Konstantin Simonow SOWJETISCHE SCHRIFTSTELLER 162 Das schriftstellerische Schicksal Konstantin Simonows machte in den ersten Monaten des Großen Vaterländischen Krieges eine jähe Wendungv Bislang war ein begabter Dichter und angehender Dramatiker, lediglich. einem engen Kreis von Literaturfreunden bekannt. Die ersten Gedichte des 20jährigen Simonows wurden 1934 veröffentlicht. Seirr-ecstes Buch erschien 1939, und eines der Moskauer Theater hat zwei seiner Bühnenwerke - "Geschicht,e einer Liebe" und "Der Bursche aus unserer Stadt" - inszeniert. In den Jahren des Krieges wurde Simonow wahrhaft volksbekannt und volkstümlich. Sein Name gehörte zu den pro minentesten unter den Literaturschaffenden. Man kann genau das Da" tum nennen, an dem sein Ruhm begann - ein ziemlich seltener Fall in der Literatur. Dies geschah am 14. Januar 1942, als die "Prawda" das Gedicht "Warte auf mich!" druckte. Danach wurden diese Zeilen Dutzende, ja Hunderte Male in Front- und Armeezeitungen, Flugblättern und Gedichtbänden neu veröffentlicht, Die Soldaten schrieben es voneinander ab, wobei sie diese Blättchen zusammen mit ihren teuersten Reliquien liebevoll aufbewahrten. Simonows Beliebtheit war keinesfalls eine Laune des literarischen Schicksals. Sie war die logische Polge osednea bisherigen Lebenslaufs und durch seine Tätigkeit in den Kriegsjahren erworben. Seit den ersten Kriegsstunden war Simonow an der Front. In vielen seiner Werke beschreibt er Frontepiseden. Kampfhandlungen, deren unmittelbarer Teilnehmer oder Augenzeuge der Schriftsteller gewesen war. Simonow war in den Truppenteilen, die Anfang Juli 1941 aus dem blutigen Wirrwarr der Einkesselung in Belorußland durchzubrechen suchten. Er nahm an einem der Handgemenge von Infanteriesoldaten teil, die die Krim verteidigten, 163 K. SIMONOW Hinter dem Polarkreis schlug er sich zu den Aufklärern in Feindeshinterland durch. Er lag in den Schützengräben zusammen mit den Verteidigern Stalingrads, die ihr Leben im Kampfe nicht scheuten, Keineswegs zufällig sind vier Bücher seiner Erzählungen und Novellen, abgefaßt in den Kriegsjahren. betitelt: "Vom Schwarzen bis zum Weißen Meer". Wahrhaftig - es gab keinen einzigen Frontabschnitt, an dem Simonow nicht gekämpft hätte, Sein fünftes Buch - das "Jugoslawische Heft" - ist ein Ergebnis seines Aufenthalts bei den Partisanen Südserbiens im Herbst 1944. All dies erklärt die absolute Olaubwürdigkeit der von Simonow beschriebenen Ereignisse der Kriegsjahre. Über vieles hat Simonow in den Kriegszeiten geschrieben. Über den starken, unbeugsamen russischen Charakter, der sich während der harten Zeit der Kriegsprüfungen offenbarte (das Bühnenwerk "Russische Menschen"), über die Heldentaten der Verteidiger Stalingrads (die Erzählung "Tage und Nächte"), über die Liebe, der nicht einmal die Verzweiflung was anhaben konnte (der Zyklus lyrischer Gedichte "Mit dir und ohne dich", und das Bühnenwerk "Warte auf mich"). Die Vielseitigkeit der Genres ist ein charakteristisches Zug des Schaffens von Simonow. Er ist Prosaiker und Dichter, Novellist und Dramatiker. Simonow arbeitete in jenen Jahren mit unbezähmbarer Hartnäckigkeit, ohne sich Rast noch Ruhe zu gönnen. "Er konnte während des Marsches, im Wagen, in Schützengräben, zwischen zwei Schlachten, in einem zufälligen Nachtlager, unter einem abgebrannten Baum alles Gesehene in seinen Notizblock zu Papier bringen", erinnert sich Nikolai Tiohonow. Jedoch diese hastig hin- SOWJETISCHE SCHRIFTSTELLER 164 geschriebenen, buchstäblich in der Hitze d0S Gefechts entstandenen Zeilen erwiesen sich lebensfähig ,und werden auch nunmehr gerne gelesen. Allmählich traten bei dem Schriftsteller immer schärfer die Umrisse seines Epos über den Großen Vaterländischen Krieg zutage. Im Nachwort zu seinem Sammelband der 1946 erschienenen "Kiegserzählungen" verspricht Simonow bereits, indem er sich an Menschen und Ereignisse erinnert, die ihm als Vorbilder dienten, zqPl Thema des Krieges zurückzukehren: "Als ich diese