffen, der für sechs weitere lateinische Komödien, die aus der Antike erhalten blieben zum Vorbild wurden, wie unter anderem für Terentius (Terenz), dem etwas vornehmeren Komödien_______________________________________________________________ 5 dichter. Dieser Charakter des lächerlichen, anmaßenden und aufgeblasenen Söldnerführers wird durch seinen Begleiter zu einem Charakter, der den schmeichlerischen Parasiten vermittelt und der seinen prahlerischen Herrn in seinem Selbstbewusstsein aufrechterhält, indem er diesen Helden vor anderen Menschen bestätigt und preisst. Zudem wird die Komik des Charakters des „Helden“ aus dem Kontrast seiner Aufgeblasenheit zu seinem wirklichen Mut unterstützt. Im weiteren Verlauf der Geschichte begannen die Autoren aufgrund der unpolitischen,überschaubaren Handlungen und einfachen Charakteren der römischen Komödie sich mit neuen Stoffen und Formen auseinanderzusetzen. Beispiel: Mimus (Possenspiel, Farce) ein Mischwerk des Versmaßes verwendete Form, das an sich „heroisch“ hexametrisches Versmaß (lang-kurzkurz). Der komische Effekt wird durch die ironische Distanz zu gänzlichen unheorischen Inhalt bewirkt. So hatte schon Theokrit (griechischer Dichter) Verse geschriben, in denen Hirten während des Schafehütens im Versmaß der Heldendichtung sprechen. 2.4 Mittelalterliche Komödie Das mittelalterliche Theater musste sich noch nicht wie das neuzeitliche auf die antike Trennung zwischen Tragödie und Komödie berufen. Die verbreiteten geistlichen Spiele waren Mischformen aus ernsten und komischen Episoden. Teufelsszenen stellten etwa das Boshafte und Komische dar. Aus der Salbenkrämerszene oder dem Wettlauf der Apostel im Osterspiel wurden ausgedehnte Burlesken (derbe Komödie). Im ausgehenden Mittelalter entstanden auch weltliche Spiele, vor allem Schwänke, einfache Dialoge, maskierte Umzüge, die volksnahe Handlungen zur Belustigung der Zuschauer darstellen: Streitszenen, Gerichtsszenen, Eheszenen wie in den Fastnachtsspielen (vasnaht heißt „Austreibung des Bösen“). _______________________________________________________________ 6 Sie werden zur Quelle des Volkstheaters, das zu Varianten wie der Commedia dell'arte führte. Dies belegt etwa die Entwicklung des Teufels Hellekin (aus dem Normannischen) zum Harlekin. Es ist eine gesamteuropäische Entwicklung. Erwähnenswert ist das Schweizer Urner Tellenspiel aus dem 15. Jahrhundert und Fastnachtsspiele, die den Papst und den Ablasshandel verspotten (etwa bei dem Berner Autor Niklaus Manuel Deutsch, Dichter und Maler). 2.5 Tragikomödie Eine Tragikomödie ist ein Drama, in dem die Merkmale der Tragödie wie auch die der Komödie eng miteinander verknüpft sind. Im weiteren Sinn handelt es sich um eine Tragödie, welche neben der tragischen auch komische Bestandteile enthält. Vorreiter auf dem Gebiet des Theaterspiels der Tragödie waren zur Zeit der Antike die Griechen. Übersetzt, so heißt es, bedeutet Tragödie „Bockgesang“ und führt auf den Gott Dionysos (in der griechischen Götterwelt ein Gott des Weines, der Freude, der Fruchtbarkeit und der Ekstase) zurück. Mit dem Hauptprotagonisten mitfühlen, Angst um ihn bekommen ist das Ziel der Tragödie, da häufig bereits zu Beginn dem Publikum vorgegriffen wird, dass der Protagonist sterben werde, er jedoch versuchen wird, sich seinem Schicksal zu entziehen. und das Publikum zwischen Sympathie und Antipathie „hin und her gerissen“ sowie den emotionalen Zweifel des Stückes das, dass Publikum die Behauptung in Frage stellt, spricht man von einer guten Tragödie. Hingegen das Lustspiel Ursache für das Versagen eines schwachen Charakters das durch den Protagonisten dargestellt wird. Wortherkunft – allgemeine Unterscheidung Der Begriff Komodia ́ hat seinen Ursprung im Dionysos-Kult, jedoch ist die genaue Wortherkunft unklar: Es gibt (mindestens) drei in der Forschung vertretene Positionen. Nach der ersten entstammt der Begriff der Komödie dem Zusammenhang eines kultischen Gesanges (ode)̂ in einem Dorf (kome), ́ im Sinne eines ländlichen Brauchtums. Die zweite Variante nennt die Wortähnlich_______________________________________________________________ 7 keit mit dem Schlafgesang (koma und ode)̂ als Ausgangspunkt und die dritte bezieht sich auf das bei einer Phallosprozession (komos) ̂ gesungene Lied. Herleitung nach Aristoteles Die Herleitung über das Phalloslied wird Aristoteles zugeschrieben. Dieser begründete dies damit, dass in den auf Festumgängen von einem Heiligtum des Dionysos zum anderen von schwärmenden Scharen gesungene Liedern zur Zeit der Weinlese bzw. den Lenäen – der späteren Aufführungszeit von Komödien – der Ursprung der Komödie zu sehen sei. Außerdem sind die Darstellungen solcher Umzüge durch antike Vasenbilder bekannt. Herleitungen durch geschichtliche Vorkommnisse Die Varianten des Dorf- bzw. Schlafliedes stehen durch einen eigentümlichen, angeblich realen Vorgang der Antike in Verbindung: Attische Bauern hatten zur Nachtzeit die durch die reichen Bürger Athens erlittenen Beleidigungen durch Spottreden gerächt. Zur Verantwortung gezogen, erhielten die Bauern von den Richtern Erlaubnis, am hellen Tage auf öffentlichen Märkten ihre Spottreden im Angesicht des Volkes zu wiederholen. Um von den verspotteten reichen Städtern nicht erkannt zu werden, bestrichen sich die Landleute das Gesicht mit Hefen. Hier sind somit schon einige Elemente der späteren alten griechischen Komödie vereint: die Spottverse – im Sinne der öffentlichen Kritik –, die Verkleidung bzw. das Schlüpfen in andere Rollen und die zuvor erwähnten Umzugsschwärme. Der Dionysos-Kult als Ausgangspunkt Im Vergleich zu ihrer Schwesterngattung – der Tragödie – ist der Beginn der Komödie noch weniger leicht zu überschauen, wenngleich sie ebenso dem Dionysos-Kult entstammt. In ihrer Gegensätzlichkeit repräsentieren Komödie und Tragödie zusammen die eigentümliche Doppelnatur des Dionysos. Diese Doppelnatur lässt sich aus der zweifachen Belegung seiner Person – einerseits als bärtiger und gestrenger „Herr der Seelen“ und andererseits als nahezu weiblich wirkender Jüngling und Gott des Weines – herleiten. In diesen zwei Seiten seines Wesens vereinen sich sowohl der würdevolle Ernst der Tragödie _______________________________________________________________ 8 als auch die dreiste Keckheit der Komödie. Zuordnung der Gattungen zu den Festen Die Trennung in Komödie und Tragödie bzw. deren nahezu parallele Entwicklung ist der Spaltung des Dionysos-Kultes in Athen zuzuschreiben, nach welcher die Tragödie hauptsächlich den Großen oder städtischen Dionysien (im Elaphebolion = März/April) und die Komödie den Lenäen (im Gamelion Januar/Februar) zugeordnet wird. Die ersten belegten Aufführungen einer Komödie sind dennoch bei den großen Dionysien anzutreffen und zwar seit dem Jahre 486 v. Chr., bei den Lenäen dagegen erst seit 440 v. Chr. . 2.6 Die verschiedenen Formtypen (Komödie) Nach der Form: - Charakterkomodie ̈ : eine einzelne Person steht im Vordergrund (Der Schwierige von Hugo von Hofmannsthal, Der Geizige von Jean-Baptiste Moliere ̀ ). - Typenkomodie ̈ : charakterisiert durch ein typisiertes, durch wiederkehrende Masken, Gestik oder Kostüme erkennbares Rollenpersonal (Commedia dell'arte). - Situationskomodie ̈ : Verwicklung der Handlungsstränge, Verkettung überraschender Umstände oder Intrigen (Der zerbrochne Krug von Heinrich von Kleist); siehe auch: Sitcom - Konversationsstuck ̈ : spielt in höheren Gesellschaftskreisen und lebt von der geistreichen Konversation. Autoren sind etwa Eugene ̀ Scribe, Victorien Sardou, Sacha Guitry, George Bernard Shaw. Stückbeispiele sind The Importance of Being Earnest von Oscar Wilde, Scrupules (Der Dieb), von Octave Mirbeau, Dr. med. Hiob Prätorius von Curt Goetz. _______________________________________________________________ 9 Nach dem Inhalt - Intrigenkomodie ̈ : Die lustigen Weiber von Windsor von William Shakespeare. - Satirisch-gesellschaftskritische Komodie ̈ : Die Hose von Carl Sternheim, Les affaires sont les affaires (Geschaft ̈ ist Geschaft ̈ ), von Octave Mirbeau (1903). - Groteske (benannt nach der Verhaltensweise der sozial niedrig stehenden Figuren, im Unterschied zu „nobel“): typisch sind grausige, bizarre Situationen, die lächerlich dargestellt sind (Der Besuch der alten Dame und Die Physiker von Friedrich Durrenmatt ̈ , Die Kleinburger̈ hochzeit von Bertolt Brecht, Biedermann und die Brandstifter von Max Frisch, Uberlebensgroß ̈ Herr Krott von Martin Walser). - Boulevardkomodie ̈ (Das Haus in Montevideo von Curt Goetz, Komodie ̈ im Dunkeln von Peter Shaffer). Diese Form ist als Gegensatz zur klassischen Komodie ̈ im 18. Jahrhundert in Paris entstanden und wird dann besonders erfolgreich im 19. Jahrhundert. Untertypen: * Burleske (eine derbe Komödie) * Farce (extravagante Verwechslungskomödie) * Schwank („lustiger Einfall“) * Posse (ulkige Zufälle, unwahrscheiniche Übertreibung, derbe Komik) * Klamotte (derber Schwank) _______________________________________________________________ 10 3 Die Komödien der Neuzeit 3.1 Komödie im 17. Jahrhundert, Mittelalter Das mittelalterliche Theater musste sich noch nicht wie das neuzeitliche auf die antike Trennung zwischen Tragödie und Komödie berufen. Die verbreiteten geistlichen Spiele waren Mischformen aus ernsten und komischen Episoden. Teufelsszenen stellten etwa das Boshafte und Komische dar. Aus der Salbenkrämerszene oder dem Wettlauf der Apostel im Osterspiel wurden ausgedehnte Burlesken. Im ausgehenden Mittelalter entstanden auch weltliche Spiele, vor allem Schwänke, einfache Dialoge, maskierte Umzüge, die volksnahe Handlungen zur Belustigung der Zuschauer darstellen: Streitszenen, Gerichtsszenen, Eheszenen wie in den Fastnachtsspielen (vasnaht heißt „Austreibung des Bösen“). Sie werden zur Quelle des Volkstheaters, das zu Varianten wie der Commedia dell'arte führte. Dies belegt etwa die Entwicklung des Teufels Hellekin (aus dem Normannischen) zum Harlekin. Es ist eine gesamteuropäische Entwicklung. Erwähnenswert ist das Schweizer Urner Tellenspiel aus dem 15. Jahrhundert und Fastnachtsspiele, die den Papst und den Ablasshandel verspotten (etwa bei dem Berner Autor Niklaus Manuel Deutsch). Ein Capitano in der Commedia dell'arte um 1600 Die Renaissance orientierte sich wieder an den antiken Theoretikern. Vor allem die Poetik des Aristoteles und die Pisonenbriefe (De arte poetica) des Horaz wurden von den Humanisten in Bezug auf das Theater herangezogen. Die Stücke von Lope de Vega oder Shakespeare befinden sich dagegen noch am Ende der mittelalterlichen Tradition, in der es keine klare Abgrenzung zwischen Tragödie und Komödie gibt. Dies zeigt sich noch deutlicher um 1500 in Fernando de Rojas’ Tragikomödie La Celestina, die später von Max Frisch in Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie aufgegriffen wird. In England schuf Shakespeare seit Ende des 16. Jahrhunderts viele Komödien wie Die Komodie ̈ der Irrungen, Verlorene Liebesmuh ̈ , Zwei Herren aus Verona, Ein Sommernachtstraum, Der Widerspenstigen Zahmung ̈ . Oft liegen Scherz _______________________________________________________________ 11 und Ernst dicht beieinander. Er war kein hofischer ̈ Literat, sondern Schauspieler, Regisseur, Autor und sogar Mitbesitzer des Globe Theatre. 1642 wurden in England alle Theateraufführungen verboten, was einen Einbruch in der Entwicklung des Theaters bedeutete. Im 17. Jahrhundert entstand dann die „comedy of manners“, die Sitten-und Gesellschaftskomödie. Um die gleiche Zeit, im Siglo de Oro, gab es auch in Spanien eine Hochblüte des Theaters mit Tirso de Molina, Lope de Vega und gegen Ende Pedro Calderon ́ de la Barca. Missverständnisse, Intrigen, Verwirrungen, verbotene Liebe und Täuschung durch Masken sind die Mittel der beliebten Komödien. In Italien entstand seit dem 16. Jahrhundert die Stegreifkomödie der Commedia dell'arte, bei der vor der Aufführung nur die grobe Handlung fixiert wurde. Die Figuren waren von vornherein festgelegt. Sie entwickelten die Handlung aus dem Stegreif, also aus der Situation heraus. Das Publikum spielte auch eine Rolle durch seine Reaktionen. Von der Commedia dell'arte ist das europäische Theater bis Brecht, Giorgio Strehler und Dario Fo ̀ entscheidend beeinflusst worden. 