kindersicher im verkehr

GOOD IDEA
kinder sicher im verkehr
Matthias Weiß, Moderator des Deutschen
Verkehrssicherheitsrates und Verkehrserzieher an öffentlichen Einrichtungen.
Die dunkle Jahreszeit hat ihre Reize, sie birgt jedoch auch Gefahren für Kinder,
die sich im Straßenverkehr, etwa auf dem Weg zur Schule, bewegen. Kinder können
Gefahren noch nicht automatisch erkennen und richtig einschätzen. Die Sicherheit
im Straßenverkehr muss unter verschiedensten Bedingungen erst erlernt werden.
Besonderes Augenmerk gilt dabei auch der dunklen Jahreszeit oder schlechten Sichtverhältnissen bei entsprechenden Witterungen.
Worauf sollten Eltern achten? Wie kann man Unfälle im Straßenverkehr vermeiden?
Im Gespräch mit Matthias Weiß klären wir die wichtigsten Regeln und Punkte.
Als Vater von drei Kindern ist es dem 43-Jährigen nicht nur privat ein Anliegen,
Kinder, aber auch Eltern für das Thema zu sensibilisieren. Er hat sich diese Aufgabe
sogar zum Beruf gemacht. Matthias Weiß ist Moderator des Deutschen Verkehrssicherheitsrats und außerdem Verkehrserzieher bei der Polizei. Regelmäßig hält er
Seminare für Eltern an Kindergärten und trainiert Vorschüler, um sie für den Schulweg vorzubereiten. Auch Grundschüler gehören zu seiner Zielgruppe, denn auf dem
Lehrplan der Dritt- und Viertklässler steht die Verkehrserziehung. Grundsätzlich
unterscheidet Matthias Weiß zwischen dem aktiven und dem passiven Sicherheitstraining. Dabei sollte die aktive Gestaltung vom Elternhaus frühzeitig organisiert
werden. Institutionen wie Jugendverkehrsschulen, Schulen oder auch Kindergärten,
die beispielsweise Verkehrserziehung spielerisch oder durch Spaziergänge zu Fuß
thematisieren, bieten begleitende Programme an. Sie sollten aber nicht die Hauptverantwortung von den Eltern übertragen bekommen. Der Grundstein muss definitiv
von den Erziehungsberechtigten gelegt werden.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, um mit der Verkehrserziehung zu beginnen?
Eltern können bereits mit einfachen, regelmäßigen Übungenbei ihren Zwei- bis
Dreijährigen beginnen. Dabei sollten die Sprösslinge nicht unter Druck gesetzt
werden. Es ist wichtig, die Übungseinheiten Schritt für Schritt durchzuführen und
sich Zeit zu nehmen. Kinder lernen anders als Erwachsene. Schneller, aber durch
die vielen Einflüsse und neuen Eindrücke im Straßenverkehr sind sie auch rasch
mal abgelenkt und die Konzentration lässt nach. Sie sind noch nicht in der Lage,
mehrere Aufgaben gleichzeitig zu realisieren. Positives Verhalten darf übrigens
gelobt werden, aber nicht übermäßig. Richtig dosiert stärkt es das Selbstbewusstsein und Sicherheitsgefühl. Wichtig ist es, nicht zu schimpfen, wenn Fehler
gemacht werden. Das mindert die Bereitschaft zum Lernen.
Wie sorge ich dafür, dass mein Kind sich im Straßenverkehr sicher fühlt?
Eine grundlegende Faustregel ist das Stoppen, d.h. Stehenbleiben an der Ampel,
am Zebrastreifen, am Bordstein oder beispielsweise an einer Überquerungshilfe.
Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich nach dem Stopp erst eine Übersicht über die
Verkehrssituation verschaffen. Ist die Ampel grün, darf die Straße zügig überquert
werden. Halten die Autos am Zebrastreifen an, dann auch. Wurde nach links und
rechts und wieder nach links nach heranfahrenden Fahrzeugen geschaut und ist
keines zu sehen, dann darf ich gehen. Solche Übungseinheiten, die natürlich vom
Erwachsenen vorzuleben sind, können dann sukzessive um gefährlichere Bedingungen erweitert werden, um das Verständnis für den Straßenverkehr zu intensivieren.
