here. - Riverwatcher

GEWÄSSER
Martin Schletterer, Robert Reindl und Stefan Thonhauser
Ökologische Grundlagen und Randbedingungen
für die Planung des 1. Fischliftes Österreichs an der
Wehranlage Runserau, Tirol
Der Fischlift Runserau ist ein innovatives Vorhaben und der 1. Fischlift in Österreich. Dieser
Bautyp wurde gewählt, um die Durchgängigkeit an der bestehenden Wehranlage Runserau
am Inn mit hohen Wasserspiegelschwankungen im Oberwasser und beengten Platzverhältnissen wiederherzustellen. Eine umfassende Literaturstudie zeigt, dass die Durchgängigkeit
durch den Sondertyp Fischlift erfolgreich hergestellt werden kann, wenn die Einstiegssituation gut gelöst ist. Dies wurde in der gegenständlichen Planung durch Kombination mit einem
vorgeschalteten Einstiegsbauwerk aus Schlitzpässen erreicht. Darüber hinaus führt eine –
erst durch die Liftbauweise mögliche – Abschwemmleitung bis zum günstigen Rückgabepunkt, womit die Anlage unter- und oberwasserseitig optimal an den Wanderkorridor angebunden ist.
1Einleitung
Die Wehranlage Runserau des bestehenden
Kraftwerks Imst wurde im Jahre 1954
­errichtetet. Die dreifeldrige Wehranlage
(Bild 1) mit seitlichem Entsander dient der
Ausleitung des Inn bis QA = 85 m³/s und
dem Aufstau von bis zu 10 m. Der so gebildete Stauraum Runserau wird im Schwellbetrieb bewirtschaftet. Die anschließende
Restwasserstrecke, von der Runserau bis
Imst, weist eine Länge von 25 km auf.
In Zusammenhang mit der Implementierung der WRRL wurde eine stu-
fenweise Zielerreichung definiert (2015,
2021, 2027), die im 1. Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan (NGP) [1] festgeschrieben ist. Die 2015-Ziele beziehen
sich v. a. auf die Herstellung der Durchgängigkeit (teilweise inkl. Dotierwasserabgabe) in prioritären Gewässerabschnitten, d. h. Ab­­schnitte die für mittel und
langstreckenwandernde Fischarten von
Relevanz sind.
Die Projektstrecke liegt im Wasserkörper 305 850 008 (km 380,58 bis 384,29),
welcher im Rahmen des ersten NGP (2009
bis 2015) als prioritärer Sanierungsraum
für hydromorphologische Maßnahmen
eingestuft wurde. Im NGP-Anhang ist
der Wasserkörper mit „mäßigem oder
schlechterem“ ökologischem Potential
ausgewiesen.
Die Sanierungspflicht ist in § 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 1.12.2011 definiert und für das
Kraftwerk Imst schreibt § 3 die Abgabe einer ausreichenden Restwassermenge und
die Errichtung einer Fischaufstiegshilfe
(FAH) vor. Die maßgeblichen Fischarten
sind Bachforelle und Äsche (maßgebende
Fischlänge = 50 cm).
Bild 1: Wehranlage Runserau am Inn mit einem natürlichen Einzugsgebiet von rund 2 700 km²: links im Zuge der Errichtung mit Blick
Richtung Unterstrom und rechts m
­ it Blick Richtung Oberstrom im heutigen Zustand (Quelle: TIWAG)
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GEWÄSSER
2Fischökologischer und
fischereilicher Ist-Zustand
Die relevanten Innstrecken sind den
Fischregionen Hyporhithral (Äschenregion) bzw. Metarhithral (Untere Forellenregion) zuzuordnen und befinden sich in der
Bioregion „Unvergletscherte Zentralalpen“, Sondertyp „Großer Fluss“ (Bild 2).
Im Projektgebiet (Stauraum Runserau,
Restwasserstrecke Runserau-Imst) wurden im Rahmen aktueller Befischungen
folgende Arten gefangen:
■■ Bachforelle (Salmo trutta fario),
■■ Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss),
■■ Äsche (Thymallus thymallus),
■■ Bachsaibling (Salvelinus fontinalis),
■■ Koppe (Cottus gobio),
■■ Elritze (Phoxinus phoxinus).