3.2 Englische Komödie aus dem 17. Jahrhundert Das Barockzeitalter ist vom Glanz des Hoftheaters gepragt. ̈ In der franzosischen ̈ Klassik entwickelte sich ein scharfer Gegensatz zwischen exklusivem höfischem und öffentlichem bügerlichen Theater (das sich bemühte, das höfische Theater zu kopieren). Auch wenn Tragödien auf den Jahrmärkten gespielt wurden, konnten sie nach allgemeiner Auffassung nur unfreiwillig komische Kopien des Hoftheaters sein, also Komödien. So entstanden die Parodien und Travestien im Pariser Jahrmarktstheater oder die Haupt- und Staatsaktionen. Zur Zeit der prägenden französischen Klassik war das Personal der Tragödie vorwiegend aristokratisch, das Personal der Komödie vorwiegend bürgerlich (Ständeklausel), wie es auch etwa Martin Opitz verlangte. Jean-Baptiste Poquelin, bekannt als Moliere ̀ , war der Meister der höfischen Komödie. Er verspottete und kritisierte die Schwächen seiner Mitmenschen, _______________________________________________________________ 12 bestimmter Berufsstände, intriganter Handlungsweisen und schuf Meisterwerke der Charakterkomödie. So half er dem König Louis XIV mit politischen Stellungnahmen wie in Tartuffe, dessen Spott sich gegen den Klerus richtet. Moliere ̀ schöpfte aus der Commedia dell'arte und zog anfangs mit einem Wandertheater durch die Lande, bis er ein königliches Monopol erhielt, aus dem sich später die Comedie-Francaise ́ ̧ entwickelte. Don Juan macht einen Adligen zur Hauptfigur in der Komodie, ̈ was sehr umstritten war, aber vor allem im 18. und 19. Jahrhundert große Anziehungskraft hatte. Das Schaffen Molieres ̀ hat Ariane Mnouchkine im 20. Jahrhundert mit ihrer Schauspielertruppe im Theatre ́ ̂ du Soleil und in ihrem Film Moliere ̀ (1978) nachempfunden. Gegenüber dem höfischen französischen Theater wirken die Komödien von Andreas Gryphius und Martin Opitz eher schwerfällig. Die Höfe im deutschen Sprachgebiet orientierten sich zwar an den italienischen Städten und an Paris, doch sie konnten diese Vorbilder noch nicht annähernd erreichen. Neben der höfischen Komödie gab es die „grotesken“ Theaterformen des Volks oder „Dritten Standes“. Solche groben Komödien wurden über lange Zeit von Wandertheatern aufgeführt. Seit etwa 1600 begann in Europa allmählich die Einrichtung fester Häuser, die aber meist weiter von wandernden englischen und italienischen Theatertruppen bespielt wurden. Seit etwa 1700 gewannen auch die deutschen Wanderbühnen an Bedeutung. 3.3 Komödie im 18. Jahrhundert Im 18. Jahrhundert löste sich die Spezialisierung der Schauspieler auf Tragödie oder Komödie auf. Hier eine allegorische Darstellung David Garricks zwischen Komödie und Tragödie. Nach dem Tod des Sonnenkönigs 1715 begann sich die bürgerliche Komödie allmählich zu emanzipieren, so etwa das Vaudeville auf den Jahrmärkten. Musikalisierte Formen der Komödie wie Opera buffa und Opera ́ comique gingen nicht mehr unbedingt von den Höfen aus. Im etwas rückständigen deutschen Sprachraum bemühten sich Theaterreformer wie Johann Christoph Gottsched _______________________________________________________________ 13 und Caroline Neuber aber stets noch um eine Angleichung an das höfische Theater der französischen Klassik, führten die Tragödie ins bürgerliche Theater ein und versuchten, den Hanswurst der Stegreifkomödie zur zivilisierten und literarisierten Figur zu machen. Gottsched verkündete im 11. Kapitel seiner Theaterschrift Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen, dass die Spaßmacherei minderwertig sei, indem er die Komödie definierte als „Nachahmung einer lasterhaften Handlung, die durch ihr lächerliches Wesen den Zuschauer belustigen, aber zugleich erbauen kann“. Die Einführung der höfischen Tragödie ins bürgerliche Theater scheiterte, aber aus solchen Reformbemuhungen ̈ ergab sich unter anderem die schriftlich fixierte Posse als Weiterentwicklung des komödiantischen Stegreiftheaters. Ein bedeutender Autor der nach wie vor maßgeblichen Comedie-Francaise ́ ̧ war Marivaux in der Nachfolge Molieres. ̀ Seine Stücke behandeln vor allem das Thema der Liebe und Intrige, sind leicht geschrieben und thematisieren oft Standesunterschiede zwischen den Liebenden. Die Überbrückung von Standesgrenzen durch Liebe wird von ihm allerdings noch nicht befürwortet. Bei Beaumarchais tritt dann deutlicher eine vorrevolutionare ̈ Sozialkritik hervor. Auch außerhalb Frankreichs wurde die Komödie nun literarisiert, etwa durch den Dänen Ludvig Holberg und den Italiener Carlo Goldoni. Ein häufiges Thema ist das Verhaltnis ̈ „Herr und Diener“, das nicht nur in Der Diener zweier Herren von Goldoni thematisiert wird, sondern ein wichtiges Thema der Aufklärung ist und in Hegels Überlegungen zu Herrschaft und Knechtschaft mundet ̈ (die wiederum von Brecht in Herr Puntila und sein Knecht Matti aufgegriffen werden). Der große Erfolg auf der Opernbuhne ̈ ist Pergolesis Intermezzo La serva padrona. Der Venezianer Carlo Gozzi beruft sich wieder auf die Tradition der Commedia dell'arte und übt mit seinen Feerien großen Einfluss auf Musik und Literatur des 20. Jahrhunderts aus (wie etwa auf Dario Fo). ̀ Sperling aus August von Kotzebues Die deutschen Kleinstadter ̈ Weil das Bürgerliche nach der gängigen Abgrenzung zwischen Tragödie und Komödie von vornherein lächerlich war, was die bürgerlichen Theatergänger vor _______________________________________________________________ 14 den Kopf stieß, entwickelten sich Formen der Komodie, ̈ die sich gegenüber der Posse abzugrenzen bemühten, auch Formen der Komödie, die gar nicht heiter, sondern sentimental bis tragisch waren. Ein Pionier des ernsten, aber nicht tragischen bürgerlichen Theaters war Denis Diderot. Seine Theorien hatten großen Einfluss, aber seine Theaterstücke konnten sich nicht durchsetzen. Erfolg im Sinne Diderots hatte dagegen Gotthold Ephraim Lessing, der die Theaterpraxis von Grund auf kannte und sich auch theoretisch mit ihr beschäftigte. Letzteres geschah besonders in seiner 1767/68 verfassten Hamburgischen Dramaturgie, in der er sich mit dem aktuellen Theater, der aristotelischen Theorie des Dramas und der Aufführungspraxis der französischen Klassiker auseinandersetzte. Er forderte Wahrhaftigkeit in bezug auf die Handlung wie auch auf die Personen. Für ihn ist die Komödie ein „Spiegel des menschlichen Lebens“, womit er sich gegen unrealistische Situationskomik wandte. In seiner Jugend schrieb Lessing mehrere Lustspiele, bekannt ist aber wohl nur Minna von Barnhelm, das Stück, das er bewusst als „Lustspiel“ bezeichnete. Die Dichter des Sturm und Drang und der junge Goethe schrieben vorsichtig gesellschaftskritische Lustspiele. Parodien, Satiren, Scherzspiele wandten sich gegen Missstände der Zeit. Die Französische Revolution brachte den Untergang des exklusiven Hoftheaters und damit auch der strengen Teilung zwischen Tragödie und Komodie. ̈ Zugleich geschah eine Kommerzialisierung des Theaters. Es entstan den zahlreiche Mischformen wie das Rührstück, die Opera semiseria oder das Melodrama, das komische Elemente und ein glückliches Ende haben konnte, aber überwiegend ernst war. An der Wende zum 19. Jahrhundert stehen die Komödien von August Wilhelm Iffland und August von Kotzebue, die leicht und unterhaltsam sind, wobei Kotzebues Komödie Die deutschen Kleinstadter ̈ noch heute aktuell sein kann und relativ häufig gespielt wird. In dieser Zeit entstand in Frankreich auch das Boulevardtheater (so genannt nach dem Ort seiner Entstehung, dem Boulevard du Temple in Paris), das sich bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 weit verbreitete und seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts durch die überall entstehenden kleinen Theater, Privattheater oder Zimmertheater eine Renaissance erlebte. _______________________________________________________________ 15 3.4 Komödie im 19. Jahrhundert Die Schauspieler August Wilhelm Iffland und Franz Labes in Molieres ̀ Der Geizige, 1810 Da es die Normen des Hoftheaters nicht mehr gab, musste das Theater neu definiert werden. Darin versuchte sich eine Literaturkritik und später eine akademische Literaturwissenschaft. Oft wurde die populäre Posse nicht als Komödie anerkannt. Gustav Freytag behauptete noch 1863, dass sich die Komödie erst neu formiert haben werde, wenn darin „Schwäche der Fürsten, [...] Hochmuth des Junkerthums“ dargestellt würden. Die deutsche Romantik sei eher arm an Komödien, so wurde manchmal behauptet, obwohl ihre Dichter Meister der Satire und Ironie sind. Ludwig Tieck hat interessante, aber für die Theaterpraxis unpraktische Stücke geschrieben. Christian Dietrich Grabbe, Karl Ferdinand Gutzkow und Heinrich Laube sind als Lustspieldichter durchaus anzuerkennen. Mit den österreichischen Schriftstellern Franz Grillparzer, der noch in der Lustspieltradition steht, Ferdinand Raimund und Johann Nestroy, die an Vorbilder des kommerziellen französischen und zuweilen auch englischen Theaters anknüpfen, erreichte die deutschsprachige Komödie einen mittlerweile anerkannten Höhepunkt. Johann Nestroy als Darsteller, 1857 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts behauptete die Komödie Der zerbrochne Krug von Heinrich von Kleist ihren literarischen Rang, sein Theaterstück Amphitryon ist eher eine Tragikomödie. In Anlehnung an die Leichtigkeit der französischen Literatur ist Georg Büchner mit Leonce und Lena eine romantische Komödie gelungen, die eine große Wirkung auf das Theater des 20. Jahrhunderts hatte. In Anbetracht der Tatsache, dass dieses Jahrhundert die Dialekte oder Mundarten entdeckt, sind die Spielarten der lokalen Komödie, auch der Lokalposse in Deutschland zu erwähnen, die häufig vernachlässigt werden. Unvergesslich ist zum Beispiel Ernst Elias Niebergall, dessen Datterich im hessischen Dialekt durchaus politische Züge trägt. Gerhart Hauptmanns Der Biberpelz zeigt die _______________________________________________________________ 16 Wandlung der Komödie zur Milieuschilderung am Ende des 19. Jahrhunderts, wie es noch später bei Carl Zuckmayer in seinem Drama Der Hauptmann von Kopenick ̈ zum Ausdruck kommt. Paris blieb durch die Größe der Stadt und daher durch das Publikumsvolumen das Theaterzentrum Europas. Hier erlebt die Komödie durch Alfred de Musset, Alfred de Vigny, Alexandre Dumas, Eugene ̀ Scribe (Das Glas Wasser) einen großen Aufschwung. Victorien Sardous Madame sans gene ̂ aus der Zeit von Napoleon ́ wird heute noch oft gespielt. Besonders die kleinen Privatbühnen feiern Erfolge mit dem Boulevardstück, bei dem sich das Publikum vor allem über die Unzulänglichkeiten anderer, über Intrigen und Wortspiele amüsiert. Georges Feydeau und Eugene ̀ Labiche waren Meister dieses Genres, das oft als oberflächlich gilt. Die leichte Unterhaltung beherrschte die Spielpläne Europas. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts brillierte Oscar Wilde mit seinen Komödien (Ein idealer Gatte), die oft als Konversationsstücke bezeichnet werden, auf den Bühnen Englands und späterhin Europas. Nicht zu vergessen ist das russische Theater mit Autoren wie Nikolaj Gogol, dessen Theaterstücke Der Revisor oder Die Heirat zu den meistgespielten Komödien gehören. Auch Iwan Turgenew ist als Komödiendichter bedeutend, Alexander Nikolajewitsch Ostrowski ist vor allem durch die Komödie Der Wald bekannt. 