Porträt

Porträt
Jena, Japan und die Welt
Andrew Davis verstärkt Internationalität der Ökologen
Japan, China, Nicaragua, Dänemark,
Mexiko, Holland, Kanada, Frankreich –
Dr. Andrew Davis hat schon auf fast jedem Kontinent geforscht. Nur Afrika
fehlt ihm noch in seiner Sammlung. Zur
Zeit arbeitet der britische Ökologe jedoch an der Universität Jena.
So global wie sein Lebenslauf ist auch
das Thema, dem sich der 44-Jährige
widmet. Er untersucht die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf Insektenpopulationen. Als Modellorganismus
dient ihm Drosophila, eine winzige
Fruchtfliege, von der es allein in Europa
56 Arten gibt.
Die bräunlichen Insekten tummeln
sich auch auf Davis’ Monitor in seinem
Büro im Institut für Ökologie, allerdings
nur als Bildschirmhintergrund. Die echten Fliegen sind im Keller untergebracht,
doch viel Zeit für die Forschung mit seinen Studienobjekten ist dem Vater von
zwei Kindern in den vergangenen Monaten nicht geblieben. Sein vom Deutschen Akademischen Austauschdienst
geförderter Aufenthalt ist vor allem der
Lehre gewidmet. Mit 15 Wochenstunden an Vorlesungen und Seminaren hat
Davis ein volles Programm. Er hält die
Veranstaltungen auf Englisch ab, und
das war auch die Motivation für die Zusammenarbeit mit der Uni Jena. Institutsdirektor Prof. Dr. Stefan Halle suchte jemanden, der seine Studenten auf
den Gebrauch des Englischen als internationale Wissenschaftssprache vorbereitet. Davis, der als Kind oft in Deutschland war und daher gut Deutsch spricht,
war gern dazu bereit. Ihm war Jena
schon seit mehreren Jahren durch seine Bekanntschaft mit Dr. Winfried Voigt,
dem Leiter der Arbeitsgruppe Ökosystemforschung, bekannt.
„Jena und Ökologie, das gehört in internationalen Fachkreisen einfach zusammen“, sagt Davis. Schließlich war es
Ernst Haeckel, der in seinem Buch „Generelle Morphologie der Organismen“
1866 erstmals den Begriff Ökologie
prägte. Vor allem eins ist dem Briten bei
seiner Arbeit aufgefallen: „In Deutschland wird viel mehr Gewicht auf das
Ganze gelegt“, beschreibt er seine Erfahrungen. „In England sind Wissenschaftler dagegen mehr auf Details fixiert, da
geht schon mal der Blick für Zusammenhänge verloren.“
Davis ist sehr froh, dass er in seinem
Jenaer Jahr soviel Unterrichtspraxis
sammeln konnte. Die Arbeit mit den
Studenten macht ihm sehr viel Spaß.
„Die Leute haben großes Interesse daUni-Journal Jena 02/01
ran, Lehrveranstaltungen auf Englisch zu hören“,
sagt der Brite erfreut. Er hat auch
eine Gruppe ins
Leben gerufen, in
der er mit Studenten und Doktoranden Manuskripte
für englischsprachige Fachjournale
diskutiert. Solche
Möglichkeiten, die
Wissenschaftssprache zu trainieren,
sollten die deutschen Universitäten in noch höherem Maße anbieten
anbieten,
meint Davis.
Von Jena und
seiner Umgebung
hat der Gastdozent nicht viel gesehen – jedenfalls
nicht, was die kulturellen Seiten betrifft. „Da wissen
meine
Kinder
sehr viel mehr als
ich“, lacht er. Seine ältere Tochter geht in
Stiebnitz in die zweite Klasse, während
die kleinere noch im Kindergarten ist.
Aber der Ökologe in ihm hat natürlich die
verschiedenen Biotope rund um die
Stadt erkundet. Auch dabei hatte er vor
allem die winzigen Drosophila-Fliegen
im Visier. Im Rahmen eines Projektes,
das er mit amerikanischen Kollegen betreibt, untersuchte er, ob die Fliegen
hierzulande von parasitischen Würmern
befallen sind. Unklar ist noch, an welcher
klimatischen Grenze der Parasitenbefall
verläuft. Aus Mitteleuropa gab es bisher
noch keine Daten. Nun gelang es Davis,
die Würmer in einer in den Wäldern rund
um Jena lebenden Drosophila-Art nachzuweisen.
Mit den Jenaer Ökologen verfolgt Davis hauptsächlich zwei Vorhaben: Zum
einen untersucht er mit Winfried Voigt,
wie sich klimatische Veränderungen auf
bestimmte Insektenarten auswirken.
„Wenn wir einen Unterschied in der
Temperaturempfindlichkeit zwischen
Pflanzenfressern und Räubern feststellen, ist das ein Hinweis darauf, dass eine
Artengemeinschaft durch klimatische
Schwankungen stärker, als bisher angenommen, gestört wird“, erläutert Davis.
„Die Deutschen haben einen stärkeren
Blick für Zusammenhänge“: Der
Ökologe Dr. Andrew
Davis vor einem Poster mit Ergebnissen
seiner Arbeit. Dargestellt ist der Einfluss
verschiedener Temperaturen auf Drosophila-Populationen .
Foto: Günther
Gemeinsam mit dem Leiter der Arbeitsgruppe Populationsökologie, Prof.
Dr. Wolfgang Weisser, widmet sich Davis einem anderen Projekt. Den beiden
Dissertationen und wissenschaftliche Publikationen
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Wissenschaftlern gelang es nachzuweisen, dass Blattläuse, wie viele andere
Organismen, so genannte HitzeschockProteine bilden. Diese Eiweiße schützen
die Insekten vor einer zu starken Erwärmung ihres Körpers. Ihre Produktion
geht allerdings auf Kosten der Fruchtbarkeit, so dass ein Temperaturanstieg die
Zahl der Blattläuse verringert.
Wenn seine Gastdozentur in Jena
Ende März ausläuft, wird Davis seine
Forschungsarbeiten in Japan fortsetzen.
Langfristig zieht es den Briten wieder
zurück nach Europa – zum Beispiel nach
Jena. Er fühlt sich in der Stadt sehr wohl.
Wenn es nach seiner Frau ginge, wäre
jetzt allerdings der Süden dran. Sie
möchte am liebsten nach Spanien. sul
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