Das wären zum Beispiel vierspurige Straßen oder das Überqueren einer Straße
zwischen geparkten Autos. Jede Übung dabei immer langsam umsetzen.
Übrigens, ein Handicap ist die zunehmende Mobilität. Denn viele kurze Wege
werden heute mit dem Auto erledigt. Berüchtigt ist auch das Elterntaxi zur Schule,
das für berufstätige Eltern oftmals die einzige Lösung darstellt. Trotzdem ist es
ratsam, das Auto mal stehen zu lassen und die Wege zu Fuß zu erkunden. Gerade
am Anfang der Schulzeit.
Mein Kind ist mit dem Fahrrad unterwegs, worauf muss ich achten?
Ein guter Einstieg ist das Laufrad, mit dem die Kinder je nach Straßenverhältnissen allerdings bis auf 20 km/h beschleunigen können. Damit stellt
dieses Fortbewegungsmittel zusammen mit dem Fahrrad gleichzeitig auch eine große Gefahrenquelle dar. Denn Kinder bis einschließlich acht Jahre
müssen auf dem Fahrradweg fahren. Kinder von acht bis zehn Jahren dürfen auf dem Fahrradweg fahren. Ab zehn Jahre sind die Fahrradfahrer angehalten, sich auf der Straße fortzubewegen. Der begleitende Elternteil muss von der Straße aus die Übersicht über sein Kind behalten können. Parkende
Autos versperren oftmals die Sicht. Ampeln und Zebrastreifen fordern zum Halten auf. Schnell ist das Kind nicht mehr in Sichtweite. Meiner Meinung
nach sind Kinder mit dem Fahrrad viel zu früh allein unterwegs und damit auch den unterschiedlichsten Reizen ausgesetzt, ohne die Gefahr richtig
abschätzen zu können. Ich empfehle Eltern, mit ihren Kindern erst einmal im Wald oder auf leeren Parkplätzen am Wochenende das Fahrradfahren
intensiv zu trainieren. Wie bereits erwähnt, ist das Laufrad ein guter Einstieg. Es fördert das Gleichgewicht, vermittelt ein Gefühl für Geschwindigkeit
und das Bremsen kann geübt werden. Der Übergang zum eigentlichen Fahrrad ist dann oftmals ein Kinderspiel. Stützräder sind hingegen kontraproduktiv, da sich das Fahrverhalten zu einem Fahrrad ohne Stützen deutlich unterscheidet. Sie verbreitern die Fahrspur und in Kurven muss man relativ
gerade hineinfahren. Üblicherweise neigt sich das Fahrrad mit dem Fahrer jedoch leicht – ähnlich wie beim Motorradfahren. Also erschwerte Bedingungen beim Wechsel zum Fahrrad ohne Stützhilfen.
Ab wann kann mein Kind allein mit dem Fahrrad, z. B. zur Schule, fahren?
Einen richtigen Zeitpunkt zu definieren ist schwierig, da das Lernverhalten von Kindern
sehr unterschiedlich ist. Das gilt nicht nur für das Laufen oder Trockenwerden, sondern
auch für das Fahrradfahren. Außerdem verhalten sich Kinder in Begleitung ihrer Eltern
immer anders als in der Schule oder wenn sie allein sind. Ich finde, die Kinder sollten
die Verkehrserziehung erst in der Schule absolvieren. Hier bekommen sie in der dritten
Klasse in der Regel die Theorie vermittelt und in der vierten Klasse dann noch die Praxis. Am Ende dieser erfolgreich abgeschlossenen Fahrradausbildung, die auch einen Test
umfasst, erhalten sie einen sogenannten Fahrradpass. Dann sind Kinder meines Erachtens
körperlich, motorisch und geistig reif genug, den Alltag im Straßenverkehr allein zu bewältigen. Vorher sehe ich es als schwierig an. Oft erlebe ich in der Praxis, dass 20 bis 30 Prozent
der Kinder in der Verkehrsschule erst noch Fahrradfahren lernen müssen. Sie können sich
zwar schon ein wenig fortbewegen, sind aber aufgrund mangelnder Übung immer noch
sehr wackelig unterwegs.
Mein Kind muss mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule und ich kann es aufgrund meiner Berufstätigkeit nicht begleiten.