3.5 Komödie im 20. Jahrhundert Die erfolgreichen Komödien des Unterhaltungstheaters und die literarisch angesehenen Bühnenstücke gehen im 20. Jahrhundert endgültig getrennte Wege. Als Komödien werden nun oft Stücke bezeichnet, die nicht eigentlich lustig sind, sondern im aristotelischen Sinn den Menschen in seiner Lächerlichkeit, Würdelosigkeit, Absurdität zeigen. Die Regel, dass die Komödie bürgerliches und die Tragödie aristokratisches Personal präsentieren müssten, wird nun endgültig durchbrochen. In Hugo von Hofmannsthals Der Schwierige oder Fritz von Herzmanovsky-Orlandos Kaiser Joseph und die Bahnwarterstochter ̈ _______________________________________________________________ 17 treten auch Adlige als komische Hauptfiguren auf. Als Lustspieldichter ist Hugo von Hofmannsthal wohl weniger bekannt wie als Poet oder Theoretiker (Chandos-Brief), aber nicht nur seine Opern-Libretti, sondern auch seine Komödien Der Schwierige oder Christinas Heimreise zeigen, dass Lustspiele einen ernsthaften Hintergrund haben und dennoch heiter gestaltet sein können. Er betrachtete das Lustspiel als besonders schwierige Dichtungsart. Plakat der Urauffuhrung ̈ von Alfred Jarrys Konig ̈ Ubu. Die Avantgarde wies der Komödie neue Wege. Das 19. Jahrhundert endete diesbezüglich mit einem Donnerschlag: In Paris rülpst Konig ̈ Ubu im Jahr 1896: merdre („Schreiße“). Der endgültige Bruch mit der Regel der bienseance ́ (Schicklichkeit) war möglich geworden, und eine (wenn auch stilisierte) adlige Figur konnte zur ungehobelten Komödienfigur werden. Deren Schöpfer Alfred Jarry leitete damit die Ära des grotesken Theaters ein. Eine Generation später folgten Antonin Artaud, der Schöpfer des Theaters der „Grausamkeit“, und André Breton, der Verfasser des Manifestes des Surrealismus. Boris Vian, Eugene ̀ Ionesco, Jean Genet, Michel de Ghelderode, Fernando Arrabal und viele andere (bis hin zum Filmemacher Rainer Werner Fassbinder) sind von Jarry beeinflusst, auch die alternative Theaterszene in Europa und besonders das Absurde Theater. War im 19. Jahrhundert noch der ennui (die Langeweile, der Überdruss) das große Thema, so ist es im 20. Jahrhundert – vor allem in den Großstädten – die Lust am Extremen, Hässlichen, Grausamen, Widersprüchlichen, Krankhaften, Unkonventionellen. Das Lachen erstickt im schwarzen Humor. Auch in Russland machte sich eine Art Bürgerschreck auf, um Politiker und Medien zu provozieren: Wladimir Majakowski, der die Oktoberrevolution als sein Werk bezeichnete und im Mysterium buffo (1918) auf satirische Weise eine Art Welttheater aus proletarischer Sicht aufführte. Sein Einfluss auf Erwin Piscator, Sergej Michailowitsch Eisenstein und Bertolt Brecht ist nicht zu unterschätzen. Der polnische Dichter Sławomir Mrozek ̇ findet mit seinen grotesken Stücken viel Anklang in Europa. Witold Gombrowicz hat mit seiner „Tragifarce“ Yvonne, Prinzessin von Burgund ein Meisterwerk der Groteske geschaffen, auch Tadeusz Rozewicz (Die Kartothek) steigert das Ironische und _______________________________________________________________ 18 Groteske ins Satirische und ist einer der bedeutendsten Autoren des absurden Theaters. In Westeuropa sind Franzosen und Belgier Meister des absurden Theaters, aber auch Federico Garcia ́ Lorca hatte Erfolg mit seinem Theaterstück Die wundersame Schustersfrau. Nicht zu vergessen Samuel Beckett, der Französisch und Englisch gleichermaßen beherrschte, und in seinem Werk Warten auf Godot wohl das wichtigste Werk des absurden Theaters verfasste. Komisch, grotesk und absurd sind viele Stücke von Eugene ̀ Ionesco, dessen Stücke Die Unterrichtsstunde und Die kahle Sangerin ̈ seit über 40 Jahren im Theatre ́ ̂ de la Huchette Paris Abend für Abend gespielt werden. Die Komödien von Sacha Guitry, Jean Anouilh und Jean-Paul Sartre dominierten jahrelang die Theaterspielpläne. In fast ganz Europa belebte der Ire George Bernard Shaw die Komödiendichtung: Satire, Ironie und hintergründiger Humor sind Charakteristika seiner Stücke, aber sie haben auch die Leichtigkeit von Konversationsstücken. Eines der bekanntesten, das auch heute noch gespielt wird, ist wohl Pygmalion, das die Vorlage fur̈ das Musical My fair lady abgegeben hat. Auch John M. Synge (Der Held der westlichen Welt), T.S. Eliot und Christopher Fry stehen in der angelsächsischen Tradition der europäischen Lustspieldichtung. In Italien erweckte Luigi Pirandello die Komödie zu neuem Leben, vor allem mit seinem Stück Sechs Personen suchen einen Autor, in dem sich Sein und Schein begegnen, und mit dem weniger gespielten Stück Heinrich IV., in dem es um Wahnsinn und Wirklichkeit geht. Dario Fo erneuerte die sozialkritischen Züge in der italienischen Komödie. Eine gesellschaftskritische Schweizer Variante der Komödie etablierte sich durch die Schriftsteller Max Frisch (Biedermann und die Brandstifter) und Friedrich Dürrenmatt (Die Physiker). Der hintergründige, oft makabre Wiener Humor zeigt sich auch im späteren 20. Jahrhundert in den Stücken Thomas Bernhards und in den skurrilen Sprachspielen von Werner Schwab. _______________________________________________________________ 19 4 Tragödie und Komödie im Gegensatz 4.1 Beziehung von Poetik und Sprache Aristoteles (384 v. Chr. war ein griechischer Philosoph, Naturforscher und einer der einflussreichsten Denker der abendländischen Geistesgeschichte) verfasste sein Buch (über die Dichtkunst, Kindle Edition), das sich mit der Dichtkunst und deren Gattungen beschäftigte. Er gliederte die Wissenschaft in drei große Gruppen: Theoretisch, Praktisch und Poetisch; die Poetik behandelte einen Teil des poetischen d.h. „hervorbringend“ menschlichen Wissens in deskriotiver und präskriptiver Weise. Darunter fallen im Bereich der aristotelischen Poetik die einen nachahmenden, darstellenden Charakter besitzen wie Epik, Tragödie, Komödie in Formen der Dithyrambendichtung (Wechselhaft z.B. im Wechsel Chor und Vorsinger), Tanz und der Musik. Jedoch zeigte sich im Verlaufe bei Aristoteles Werken fast die ausschließliche Dichtung im engeren Sinne, die sich des Mediums nachahmende Kunstform der Sprache bedient. Aristoteles Poetik steht im Zusammenhang mit seiner Rhetorik, insofern beide Schriften Sprache und Kommunikation thematisieren, sowie mit seiner Politik, sofern Dichtkunst wie Redekunst zentrale gesellschaftliche Funktionen in der griechischen Polis (griechisch antiker Staatsverband) hatten. Aristoteles kündigte zwar in seinen Schriften selbst an, nach Tragödie und Epos (Erzählung, Gedicht) auch die Komödie behandeln zu wollen und verweist in seiner Rhetorik auf eine Behandlung des Lächerlichen. In der Poetik jedoch sind diese Texte nicht auffindbar. Alle Dichtung ist mimesis „Nachahmung“. Aristoteles setzte sich von den gängigen „Versmaß“ ab- Plautus' Dichtung fallen somit in die Dichtung. Mimesis besteht vielmehr in der Darstellung von handelnden Menschen, deren Absichten, Charakter und Handlungen sowohl zum Besseren als auch zum _______________________________________________________________ 20 Schlechteren abweichen kann. Von derjenigen Kunst, die in Hexametern nachahmt, und von der Komödie wollen wir später reden; jetzt reden wir von der Tragödie, wobei wir die Bestimmung ihres Wesens aufnehmen, wie sie sich aus dem bisher Gesagten ergibt. Die Tragödie ist Nachahmung einer guten und in sich geschlossenen Handlung von bestimmter Größe, in anziehend geformter Sprache, wobei diese formenden Mittel in den einzelnen Abschnitten je verschieden angewandt werden, Nachahmung von Handelnden und nicht durch Bericht, die Jammer und Schaudern hervorruft und hierdurch eine Reinigung von derartigen Erregungszuständen bewirkt. Ich bezeichne die Sprache als anziehend geformt, die Rhythmus und Melodie besitzt; ich meine mit der je verschiedenen Anwendung der formenden Mittel die Tatsache, daß einiges nur mit Hilfe von Versen und anderes wiederum mit Hilfe von Melodien ausgeführt wird. Da handelnde Personen die Nachahmung vollführen, ist notwendigerweise die Inszenierung der erste Teil der Tragödie; dann folgen die Melodik und die Sprache, weil dies die Mittel sind, mit denen die Nachahmung vollführt wird. Ich verstehe unter Sprache die im Vers zusammengefügten Wörter und unter Melodik das, was seine Wirkung ganz und gar im Sinnlichen entfaltet. Nun geht es um Nachahmung von Handlung, und es wird von Handelnden gehandelt, die norwendigerweise wegen ihres Charakters und ihrer Erkenntnisfähigkeit eine bestimmte Beschaffenheit haben. (Es sind ja diese Gegebenheiten, auf Grund deren wir auch den Handlungen eine bestimmte Beschaffenheit zuschreiben, und infolge der Handlungen haben alle Menschen Glück oder Unglück.) Die Nachahmung von Handlung ist der Mythos. Ich verstehe hier unter Mythos die Zusammensetzung der Geschehnisse, unter Charakteren das, im Hinblick worauf wir den Handelnden eine bestimmte Beschaffenheit zuschreiben, unter Erkenntnisfähigkeit das, womit sie in ihren Reden etwas darlegen oder auch ein Urteil abgeben. Demzufolge enthält jede Tragödie notwendigerweise sechs Teile, die sie so oder so beschaffen sein lassen. Diese Teile sind: Mythos, Charaktere, Sprache, Erkenntnisfähigkeit, Inszenierung und Melodik. Die Mittel, mit denen nachgeahmt wird, sind zwei; die Art, wie nachgeahmt wird, ist eine; die Gegenstände, die nachgeahmt werden, sind drei; und darüberhinaus gibt es nichts. Nicht wenige bedienen sich dieser Teile, um gewissermaßen selbstän_______________________________________________________________ 21 dige Arten daraus zu machen; immerhin besteht jedes Stück in gleicher Weise aus Inszenierung, Charakteren, Mythos, Sprache, Melodik und Erkenntnisfähigkeit. Der wichtigste Teil ist die Zusammenfügung der Geschehnisse. Denn die Tragödie ist nicht Nachahmung von Menschen, sondern von Handlung und von Lebenswirklichkeit. (Auch Glück und Unglück beruhen auf Handlung, und das Lebensziel ist eine Art Handlung, keine bestimmte Beschaffenheit. Die Menschen haben wegen ihres Charakters eine bestimmte Beschaffenheit, und infolge ihrer Handlungen sind sie glücklich oder nicht. Folglich handeln die Personen nicht, um die Charaktere nachzuahmen, sondern um der Handlungen willen beziehen sie Charaktere ein. Daher sind die Geschehnisse und der Mythos das Ziel der Tragödie; das Ziel aber ist das Wichtigste von allem. Ferner könnte ohne Handlung keine Tragödie zustandekommen, wohl aber ohne Charaktere. Denn die Tragödien der Neueren sind größtenteils ohne Charaktere, und überhaupt ist dies bei vielen Dichtern der Fall. Ebenso verhält sich unter den Malern Zeuxis zu Polygnot; Polygnot war nämlich ein guter Maler von Charakteren, die Gemälde von Zeuxis hingegen zeigen keine Charaktere. Ferner, wenn jemand Reden aneinanderreihen wollte, die Charaktere darstellen und sprachlich wie gedanklich gut gelungen sind, dann wird er gleichwohl die der Tragödie eigentümliche Wirkung nicht zustandebringen. Dies ist vielmehr weit eher bei einer Tragödie der Fall, die in der genannten Hinsicht Schwächen zeigt, jedoch einen Mythos, d. h. eine Zusammenfügung von Geschehnissen, enthält. Außerdem sind die Dinge, mit denen die Tragödie die Zuschauer am meisten ergreift, Bestandteile des Mythos, nämlich die Peripetien und die Wiedererkennungen. Ein weiterer Beweis ist, daß Anfänger in der Dichtung eher imstande sind, in der Sprache und den Charakteren Treffendes zustandezubringen, als die Geschehnisse zusammenzufügen. Dies ist auch bei den ersten Dichtern fast ausnahmslos der Fall. Das Fundament und gewissermaßen die Seele der Tragödie ist also der Mythos. An zweiter Stelle stehen die Charaktere. Ähnlich verhält es sich ja auch bei der Malerei. Denn wenn jemand blindlings Farben aufträgt, und seien sie noch so schön, dann vermag er nicht ebenso zu gefallen, wie wenn er eine klare Umrißzeichnung herstellt. Die Tragödie ist Nachahmung von Handlung und hauptsächlich durch diese auch Nachahmung von Handelnden. Das dritte ist die Erkenntnisfähigkeit, _______________________________________________________________ 22 d. h. das Vermögen, das Sachgemäße und das Angemessene auszusprechen, was bei den Reden das Ziel der Staatskunst und der Rhetorik ist. Denn die Alten ließen die Personen im Sinne der Staatskunst reden, die Jetzigen lassen sie rhetorisch reden. Der Charakter ist das, was die Neigungen und deren Beschaffenheit zeigt. Daher lassen diejenigen Reden keinen Charakter erkennen, in denen überhaupt nicht deutlich wird, wozu der Redende neigt oder was er ablehnt. Die Erkenntnisfähigkeit zeigt sich, wenn die Personen darlegen, dass etwas sei oder nicht sei, oder wenn sie allgemeine Urteile abgeben. Das vierte ist die Sprache. Ich verstehe unter Sprache, wie oben gesagt, die Verständigung durch Worte. Sie dient dem gleichen Zweck, ob es sich nun um Verse oder um Prosa handelt. Von den restlichen Teilen trägt die Melodik am meisten zur anziehenden Formung bei. Die Inszenierung vermag zwar die Zuschauer zu ergreifen; sie ist jedoch das Kunstloseste und hat am wenigsten etwas mit der Dichtkunst zu tun. Denn die Wirkung der Tragödie kommt auch ohne Aufführung und Schauspieler zustande. Außerdem ist für die Verwirklichung der Inszenierung die Kunst des Kostümbildners wichtiger als die der Dichter. Die Komödie bedient sich mit den absurden, einfachen oder auch den aufgeblasenen Vharakteren deren Ziel es ist durch die Lösung das Lachen oder schmunzeln zu wecken. Dante Alighieri * Mai oder Juni 1265 in Florenz; bis 14. September 1321 in Ravenna) war ein Dichter und Philosoph italienischer Sprache. Er überwand mit der Göttlichen Komödie das bis dahin dominierende Latein und führte das Italienische zu einer Literatursprache. Dante ist der bekannteste Dichter des Italienischen und gilt als einer der bedeutendsten Dichter des europäischen Mittelalters. Sein Werk schöpft souverän aus der Theologie, der Philosophie und den übrigen Wissenschaften (Artes liberales) seiner Zeit. Es bezieht sich kunstvoll auf Vorbilder in der italienischen, provenzalischen, altfranzösischen und lateinischen Dichtung. Dante verbindet dabei Gelehrsamkeit und literarische Bildung