Die Befischungsergebnisse (aus dem Jahr
2008 bzw. der Niederwasserperiode 2009/
2010) zeigen deutlich schwankende Dichten und Biomassen im Längsverlauf des
Inn (Bild 3). Oberhalb der Rückgabe des
Kraftwerkes Prutz liegt die ermittelte
Fischbiomasse knapp über 50 kg/ha. Damit wird der laut Methodik des BMLFUW
vorgegebene Wert von 50 kg/ha für diesen
Gewässertyp gerade noch eingehalten.
Weiter flussauf liegen die Fischbiomassen
in dieser schwallbeeinflussten Strecke mit
32,1 kg/ha deutlich niedriger.
Hinsichtlich der Fischbiomassen dominiert in allen Strecken die Bachforelle.
An den Stellen oberhalb und unterhalb
KW Prutz sowie im Stau Runserau und in
der RW-Strecke Zams erreicht auch die
Äsche nennenswerte Anteile an der Biomasse. Regenbogenforellen sind an einzelnen Strecken von Bedeutung. Ähnlich
­liegen die Verhältnisse bei den Fischabundanzen: Auch diese zeigen stark schwan­­
kende Werte im Längsverlauf des Inn bzw.
auch zwischen einzelnen Untersuchungsjahren. Hinsichtlich Individuenzahlen ist
die Äsche – aufgrund von Besatzmaßnahmen – an den Stellen oberhalb KW Prutz
und Stau Runserau ähnlich stark vertreten
wie die Bachforelle.
Bild 2: Oberhalb Einmündung der Fagge und flussab von Landeck (Einmündung
­Sanna) ist der Inn dem Hyporhithral zuzuordnen, zwischen Fagge und Landeck der
Fischregion Metarhithral (Quelle: [1])
3Randbedingungen
der Bestandsanlage
An der Wehranlage Runserau liegen besondere Rahmenbedingungen vor (Bild 4): Die
Wasserspiegelschwankungen im Oberwasser sind vor allem aus den kraftwerksbeeinflussten Zuflüssen bedingt. Das Ab92
Bild 3: Fischbestand im Tiroler Oberinntal: Fischabundanzen (Ind./ha) und Fisch­
biomassen (kg/ha) an den einzelnen Befischungsstrecken des Inn (Quelle: TIWAG)
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senkziel liegt auf Höhe von 853,0 m Mh,
das derzeitige Stauziel liegt auf 858,5 m
Mh, eine geplante Erhöhung der Wehranlage um 1,5 m ist zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich eine zu überwindenden
Höhendifferenz von mindestens 4,7 m bis
derzeit maximal 10,2 m bzw. zukünftig
11,7 m. Ein Ausgleich von derart hohen
Differenzen im Oberwasserspiegel ist mit
herkömmlichen Bauweisen baulich und
betrieblich nicht umsetzbar: Beispielsweise würde die Anwendung einer Beckenpasslösung erfordern, dass 60 % des Gesamtbauwerks (Länge und Höhe) an den
oberwasserseitig bestehenden Stauraum
angeschlossen sind und 5,5 bzw. 7 m Wasserspiegeldifferenz innerhalb des Bauwerks variabel abgebaut werden bzw. in
Abhängigkeit vom jeweiligen Stauziel vie-
le oberwasserseitige Ausstiege erforderlich
wären (Anzahl ~ 7 m/0,18 m = 39 Stück).
Die bestehende Wehranlage ist orographisch links auf der gesamten Bauwerkshöhe in anstehenden Fels eingebunden.
Die orographisch rechte Talseite wird von
einem Entsanderbauwerk und dem ausmündenden Druckstollen ausgefüllt, so
dass die Bestandsanlage den Gesamtquerschnitt im Talquerprofil beansprucht.
Somit ist die Herstellung der Fischdurchgängigkeit mit erprobten Methoden
[2] nicht umsetzbar, weshalb Alternativen
gesucht und im Bautyp Fischlift gefunden
wurden. In Österreich gab es bisher keine
Erfahrungen mit Fischliften. Daher wurden im Rahmen einer Machbarkeitsstudie
neben Literatursichtungen auch Fischliftanlagen im Ausland besucht, um deren
Konstruktion und Funktionalität genauer
kennen zu lernen sowie die vorhandenen
Betriebserfahrungen zu erheben. Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse der
Literaturstudie zusammengefasst und entsprechende Fallbeispiele gegeben.