Was sollte ich beachten?
Der Weg zum Bus und die Fahrt zur Schule sollten von den Eltern begleitet werden, und zwar nicht nur vor der Einschulung, sondern auch noch die
erste Zeit danach, solange es den Eltern beruflich möglich ist. Bei den Übungseinheiten vor der Einschulung bitte den Weg und die Fahrt
unter realen Bedingungen durchführen. Also die Uhrzeit wählen, zur der auch später das Kind unterwegs ist. Dabei dem Kind immer wieder genau
erklären, worauf es zu achten hat, und auf die Gefahrenzonen hinweisen. Kinder sollten sich nach dem Betreten des Busses schnell einen Platz suchen.
Ältere Kinder den jüngeren sogar einen Platz anbieten. Während der Busfahrt den Ranzen vom Rücken nehmen und erst aufstehen, wenn der Bus hält.
Damit so etwas reibungslos funktioniert, gibt es sogenannte Schulbushelfer, die eine Ausbildung als Schülerlotse absolviert haben. So ein Ehrenamt
können Jugendliche ab 13 Jahren nach erfolgreicher Ausbildung ausüben. Oftmals wird diese Aufgabe auch von Erwachsenen übernommen. Je nach
Engagement der Schule oder eines entsprechenden Lehrbeauftragten gibt es eine gute oder schlechte Versorgung mit Schülerlotsen. Dies ist selbst in
unserer Region sehr unterschiedlich. Mancherorts werden noch händeringend Personen gesucht, in anderen Ortschaften ist die Abdeckung ausreichend. Übrigens können Eltern sich im Anschluss an die Einschulung auch untereinander abstimmen und abwechselnd die Kinder begleiten, bis
sie die notwendige Sicherheit haben und ihnen die Verantwortung übertragen werden kann. Dafür – und das gilt auch für alle anderen Übungen im
Straßenverkehr – die Kinder durch regelmäßiges Üben trainieren und ihr Verhalten über einen längeren Zeitraum beobachten. Kann mein Kind die
Situation richtig einschätzen und sich sicher bewegen? Dann ist es fit genug, den Alltag zu meistern. Was gern vergessen wird, ist die Zeit nach der
Grundschule. Auch der Weg zur weiterführenden Schule sollte anfänglich gemeinsam absolviert werden, denn auch neun- bis zehnjährige Kinder
benötigen für den neuen Schulweg noch etwas Unterstützung.
Jetzt hat die dunkle Jahreszeit begonnen. Wie sorge ich dafür, dass mein Kind von anderen
Verkehrsteilnehmern auch bei schlechter Witterung oder in der Dunkelheit gesehen wird?
Wir unterscheiden zwischen dem aktiven und passiven Sicherheitstraining. Während vorhergehende
Fragen eher auf das aktive Training eingehen, beschäftigt sich das passive Verkehrstraining auf die
Wahrnehmbarkeit. Helle, reflektierende Kleidung verschafft ohne großen Aufwand Sicherheit.
Denn alles, was auffällt, ist gut erkennbar. Wichtig: Thematisieren Sie Kleidung im Gespräch mit
dem Kind und schaffen Sie einen positiven Anreiz. Beim Einkauf von Kleidung sollten Sie Ihr Kind
auf jeden Fall mitnehmen. Lassen Sie helle und dunkle Kleidung von Ihrem Kind miteinander
vergleichen. Fragen Sie Ihr Kind, was im Dunkeln mehr auffällt. Sobald ein Bewusstsein geschaffen
ist und das Kind aktiv die Kaufentscheidung mitträgt, ist es auch stolz auf sich selbst. So ein gemeinsamer Einkauf kann das Selbstbewusstsein und das Verständnis für die Situation steigern. Viele
Hersteller bieten zur Herbst-/Winterzeit naturgemäß eher dunkle Kleidung an. Allerdings sind
mittlerweile an Schuhen und Jacken oftmals reflektierende Materialien eingesetzt. Selbst an Taschen
und Rucksäcken für Kindergärten befinden sich Reflektoren. Für Schüler werden auch Westen ähnlich
den Warnwesten im Auto angeboten. Im Prinzip ist alles erlaubt, was gut zu sehen ist. Je heller, desto besser.