mit einem hohen Maß an Eigenständigkeit in der gedanklichen Aneignung und im sprachlichen und poetischen Ausdruck. Wie kein anderer Dichter vor ihm stellt er die eigene Person als Liebender und Leidender, als Irrender und Lernender in den _______________________________________________________________ 23 Mittelpunkt seiner Werke. Er spricht sich dabei nicht einfach selbst bekenntnishaft aus und macht sich nicht schlicht zum Chronisten seiner persönlichen Entwicklung, sondern stilisiert das Ich seiner Werke – deren lyrisches, erzählendes oder lehrhaftes Ich und die Erfahrung, die es zur Sprache bringt – nach Maßgabe genauer Wirkungsabsichten im Rahmen einer von Werk zu Werk fortentwickelten 'Autofiktion' (Hausmann). Er verbindet dieses Vorgehen mit dem hohen ethischen Anspruch, dem Leser, der politischen Gesellschaft und selbst der Kirche seiner Zeit einen Spiegel zur Selbsterkenntnis und ein Leitbild auf dem Weg zur Besserung zu bieten. Für ihn liegt das Ziel dieses Wegs im Persönlichen (ebenso wie im Politischen und Kirchenpolitischen) in der Übereinstimmung mit der göttlichen Weltordnung, wie sie nach seiner Überzeugung in der Bibel und ihrer inspirierten Auslegung durch die frühen Kirchenlehrer offenbart und zum Teil auch schon in den Werken der antiken Dichter (Vergil) und Philosophen (Aristoteles) vorgezeichnet ist. Kein anderer Dichter vor und nach Dante wurde so oft, so umfangreich und mit einem solchen Aufwand an Gelehrsamkeit kommentiert, eine Entwicklung, die bereits kurz nach seinem Tod mit der Glossierung und öffentlichen Kommentierung der Commedia einsetzte. Auch seine eigenen Söhne und seit der Mitte des 14. Jahrhunderts Giovanni Boccaccio haben daran mitgewirkt. Der zu dieser Zeit in Italien entstehende Humanismus und die Renaissance haben Dantes Werk zum Teil mit kritischer Ablehnung, aber auch mit Bewunderung für seine oft nur vermeintliche Vorwegnahme ihrer eigenen Leitvorstellungen rezipiert. In neuerer Zeit stand Dantes Wiederentdeckung zunächst unter dem Vorzeichen eines romantischen Interesses am Mittelalter und der Vereinnahmung seines Werks für die Herausbildung eines neuen politischen und kulturellen Selbstverständnisses der im Risorgimento entstehenden italienischen Nation. Progressive ebenso wie konservative oder reaktionäre, katholische ebenso wie protestantische, aber auch esoterische oder antikirchliche Milieus haben Dante für ihre Zwecke beansprucht und dem Verständnis seines Werkes manche Verzerrung hinzugefügt. Zur wissenschaftlichen Konstituierung der Dantephilologie und Danteforschung haben seit dem 19. Jahrhundert deutsche, englische und in jüngerer Zeit auch amerikanische Forscher wesentliche Anstöße geliefert. Sie hat viele _______________________________________________________________ 24 Missverständnisse aufklären können, hat aber manche Befangenheit des vorund außerwissenschaftlichen Betriebs auch bis in die Gegenwart tradiert. Es empfiehlt sich deshalb, bei der Konsultation von Sekundärliteratur zu Dante eine gewisse kritische Vorsicht walten zu lassen, wie man sie bei minder umkämpften und minder häufig gedeuteten Autoren des Mittelalters sonst vielleicht nicht aufzubringen gewohnt ist. Dantes bekanntestes Werk ist die um 1307 bis 1320 verfasste Göttliche Komödie. Ursprünglich schlicht Commedia betitelt, was auf den glücklichen Ausgang der Erzählung, die italienische Sprache und den wechselhaften Stil des Werkes Bezug nahm, wurde der Titel nach Dantes Tod durch dessen Bewunderer Giovanni Boccaccio zu Divina Commedia erweitert, wobei das Beiwort „göttlich“ lediglich das Werk belobigen soll und nicht mit dem Inhalt zusammenhängt. Das Werk schildert seine Reise durch die Hölle (Inferno), zum Läuterungsberg (Purgatorio), bis hin ins Paradies (Paradiso). Die Hölle und das Paradies sind jeweils in Schichten (in jeweils 9 konzentrischen Kreisen) unterteilt. Je näher man den engeren Kreisen kommt, umso sündiger bzw. heiliger sind die gestorbenen Seelen. Die göttliche Komödie wird heute auch als dichterisches Symbol der Scholastik gesehen. 4.2 Stilmittel - Verfremdungseffekt - Verdopplung - Ton und Musik - Situationskomik - Typenkomödie - Schrille Figuren _______________________________________________________________ 25 - Klamauk - Stand- up 4.3 Gottscheds und Lessing Komödientheorie in den kritischen Werken Gottscheds und Lessings Als 1767 Lessings Hamburgische Dramaturgie erschien, war klar, daß Lessing sich mit Gottscheds Critischer Dichtkunst auseindergesetzt hatte, um seine eigene Analyse des deutschen Theaters darzubieten. Lessings Ideen in diesem Werk sind zwar nicht revolutionär, aber sie unterscheiden sich von der Auslegung Gottscheds in einigen wichtigen Hinsichten. Vor allem merkt man diese Unterschiede darin, daß Gottsched in seinem Werk einen deutlichen Programm ausübt, wodurch er den Begriff eines spezifisch deutschen Theaters herstellen will; Lessing, der sechzehn Jahre später schreibt, scheint es einigermaßen anzunehmen, dass ein richtiges deutsches Theater schon existiert: er will dieses Theater aber verfeinern und dabei noch differenzierter machen. Auch haben die zwei Verfasser sehr verschiedene Meinungen über die Funktion der Kunst und der Ästhetik, was auch in ihren Analysen zum Vorschein kommt. Sogar der extemporanen Stil Lessings zeigt sich als weit entfernt von der präzisen, planmäßigen Schreibart Gottscheds, was wiederum zum Ziel der zwei Dichter paßt. Ein wesentlicher Unterschied der zwei Texte merkt man, sobald man sie ansieht: bei Gottsched, der sich auf eine klare schematische Ordnung beschränkt, ist alles dem deutlichen Ausdruck unterlegen. Deswegen schreibt er seine Analyse weder in Form eines essayistischen Stückes noch eines abschweifenden Monologs, sondern er hält sich an der strengen ordnungsgemäßen Struktur eines wissenschaftlichen Berichts. Dazu gehören also die Aufteilungen in Paragraphen und auch die diskursive Anordnung, in der er die Schwerpunkte seiner Analyse auflistet und anschließend bespricht. Bei Lessing sieht die Struktur aber ganz anders aus: zum Teil wegen der unregelmäßigen Veröffentlichungsfolge, aber auch aus rein stilistischen Gründen wird sein _______________________________________________________________ 26 ganzes Werk sehr prosaisch dargelegt. Er beschreibt zum Beispiel in jedem Stück eines der Dramen, die neulich vorgeführt werden, und zwar auf die Art und Weise, daß er diese Beschreibung danach in eine allgemeinere Kritik der zeitgenössischen Theaterbühne umwandelt. Diese Kritik nimmt dann verschiedene Aspekte der Dramaturgie auf und legt sie Lessings Meinung nach offen, damit er sie in Frage stellen und untersuchen kann. Öfters scheint er den Faden seiner Kritik zu verlieren, und er gerät in Abschweifungen, am Ende kommt er aber doch zu dem Punkt, worauf er hinwollte. Das sechsundneunzigste Stück ist dafür ein gutes Beispiel: nach seiner ziemlich langen, heftigen Tirade gegen die neuen Kritiker, »deren beste Kritik darin besteht, alle Kritik verdächtig zu machen,« kommt er endlich (»Also, ohne weitere Einleitung ... «) zu der Frage, ob sich einheimische oder fremde Sitten besser für eine Komödie eignen. Dieser lockere, entspannte Stil ist natürlich weitaus passender zu dem Programm Lessings, da er keine solchen polemischen Absichten wie Gottsched hat: er will keine Revolution der deutschen Schaubühne veranlassen, sondern eine Verbesserung der deutschen Dichter und Kritiker, die schon tätig sind. Aus diesem Unterschied in den Endzwecken der zwei Verfasser entspringt noch ein wichtiger Kontrast: obwohl beide Autoren über den Begriff der Komödie schreiben, können wir jedoch nicht annehmen, dass ihre Auffassung einer Komödie dieselbe ist. In der Tat sieht man, daß Gottsched eine sehr deutliche, begrenzte Definition der Komödie liefert, während Lessing nie eine ausführliche Bestimmung seiner Auffassung gibt. Sicherlich hängt dieses auch mit dem Stil Lessings zusammen, aber es hat noch tiefere Wurzel in seiner Ansicht von der Dramaturgie insgesamt, da er der Kunst viel mehr Selbstständigkeit gönnt, als es bei Gottsched der Fall ist. Während Gottsched sich auf eine Auflistung der Regeln und Formen, also ein Küchenzettel, konzentriert, bietet Lessing eher eine Analyse der Resultate dar, die größtenteils die Kunst und ihre Wirkung in der Gesellschaft lobt. Darauf muß man aber im näheren eingehen. Für Gottsched ist also eine Komödie, wie schon oft zitiert, die »Nachahmung einer lasterhaften Handlung, die durch ihr lächerliches Wesen den Zuschauer belustigen, aber auch zugleich erbauen kann.« Hier bringt er nun viele Sachen mit ins Spiel, die nicht alle zur traditionellen Bestimmung einer Komödie _______________________________________________________________ 27 gehören. Erstens ist die Komödie eine Nachahmung, das heißt, sie soll dem ähneln, was in der natürlichen Welt wirklich vorkommt. In der Hinsicht übt Gottsched also auch Kritik an der zeitgenössischen Neigung zur Unwahrscheinlichkeit oder Übertreibung im Theater: wie er dann später schreibt, soll der Hans Wurst endgültig von der Bühne vertrieben werden, damit man die Wahrscheinlichkeit des Stückes nicht verdirbt. Dieses Bestehen auf das Naturliche ̈ hebt er schon mehr als einmal hervor, indem er betont, dass die Personen einer Komödie Leute »vom mäßigem Stande« sein sollen, die sich nicht zu oft verkleiden, und die nicht übertrieben dargestellt werden; kurz, das Theater soll »mit der Vernunft, Politik und Religion in eine völlige Übereinstimmung« gebracht werden. Die Komödie beschäftigt sich also mit einer »lasterhaften Handlung«, schreibt Gottsched. Das heißt, dass seiner Meinung nach die Handlung die Komödie ausmacht, und nicht die Personen. In der Tat legt er nicht viel Gewicht auf die Personen in der Komödie, außer dass sie wahrscheinlich und natürlich wirken müssen. Stattdessen sind für ihn die Taten und das Geschehen auf der Bühne das Entscheidende, was die Gattung der Komödie angeht. Seine Regel zum Aufbau dieser Handlung lautet also: Was Gottsched nun mit »lasterhaft« meint, ist am Anfang nicht völlig klar, da er seine eigene Worte widerruft, als er schreibt: »Die Komödie will nicht grobe Laster, sondern lächerliche Fehler der Menschen verbessern.« Es genügt ihm aber, dass man ganz normale Leute nimmt, die irgendeinen Fehler in sich haben, und sie also durch die Handlung lächerlich macht. Dadurch, dass sie lächerlich erscheinen und ausgelacht werden, wird der Fehler problemlos aufgeklärt, und zwar durch die Ereignisse der Handlung. Er behauptet auch nachdrücklich, dass dieses Lächerliche »mehr aus den Sachen, als Worten bestehen« muß, was widerum ein Grund ist, warum er die Harlekins von der Bühne verbannen will. Diese einseitige Wichtigkeit der Handlung für Gottsched erklärt ja auch, weshalb er sich so sehr mit dem theoretischen Aufbau der Komödie beschäftigt, als ob er glaubt, dass die ganze Kunst des Dichtens lehrbar sei. Tatsächlich behandelt Gottsched das Thema der ästhetischen Wirkung des _______________________________________________________________ 28 Dramas sehr gleichgültig. Seiner Definition nach hat die Komödie die Aufgabe, »den Zuschauer [zu] belustigen, aber zugleich [zu] erbauen.« Insofern hat dann die Kunst des Dichtens hier eine Es muß eine einzige, recht wichtige That genommen werden, dazu viele Anstalten gehören, ehe sie ausgeführet werden kann; die aber, vieler Schwierigkeiten ungeachtet, gelinget, und also eine Handlung ausmacht. Gesellschaftliche Funktion: sie ist die Mittel, wodurch eine philosophische Lehre zum Ausdruck kommt. Dass die Komödie aber einen Zweck in sich selbst sein könnte, oder dass sie sogar an und für sich eine Ästhetik besitzen könnte, kommt bei Gottsched nicht in Frage. Die Komödie hat ihre Funktion: sie soll also erbauen; doch weiter bespricht Gottsched dieses Thema kaum. Stattdessen beschränkt er sich auf die Produktion des Dramas: er gibt Regel für Regel an, versucht, die Notwendigkeit der drei Einheiten zu beweisen, und legt mehrere Vorschriften über das Erscheinen auf der Bühne aus: Monologe sollen nicht vorkommen, auch die Szene soll sich nicht wechseln, und so weiter. Mit alledem scheint er also sagen zu wollen, dass, wenn man diesen Regeln nur folgte, eine ganz ordentliche Komödie daraus entstehen würde. Sein Programm ist hier klar zu erkennen: »Es kommt nur darauf an, daß unsere großen Herren sich endlich einen Begriff von deutschen Schauspielen beybringen lassen«. Nachdem dieses neue deutsche Theater sich nach den Bestimmungen Gottscheds entwickelt hat, wird »auch in diesem Stücke Deutschland den Ausländern nichts nachgeben dörfen.