4Literaturstudie über den
Einsatz von Fischliften
Grundsätzlich kommen Fischlifte – ähnlich wie Fischschleusen (Borland lock) –
dort zur Anwendung, wo große Höhenunterschiede zu überwinden sind und die
Platzverhältnisse für das Anlegen „konventioneller“ FAH fehlen (Tabelle 1).
Weltweit werden Fischlifte bzw. Fischschleusen insbesondere für diadrome
Bild 4: Rahmenbedingungen an der Wehranlage Runserau: oben: Lage der Bestandsanlage; unten: Wasserspiegelschwankungen im
Stauraum Runserau (Quelle: TIWAG)
WasserWirtschaft 7/8 | 2015
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GEWÄSSER
Fischarten, teilweise seit Jahrzehnten, mit
Erfolg betrieben [3]. Nachweislich können
Fischaufzüge und -schleusen unter Voraussetzung einer korrekten Positionierung und Detailgestaltung eine hohe Effektivität erreichen [4].
Bisher nahmen die USA und Frankreich [5], [6] eine Vorreiterrolle in der Entwicklung dieser Technik ein. Anwendung
findet diese Form der Fischaufstiegshilfe
auch bereits seit Jahrzehnten in Russland
[7] und Portugal [8].
Einer der ersten Fischlifte kam in den
USA zur Anwendung: mit der Fertigstellung des Lower Baker Dam 1927 ging auch
eine Seilbahn in Betrieb, die Fische in kleinen Stahltanks zur Dammkrone beförderte. In den 1930er- und 1940er-Jahren wurden einige Fischlift-Anlagen in den USA
und Kanada geplant, um große Dämme
fischdurchgängig zu gestalten. In den USA
gibt es daher eine Reihe von Fischlift-Anlagen, z. B. Conowingo Dam (Susquehanna River), York Haven Dam (Susquehanna River, Safe Harbor fish lift), Milford
Dam (Penobscot River), Holyoke Dam
(Connecticut River, Robert E. Barrett
Fishway), Cariboo Dam (Brunette River,
Warner fishlift), Lawrence Hydroelectric
Project (Merrimack River), Winooski One
hydroelectric facility (Winooski River,
Winooski Fish Lift) und am St. Stephen
Dam (Santee River, St. Stephen Fish Lift).
In Kanada gibt es Fischlifte am Beechwood und Mactaquac Dam (St-John River) sowie am Malbaie River.
Auch in Südamerika werden zur Überwindung großer Höhen Fischlifte eingesetzt: so z. B. am Funil-Damm (Brasilien,
Rio Grande) und am Yacyretá-Damm
(Argentinien/Paraguay, Paraná River).
In Russland gibt es mechanische Fisch­
lifte an der Wolga (Saratower Stausee) und
am Kuban (Krasnodarer Stausee) sowie
Fischschleusen (am Zimljansker Stausee
am Don, am Volgograder Stausee an der
Volga und Wolchow Stausee am Fluss
Wolchow) [7].
In Australien wird seit 2005 ein Fisch­
lift am Paradise Dam (Burnett River) und
seit 2009 am Tallowa Dam (Shoalhaven
River) betrieben. Zudem nahm 2011 am
Wyaralong Dam (Teviot Brook) ein „BiDirectional Fishlift“ den Betrieb auf.
In Europa wurde die Technik vor allem
in Frankreich angewendet und weiterentwickelt. Dabei wird zwischen (1) Aufstiegen für Salmoniden (Atlantischer Lachs,
Bachforelle) mit einem „klassischen Reusenkorb“ bzw. (2) Lift-Anlagen an großen
Tieflandflüssen (mit vielen bzw. einigen
hunderttausend Passagen pro Jahr) unterschieden. Letztere Anlagen leiten die Fische mit entsprechender Lockstömung in
ein großes Vorbecken (holding pool), von
diesem aus werden sie durch einen sogenannten Crowder (bewegter Rechen) periodisch in die Reuse des Fisch-Liftes gescheucht.
In Frankreich gibt es Fischlifte in
Golfech (Garonne), Tuilières und Salvette
(Dordogne), Poutès (Allier), Castet und
Saint Cricq (Gave d`Ossau), Montrigon
(Isère), Granjean (Loire), Grosbois (le
Doubs) und Prècy-Saint-Martin (L`Aube).