Erzählungen, die nunmehr zusammengefaßt sind, durchblätterte, hatte ich die Empfindung, als ob hier nicht alles bis zu Ende gesagt worden ist, die Empfindung, als ob ich noch nicht alles gesagt habe über die Menschen, die ich Iiebteumd nie vergessen werde," So eine Rückkehr zur Vergangenheit, sein Hauptwerk über den Krieg, wurde Sirrionews Romanzyklus "Waff.engefährten", "Die Lebenden und die Toten", ..Man wird nicht als Soldat geboren" und "Der letzte Sommer". Die Handlung des ersten dieser Romane - .Waffengefährten" - spielt in den jahren 1938-1939 in Moskau und' in dem vom Bürgerkrieg erschütterten Spanien, in den von der Sonne versengten Steppen der Mongolei, wo Schlachten gegen die japaner ausgefochten wurden und im Lager' für die von den französischen Behörden internierten Kämpfer der Internationalen Brigade. Der als Vorgeschichte des Krieges gegen Hitlerdeutschland gedachte Roman endet mit dem bedeutungsvollen Satz, den Simonow einem seiner Helden in den Mund legt: "Ein Gewitter ist im Anzug". Im Itornan "Die Lebenden und die Toten" wird über den 165 K. SIMONOW bleiernen Hagel des Krieges beoichtet, über die Schlachten seiner ersten Monate, die so hart und schrecklich waren. Im Mittelpunkt dieses Buches steht das Schicksal des Korrespondenten Sinzow, der den schweren Rückzug von den Westgrenzen bis nach Moskau mitgemacht hat, aus der Gefangenschaft geflohen, aus dem Kessel durchbrechen ist, und der letzten Endes an den Schlachten vor Moskau teilgenommen hatte, wo die Nazifaschisten ihre erste große Niederlage eins recken mußten und gezwungen waren, sich zurückzuziehen, Vor dem Hintergrund des Schicksals des Haupthelden und derjenigen Menschen, mit den ihn der harte Krieg zusammengebracht hatte, ersteht das Bild des Kampfes des ganzen Volkes gegen die faschistische Invasion, das Bild des großen Leides, und des massenhaften Heldentums. Im Roman "Die L-ebenden und die Toren" gibt es Zeilen, die einen tiefen Einblick in die von den Menschen in den schweren Monaten des Rückzuges erlebte Not gewähren: "Allmählich kamen bei den Menschen andere Gefühle hoch - das Empfinden einer Sprungfeder, die mit schrecklicher Kraft bis ans Ende zusammengedrückt wird, die jedoch - wie stark sie auch zusamrnengepreßt worden war - sowieso in sich die Fähigkeit bewahrt, sich wieder zu strecken, Eben dieses GefühC physisch und seelisch, diese innere Fähigkeit, sich zu strecken und einen Gegenschlag zu versetzen, empfanden die Menschen, die langsam und grausam in diesen Tagen von den Deutschen von Frontlinie ZiU Frontlinie immer näher zu Moskau zurückgedrängt worden waren. Eben das sind die psychologischen Beweggründe dafür, was sich bei Moskau Im Winter des Jahres 1941 zugetragen hatte und was man nachher in aller Welt als Wunder bezeichnete. SOWJETISCHE SCHRIFTSTELLER 166 Der Roman "Man wird nicht als -Soldat geboren" ist der Schlacht bei .Stalingrad vgewidmet. Er beeindruckt nicht nur durch die Darstellurig von Menschenschicksalen. die verschieden sind und einen unterschiedlichen Anteil an den großen Geschehnissen des jahrhunderts haben, sondern auch durch die Beschreibung dieser Ereignisse selbst. Der Roman trägt Züge einer historischen Chronik. "Ich betrachte mein Buch als historischen Roman", sagte Simonow. "Und wenn die handelnden Personen nicht ausgedacht wären, würde ich es eine dokumentare Erzählung genannt haben." Von diesem künstlerischen Prinzip läßt er sich auch in dem die Trilogie abschließenden Roman "Der letzte Sommer" leiten. Hier trifft der Leser die ihm aus Belorußland bereits aus dem jahre 1944 bekannten Gestalten, ·als der Feldzug unter dem Decknamen "BagratiiÖ.n" vorbereitet und durchgeführt wurde, der den weiteren Verlauf des Kdeges vorbestimmt hat. jetzt, wo das Ende des Krieges sich .schon abzeichnet, denk-en die Romanhelden immer häufiger daran, 'wie das Leben nach dem Kriege aussehen wird. Der Friede, in dessen Namen sie gefochten hatten und gefallen waren, stand bereits vor der Tür. Für den