« In starkem Kontrast zu diesem Versuch, den Begriff eines deutschen Theaters herzustellen, steht dann der Versuch Lessings, das deutsche Theater zu analysieren. Wie gesagt fängt Lessing schon so an, daß man nicht genau weiß, was sein Ziel im ganzen Werk sein könnte. Er ist vor allem unsystematisch, aber auch unpolemisch, in seinen Äußerungen über den Zustand der Schaubühne in Deutschland. Er gibt keine genaue Definition einer Komödie in seinen Stücken an; trotzdem kann man aber ziemlich klar einsehen, was seine Auffassung wohl ist, durch seine Bemerkungen über die verschiedenen Theaterstücke so wie auch durch die Auslegung seiner eigenen Kritik. Also soll eine Komödie für Lessing, wie für Gottsched, »ein Spiegel des menschlichen _______________________________________________________________ 29 Lebens« sein, der durch die realitätsnahe Handlung und die Personen eine »Rundung« bekommt, und deshalb realistischer wirkt. Während aber Gottsched dieses Realistische oder Wahrscheinliche sehr stark betont, spielt es bei Lessing nur eine Nebenrolle: es ist zwar wichtig, dass das Drama, vor allem was die Sprache betrifft, nicht »gekünstelt« sein soll, schreibt er; jedoch ist diese Wahrscheinlichkeit fast nur eine Folge der Notwendigkeit, da ein winziges Theaterstück unmöglicherweise alles in der Welt widerspiegeln könnte. Der Dichter muß sich also auf das beschränken, was für die Komödie nötig ist: er muß so zu sagen ein kleiner Gott werden, und sich nicht scheuen, in seinem Werk auch nur einen Teil der Natur darzustellen. »Endliche Geister« müssen also der Natur »Schranken geben, die sie nicht hat,« damit überhaupt einen Kunstwerk zustande kommen kann. Lessing setzt sich auch mit der Frage der Lächerlichkeit in einer Komödie auseinander; wie Gottsched glaubt er, dass eine Komödie sowohl belustigen als auch erbauen kann. Lessing aber formuliert seine Aussage ganz anders, indem er schreibt: »die Komödie will durch lachen verbessern, nicht verlachen.« Hierin liegt der wahre Kern des Unterschieds zwischen den beiden Verfassern: Lessing fugt ̈ gleich hinzu, daß »ihr [der Komödie] wahrer allgemeiner Nutzen liegt in dem Lachen selbst; in der Übung unserer Fähigkeit, das Lächerliche zu bemerken.« Für Lessing hat also die Komödie die Funktion eines »Präservativs« -- sie kann deswegen kein Laster heilen, wie es wohl Gottsched glaubt. Stattdessen ist es ihre Aufgabe, »die Gesunden in ihrer Gesundheit zu befestigen«. Also betrachtet Lessing die Frage des Lasters aus einer ganz anderen Sicht als die seines Vorgängers. Einerseits behauptet er, wie Gottsched, dass das Laster was lächerliches sein muß, aber andererseits gibt er einen völlig anderen Grund dafür an: man darf die Personen in einer Komödie nicht verlachen können. Während Gottsched, wie wir gesehen haben, sehr wenig Wert auf die Personen als solche legt, basiert Lessing den Kern seines Arguments auf gerade die Personen; er schreibt sogar, dass »in der Komödie die Charaktere das Hauptwerk, die Situationen aber nur die Mittel sind, jene sich äußern zu lassen und ins Spiel zu setzen.« Das steht also völlig im Gegenteil zu dem, was _______________________________________________________________ 30 Gottsched über die relative Unwichtigkeit der Personen zu meinen scheint. Statt der früheren Ansicht, dass die Lehre der Komödie durch den Aufbau der Szenen, Taten, und Handlungen ihre Wirkung nimmt, behauptet Lessing fast die völlige Umkehrung dieser These: die Komödie hat ihre Wirkung schon in sich selbst -- durch das Lachen -- und es kommt nur darauf an, dass die Charaktere diese Wirkung verstärken und ausbreiten, damit das Publikum sich an der Lehre des Lachens orientieren kann. Bei einer lessingschen Komödie soll man also »mit seinem Verstande lachen« können, was uns vielleicht Lessings Verständnis der komischen Wirkung einigermaßen erleuchtert. Für ihn hat die Komödie ihren Zweck schon innerhalb sich selbst: weil sie durch das Lachen (ihren zentralen Bestandteil) die Wirkung einer moralischen Vorbeugungsmittel ausübt, hat sie eine weitaus umfassendere Selbstständigkeit, als bei Gottsched der Fall ist, wo die Komödie nur ein Vehikel der Philosophie ist, und ihr untergeordnet. Bei Lessing erfüllt aber die Komödie eine Funktion, der die Philosophie unmöglich nachkommen kann, und erreicht dadurch einen höheren Grad der Notwendigkeit. Die Komödie bekommt gleichzeitig damit eine besondere unabhängige Ästhetik, die Lessing dann in allen seinen Werken hervorzuheben weiß. 4.4 Dürrenmatt und Brecht Charakteristisch sind bei Dürrenmatt tragisch-groteske Elemente, also eine Verbindung von scheinbar Unvereinbarem. Dürrenmatt schuf so seinen eigenen Typus der Tragikomödie, einer Mischform aus Tragödie und Komödie, seiner Meinung nach «die einzig mögliche dramatische Form, heute das Tragische auszusagen». Denn die Tragödie setzt, wie Dürrenmatt in seinem Text «Theaterprobleme» von 1955 sagt, «Schuld, Not, Mass, Übersicht, Verantwortung» voraus, um ihr Ziel, die Läuterung des Einzelnen, zu erreichen. In der Unübersichtlichkeit der modernen Welt, so Dürrenmatt, werde Schuld verwischt und abgeschoben, der Moderne komme nur die Groteske bei. Der Zuschauer soll nicht weiter die Rolle eines passiven Konsumenten innehaben. Er soll zum eigenständigen Nachdenken angeregt werden. _______________________________________________________________ 31 Dürrenmatt hat mit 23 Dramen, zahlreichen Romanen, Erzählungen, Hörspielen und Reden ein gewaltiges Werk geschaffen. International erfolgreich war die 1956 in Zürich uraufgeführten Tragikomödie ‚Der Besuch der alten Dame’. Darin kommt eine amerikanische Milliardärin in ihren verschuldeten Heimatort und fordert von den Einwohnern gegen ein Milliardenangebot ihren Jugendgeliebten, der sie schändete und verstieß, als Leiche. Sie bekommt ihn, nachdem die zunächst entrüsteten Bürger Kredit auf das lebende Opfer aufgenommen haben und dieses schließlich aus moralischen Beweggründen töten. Sein Meisterwerk ‚Die Physiker’ (1962) befasst sich mit dem Griff der Großmächte nach atomaren Vernichtungsmitteln und kennzeichnet die Last der Verantwortung, die auf Forschern und Erfindern ruht; aber nicht einmal in der Abgeschiedenheit eines Irrenhauses sind sie vor einer heimtückischen Auswertung ihrer Forschungen durch eine vom Wahnsinn besessene, machtgierige Welt sicher. Ein großer Bühnenerfolg war auch die 1966 uraufgeführte Komödie ‚Der Meteor’, in der Dürrenmatt das Wunder der Auferstehung behandelt. Dürrenmatt ist ein schonungsloser Moralist und Satiriker, zu dessen literarischen Ahnen Aristophanes, Plautus, Moliere, Nestroy, G. Kaiser, Wedekind, Sternheim, Giraudoux, Pirandello, Wilder zählen. Er erkennt keine dramatischen Gesetze an; in dem Vortrag "Theaterprobleme" (1955) erklärt er die Komödie zur einzigen heute möglichen Bühnenform, aus der heraus sich das Tragische wie bei Shakespeare noch erzielen lasse. Die Tragödie im Sinne Schillers setze eine überschaubare Welt voraus, die im Atomzeitalter nicht mehr gegeben sei. Er will nicht "allzu billig" Trost geben, vielmehr mit dem "Abenteuer die Wahrheit sagen", sein Publikum "ärgern", will "grotesk sein aus der Notwendigkeit heraus, tendenziös und künstlerisch zugleich aufzutreten". Er weiß "um das Absurde dieser Welt", verzweifelt aber nicht, "denn wenn wir auch wenig Chancen haben, sie zu retten - es sei denn, Gott sei uns gnädig -, bestehen können wir sie immer noch". So hält er in einfallsreichen Farcen und parodistischen Fabeln, stofflich der Moritat und Räuberpistole verwandt, formal vom Lyrischen bis zum Kabarettistischen gespannt, dem Zeitgenossen mit _______________________________________________________________ 32 heizendem Humor, Witz und Zynismus den Weltspiegel vor, dass dessen Gewissen geweckt werde. Schon der umstrittene Erstling Es steht geschrieben (Tragikomodie, ̈ 1947) mit 41 Rollen, ein ironisch skeptischer Bilderbogen aus der münsterischen Schreckensherrschaft der Wiedertäufer, brachte Dürrenmatt in den Ruf eines "unbequemen Zeitgenossen". In der leichteren „ungeschichtlichen historischen Komödie" bzw. späteren "komischen Tragödie" Romulus der Große (1949; zweite Fassung 1957) verulkt Dürrenmatt sarkastisch die Staatsraison im Beispiel des letzten romischen ̈ Kaisers, der hühnerzüchtend das Imperium liquidiert, weil man "das Vaterland weniger lieben soll als den Menschen". Unmittelbar die Zeitgenossen trifft die "leichenreiche" Komödie Die Ehe des Herrn Mississippi (1952; Neufassung 1957), Mischung aus Moritat, Panoptikum, moralischem Überbrettl und dramatischem Pamphlet, die Dürrenmatts Weltruf begründete. Drei Weltverbesserer, ein Staatsanwalt, der im Sinne einer Wiedereinführung des Gesetzes Mosis seine ungetreue Ehefrau vergiftet hat, ferner ein Edelkommunist und ein heruntergekommener Tropenarzt, letzterer ein idealistischer Liebender, gehen darin zugrunde, auch eine Witwe, die lügenhafte Geliebte ähnlich der Lulu Wedekinds, die ihren Mann vergiftet hat und darum vom Staatsanwalt zu gemeinsamer "Sühne" zur Ehefrau genommen wird; lediglich ein brutaler Machtmensch überlebt, davon überzeugt, dass man "alles ändern" könne, "nur den Menschen nicht". Weniger moralisierende Zeitsatire als parodistische Phantasmagorie, ein Märchen und zugleich kabarettistisches Gleichnis ist die Komödie Ein Engel kommt nach Babylon (1953; Neufassung 1957), ausgezeichnet mit einem Anerkennungspreis der Stadt Bern; der tyrannische König Nebukadnezar, unfähig, der Macht zu entsagen und arm zu werden, verliert darum ein reines Mädchen, das von einem Engel auf die Welt gebracht worden war, an einen Bettler und attackiert mit einem Turmbau frevelhaft den Himmel. International erfolgreich war die tragische Komödie Der Besuch der alten Dame (1956; Urauffuhrung ̈ 1956 im Schauspielhaus Zürich), in der eine amerikan ische Milliardärin in ihren verschuldeten Heimatort kommt und von den _______________________________________________________________ 33 Einwohnern gegen ein Milliardenangebot ihren Jugendgeliebten, der sie schändete und verstieß, als Leiche fordert - und bekommt, nachdem die zunächst entrüstet ablehnenden Bürger Kredit auf das lebende Opfer aufgenommen haben und dieses schließlich aus "moralischen Beweggründen" töten. In der Komödie Die Physiker (1962) brandmarkt Dürrenmatt den Griff der Großmächte nach atomaren Vernichtungsmitteln und kennzeichnet die Last der Verantwortung, die auf Forschern und Erfindern ruht; aber nicht einmal in der Abgeschiedenheit eines Irrenhauses sind sie vor einer heimtuckischen ̈ Auswertung ihrer Forschungen durch eine vom Wahnsinn besessene, machtgierige Welt sicher. Ein großer Bühnenerfolg war die 1966 im Züricher Schauspielhaus uraufgeführte, sich an die klassischen Regeln der drei Einheiten haltende, äußerst konzentrierte Komödie Der Meteor, in der Dürrenmatt die Thematik des Wunders der Auferstehung behandelt. Das Weltgefühl, das aus Friedrich Dürrenmatts Werken spricht, liegt vor aller rationalen Erfahrung, es ist ursprünglich und unauflöslich: das Gefühl der Kleinheit und Ohnmacht des Menschen vor einer chaotischen, nicht zu bewältigenden Welt, die ein Ungeheures ist, ein Rätsel an Unheil, das hingenommen werden muß, vor dem es jedoch kein Kapitulieren geben darf. In seinen theoretischen Äußerungen leitet Dürrenmatt dieses Gefühl immer wieder aus dem heutigen Zustand der Welt ab, aus dem Terror der Apparate und Organisationen, aus der Bürokratisierung und Technisierung aller Gesellschaftsformen, die das entmachtete Individuum unter sich begraben - im Grunde aber sind das nur Erscheinungen, in denen ein ursprüngliches Gefühl der Ohnmacht sich bestätigt findet, eine Verlorenheit, die nicht durch eine veränderte Gesell schaft aufgehoben werden könnte, sondern durch den Glauben an eine allseits gerechte göttliche Ordnung der Welt. Obwohl Dürrenmatts Werke immer wieder Erscheinungen unserer Zivilisationsgesellschaft aufgreifen, obwohl er selbst immer wieder Art und Stil dieser Werke nicht nur zu unserer Zeit in Beziehung setzt, sondern sogar theoretisch aus ihr _______________________________________________________________ 34 ableitet, sind sie im wesentlichen nicht Auseinandersetzung oder gar Antworten auf diese Zeit. Sie stellen im Kostüm unserer Welt Ursituationen dar, tragen unter den Bedingungen unserer Zeit Urkonflikte aus. Es geht in Ihnen nicht um den Wohlfahrtsstaat, das kapitalistische System oder den Atomkrieg, sondern um Verrat, Schuld, Sühne, Treue, Freiheit und