In Portugal wurde 1992 im Zuge der
Errichtung des Touvedo-Dammes am
Fluss Lima aufgrund der beengten Platzverhältnisse ein Fischlift installiert. Im
Jahr 2006 wurde der Pedrogão-Damm
am Guadiana mit einer Höhe von 43 m
fertiggestellt, aufgrund der Höhe wurde
auch hier ein Fischlift installiert, der aktuell die höchste Fischlift-Anlage in Europa darstellt.
Auch in der Schweiz gibt es einige Beispiele für Fischlifte: Der erste Fischlift
wurde 2000 an der Birs von der Ziegler Papier AG in Grellingen errichtet. Am Kraftwerk Magere Au an der Saane ist ein wei-
terer Lift seit 2004 im Einsatz und 2013
wurde ein Lift am Gadmerwasser (Fischlift
Fuhren der KWO) in Betrieb genommen
(Bild 5). Beim KW Eglisau-Glattfelden ist
die Errichtung eines Fischliftes zur Überwindung des ca. 12 m hohen Stauwehres
am Rhein geplant (Baubeginn Sommer
2015).
In Deutschland wurde der erste Fisch­
lift am Kraftwerk Wyhlen 2005 realisiert,
weitere befinden sich im Planungsstadium, z. B. Baldeneysee/Ruhr.
In Österreich gibt es bislang keinen
Fischlift. Neben dem in Bau befindlichen
Fischlift Runserau ist seitens der KELAG
am KW Gößnitz an der Möll ein Fischlift
geplant.
Die Beispiele zeigen auf, dass eine generell einheitliche Konstruktionsweise
angewendet wird, die je nach lokalen Gegebenheiten angepasst wurde (z. B. Einhausung im alpinen Raum). Monitoringdaten zeigen, dass diese Form des Auf­
stieges grundsätzlich gut funktioniert,
allerdings bedarf eine intermittierend betriebene Hebeanlage einer besonders
günstigen Einstiegssituation.
5Planungskonzept
Fischlift Runserau
Bereits im Jahr 2009 wurden Dotierversuche unterhalb der Wehranlage Runserau
durchgeführt, um die nötige Dotierwassermenge in der Ausleitungsstrecke zu ermitteln. Der Wanderkorridor wurde hinsichtlich Tiefe und Fließgeschwindigkeit
mit Hilfe eines hydrodynamisch-numerischen Modelles überprüft. Diese Daten
dienten in Kombination mit einer CASiMiR-Habitatmodellierung für die Ausarbeitung des Dotierwasservorschlages von
5 m³/s als Mindestdotiermenge an der
Wehranlage Runserau.
Tab. 1: Übersicht über den weltweiten Einsatz von Fischliftanlagen (nach [9], ergänzt)
Land
Anzahl
Höchste bekannte Anlage (Fluss)
Australien
3
Paradise-Damm (Burnett River)
43 m
Deutschland
1
Augst-Wyhlen (Rhein)
6,5 m
Frankreich
10
Golfech (Garonne)
17 m
Portugal
2
Pedrogão-Damm (Guadiana)
43 m
Russland
2
Saratower Stausee (Wolga)
17 m
Schweiz
3
Maigrauge/Magere Au (Saane)
17 m
Südamerika
2
Funil (Rio Grande)
45 m
USA/Kanada
11
Conowingo (Susquehanna River)
27 m
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Max. Hubhöhe
WasserWirtschaft 7/8 | 2015
GEWÄSSER
a)
b)
c)
d)
Der Fischlift an der Wehranlage Runserau (Bild 6) wurde sowohl auf Basis der
durchgeführten Literaturstudien als auch
der Erkenntnisse aus den Begehungen
(Fischlift Büttenen, Fischlift am TouvedoDamm, Fischlift Pedrogão) projektiert.
Ein besonderes Augenmerk wurde auf die
Auffindbarkeit des Lifteinstieges im Unterwasser der Wehranlage und eine geeignete Rückgabe der Fische in das Oberwasser gelegt.