Schriftsteller ist all es höchst wichtig, was mit der. Bewegung der Geschichte. mit dem ganzen Verlauf des Krieges zusammenhängt. Und deshalb wird öfter als in seinen vorangehenden Romanen all dies zum Gegenstand einer bildhaften Darsrellung. Di-e wahrheitsgetreue Schilderung und 'Gründlichkeit bei der Auswertung historischer Quellen ist im neuen Roman von K. Sirnonow von so hoher Qualität, daß der Roman "Der letzte Sommer" mit soliden milltärhistorischen Abhandlungen wetteifern kann. 167 K. SIMONOW So verwandelte sich das Buch, das vor fast zwanzig jahren aus K. Simonows Feder geflossen war, aus einem Buch über seine Zeitgenossen in ein Buch über die Geschichte, das uns eine klare, Antwort darauf gibt, warum der für das Sowjetvolk an einem junimorgen des jahres 1941 so tragisch begonnene Krieg nach vier jahren in Berlin mit einer völligen Niederlage Hitlerdeutschlands endete. Der Roman-Zyklus Konstantin Simonows über den Krieg ist abgeschlossen. Ob jedoch sein Hauptwerk über den Krieg bereits beendet ist, bleibt noch dahingestellt. Unlängst erschien Simonows neue Erzählung "Der Fall des .Obersten Polynin", dessen Handlungszeit auch in die Kriegsjahre fällt. Ist es nicht für einen Schriftsteller wunderbar, über den viele jahre hindurch die Kritiker sagen, das sein feines Zeitgefühl einer der ausschlaggebenden Züge seines Talents ist? Nein! Das ist keineswegs ein Wunder. Die historische Wahrheit, die Lehren der Geschichte sind zu einem brennenden und aktuellen Problem der Gegenwart geworden. So war es nicht immer. Für unsere Tage ist das typisch: Allzu viele Menschenleben hat der zweite Weltkrieg weggerafft, all zu groß ist auch jetzt die reale Gefahr eines Kernwaffenkrieges und die Tatsache, daß der Schriftsteller immer wieder zu denen schrecklichen Tagen der Schlachten gegen den Faschismus zurückkehrt, das ist nicht nur ein Tribut für .das Andenken derer, die ihr Leben dem Kampfe für Freiheit und Glück der Menscheit hingaben, sendem auch Ausdruck der Besorgnis für die Zukunft des Friedens und der leidenschaftliche Wunsch, alles zu tun, damit das Gewesene sich niemals wiederholt. KONSTANTIN SIMONOW SOWJETUNION .cK.anstrmtiJJJ. Simonow, der vierfache Stalinpreisträger, ist weit über die Grenzen der Sowjetunion bekannt. Er ist einer der beliebtesten unter der jungen Ceneration der Sowjetschriftsteller. Aud; bei uns konnten wir sein Schauspiel "Der fremde Schatten" sehen. Im Vorwort eines Cediehtbandes von KonstantinSimonow heißt es: Man kennt ihn als begabten Dichter, Dramaturgen, Prosaschriftsteller, Publizisten, als bedeutenden Arbeiter im gesellschaftliehen Leben. Er schrieb eine Reihe von Büchern, die zum selbstlosen Dienst an Heimat und Volk aufrufen. Die Verse Konstantin Simonows vom wahren Mut und Heldentum der Menschen, die von den großen Ideen der Freiheit beseelt sind, sprechen von dem starken Gefühl der Liebe zur Heimat, das die Helden der Vergangenheit zu unsterblichen Taten geführt. hat und die Zeitgenossen des Dichters - die sowjetischen Menschen - zu den Höhen des Kommunismus führt. Tapfer und freudig leben, unaufhörlieh vorwärtsschreiten. bei dem Erreichten nicht stehenbleiben - das ist der Inhalt dieser Verse. 'Ubersetzung des Briefes: Teure Kinder! Euch, daß Ihr gut lernt und arbeitet. Im wünsme 248 Eudi Erfolge -.Im uninsche Konstantin Simonow 1915 wurde Konstantin Simonow in Leningrad geboren. Er besuchte die Sieben-Klassen-Schule in Saratow. Danach erlernte er den Beruf eines Drehers und arbeitete bis 1935 in Betrieben von Saratow und Moskau. Während dieser Zeit unternahm er schonschriftstellerischeVersuche,schrieb Gedichte und kleine Erzählungen, die von Moskauer Zeitungen abgedruckt wurden. . In dem Sammelband junger Dichter "Schau der Kräfte" erschienen seine ersten Verse. Die leitenden Genossen vom Maxim-Gorki-Institut wurden auf den jungen begabten Arbeiter aufmerksam. Das Studium am LiteraturInstitut beendete er 1938. Die Zeitschrift "Funk und Schule" schreibt: Konstantin Simonow