Gerechtigkeit nicht um Psychologie, Soziologie, Politik, sondern zuerst und zuletzt, im absolutesten Sinne des Wortes, um Moral. Ein Drama soll - das ist für Dürrenmatt die Möglichkeit und Pflicht des Theaters - den Zuschauer aufstören, soll in ihm Fragen provozieren, aber nicht Fragen an das Stück, sondern an ihn selbst, an seine eigene Moral. Dürrenmatts Geschichten bringen in einer unmoralischen (untragischen) Weit Menschen in Konfliktsituationen, die sie zu moralischen (tragischen) Entscheidungen zwingen. Das heißt für Dürrenmatt: Theater ist eine Sache sinnvoller Übertreibung, es wirkt nicht durch Nuancen, sondern durch möglichst starke Kontraste, Wendungen müssen nicht subtil vorbereitet werden, sondern möglichst direkt und frappant zustande kommen, die Konturen dürfen nicht durch psychologische Verästelung verwischt werden, vielmehr müssen die Personen schon durch Habitus und Redeweise drastisch typisiert sein, die Distanz zwischen den Gegenspielern soll möglichst extrem sein: der erste und der letzte, König und Bettler, Richter und Henker, Mörder und Opfer. Die Theatralik dieser Weit der Superlative ist enorm, so enorm, daß es manchmal unmöglich scheint, der Auseinandersetzung zwischen Treue und Verrat, zwischen Schuld und Sühne, die in ihr ausgetragen wird, ähnliche Dimensionen zu geben. Dürrenmatts Einfälle, seine Anfänge sind immer unanfechtbar zwingend, ihre dramaturgische Entwicklung aber kann die Gegenspieler in so extreme Positionen treiben, dass alle moralischen Kategorien gesprengt werden, sie nähern sich Punkten jenseits der Dialektik von Gerechtigkeit und Gnade, wo nur noch rhetorische Rückzuge möglich sind, weil dramaturgisch notwendiges und moralisch zwingendes Handeln nicht mehr übereinstimmen. So ist zu erklären, daß Dürrenmatts Geschichten oft in verschiedenen Fassungen verschiedene Schlüsse haben. Viel später erst als mit der Notwendigkeit, vom Einfall _______________________________________________________________ 35 auszugehen und ins Blaue hinein zu schreiben, hat Dürrenmatt sich mit der Schwierigkeit auseinandergesetzt, seine sich eigenmächtig entwickelnden Fabeln zu einem zwingenden Schluß zu führen, und postuliert: "Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat." 2 2Kaestler, Reinhard: Erlauterungen ̈ zu Friedrich Durrenmatt, ̈ Der Meteor, Hollfeld: Bange 1991, Seite 13 Brechts Theorie des epischen Theaters ist die Lehre vom Gebrauch einer beliebten und eingeführten Institution zu Zwecken politischer. Schon Anton Tschechow (1860-1904) wollte das Gegenteil von einer emotionalen Anteilnahme des Publikums an seinen Bühnenwerken erreichen: er wollte den Zuschauer zum unbeteiligten Beobachter machen; der Zuschauer sollte sich nicht einfühlen, nicht miterleben, sondern sich vom Geschehen distanzieren; die Meinungen und das Verhalten seiner Dramenfiguren sollten vom Zuschauer nicht akzeptiert, sondern kritisiert werden. Genau das will auch Bertolt Brecht; er verstand seine Stücke nicht als Erlebnisstücke, sondern als Belehrungsstücke, die den Zuschauer zur Selbstverständigung und zum Begreifen gesellschaftlicher Vorgänge führen sollen, indem sie ihm die politisch-sozialen Positionen vorführen, die der Veränderung bedürfen: „Der Zweck meiner Stücke ist", sagt Bertolt Brecht selbst, „politisch unrichtiges Verhalten zu zeigen und dadurch richtiges Verhalten zu lehren". Die Bühne also als moralische Anstalt, aber nicht, wie bei Schiller auf die Entwicklung einzelner Individuen ethischer Prinzipien und hoher Tugenden bezogen, sondern als „soziologisches Experiment", das revolutionsspezifische Forderungen verkündet und der sozialen Entwicklung der Massen dient. Die Mittel, mit denen Brecht den „Zweck seiner Stücke" durchsetzt, sind die des „epischen Theaters"; er war ja der Ansicht, dass neue Inhalte auch einer neuen Dramaturgie bedürfen. So verwendet er als Darstellungsmittel vorangestellte Inhaltsangaben, Rückblenden, Doppelszenen, Berichterstattungen, Bilderfolgen, technische Einblendungen, die sowohl ideologischen Demonstrationen wie der medienhaften Erweiterung der Handlungsrealität dienen sollen, Filmstreifen, Plakate und Transparente. Die Aufforderung des Theaterdirektors in Goethes _______________________________________________________________ 36 „Faust“-Vorspiel auf dem Theater hat Brecht getreulich befolgt: „Drum schonet mir... Prospekte nicht und nicht Maschinen!" Aber während Anton Tschechow trotz seiner Aufforderung zur Distanzierung vom Bühnengeschehen in seinen „Komödien", die eigentlich Tragikomödien sind, noch wirkliche Menschen, Menschen von Fleisch und Blut auf die Bühne stellt, wirken Brechts Bühnengestalten oft nur wie Theaterpuppen, die bestimmte ideologische Prozesse verdeutlichen sollen. Gert Ueding meint: „Brecht will das gesellschaftlich Richtige auf dramatische Weise herausfinden. Das bewirkt, dass selbst Figuren wie Mutter Courage, Shen Te oder Galileo Galilei wie Schaubilder wirken, deren Widersprüchlichkeit allein als kunstvoll-künstlich ins Werk gesetzte Veranstaltung zum dialektischen Zweck erscheint." Daher resultiert eine gewisse Starre der Brechtschen Bühnenwerke; Ihre Dramaturgie verkrustet in einer theoretischen Konstruktion, die immer wieder Aufführungen schwierig macht und den Regisseuren besondere, nicht leicht zu lösende Aufgaben stellt. Die Abkehr von Brecht setzte um 1960 ein; man verstand sein Werk wohl als „Ankampf" gegen den Kapitalismus, vermochte es aber für die Gestaltung der weiterentwickelten sozialen Gesellschaft nicht mehr unmittelbar zu rezipieren. Der bedeutendste Dramatiker nach Brecht, der Breslauer Peter Hacks, den Brecht selbst 1953 nach Berlin holte, vollzog seine „Brechtabwendung", weil er in Brechts Stücken zu sehr Tendenzstücke sah; er selbst wandte sich wieder der Darstellung des autonomen Individuums, großen Gegenständen und großen Themen zu, die dramatischer und — laut Hacks — klassischen Gestaltung bedürfen: „Das Weltbild des klassischen Stücks befindet sich im Einklang mit den Ansichten der Zuschauer. Es hat alle Klassen zum Publikum. Daher schöpft es aus den großen Nationalstoffen, aus den lebendigen Volkstraditionen. Es ist populär und doch ungeheuer. Es ist tief und poetisch, konkret und einfach. Es hat, kurz, alle Eigenschaften des Theaterstücks von morgen." Hacks führt auch wieder den Optimismus in den Problemkomplex seiner Werke ein, der bei Brecht fast völlig fehlte: _______________________________________________________________ 37 Das Leben machen wir zur Kunst und schließens Ins heitre Reich des Schaffens und Genießens. So klingt bei Hacks etwas von Schillers Grundsätzen an: „Alle Kunst ist der Freude gewidmet — Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst." Nichtsdestoweniger und allen Einschränkungen zum Trotz ist und bleibt Bertolt Brecht nach dem 1946 in seiner schlesischen Heimat verstorbenen Gerhart Hauptmann der bedeutendste und theatermächtigste deutsche Dramatiker der Jahrhundertmitte, ein Gestalter und Umgestalter der Bühne, dessen Wirkung Jahrzehnte deutscher Literatur, ja auch der Weltliteratur beeinflusst hat. Was an ihm parteipolitische Indoktrination war, wird vergehen; bleiben wird sein Appell zur Güte, Nachsicht, Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit, auch wenn er einsehen musste, dass diese Ziele nicht immer und überall zu verwirklichen sind. _______________________________________________________________ 38 5 Timing und Rhythmus Perfektes Timing und Rhytmus hat in der Komödie einerseits immer mit Beschränkung und andererseits mit dem richtigen Zeitpunkt zu tun. Ziel ist, dass Körper und Sprache in Verbindung mit Gleichheit und exakter Wiederholbarkeit auf der Bühne oder vor der Kamera fließen. TIMING. Fähigkeit "zu bewegen und sprechen präzise im rechten Moment für besondere Auswirkungen;. Stimulation der Aktion RHYTHMUS. 5.1 Schauspielerische Mittel der Komödie Um eine Rolle oder einen Charakter einem Publikum authentisch vermitteln zu können, bedarf es mehr als bloßes Talent. Mit psychologischem Einfühlungsvermögen, viel Disziplin, einem guten Körpergefühl und Beobachtungsgabe. Durch die „Identifikation“ fühlt sich der Schauspieler in die Rolle ein, verschmilzt mit den Eigenschaften der Rollenfigur und „vergisst“ dabei seine eigene Identität temporär. Durch die „Distanz“-Position geht er möglichst planmäßig und kalkuliert „mit klarem Kopf“ vor, um die für die Darstellung jeweils erforderlichen Ausdrucksformen willensgesteuert an sich hervorzurufen. In der Komödie ist es einer der wichtigsten Werkzeuge, sich in seiner Figur vollkommen Ernst zu nehmen, so lächerlich die Handlung auch sein mag. Das Timing und den Rhythmus zu nutzen und in Perfektion seine Gestiken und Abläufe durchzuführen. In der Komödie nutzen wir nicht das große Kostüm, da um so einfacher, braver oder spießiger es erscheint, die Wirkung der Handlung viel stärker und authentischer wirkt. 5.2 Dramaturgische Mittel der Komödie Zusammenfassend, was ein Dramaturg in einem ordentlichen Satz tut, ist eine Herausforderung. Einige Dramaturgen sagen, sie sind literarische und histori_______________________________________________________________ 39 sche Berater, die mit Regisseuren, Designern und Akteuren arbeiten, um eine künstlerische Vision zu verwirklichen. Andere antworten, dass sie Gelehrte sind, die ihre Forschungsergebnisse anwenden können, um die Welt von einem Spiel lebendig sind. Dann gibt es Dramaturgen, die mit Dramatikern zusammenarbeiten, um Form neue Skripte und Geschichten sowie als Anwalt helfen, für Dramatiker Absichten während der Probenarbeit. Dramaturg und Professor Geoffrey Proehl verwendet die Begriffe "historische, kritische, literarische und philosophische Bewußtsein", "Watchdog", "Publikum Surrogat", "bezeichnet Leser", "Wächter des Textes", "Wort Person" und "Diplomat oder Mediator "zur Dramaturgen beschreiben. Als Mark Bly, Senior Dramaturg am Arena Stage in Washington, DC, fr eine Beschreibung von dem, was er tut, wird gebeten, er in der Regel antwortet: "Ich frage mich." (Beide Definitionen und weitere sind in Dramaturgie im amerikanischen Theater gefunden: A Sourcebook, mit anderen Ressourcen in einem Kasten auf Seite xx aufgeführt). So vielfältig wie diese Antworten gibt, ist jede absolut genau. Der gemeinsame Anschluß ist, dass ein Dramaturg so viel wie sie kann über eine Play-Kontext-oder seine Welt-und den Text lernt. Als mein Mentor in Graduiertenschule klug erzählte mir: "Was für ein Dramaturg macht, hängt oft von der Situation, sie ist in, aber sie ist immer eine grundlegende Mitglied einer Produktions-Team." (On a side note, "Dramaturg" mit einer harten ausgesprochen " g, e "und es ist nicht mit einer Schreibweise" "am Ende." Dramaturgie ", ausgesprochen mit einem weichen" g "ist Französisch für" eines Schriftstellers oder Adapter spielt. ") Trotz der Vielzahl der Dramaturgin Pflichten, viele Aufgaben-insbesondere der Produktion Forschung sind relativ konsistent. Jedes Mal, wenn ich mich vorbereiten Materialien für eine Produktion, folge ich ein besonderes Verfahren, oder Forschungs-und Spielanalyse Führer, dass mein Mentor unten weitergegeben zu mir. Seitdem habe ich meine eigene Ergänzungen der Umriss gemacht, und ich bin sicher, einige Studenten, mit denen ich gearbeitet habe, haben ihre eigenen Anpassungen vorgenommen. Mit einer bestimmten Reihe von Schritten ist ein nützliches und flexibles Framework für Anfang Dramaturgen, insbesondere für Schülerinnen und Schüler, weil es um die Produktion Dramaturgie eine greifbare, definierbare Aktionen hilft. In diesem Artikel werde ich auf die _______________________________________________________________ 40 Produktion Dramaturgie oder Dramaturgie, die spezifisch für eine Produktion von einem Spiel, das bereits produziert und wird in der Regel veröffentlichten konzentrieren. Im neuen Spiel Dramaturgie, hilft ein Dramaturg Dramatiker entwickeln eine neue Arbeit, die oft folgt einem anderen Prozess. Obwohl ein Dramatiker das Leben nicht unbedingt informieren ihre Arbeit, ist es wichtig, relevante autobiographischen Informationen Form hat oder beeinflussen das Spiel kennen. integraler Bestandteil Verständnis sowohl Theaterstücke. Playwright Biographien, Autobiographien, Zeitschriften, Briefe, Dokumentationen und Interviews sind nützliche Quellen für ein solches Material und bieten oft Dramaturgen mit interessanten Leckerbissen und Anekdoten über ein Theaterstück Inspiration, Bildung und Produktion Geschichte. Da sie mit des Dramatikers Körper der Arbeit kann in handliches kommen