5.1 Einstiegssituation: vorgeschalteter
Schlitzpass und neue Restwasser­
dotation am linken Ufer
e)
f)
g)
h)
i)
Bild 5: Ausgeführte Fischlifte:
a) + b) Fischlift an der Birs in Grellingen;
c) + d) Fischlift Fuhren mit vorgeschaltetem Schlitzpass;
e) + f) Fischlift am Touvedo-Damm;
g) + h) + i) der höchste Fischlift Europas am RCC-Damm Pedrogão
(Quelle: TIWAG)
WasserWirtschaft 7/8 | 2015
Die Strömungsmuster im Unterwasser
sind von der aus dem Schwellbetrieb der
Oberliegerkraftwerke bedingten Überwassersituation geprägt. Zur Beurteilung
der Auffindbarkeit wurden verschiedenste Strömungsverhältnisse mit einem hydrodynamisch-numerischen 2-D-Modell
überprüft und die jeweiligen Strömungspfade unter Berücksichtigung verhaltensrelevanter Strömungsklassen nach ethohydraulischen Gesichtspunkten ermittelt
[10]. Daraus ergibt sich bei Mindestwasserführung zunächst die gute Eignung des
„unteren“ Einstiegsstandortes mit verhältnismäßig stabiler Sohlenanbindung im
Unterwasser. Bei Überwassersituationen
ist dieser Einstieg aufgrund der Konkurrenzströmung allerdings nur bedingt auffindbar; daher wurde unter Berücksichtigung des Kriteriums „so nahe wie möglich
an die Wandergrenze“ ein oberer „wehrnaher“ Einstieg konzipiert.
Gewählt wurden somit 2 Einstiege an
den geeignetsten Standorten (Bild 7).
Über diese Bauwerke erfolgt auch die Einleitung der Mindestdotierwassermenge in
den Inn. Zusätzlich wird auf unterschiedliche Abflussverhältnisse durch die Möglichkeit, beide Einstiege unterschiedlich
zu dotieren, reagiert. Von den Einstiegen
führen Schlitzpässe, die den hydraulischen Kriterien des Leitfadens zum Bau
von Fischaufstiegshilfen [2] entsprechen,
zum Liftstandort. Durch diesen konventionellen und erprobten Einstieg ist die Auffindbarkeit des Fischliftes gesichert.
Zeitgleich mit der Planung des Fischliftes Runserau wurde in der Schweiz der
Fischlift Fuhren mit vorgeschaltetem
Schlitzpass geplant und auch bereits ausgeführt. Die ersten Monitoring-Ergebnisse des Fischliftes Fuhren bestätigen die
Wirksamkeit der kombinierten Bauweise.
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GEWÄSSER
Bild 6: Schema des Fischliftes Runserau samt Einstieg (Schlitzpass) und
­Abschwemmleitung (Quelle: TIWAG)
5.2 Fischlift
Der Reusenkorb wird auf Grundlage von
publizierten Erfahrungswerten [3] ausgelegt. Das Betriebsintervall wird aufgrund
der ersten Erfahrungen bzw. Monitoringergebnisse festgelegt werden, wobei für die
ersten Betriebsjahre folgende Frequenz
zur Anwendung kommt:
■■ In den Hauptwanderzeiten von Bachforelle und Äsche wird der Lift 1 x pro
Stunde betrieben.
■■ Im Rest des Jahres wird der Lift alle
4 Stunden betrieben.
5.3 Abschwemmleitung
Fische, die den Fischlift passieren, werden
am oberen Ende durch Kippen des Reusenkorbes über eine wassergefüllte Abschwemmleitung in den Stauraum geleitet. Als geeigneter Rückgabestandpunkt
wurde eine in den Stauraum reichende
Felsnase mit steil abfallenden Ufern er­
mittelt (Bild 8). Dieser Rückgabeort befindet sich in einer Entfernung von ca. 600 m
zur Wehranlage und weist folgende Vorteile auf:
■■ Umgehung des Stauraumbereiches mit
den geringsten Fließgeschwindigkeiten
■■ wahrnehmbare Fließgeschwindigkeiten Richtung Oberwasser am Rückgabepunkt
■■ Nahezu vertikale Ufer ergeben keine
Verschiebung der Wasserspiegelanschlagslinie bei wechselnden Wasserständen
■■ Keine Verlandungsproblematik im
Uferbereich
Für das auf dieser Länge erforderliche
­Gegengefälle zur Fließrichtung wurde der
Lift über das Wanderhindernis hinaus überhöht. In der Abschwemmleitung herrscht
Freispiegelabfluss (Fülltiefe 25 cm und
Fließgeschwindigkeit >2 m/s), als Auslegungskriterien gelten somit für diesen
Teil der FAH Grundsätze zur Bypass­
gestaltung von Fischabstiegsanlagen. Bei
96
abgesenktem Stauraum fallen die Fische
maximal ca. 5 m tief nach unten, wobei sie
diesen Weg in einem Wasserstrahl (170 l/s)
einbettet zurücklegen. Diese Situation ist
ein Betriebszustand von jeweils kurzer
Dauer, der jedoch in der Niederwasserzeit
nicht ausgeschlossen werden kann. Die
Wassertiefe im Bereich der Rückgabe beträgt im Minimum, d. h. bei maximaler
Absenkung immer noch 2 m, so dass eintauchende Fische nicht geschädigt werden.
