25 prozentige Arbeitsunfähigkeit soll möglich sein!

Sachverständigenrat will Reform: 25 prozentige Arbeitsunfähigkeit sol...
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Ärzte Zeitung online, 07.12.2015 10:31
Sachverständigenrat will Reform
25 prozentige Arbeitsunfähigkeit soll möglich sein!
Der Sachverständigenrat will eine Reform der Krankschreibung: Möglich soll werden, dass
Arbeitnehmer zu 25 Prozent oder 50 Prozent krank geschrieben werden, schlagen die Experten vor.
Doch das sind nicht ihre einzigen Empfehlungen.
Von Anno Fricke
Kommt es zu einer Reform des Krankengelds und der Krankschreibung?
© Bernd_Leitner / fotolia.com
BERLIN. In Deutschland gilt bei Krankschreibungen eine Alles-oder-nichts Regel. Entweder ist man zu 100
Prozent krank oder zu 100 Prozent arbeitsfähig. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung
im Gesundheitswesen schlägt nun vor, diese eherne Regel aufzubrechen.
In Deutschland solle es möglich werden, die im Rahmen einer Krankschreibung festgestellte
Arbeitsunfähigkeit prozentual zu differenzieren, heißt es im Sondergutachten des Rats "Krankengeld Entwicklung, Ursachen und Steuerungsmöglichkeiten".
Das Gutachten haben die Gesundheitsweisen vor wenigen Minuten an Gesundheitsminister Hermann
Gröhe (CDU) übergeben.
Die wichtigsten Empfehlungen der Gesundheitsweisen für eine Reform des Krankengelds:
Einführung einer Teilarbeitsunfähigkeit und Teilkrankengeld: Nicht jede Verletzung oder Krankheit führe
gleich zum Totalausfall eines Arbeitnehmers, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Professor
Ferdinand Gerlach, im Vorfeld der Veröffentlichung der "Ärzte Zeitung".
Im Konsens zwischen Arzt und Patient solle die Arbeitsunfähigkeit graduell festgelegt werden können. Dies
solle in Schritten zwischen 25 und 100 Prozent möglich sein, sagte Gerlach.
Das trotz Krankheit möglicherweise vorhandene Restleistungsvermögen zu nutzen, erleichtere die sozialen
und finanziell negativen Folgen einer unnötig verzögerten Wiedereingliederung ins Erwerbsleben, heißt es
dazu in der entsprechenden Empfehlung der Gesundheitsweisen an den Gesetzgeber.
Die Zahlung eines Teilkrankengelds solle bereits während der ersten sechs Wochen der Krankheit, also
während der Phase der Entgeltfortzahlung, möglich sein.
Ab der siebten Woche sollten Arbeitnehmer bei einer graduellen Teilarbeitsunfähigkeit von zum Beispiel 50
Prozent zusätzlich zu dem ihnen zustehenden anteilig berechneten Arbeitsentgelt auch die Hälfte des
Krankengelds erhalten.
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07.12.2015 15:30
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Präzisierung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen: Der Rat schlägt vor, nur noch die Angabe einer
einzigen arbeitsunfähigkeitsbegründenden Hauptdiagnose zu ermöglichen. Bisher können Ärzte mehrere
Diagnosen ohne Gewichtung auf dem Formular angeben.
Realistische Bedarfsplanung für die Versorgung psychischer Erkrankungen: Das Gutachten setzt bei
den Ursachen an. Am zweithäufigsten schreiben Ärzte aufgrund seelischer Leiden krank. Zudem dauert die
Genesung von psychischen Störungen oft länger als die Heilung von Rückenschmerzen. Das geht aus den
Versorgungsreports der Krankenkassen hervor.
Der Sachverständigenrat empfiehlt eine kritische Prüfung der tatsächlich vorhandenen
psychotherapeutischen Kapazitäten. Wartezeiten auf Therapien verlängerten möglicherweise die
Krankheitsdauern und somit die Krankengeldzahlungen.
Beispielsweise könne geprüft werden, ob die Bedarfsplanung die tatsächlich erbrachten
Psychotherapiestunden der gegenwärtigen Kassensitze abbilde, um verdeckter Unterversorgung auf die
Spur zu kommen.
Selektivverträge mit garantierten Zugangsgarantien zu Behandlungen könnten ein geeignetes Mittel sein,
Wartezeiten auf psychotherapeutische Behandlungen zu reduzieren.
Einrichtung eines gemeinsamen medizinischen Dienstes der Renten- und Krankenversicherung:
Komplexe Fälle landen oft auf "Verschiebebahnhöfen", sagt Gerlach. Renten-, Kranken- und
Arbeitslosenversicherung versuchten dann jeweils Zuständigkeiten von sich wegzuschieben.
Abhilfe könne ein Runder Tisch für Fallkonferenzen und ein gemeinsamer Medizinischer Dienst von Rentenund Krankenversicherung bieten. So könne eine Verkürzung der Wartefrist zwischen Antragstellung und
Bewilligung von Rehaleistungen erreicht werden. Zudem ließe sich Doppelarbeit vermeiden.
Abgeschaut hat sich der Sachverständigenrat dieses Modell in Skandinavien.
Krankengeld-Ausgaben steigen
Die überproportional steigenden Ausgaben für das Krankengeld hatten den Ausschlag dafür gegeben, den
Sachverständigenrat mit der Erstellung eines Sondergutachtens zu Ursachen und Steuerungsmöglichkeiten
zu beauftragen.
Diese Entwicklung sieht Gerlach nicht kritisch. Etwa die Hälfte des Anstiegs sei auf politisch erwünschte
Faktoren zurückzuführen wie höhere Beschäftigung, längere Lebensarbeitszeiten und steigende
Erwerbseinkommen sowie eine steigende Grundlohnsumme.
Die Entwicklung der Ausgaben für Krankengeld verläuft nicht einheitlich. 1995 gaben die Kostenträger
umgerechnet 9,4 Milliarden Euro dafür aus. Der Anteil an den Leistungsausgaben der GKV lag bei 8,1
Prozent.
Erst 2014 wurde dieser Wert mit 10,6 Milliarden Euro wieder übertroffen. Relativ lag er mit einem Anteil von
5,5 Prozent niedriger als 1995.
Allerdings übertraf der durchschnittliche Anstieg der Ausgaben für das Krankengeld in den Jahren von 2006
bis 2014 von rund 8,1 Prozent den der Gesamtausgaben, die lediglich um 4,3 Prozent im Schnitt anstiegen.
Diese Entwicklung hatte die große Koalition zum Anlass genommen, den Sachverständigenrat zu
beauftragen ein Sondergutachten zu erstellen.
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