auch. Manchmal ist ein Spiel kann inspiriert worden sein oder beeinflusst durch eine andere des Dramatikers Werken. Das Verständnis der Verbindungen, oder möglicherweise fehlende Anschlüsse, darunter ein Dramatikers schriftlich verrät viel über ihre Arbeit. Ein Dramaturg sollte drei grundlegende Dinge über einem Skript bestimmen: ihre Quellmaterial, was Anpassungen der ursprünglichen Spiel getan und so viel wie möglich über das Spiel der Einstellung und historische Periode. ein Theaterstück, Film, etc., von Licht und humorvollen Charakter mit einem glücklichen oder fröhlich Ende, ein dramatisches Werk in denen das zentrale Motiv ist der Triumph über nachteilige Umstand, was zu einer erfolgreichen oder glücklichen Ende. passend für die Komödie oder der Verwendung der Methoden der Komödie. eine komische oder witzige Vorfall oder eine Reihe von Vorfällen. _______________________________________________________________ 41 5.3 Gemeinsamkeiten der Komödie in Theater und Film Zwei verwandte Entertainment-Genres, die gemeinsame Themen: - Das Erzählen einer Geschichte. - Die Offenbarung des Charakters. - Das Ende mit erfreulichem Ende. Wir verwenden das Wort Theater Aktivität im täglichen Leben zu beschreiben. Die Schauspielerei ist ein Teil unseres täglichen Lebens: Wir beschreiben unser Verhalten in unseren beruflichen und persönlichen Bereichen, wie wenn wir Künstler wären auf der Bühne des Lebens. Theatralität ist überall in vielen der populären Kunstformen, die uns beschäftigen: Die Beziehung zwischen Theater, Film und Fernsehen ist sehr offensichtlich. Im Fernsehen sehen wir eine breite Palette von dramatischen Angebote: Tag Seifenopern; Nighttime Sitcoms, Krankenhaus und Polizei zeigt; Nachrichten Dokumentarfilme. Kino bietet dramatischen Stoff von vielen Arten. Theater informiert auch Rock and Roll in einer Vielzahl von Möglichkeiten, aktuelle Rockkonzerte sind sehr oft Theaterveranstaltungen, mit LivePerformer, Beleuchtung, Ton, Kostüme und Requisiten, die multimediale Bühnenshow Präsentationen. Im Herzen des Theater-Erlebnis ist die Darsteller - Publikum Beziehung: die unmittelbare, persönliche Austausch, deren Chemie und Magie auch Theater seine besondere Qualität. Theater hat einen doppelten Reiz: Aufregung oder Belustigung eines theatralischen Ereignisses. Theater einzigartige Fähigkeit, sich in dramatischen Material enthalten tiefe, provokante, zeitlose Beobachtungen über die conditio humana. _______________________________________________________________ 42 Die Struktur eines Spiels ist analog zu der von einem Gebäude. - Plot - Aktion - Konflikt - Opposing Forces - Gleichgewicht der Kräfte - Einheiten Theater - Film · Stammt im frühen 20. Jahrhundert. · Performance aufgezeichnet. · Intimität wird durch Kameraeinstellungen und Nahaufnahmen gewonnen. · Keine direkte Verbindung mit dem Publikum. · Jede Performance ist identisch. · Spectacle ist oft vorhanden. · Technische Effekte werden genutzt, was jedoch auf der Bühne passiert oder nicht passiert ist nicht wirklich kalkulierbar. Aristoteles erstellt das Modell für Tragödien und Komödien, Archetypen, die noch eingehalten werden heute. Beide verfügen über eine einfache Layouts, die in der Neuzeit wiederholt worden sind, in Kino, Theater und Literatur. Plot Eine Tragödie die Handlung besteht aus einer schweren Aktion, weckt Gefühle von Mitleid und Furcht. Eine Komödie Komplott konzentriert sich auf ein gewöhnliches Problem, dass normale Menschen begegnen. Comedies sind nicht unbedingt lustig, sie sind Geschichten von würdigen Menschen, die Erfolg haben. _______________________________________________________________ 43 Characters Eine Tragödie der zentralen Figuren sind Adligen. Die Hauptfigur ist der tragische Held. Eine Komödie die Hauptfigur ist die Comic-Helden, die durchschnittliche Moral hat. Comic-Helden sind in der Regel unedel. Einstellungen Tragödien treten häufig auf dem Schlachtfeld oder in der großen Halle des Palastes. Eine Komödie tritt in einem normalen Zimmer, wie ein Bad. Geschehen Tragödien Episoden, die provozieren Gefühle der Enttäuschung und Angst. Aufgrund der tragischen Helden Ego und tragischen Fehler, zusammen mit einem Fehler, wird er begegnen einem semi-unverdienten tragischen Fall. Der charismatische Comic-Helden wird gedeihen und seiner angeborenen Adel wird durch Versuche Charakter gezeigt. Publikum Seit den tragischen Helden Herbst ist nicht ganz verdient, wird das Publikum noch bewundern den Helden. Der Held wird von seinem Sturz lernen und zusammen mit dem Publikum, erleben Sie eine Katharsis. Während die Comic-Helden nicht haben hohe Moral, wird er genug Magnetismus, um das Publikum zu gewinnen. Immanuel Kant Es muß in allem, was ein lebhaftes erschütterndes Lachen erregen soll, etwas Wider- sinniges sein (woran also der Verstand an sich kein Wohlgefallen finden kann). Das Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung und erfreuet doch indirekt auf einen Augenblick sehr lebhaft. Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft und Schriften zur Naturphilosophie. Hrsg. v. Wilhelm Weischedel. Frankfurt 1957, § 53 (Anmerkung), S. 437. Herabsetzende Komik verlangt die überlegene Position des Betrachters, wie ihn Georg Wilhelm Friedrich Hegel charakterisiert. Zum Komischen dagegen gehört überhaupt die unendliche Wohlgemutheit und _______________________________________________________________ 44 Zuversicht, durchaus erhaben über seinen eigenen Widerspruch und nicht etwa bitter und unglücklich darin zu sein, die Seligkeit und Wohligkeit der Subjektivität, die, ihrer selbst gewiß, die Auflösung ihrer Zwecke und Realisationen ertragen kann. G. F. W. Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik III. In: Werke 15. Frankfurt 1986, 527f. Die Zuschauer, aber auch die Figuren müssen sich selbst komisch werden, damit Verlachen zum Humor transformiert werden kann. Durch herabsetzende Komik, die bis zur Satire geht, erhält die Komödie – wie übrigens auch die Karikatur – historische Gesellschaftsordnungen und der soziale Funktion, Lächerlichkeit indem sie überantwortet veraltete und damit verabschieden hilft. Eine solche geschichtsphilosophische Bestimmung äußert Karl Marx in seiner Abhandlung, die er Ende 1843 bis Januar 1844 schrieb und die 1844 in den Deutsch-Franzosischen ̈ Jahrbuchern ̈ in Paris erschien: Das moderne ancien regime ́ ist nur mehr der Komödiant einer Weltordnung, deren wirkliche Helden gestorben sind. Die Geschichte ist grundlich ̈ und macht viele Phasen durch, wenn sie eine alte Gestalt zu Grabe tragt. ̈ Die letzte Phase einer weltgeschicht- lichen Gestalt ist ihre Komödie. [...] Warum dieser Gang der Geschichte? Damit die Menschheit heiter von ihrer Vergangenheit scheide. Diese heitere geschichtliche Bestimmung vindizieren wir den politischen Mächten Deutschlands. Karl Marx, Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. In: Werke. Hrsg. v. Institut für Marxismus-Leninismus. Bd. 1. Berlin 1964, 382. Bei der heraufsetzenden oder grotesken Komik geht der Abstand zwischen Rezi- pienten und Held im lachenden Einvernehmen unter; sie umfaßt das Lustprinzip, die Befrei- ung des Sinnlichen, den Triumph über die normative Welt. Sie hat elementar unbewußten Charakter und hebt die Grenzen auf, manifestiert sich am Körper und seiner Entfesselung von der Sitte (Greiner 98). Der hierarchischen und normierenden Kultur der Herrschenden steht dem russischen Litera- turtheoretiker Michail Bachtin zufolge eine Kultur des _______________________________________________________________ 45 Lachens und der Polyphonie / Mehr- stimmigkeit entgegen. Sie manifestiert sich in einer Kultur des Karnevals, in dem der exzent- rische, groteske Körper zu seinem Recht kommt. Alle Formen von Mesalliance (Vermischen des Nicht-Passenden, Aufhebung von Grenzen zwischen Mensch und Tier und den Ge- schlechtern), der Profanation (Heiliges wird erniedrigt, Häßliches erhöht) und der Verdoppe- lung kommen vor. Damit wird der Tod depotenziert. Der Karneval ist ein transliterarisches Ereignis, so daß sich die Frage erneut stellt, wie diese groteske Komik sich mit der Praxis des Schreibens, der literarischen Form verbindet. Bachtin weist hier als Äquivalent auf die offene, dialogische, ambivalente Schreibweise hin, in der die Metamorphose vorherrscht, das Wort keinen eindeutigen Sinn behaupten kann. (3) Wie lässt sich Lachen in Literatur uberfuhren ̈ ̈ und auf dem Theater umsetzen? Nach Joachim Ritter stoßen im Komischen zwei Bereiche aufeinander, das Gültige und das ausgeschlossene Andere; damit hat es eine Struktur wie eine Metapher. Die ausschließende Ordnung muß das ausgeschlossene Chaotische formulieren und bringt es damit zu Gehör. Was Ritter ausgesprochen hat, findet sich bei Sigmund Freud triebdynamisch konkretisiert: Etwas Ausgegrenztes (Triebwünsche des Es) bringt sich in Erinnerung angesichts der Ord- nung des Über-Ich. „Der Witz setzt also die Verdrängungsarbeit unserer Kultur partiell außer Kraft, aber – das ist gegenüber Bachtins Ansatz zu betonen – so, daß in den Ordnungen der Kultur selbst das Verdrängte Gegenwart erhält“ (Greiner, Komödie, 119). Der psychische Aufwand zur Bewahrung dieser Kulturschranken wird im Witz ‚erspart‘, diese Übertretung kann aber innerhalb der Kultur stattfinden, sie braucht nicht den karnevalistischen Ausbruch wie Bachtin glaubt. Karlheinz Stierle stellt die Dialogizität und Ambiguität des Komischen in den Vordergrund. Der Protagonist verfügt nicht über die Situation oder die Objekte (Tücke des Objekts) oder nicht über sich (etwa in der Verkleidung oder weil ein Körperteil ihn dominiert). Das Subjekt einer Handlung wird zu deren Objekt; Komik realisiert sich erst in der Rezeption eines beobachtenden Dritten, der dann sich selbst überführt sieht. Stierle zeigt dies an _______________________________________________________________ 46 Sternheims Komödie Burger ̈ Schippel (Schippel kann sich nicht als Bürger präsentieren, weil seine Ver- haltensweisen ihn als Proletarier überführen bzw. bloßstellen; andererseits überführt die Bühnenfigur Schippel die Bürger im Publikum). _______________________________________________________________ 47 5.4 Der Kern des Dramatischen: Szenisches Spiel Das Drama wird beinahe immer auf den Dramentext reduziert, um daran seine Regelhaftigkeit und die Positionierung innerhalb der Gattung zu erweisen (Tragödie / Komödie; offene / geschlossene Form), wie das der historischen Entwicklung seit dem 18. Jahrhundert ent- spricht. Seitdem versucht die Aufführungspraxis (auch wenn diese immer nur epochenbezogen beschrieben werden kann), eine enge Relation zwischen dem dramatischen Text und der Inszenierung mit ihren plurimedialen Codes durchzusetzen. Die Poetiken zielen darauf, das Drama als Text zu charakterisieren. Insgesamt ist die Entwicklung und damit auch die literarhistorische Beschreibung / Konstitution der Gattung geprägt von einer Bewegung vom Körper / Spiel zur Stimme / Dramentext „Hier liegt der Ansatzpunkt für Literaturwissenschaft, die ihre Aufgabe nicht darin sehen soll- te, das Nebeneinander von Kopf, Bühne und Papier von einer Seite her aufzulösen oder zu beherrschen, sondern mit ihrer speziellen Lektürenkompetenz an diesem Wechselspiel teil- zunehmen.