5Monitoring
Die methodischen Vorgaben der „Mindestanforderung bei der Überprüfung von
Fischmigrationshilfen (FMH) und Bewertung der Funktionsfähigkeit“ [11] können
folgendermaßen zusammengefasst werden:
a)Beurteilung anhand indirekter Methoden (abiotischer Parameter):
■■ E
s erfolgt ein Nachweis der „öko­
hydraulischen“ Verhältnisse, d. h.
Wassertiefen, Fließgeschwindigkeiten, Abfluss in den Schlitzpässen
und in den Einstiegsbereichen bei
minimaler und maximaler Wasserführung im Vorfluter.
b)Beurteilung auf Basis fischökologischer
Untersuchungen:
■■ Es wird ein Monitoringbericht über
die ersten 3 Betriebsjahre angefertigt.
■■ Zu Monitoringzwecken wird im
Schlitzpass eine automatische Zähl­
einrichtung (VAKI Riverwatcher
mit Kamera­system) installiert.
■■ Die Wanne des Fischliftes verweilt
in der gehobenen Position kurz und
es werden Foto- bzw. Videoaufnahmen per Kamera (die oberhalb des
Reusen-Korbes installiert wird) aufgezeichnet. Durch ein Raster am
Boden der Reuse können auch auf
diese Weise Arten und Größenklassen bestimmt werden.
■■ Im ersten bis dritten Jahr nach Errichtung des Fischliftes sind Befischungen im Unter- und Oberwasser zur Erfolgskontrolle vorge­sehen.
6Zusammenfassung
und Ausblick
Der Fischlift Runserau (Bild 9) stellt ein
innovatives Vorhaben dar und ist zu-
Bild 7: Einstiegsbereich: vorgeschalteter Schlitzpass mit 2 Einstiegen (Quelle: TIWAG)
WasserWirtschaft 7/8 | 2015
GEWÄSSER
Bild 8: Ausstiegsbereich: die Übersichtsaufnahme zeigt die Optimierung des
­Rückgabeortes: rechts unten ist ein wehrnaher Bereich (bei Absenkziel) abgebildet,
das linke Bild zeigt den gewählten Rückgabeort ca. 600 m flussaufwärts der
­Wehranlage Runserau (Quelle: TIWAG)
gleich der 1. Fischlift Österreichs. Dieser
Bautyp wurde gewählt, um die Durchgängigkeit an der bestehenden Wehranlage Runserau am Inn mit beengten
Platzverhältnissen und hohen Wasserspiegelschwanken im Oberwasser wiederherzustellen.
Zwei Einstiege im Unterwasser und
konventionelle Schlitzpässe gewährleisten
in Verbindung mit der über diese Einstiegsbauwerke dotierten Restwasserab­
gabe die Auffindbarkeit der FAH. Das
Fischliftbauwerk selbst entspricht den
jüngst ausgeführten und funktionstüchtigen Ausführungsbeispielen. Die Förderhöhe des Liftes überragt die Höhe des
Wanderungshindernisses, um eine Rückgabe der Fische im Oberwasser mit großer
Entfernung zum Wanderungshindernis
zu ermöglichen. Die unter- und oberwasserseitige Anbindung der FAA wurde damit angesichts der gegebenen Strömungsverhältnisse optimiert.
Zur Durchführung des Funktionsnachweises wird der Fischlift mit modernsten
Monitoringeinrichtungen ausgestattet.