ist im wesentlichen Dramatiker. Sein Erstlingswerk, "Ein Bursche aus unserer Stadt", ein Schauspiel um junge .Sowjetmenschen, machte ihn mit einem Schlage bekannt. Während des Großen Vaterländischen Krieges schrieb er das Schauspiel "Russische Menschen", das unter anderem in England und Amerika aufgeführt wurde. "Die russische Frage", kurz nach Beendigung des Krieges verfaßt, wurde zum bisher stärksten Erfolg Simonows. Sie behandelt die vom Imperialismus bestochene und geknebelte amerikanische Journalistik und entlarvt darüber hinaus die zum Kriege treibende Politik der USA-Regierung. Die Aussagen des Stückes sind durch die Entwicklung der letzten Jahre voll bestätigt worden, und es zeigt sich hieran besonders, wie der SOwjetschriftsteller vom Typ Simonows das Leben nicht nur nachzeichnet, sondern es vor allem in seinen ursäeh-lichen Erscheinungen zu erforschen trachtet. und daraus Schlüsse zieht, um der Gegenwart immer einen Schritt voraus zu sein. "Die russische Frage" ist ein mitreißendes Bekenntnis Simonows zum Frieden, ein Ergebnis der Einheit "WerkAutor". Konstantirr Simonow, der während der Kriegsjahre in zahllosen Aufsätzen den sowjetischen Soldaten an der Front Mut und Begeisterung verlieh, der Heimat Trost und Stärkung zusprach, kämpft heute mit der gleichen Intensität an der Spitze der sowjetischen Intellektuellen um den Frieden der Welt. Er war häufig Delegierter zu Weltfriedenstagungen, und unter fast jedem Appell, den Kulturschaffende seines Landes warnend und mahnend an alle Völker der Erde richten, steht der Name Simonow, So antwortete er einmal dem englischen Dramatiker Priestley, einem Agenten des Imperialismus: Herr Priestley hat seinen Brief höchst überflüssigerweise "Brief an einen russischen Kollegen" genannt. Ein Verteidiger des Friedens und ein Feind des Friedens sind keine Kollegen. Sie sind Gegner . . Und hier kann man wohl den Schlußstrich ziehen unter einen Menschen, der sich nunmehr bewußt, im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, dem Lager der Friedensfeinde verschrieben hat. Konstantin Simonow weilte während des Großen Vaterländischen Krieges als Kriegsberichterstatter in der Heldenstadt Stalingrad. Sein Roman "Tage und Nächte" 2leigtdas Heldentum der sowjetischen Soldaten von Stali!ngrad. Lesen wir daraus einen Auszug: 249 Saburow rüdete dicht an den Apparat. Ihn interessierte jetzt nicht nur, was Stalin sagen würde, sondern auch, wie er es sagen würde. Der Beifall nahm noch immer kein Ende. Er war so laut, daß es Saburow einen Moment lang schien, alles spiele sich hier im Unterstand ab. Und dann hörte man im Lautsprecher nach einem Räuspern die ruhige und darum irgendwie besonders deutliche Stimme Stalins: "Genossen ... " , Stalin sprach über den Verlauf des Krieges, über die Ursachen unserer Mißerfolge, über die Zahl der gegen uns eingesetzten deutschen Divisionen, aber Saburow dachte in diesem Augenblick noch gar nicht über den Sinn der Worte nach, sondern lauschte auf den Tonfall der Stimme. Plötzlich wollte er brennend gern wissen, wie es Stalin jetzt zumute und in welcher Stimmung er sei, wie er jetzt überhaupt wäre und wie er aussähe. Er suchte in der Stimme die Note, die er in jener anderen Rede im Juli 1941 gehört hatte. Aber jetzt war der Tonfall ein anderer, Stalin sprach langsamer als damals, seine Stimme war tiefer und ruhiger. Am Ende der Rede, als sichSaburow innerlich schon beruhigt hatte, als er spürte, daß sowohl das, was Stalin sagte, als auch die Stimme, mit der er es sagte, ihn, Saburow, ohne daß ihm der Grund klar war, mit einer erstaunlichen Ruhe erfüllte, hörte er besonders deutlich einen-der letzten Sätze: "Unsere zweite Aufgabe besteht eben darin, die Hitlerarrnee und ihre Führer zu vernichten", sagte Stalin langsam, ohne einzelne Worte hervorzuheben, und machte danach eine Pause, in der wieder lauter Beifall ertönte. Wanin und Saburow saßen lange schweigend am Empfänger.
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