“ (81) Struck, Wolfgang: Exkurs: Drama und Theater. In: Einführung in die Literaturwissen- schaft. Hrsg. v. Miltos Pechlivanos, Stefan Rieger, Wolfgang Struck, Michael Weitz. Stuttgart, Weimar 1995, 78-81. Ein großer Bereich des Ereignisses ‚Drama‘, hier verstanden als „virtueller Text, der das Stück und die Menge aller tatsächlichen und möglichen Aufführungen umfaßt“ (Hamacher, 132), ist der literaturwissenschaftlichen Interpretation zugänglich zu machen. Kommunikationsstruktur – Raumstruktur – Charakterisierung der Figuren – Rede – Zeitstruktur – Handlung . Das interpretatorische Instrumentarium, das hier vorgestellt wird und in den Einzelinterpreta- tionen wiederkehren wird, stützt sich auf: _______________________________________________________________ 48 5.5 Abgrenzung Tragodie ̈ – Komodie ̈ Nach sechs Kriterien unterschied Aristoteles Tragödie und Komödie: sozialer Stand – Rede- stil - Stoff – Ausgang – moralische Qualität – Historizität Sozialer Stand Da die Fallhöhe als dramatisches Prinzip nicht erforderlich ist, müssen auch keine hohen Personen auftreten. Privatpersonen, Personen bürgerlicher Herkunft. Redestil Da alltägliche Gegenstände von gewöhnlichen Figuren verhandelt werden, ist der Vers entbehrlich und Prosa möglich (bei Shakespeare und im Musiktheater auch Mischformen aus Prosa und Versen). Kommunikation kann stattfinden (a) zwischen dem Autor und dem Publikum, (b) zwischen den aus ihren Rollen heraustretenden Darstellern und dem Publikum, dann (c) zwischen den Figuren in ihrer Rolle und dem Publikum und schließlich (d) allein zwischen den Figuren (vgl. Asmuth, Dramenanalyse, 58-61). Die Formen (a) bis (c) verlangen, daß die Wahrscheinlichkeit suspendiert wird, indem das Spielgeschehen unterbrochen wird und das Publikum durch diese Intervention auf Distanz zur Handlung geht. Dies geschieht meist durch eine Figur wie den Spielleiter oder den Autor (z.B. im Gestiefelten Kater) oder auch durch das Beiseite-Sprechen, das eine Figur an das Publikum richtet (z.B. in Goethes Die Mitschuldigen). Stoff Greiner (Komödie, 25-31) interpretiert es als Wesensmerkmal der Komödie, daß sie einen Akzent auf das Orgiastische, Karnevalistische setzt, durch das Unterschiede (z.B. zwischen Geschlechtern) aufgehoben würden (Michail Bachtin). Dieses orgiastische Element ist mit der literarischen Gesetzlichkeit des Dramas (verlangt die Ordnung einer bestimmbaren Hand- lung, orientiert am Mimesisgebot, konsistente Figuren, geformte Rede) unsicher verbunden, die dramatische Zeichenordnung wird vom theatralischen Ereignis unterminiert, daher macht sie etwa so häufig das Spiel im Spiel zum Thema. _______________________________________________________________ 49 Die Intrige ist, wie das Spiel im Spiel, ambivalent, weil sie auch ein Element der Tragödie sein kann; sie gewinnt ihre positive oder negative Qualität erst durch das Ziel, das ihre Pro- tagonisten verfolgen (vgl. Asmuth, Dramenanalyse, 123-129). Ausgang Nach Aristoteles muß die Tragödie eine einheitliche Handlung aufweisen, einem zwingenden Ende zustreben. Die Komödie hingegen kann Handlungsteile ohne Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit, d.h. episodisch, darbieten. Die lächerliche Fehlhandlung = hamartema verursacht kein Verderben, ist konsequenzlos. Dieses Prinzip der Reihung kann nur schwer zur Tragödie in Analogie gebracht werden: Umschwung vom Unglück zum Glück, aber komische Handlungen bleiben punktuell. Auch von Figuren kann eine Gegentendenz zum spielerischen Unernst ausgehen, z.B. wenn sich ein Konflikt unmittelbar vor der glücklichen Lösung zu- spitzt, der Gegenspieler erst vertrieben werden muß (Mitleidsaffekte). Handlung spielt mit der Katastrophe, die in einen theatralischen und damit spielerischen Pro- zeß eingebettet ist, der die Umkehrbarkeit der Entwicklung zeigt. Mittel der Umkehrung ‚ver- festigter Realität‘: Schwank, Burleske, Groteske, Karikatur, Satire, Witz. Moralische Qualitaẗ Die Tragödie muß vorbildliche Protagonisten zeigen, die Komödie darf Laster vorführen und lächerliche Personen vorstellen. Historizitaẗ Es dürfen keine historisch belegten Personen auftreten, wie sie in der Tragödie die Glaubwürdigkeit erhöhen, sondern anonyme Personen. Begriffe zur Beschreibung der Handlungsstruktur wie der Wirkungsintention sind häufig aus der Tragödientheorie gespiegelt und zu dieser komplementär gedacht: Freund, Winfried: Einleitung. „Eine Komödie? Was ist das für ein Ding?„ In: Deutsche Komödien, 7-15; ebenso Warning, Rainer: Komik/Komödie, 910-916. _______________________________________________________________ 50 5.6 Begriffliches Feld Konkurrierende Benennungen ergaben sich v.a. aus dem Bedürfnis, neue Formen abzugrenzen und vorhandene einzuordnen (Hein, Überblick, hier 296ff). Commedia dell‘ arte ̈ / Stegreifkomödie, entstand in Italien im 16. Jh. Besonders Komodie ausführlich dazu Grei- ner, Komödie, 69-81, ebenso: Lustspiel: bei Opitz und Fischer- Lichte, Erika: Kurze Geschichte des deut- schen (1624) Theaters. 2. unveränd. Aufl. Tü- bingen, Basel 1999, Harsdörffer (1648) 60-80. Lustspiel: Gottsched (1730), setzt sich daher im 18. Jh. für die komische Produktion durch, z.B. Pro comoedia commo- vente (Leipzig 1751) / Fur̈ das ruhrende ̈ Lustspiel (1754), in: G. E. Lessing, Theatralische Bibliothek. Abhandlungen von dem weinerlichen oder rührenden Lustspiele. In: Werke IV: Dramaturgische Schriften. Hrsg. Herbert G. Göpfert. München 1973, hier 37-53. Nimmt lehrhafte und moralisierende Tendenzen auf, grenzt sich gegen ‚niedere‘ Komik ab, repräsentiert in seinem Plot die Bedeutung des neuen Bürgertums Entwicklung zum ernsthaften Lust- spiel, das ohne sati- risches Gelächter oder rein komische Effekte auskommt Comedie ́ larmoyante / burgerliches ̈ Ruhrstuck ̈ ̈ , vertreten durch Gellert. Wird genrebildend (noch im ganzen 19. Jh.) für die sog. Familiengemälde, ohne oder mit geringem gesellschaftskriti- schen Potential, z.B. August Wilhelm Iffland, Die Jager ̈ (1785) August von Kotzebue, Menschenhaß und Reue (1788, UA Berlin 3.6.1789), Die deut- schen Kleinstadter ̈ (1803). Trauerspiel und Lust- spiel nähern sich einander an, vgl. G. E. Lessing, Gotthold Ephraim Lessing, Theatralische Bibliothek. Abhandlungen von dem weinerlichen oder rühren- den Lustspiele. In: Werke IV: Dramaturgische Schriften. Hrsg. Herbert G. Göp- fert. München 1973, hier 12-14. J.M.R. Lenz: soziales Moment, Komodie ̈ kann heterogene Elemente aufnehmen: „Komödie ist Gemälde der menschli- chen Gesellschaft, und wenn die ernsthaft wird, kann das Gemälde nicht lachend werden. [...] Daher müssen unsere deutschen Komödienschreiber komisch und tragisch zugleich schreiben, weil das Volk, für das sie schreiben, oder doch wenigstens schreiben sollten, _______________________________________________________________ 51 ein solcher Mischmasch von Kultur und Rohigkeit, Sittigkeit und Wildheit ist.“ J.M.R. Lenz, Rezension des Neuen Menoza. In: Werke. Hrsg. v. Friedrich Voit. Stuttgart 1992, hier 420. F. Schiller Komödie sei episch- distanzierend: „ruhig, klar, frei, heiter, wir fühlen uns weder tätig noch leidend, wir schauen an, und alles bleibt außer uns.„ Romantik: Komodie ̈ soll von sozialer Funktionfrei sein, stellt die Ordnung in Frage und legitimiert den Störenfried. A.W. Schlegel Lustspiel: moderne, existierende Form; häusliche private Sphäre, „local und national„ bestimmt, soll das Prosaische aber hinter sich lassen. Komödie: ‚höhere Form des komischen Dramas, ungebundenes Spiel im gesamten Kosmos. Schwank, Burleske, Groteske Lesedrama Um einen Uberblick ̈ zu gewinnen , wie sich die besprochenen Komödien in die historische Herausbildung der Gattung einfügen, welche Traditionen in der Entwicklung von der Antike zum Barock maßgeblich sind und hier eher knapp gestreift werden (wie die Commedia dell’arte), welche Autoren aus dem nicht-deutschen Sprachraum dank ihrer Rezeption bedeutsam sind (v. a. Shakespeare, Moliere) und welche Formen auch zu behandel waren (v.a. Wiener Volkstheater / Posse und damit Johann Nestroy sowie die Verbindungen hin zum Musiktheater, z.B. das Singspiel und damit etwa Emanuel Schikaneder), eignen sich etwa Freund, Winfried: Deutsche Komödien. Vom Barock bis zur Gegenwart. 2. Aufl. München 1995 (UTB 1583). Greiner, Bernhard: Die Komödie. Eine theatralische Sendung: Grundlagen und Interpretatio- nen. Tübingen 1992 (UTB 1665). Hein, Jürgen: Die deutsche Komödie im Überblick. In: Freund, Deutsche Komödien, 295-307. _______________________________________________________________ 52 Holl, Karl: Geschichte des deutschen Lustspiels. Leipzig 1923, unveränd. Nachdr. Darmstadt 1964. Die Monographie ist eine Fundgrube für heute kaum mehr bekannte oder gespielte Autoren und daher lesenswert. Beim Lesen wird unvermeidlich offenbar, dass die Wertungen der Autoren ganz im Sinne der Geistesgeschichte ausfallen. Um sich einen Eindruck von den Vor- und Nachteilen zu verschaffen, ist z.B. das kurze Kapitel über die Klassik gut geeignet. _______________________________________________________________ 53 6 Schlusswort Ich kann wohl sagen, dass ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge an meine Diplomarbeit hinangetreten bin. Eine „Theorie“ und dann auch noch über die Komödie, stellte mich persönlich vor eine sehr große Herausforderung gerade weil es interdisziplinär und dann auch noch von Literaturwissenschaftlern, Philosophen und Kritikern in Frage gestellt wurde und wird ob es überhaupt eine Berechtigung hätte eine „Theorie der Komödie“ aufstellen zu können. Ich gestehe, schon nach kürzsester Zeit und meinen ersten Recherchen ergab sich für mich das Bild...es ist unmöglich dieses gigantische Diskursfeld und ihre Facetten in 30 Seiten zu verpacken plus dem Ziel, es ergäbe auch noch wirklich einen Sinn, denn ich bin Schauspielerin und ja mein Herz schlägt auch für die Literatur auch für die aus Zeiten bevor ich meinen ersten Atemzug auf dieser Erde nahm, aber ich bin nun mal keine Literatur- Theaterwissenschaftlerin obwohl auch eine kleine Philosphin in mir schlummert...um nicht vom Thema der Theorie der Komödie abzukommen, versuche ich nun mich kurz zu fassen, denn wie sagt man doch so schön „in der kürze liegt die Würze“ und genau das ist für mich Komödie, Komik, Freude, Lachen oder wie auch immer jeder einzelne es für sich bezeichnen mag, denn die Momente der Freude, des Lachens, der Genuss fühlt sich für die meisten zu kurz an im Gegensatz Trauer,Schmerz oder negatives uns länger fesselt. Mein Fazit ist und dazu muss ich einfach eine klitze kleine Geschichte erläutern: Durch das erste Lachen eines Neugeborenen Babys wird eine kleine Fee geboren. Ich habe mich für das lachende Auge entschieden und bin sehr dankbar darüber, dass vor meiner Zeit es Menschen gab, die den Humor auf die Bühne und auf unsere Leinwände brachten und bringen. Danke für die Herausforderung und ich hoffe einen kleinen Einblick aus meiner Sichtweise und mit Hilfe von Büchern und Google auf „die Theorie der Komödie“ vermittelt zu haben. _______________________________________________________________ 54 7 Quellenverzeichnis Quellen: Klein, J.L.: Geschichte des Dramas. Die griechische Komödie und das Drama der Römer. Leipzig 1865 Körte, Alfred: Die griechische Komödie. Leipzig und Berlin 1914 Paulsen, Thomas: Geschichte der griechischen Literatur. Stuttgart 200 Ausführlich dazu Greiner, Komödie, 95-125; besonders bezieht er sich auf die Texte der folgenden Autoren: Bachtin, Michail: Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur. München 1969. Bergson, Henri: Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen. Zürich 1972 (Zuerst: Le Rire, erschienen 1900). Freud, Sigmund: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten (1905). In: Psychologische Schriften. Hrsg. v. Alexander Mitscherlich, Angela Richards, James Strachey. 4. Aufl. Frankfurt 1970 (Studienausgabe 4). Das Komische. Hrsg. v. Wolfgang Preisendanz und Rainer Warning. München 1976 (Poetik und Hermeneutik 7). Plessner, Helmuth: Lachen und Weinen. Eine Untersuchung der Grenzen menschlichen Verhaltens (1941). In: Gesammelte Schriften. Hrsg. v. Günter Dux, Odo Marquard und Elisabeth Stöcker. Bd. 7: Ausdruck und menschliche Natur. Frankfurt 1982, 201-387. Ritter, Joachim: Über das Lachen. In: Subjektivität. Frankfurt/M. 1974, 62-92. Stierle, Karlheinz: Komik der Handlung, Komik der Sprachhandlung, Komik der Komödie. In: Das Komische. Asmuth, Bernhard: Einführung in die Dramenanalyse. Stuttgart, Weimar 5. Aufl. 1997 (SM 188). Hamacher, Bernd: Aspekte der Dramenanalyse. In: Arbeitsbuch: Literaturwissenschaft. Hrsg. v. Thomas Eicher und Volker Wiemann. 2., durchges. Aufl. Paderborn, München u.a. 1997, hier 129-166. Profitlich, Ulrich / Stucke, Frank: Artikel ‚Komödie’. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hrsg. v. Harald Fricke mit Georg Braungart, Klaus Grubmüller, Jan-Dirk Müller, Friedrich Vollhardt, Klaus Weimar. Bd. 2. Berlin, New York 2000, 309-313. Schweikle, Irmgard: Komödie. In: Metzler Literatur Lexikon. Begriffe und Definitionen. Hrsg. v. Günther und Irmgard Schweikle. 2. überarb. Aufl. Stuttgart 1990, 245-248. Warning, Rainer: Komik/Komödie. In: Fischer Lexikon Literatur. Bd. 2: G-M. Hrsg. v. Ulfert Ricklefs. Frankfurt 1996, 897-936. Comedy von Michael Maak, Henschel Schauspiel Harenberg Kulturführer, Meyers Lexikonverlag Europas Theater von Manfred Brauneck, rowohlts ezyklopädie 50 Klassiker Theater von der Antike bis heute, Norbert Abels _______________________________________________________________ 55 Deutsche Literaturgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart 7.Auflage von J.B. Metzler Der Brock Haus Literatur, Schriftsteller, Werke, Epochen, Sachbegriffe _______________________________________________________________ 56
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