Somit werden neben dem eigentlichen
Funktionsnachweis wertvolle Informati­
onen über die zeitliche Staffelung und Intensität des Laichaufstiegs von Bachforelle und Äsche geliefert.
Die zukünftige Dotation der Restwasserstrecke mit 5 m³/s erfüllt die Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol
WasserWirtschaft 7/8 | 2015
zur Sanierung von Fließgewässern vom
1.12.2011. Durch die Restwasserdotation
ergeben sich positive Auswirkungen auf
die gesamte Restwasserstrecke. Der für die
aquatische Bodenfauna nutzbare Lebensraum und die Habitateignung für die
Fischarten Bachforelle und Äsche vergrößern sich gegenüber dem Ist-Zustand, so
dass sich neben der Herstellung der
Durchgängigkeit auch eine deutliche Ver-
besserung der Lebensraumeignung in der
Ausleitungsstrecke prognostizieren lässt.
Ein weiterer positiver Aspekt wäre
auch in Bezug auf das Äschenprojekt des
Tiroler Fischereiverbandes denkbar: Studien in Frankreich haben gezeigt, dass „…
die Entnahme von Laichfischen an den
Fischliften insbesondere den Vorteil bietet, dass der Fang der Fische während deren Laichwanderung erfolgt. Hierdurch
kann eine große Anzahl von Elternfischen, deren Geschlechtsprodukte schon
sehr weit herangereift sind, in relativ kurzer Zeit rekrutiert werden. Zudem ist es
möglich, die Fische aus dem Fischlift direkt in geeignete Transportbehälter zu
überführen, ohne dass diese dem Wasser
entnommen werden müssen, wodurch
fang- oder transportbedingte Sterblichkeiten minimiert werden konnten …“ [12].
Bei Bedarf könnten also Elterntiere direkt
aus dem Fischlift schonend entnommen
werden.
Die hier dargestellte Maßnahme wurde im wasser- und naturschutzrechtlichen
Bewilligungsverfahren positiv beurteilt.
Nach Vorliegen der Genehmigungsbescheide wurde für das Projekt von Seiten
des Bundes und dem Land Tirol ein Finanzierungszuschuss von insgesamt 25 %
der Investitionskosten zugesichert (Umweltförderungsgesetz, „Förderung Ge­
wässerökologie“). Der Baubeginn ist im
September 2014 erfolgt, die Inbetriebnahme wird im Dezember 2015 stattfinden.
Über die ausgeführte Anlage und die Er-
Bild 9: Fotomontage des Fischlifts Runserau (Quelle: TIWAG)
97
GEWÄSSER
fahrungen der Inbetriebnahme wird nach
Vorliegen der ersten Monitoringergebnisse berichtet werden.
Autoren
Danksagung
TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG
Eduard-Wallnöfer-Platz 2
6020 Innsbruck, Österreich
[email protected]
[email protected]
[email protected]
Wir danken Dr. Bernhard Hofer und allen
an der Planung beteiligten Kollegen der
TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG. Ebenso
danken wir Mag. Michael Hubmann (ARGE Limnologie, Befischungen und Dotierwasservorschlag), Dr. Matthias Schneider
(sje, ethohydraulische Modellierung) und
Prof. Maria Teresa Ferreira (Technische
Universität Lissabon) für die laufende Beratung und Unterstützung.
Mag. Dr. Martin Schletterer
Dipl.-Ing. Dr. Robert Reindl
Dipl.-Ing. Stefan Thonhauser
Literatur
[1] Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Hrsg.):
Nationaler Gewässerbewirtschaftungsplan
2009. Internationale und Bilaterale Koordinie-
Martin Schletterer, Robert Reindl and Stefan Thonhauser
Ecological Considerations for the Planning of the 1st Fish Lift in Austria
at the Weir Runserau, Tyrol
The Runserau fish pass is an innovative undertaking and it is the first lift fish in
Austria. We have opted for this type of fish pass because of the extremely
variable headwater levels and the lack of space at the existing Runserau weir on
the River Inn. A literature review was undertaken and revealed many examples
of successful implementation of lifts to enable fish migration, but it also turned
out that the entrance situation is a critical point. Therefore the design includes
two entrances in the tailwater (conventional vertical slot passes) to ensure the
findability of the fish pass. In addition a long fish-pipe – enabled by the
construction type fish lift – leads to a favourable exit, i.e. upstream connection
with the headwater. Thus, the lift is optimally linked to the fish migration
corridor. Construction work was started in September 2014. In future, the river
will have a minimum flow of 5 m³/s which will ensure the migration corridor.
Мартин Шлеттерер, Роберт Райндл и Штефан Тонхаузер
Экологические основы и рамочные условия проектирования
первого рыбоподъемного лифта Австрии на плотинном узле
Рунзерау (Runserau), Тироль.
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WasserWirtschaft mein-fachwissen.de/ WA /probe
Рыбоподъемный лифт Рунзерау (Runserau) является инновационным
проектом и первым подобным сооружением в Австрии. Этот тип
конструкции был выбран с целью восстановления проходимости на
существующем плотинном гидроузле Рунзерау (Runserau) на реке Инн (Inn),
где имеют место высокие колебания уровня паводковой воды и
ограниченные пространственные условия. Обширный литературный обзор
показывает, что благодаря особой конструкции рыбоподъемного лифта
вопрос проходимости может быть успешно решен при условии
положительного разрешения ситуации с заходом рыбы. Это было
реализовано в ходе предметного планирования посредс твом
комбинирования с дополнительным, уже подсоединенным сооружением
для входа рыбы, имеющим шлицевые каналы; кроме того − что стало
возможным только благодаря конструкции лифта – сплавной водовод
ведет вплоть до удобного места возврата, и, таким образом, сооружение
оптимально привязано к миграционному каналу в области как нижнего, так
и верхнего бьефа.
rung. Wien, 2010 (BMLFUW-UW.4.1.2/0011I/4/2010).
[2] Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Hrsg.):
Leitfaden zum Bau von Fischaufstiegshilfen.
Wien, 2012.
[3] Travade, F.; Larinier, M.: Fisch locks and fish
lifts. In: Bull. Fr. Pêche Piscic. (2012), Nr. 364
suppl., S. 102-118.
[4] IB Floecksmühle (Hrsg.): Verbesserung und
Vernetzung aquatischer Lebensräume Planungsempfehlungen zu Fischaufstiegsanlagen, Studie im Auftrag des Staatlichen Umweltamtes Suhl, 2004.
[5] Larinier, M.: Etude du fonctionnement d’une
passe à poissons à ralentisseurs plans. In: Bull.
Fr. Pêche Piscic. (1978), Nr. 271, S. 40-54.
[6] Larinier, M.; Travade, F.: La conception des
­dispositifs de franchissement pour les Aloses.
In: Bull. Fr. Pêche Piscic. (1992), Nr. 326/327,
S. 125-133.
[7] Pavlov, D. S.: Structures assisting the migration of non-salmonid fish. FAO Fisheries Technical Paper (1989), Nr. 308.
[8] Santos, J. M.; Bochechas, J. H.; Ferreira, M. T.;
Godinho, F. N.: Performance of fish lift recently
built at the Touvedo Dam on the Lima River,
Portugal. In: Journal of Applied Ichthyology
(2002), Nr. 18, S. 118-123.
[9] Redeker, M.: Wiederherstellung der Gewäs­
serdurchgängigkeit für die Aquafauna an Talsperren. Was ist machbar? Was ist sinnvoll? In:
WasserWirtschaft 95 (2005), Heft 1/2, S. 35-40.
[10]Kopecki, I.; Tuhtan, J. A.; Schneider, M.;
­Ortlepp, J.; Thonhauser, S.; Schletterer, M.: Assessing fishway attraction flows using an ethohydraulic approach. In: Proceedings of the
3rd IAHR Europe Congress, Porto, 2014.
[11]Woschitz, G.; Eberstaller, J.; Schmutz, S.:.
­Mindestanforderung bei der Überprüfung
von Fischmigrationshilfen (FMH) und Bewertung der Funktionsfähigkeit. Richtlinie der
Fachgruppe Fischereisachverständige beim
Österreichischen Fischereiverband. Österreichischer Fischereiverband, Richtlinie 1/2003.
[12] Scharbert, A.; Beeck, P.: Die Wiederansiedlung
des Maifischs (Alosa alosa) im Rhein-System.
In: LANUV-Fachbericht (2010), Nr. 28.
7/8 | 2015